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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 1 W 188/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 2247
BGB § 2260
ZPO § 418
ZPO § 435
Das Fehlen des Originaltestaments steht der Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage des Inhalts des Testaments nicht entgegen, wenn eine beglaubigte Kopie des Testaments vorhabend ist, auf die die Beweisregeln über öffentliche Urkunden Anwendung finden.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 188/06

In der Erbscheinssache

betreffend den Nachlass des am 12. Fnnn 1nn geborenen und am 17. Ann 1nn mit letztem Wohnsitz Fnnnnnn, nnn Bnnn , verstorbenen

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking und die Richter am Kammergericht Müller und Dr. Müther in der Sitzung am 9. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von bis zu 22.000 EUR mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erstbeschwerde unter Zurückweisung im Übrigen als unzulässig verworfen wird, soweit der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines ihn als Alleinerben und hilfsweise einen ihn und seinen Bruder als Miterben zu je 1/2 ausweisenden Erbschein beantragt.

Gründe:

A.

Dem vorverstorbenen Bruder des Beteiligten zu 1), Herrn Hnnn Bnn , ist aufgrund einer notariell beurkundeten Erbscheinsverhandlung vom 7. Mai 1976 am 30. Juni 1976 ein ihn als Alleinerben nach dem Erblasser ausweisender Erbschein erteilt worden. Am 22. September 1995 hat das Nachlassgericht auf Antrag von Hnnn Bnn einen Ergänzungserbschein erteilt. Nach diesem Erbschein wird der am 30. Juni 1976 erteilte Erbschein dahin ergänzt, dass Hnnn Bnn auch Alleinerbe hinsichtlich der auf dem Gebiet der ehemaligen DDR belegenen Grundstücke oder Grundstücksrechte beziehungsweise Gebäude ist. Mit Schreiben vom 8. Februar 2002 hat der Beteiligte zu 1) die Einziehung des Erbscheins vom 30. Juni 1976 mit der Begründung begehrt, dass das der Erbscheinserteilung zugrunde liegende Testament unecht sei. Diesen Antrag hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 27. August 2004 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Beschwerde vom 25. Oktober 2004 hat das Landgericht mit einem Beschluss vom 12. April 2006 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 8. Mai 2006.

B.

I. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die notwendige Beschwer des Beteiligten zu 1) ergibt sich aus der Erfolglosigkeit seiner Erstbeschwerde. Die weitere Beschwerde hat aber keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einem Rechtsfehler beruht, auf den die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit §§ 546f. ZPO.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Verfahrensgegenstand sei lediglich die Frage, ob der dem mittlerweile verstorbenen Bruder des Beteiligten zu 1) erteilte Erbschein vom 30. Juni 1976 einzuziehen sei, weil das Nachlassgericht nur über diese Frage eine Entscheidung getroffen habe. Über die weiter gestellten Anträge auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe, hilfsweise gemeinsam mit seinem Bruder als Miterben zu je 1/2 sei daher nicht zu entscheiden. Eine Einziehung des Erbscheins vom 30. Juni 1976 komme aber nicht in Betracht, weil dieser nicht unrichtig sei. Der Bruder des Erblassers, der nachverstorbene Sohn des Erblassers Hnnn Bnn , sei aufgrund des handschriftlichen Testaments vom 1. Mai 1974 zum Alleinerben eingesetzt worden. Dieses Testament habe zwar dem Nachlassgericht nicht im Original vorgelegen. Errichtung und Inhalt eines Testaments könnten aber auch durch andere Beweismittel, wie eine Kopie nachgewiesen werden. Von einer Errichtung und einem wirksamen Fortbestand des Testaments sei aber insbesondere aufgrund der Erklärungen des Notars Dr. Snnnn auszugehen, er habe die mit Beglaubigungsvermerk versehene Kopie eingereicht und die damit übereinstimmenden Originale bei der Errichtung der Erbscheinsverhandlung am 11. Mai 1976 selbst gesehen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beschwerde war allerdings als unzulässig zu verwerfen und dies im Tenor der landgerichtlichen Entscheidung klarzustellen, soweit der Beteiligte zu 1) mit der Beschwerde die Erteilung eines ihn als Erben ausweisenden Erbscheins beantragt hat. Denn insoweit fehlt es an einer Entscheidung des Nachlassgerichts, so dass die Entscheidung über diesen Antrag in der Beschwerdeinstanz nicht angefallen ist und die Beschwerde insoweit unzulässig war.

Ein Erbschein ist unrichtig und damit nach § 2361 Abs. 1 Satz 1 BGB einzuziehen, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2361 Rn. 3). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht verneint. a) Eine Unrichtigkeit des Erbscheins vom 30. Juni 1976 ergibt sich nicht daraus, dass der Erteilung kein Originaltestament zugrunde gelegt worden ist. Es ist anerkannt, dass der Erteilung eines Erbscheins nicht das Fehlen eines Testaments im Original entgegen steht, wenn die Existenz und der Inhalt der letztwilligen Verfügung anderweitig zur Überzeugung des Nachlassgerichts bewiesen wird, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 1162; Rpfleger 2004, 492; Palandt/Edenhofer, aaO, § 2255 Rn. 12). Auf eine wirksame Eröffnung des Testamentes kann es in derartigen Fällen nicht ankommen (vgl. KG JW 1919, 586), wobei im vorliegenden Fall - zu Recht (vgl. KG, aaO; Palandt/Edenhofer, aaO, § 2260 Rn. 2) - eine Eröffnung der in beglaubigter Kopie vorgelegten Testamente, auf deren Grundlage die Erbscheinserteilung erfolgt ist, auch stattgefunden hat.

b) Der Erbenstellung war die letztwillige Verfügung vom 1. Mai 1974 zugrunde zu legen. Dieses privatschriftliche Testament lag zwar nur in einer von dem Notar Dr. Snnnn gefertigten und beglaubigten Kopie vor. Aufgrund der Beglaubigung ergibt sich aber nach § 418 Abs. 1 ZPO, dass ein entsprechendes Original am 11. Mai 1976 und damit nach dem Tod des Erblassers vorhanden war. Die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden gelten dabei über die Regelung des § 15 FGG hinaus auch im Erbscheinsverfahren (vgl. Jansen/v. König, FGG, 3. Aufl., § 15 Rn. 79; Keidel/Schmidt, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 15 Rn. 53). Auch die von dem Beteiligten zu 1) erhobenen Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Beglaubigung sind insoweit unbeachtlich, weil die Unrichtigkeit der durch die Beglaubigung bezeugten Tatsachen nicht bewiesen ist, § 418 Abs. 2 ZPO. Eine Notwendigkeit zur Vernehmung des Notars über die Richtigkeit seines Vermerks ergibt sich nicht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von den Sachverhalten, die den von dem Beteiligten zu 1) in Bezug genommenen Entscheidungen des BayObLG (FamRZ 1990, 1162) und des OLG Zweibrücken (FamRZ 2001, 1313) zugrunde lagen, in denen gerade kein Urkundenbeweis geführt werden konnte.

c) Der Berücksichtigung des Testaments vom 1. Mai 1974 steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass das Original der mit dem Beglaubigungsvermerk des Notars versehenen Fotokopie der Schreiben des Erblassers vom 7. April und 1. Mai 1974 nicht mehr vorhanden ist. Aus dem Eröffnungsprotokoll vom 3. Juni 1976, das als öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO anzusehen ist, folgt, dass als Original die vom Notar abgelieferte beglaubigte Fotokopie von zwei in Verlust geratenen Testamentsurkunden zum Zeitpunkt der Eröffnung vorlag. Dass es sich dabei um die der Erbscheinserteilung zugrunde gelegten Schreiben vom 7. April und 1. Mai 1974 handelte, ergibt sich aus der in der Testamentsakte befindlichen beglaubigten Fotokopie der vom Notar beglaubigten Fotokopie, die ihrerseits den Eröffnungsvermerk vom 3. Juni 1976 enthält. Die beglaubigte Abschrift tritt nach § 435 Satz 1, 1. Hs. ZPO an die Stelle des in Verlust geratenen Originals und hat danach die gleichen Beweiswirkungen. Diese beglaubigte Abschrift ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts als einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person gefertigt worden, zu deren Aufgaben die Fertigung von beglaubigten Abschriften von Testamenten gehört, vgl. § 2264 BGB. Dass die Tatsacheninstanzen von weiterer Glaubhaftmachung des Verlustes (§ 435 Satz 1, 2. Hs. ZPO) abgesehen haben, war nicht ermessensfehlerhaft, was in der weiteren Beschwerde allein geprüft werden kann (vgl. Jansen/Briesemeister, aaO, § 27 Rn. 58f.; Keidel/Meyer-Holtz, aaO, § 27 Rn. 23). Die sich unmittelbar aus den Akten ergebenden Feststellungen lassen - entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) Zweifel an der Richtigkeit der Beglaubigungsvermerke nicht aufkommen. Soweit des Landgericht von der Echtheit der in Kopie vorliegenden Urkunden vom 7. April und 1. Mai 1974 ausgegangen ist (§ 416 ZPO), werden Beanstandungen nicht erhoben.

d) Die Vorinstanzen sind auch zu Recht davon ausgegangen, dass der vorverstorbene Bruder als Alleinerbe des Erblassers anzusehen ist. Dies folgt aus dem als letztwillige Verfügung anzusehenden Schreiben vom 1. Mai 1974. Denn danach ist Hnnn Bnn als Universalerbe eingesetzt während sein Bruder, der Beteiligte zu 1), mit dem Pflichtteil abgefunden werden soll. Daraus ergibt sich wegen des Fehlens dem entgegenstehender Anhaltspunkte, dass der Beteiligte zu 1) nicht als Erbe eingesetzt ist, vgl. § 2304 BGB. Das von dem Beteiligten zu 1) in Kopie vorgelegte Schreiben vom 12. September 1968, das als vorläufiges Kurz-Testament überschrieben ist und ihn als Alleinerben ausweist, wäre nach § 2258 Abs. 1 BGB als aufgehoben anzusehen, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Das ebenfalls vor dem Testament gefertigte Schreiben vom 7. April 1974 kündigt lediglich die dann mit dem Schreiben vom 1. Mai 1974 erfolgte Erbeinsetzung an.

II. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, § 13a Abs. 1 FGG. Die weiteren Beteiligten sind am Verfahren nicht mit gegensätzlichen Anträgen aufgetreten. Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 KostO und berechnet sich nach dem reinen Wert des Nachlasses, § 107 KostO.

Ende der Entscheidung

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