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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 1 W 243/06
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV
Vorschriften:
RVG § 44 | |
RVG VV Nr. 2501 | |
RVG VV Nr. 1008 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 243/06
In der Beratungshilfesache
hier: Vergütungsfestsetzungsverfahren
hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht und die Richter am Kammergericht Müller und Dr. Müther in der Sitzung am 6. Februar 2007 beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Beteiligte zu 1) hat mit einem Schreiben vom 21. November 2005 die nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe wegen der Beratung zweier ihrer Mandanten in einer Mietsache beantragt und insoweit neben der Gebühr nach Nr. 2601 VV RVG idF vor dem 1. Juli 2006 (jetzt: Nr. 2501 VV RVG) eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG geltend gemacht. Mit der Bewilligung der Beratungshilfe ist die zu erstattende Vergütung am 14. Dezember 2005 auf 34,80 EUR festgesetzt und die Auszahlung angeordnet worden. Der weitergehende Antrag auf Festsetzung weiterer 10,44 EUR ist zurückgewiesen worden. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht Wedding mit einem Beschluss vom 20. Januar 2006 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte und vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde ist vom Landgericht Berlin mit einem Beschluss vom 8. Juni 2006 zurückgewiesen worden. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der vom Landgericht zugelassenen und am 28. Juni 2006 eingegangenen weiteren Beschwerde.
B.
I. Die weitere (sofortige) Beschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Landgericht statthaft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat aber keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, auf die die sofortige weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit §§ 33 Abs. 6 Satz 2 RVG, 546f. ZPO). Die Beteiligte zu 1) hat für die im Wege der Beratungshilfe ausgeübte Beratung die gesetzliche Vergütung erhalten (§ 44 Satz 1 RVG), so dass ihr die weiter geltend gemachte Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG wegen der Beratung von zwei Personen in derselben Angelegenheit nicht zusteht.
1) Allerdings ist umstritten, ob dem die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt im Falle der Beratung neben der Gebühr nach Nr. 2501 VV RVG auch die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zustehen kann. Teilweise wird dies bejaht (vgl. Anwaltskommentar/Schneider, RVG, 3. Aufl., VV 2501 Rn. 3; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 34 Rn. 94; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 17. Aufl., VV 2500-2508 Rn. 27; Enders, RVG für Anfänger, 13. Aufl., Rn. 373; Baumgärtel/Föller/Lome, RVG, 7. Aufl., Nr. 1008 Rn. 15; Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, VV 2501 Rn. 7). Insoweit wird geltend gemacht, die Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG betreffe alle Betriebsgebühren, zu denen auch die Beratungsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG gehöre. Nach anderer Ansicht, die auch zu der vor dem Inkrafttreten des RVG geltenden BRAGO vertreten wurde (vgl. dazu OLG Köln JurBüro 1992, 237; OLG Stuttgart JurBüro 1984, 53; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 6 Rn. 8, § 20 Rn. 7; § 132 Rn. 5) kommt eine Erhöhung einer Beratungsgebühr und damit auch der Gebühr nach Nr. 2501 VV RVG schon nach dem Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG bzw. des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht in Betracht (vgl. Bischof/Jungbauer/Bischof, RVG, 2. Aufl., Nr. 1008 VV Rn. 52; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 1008, Rn. 13ff.; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 9. Aufl., § 7 Rn. 37).
2) Der Senat schließt sich mit den Vorinstanzen der zuletzt genannten Ansicht an.
Nach der Regelung des Nr. 1008 VV RVG erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr, wenn mehrere Personen in derselben Angelegenheit Auftraggeber sind. Nach dem Wortlaut ist damit die von den genannten Gebühren zu unterscheidende Beratungsgebühr nicht erfasst. Dass dem Gesetzgeber bei der Fassung der Regelung ein Fehler unterlaufen ist, lässt sich der Gesetzgebungsgeschichte nicht entnehmen. Dagegen spricht auch die Tatsache, dass bereits zu dem dieser Vorschrift vorangehenden § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO dieselbe Rechtsfrage in Streit stand (vgl. OLG Köln JurBüro 1992, 237; OLG Stuttgart JurBüro 1984, 53; Hansen, BRAGO, 8. Aufl., § 6 Rn. 8; Gerold/Schmidt/v. Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 6 Rn. 32), so dass im Rahmen der Neuordnung des anwaltlichen Gebührenrechts eine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzgeber zu erwarten gewesen wäre. Auch die Besonderheiten der Beratungshilfegebühren geben nichts dafür her, dass sich die Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG auf die Beratungsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG zu erstrecken hat. Der Gesetzgeber hat - im Gegenteil - durch die ausdrückliche Bestimmung in Vorbemerkungen 2.5 VV RVG, die im Rahmen der Beratungshilfe entstehenden Gebühren richteten sich ausschließlich nach dem Abschnitt 5, eine analoge Anwendung der dort nicht erwähnten Gebührentatbestände ausgeschlossen. Da in den Nrn. 2501 und 2502 VV RVG die Beratungstätigkeit und in Nrn. 2503-2507 VV RVG die für das Betreiben des Geschäfts anfallenden Gebühren geregelt sind, hat der Gesetzgeber für die lediglich die Geschäftsgebühr betreffende Erhöhung nach Nr. 1008 VV keine Anwendung auf die Gebühr nach Nr. 2501 VV RVG eröffnet. Das erscheint auch sachlich begründet: Wie das Landgericht zutreffend ausführt, entsteht im Fall der Beratung auch bei Beauftragung durch mehrere Rechtssuchende in der Regel kein erhöhter Aufwand für die Informationsaufnahme und Ratserteilung; ein erhöhter Aufwand ist typischer Weise erst mit dem Betreiben des Geschäfts für mehrere Auftraggeber verbunden. Dass der im Einzelfall gleichwohl mögliche Mehraufwand bei der Beratung mehrerer Rechtssuchender nicht - anders als im Falle der Rahmengebühr nach Nr. 2100 VV RVG a. F. (jetzt: § 34 RVG) nach den Grundsätzen des § 14 RVG - Berücksichtigung finden kann, ist in der Entscheidung des Gesetzgebers begründet, die Ratsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG (früher: Nr. 2601 VV RVG) als Festgebühr zu bestimmen. Diese Begrenzung der Gebühren beruht auf dem öffentlichen Interesse, mit der Beratungshilfe auch Rechtssuchenden, die aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sind, einen Rechtsanwalt aus eigener Tasche zu bezahlen, die Möglichkeit zu eröffnen, sachkundigen Rechtsrat zu erlangen.
II. Das Verfahren über die sofortige weitere Beschwerde ist gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
Ende der Entscheidung
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