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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.01.2002
Aktenzeichen: 1 W 246/01
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG


Vorschriften:

BGB § 1836
BGB § 1836 a
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
1. Bei einer Ausbildung in der ehem. DDR steht der Umstand, dass die Ausbildung je nach Fachrichtung in mehr oder weniger goßem Umfang auf die Besonderheiten des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems der DDR bezogen war, wie insbesondere bei der Vermittlung rechtlicher und ökonomischer Kenntnisse, deren Berücksichtigung als betreuungsrelevant jedenfalls bei feststehender Gleichwertigkeit des Ausbildungsabschlusses mit einem entsprechenden Ausbildungsabschluss in den alten Bundesländern nicht entgegen.

2. Ein Berufsbetreuer, der in der ehem. DDR nach einer Ausbildung zum Dipl.-Ing. für Elektrotechnik ein postgraduales Hochschulstudium mit dem Abschluss als Patentingenieur absolviert hat, dessen Gleichwertigkeit mit einem entsprechenden Hochschulstudium in den alten Bundesländern behördlich bescheinigt worden ist, verfügt über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse, die durch ein abgeschlossenes Hochschulstudium erworben sind.


KAMMERGERICHT Beschluss

1 W 246/01

in der Betreuervergütungssache

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 2. März 2001 in der Sitzung vom 22. Januar 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss wird geändert und wie folgt neu gefasst:.

a) Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird in Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts Wedding vom 2. Februar 2000 dem Beteiligten zu 1. über den darin bereits bewilligten Betrag von 2.241,02 DM hinaus eine weitere Vergütung von 266,27 EURO aus der Landeskasse Berlin bewilligt.

b) Die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 2. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde auf 800 bis 900 DM festgesetzt.

3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 27. März 2001 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Kammergerichts eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den ihm am 16. März 2001 zugestellten Beschluss des Landgerichts vom 2. März 2001 ist gemäß den §§ 56g Abs. 5, 69e und 29 Abs. 2 FGG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere hat das Landgericht das Rechtsmittel zugelassen. Der Beteiligte zu 1. ist durch den angefochtenen Beschluss gemäß § 20 FGG beschwert, weil das Landgericht seine sofortige Beschwerde gegen die teilweise Zurückweisung seines Antrages auf Bewilligung einer Betreuervergütung von 2.761,80 DM durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Februar 2000 zurückgewiesen und darüber hinaus auf die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2. den Beschluss teilweise wegen einer Vergütung von 347,06 DM aufgehoben hat.

In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde, mit der der Beteiligte zu 1. geltend macht, für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 1999 stehe ihm aufgrund seiner Ausbildung ein Stundensatz von 60,-- DM gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG zu, in vollem Umfang Erfolg. Das Landgericht hat bei der Bemessung der dem Beteiligten zu 1. zu gewährenden Betreuervergütung rechtsfehlerhaft nur einen Stundensatz von 35,-- DM zugrundegelegt. Der angefochtene Beschluss ist daher zu ändern. Einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht bedarf es nicht, weil der Senat aufgrund des vorliegenden Rahmenstudienplans der H-Universität von 1971 für das postgraduale Studium des Beteiligten zu 1. zur Ausbildung als Patentingenieur und des nunmehr vollständig vorliegenden Fachstudienplans von 1972 den Sachverhalt eigenständig würdigen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 187/188).

Mit Recht zieht das Landgericht für die Beurteilung der Frage, in welcher Höhe dem Beteiligten zu 1. für die Betreuung der Betroffenen in dem Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Oktober 1999 eine Vergütung zusteht, die §§ 1908i, 1836 Abs. 1 und Abs. 1, 1836a, 1836c und 1836d in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung heran. Für die seitdem erbrachten Leistungen des Beteiligten zu 1. sind die genannten materiell-rechtlichen Vorschriften maßgeblich, die durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1580) eingeführt worden und gemäß Art. 5 Abs. 2 BtÄndG zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten sind. Unbeanstandet und zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beteiligte zu 1. Berufsbetreuer iSv § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB und die Betroffene mittellos iSd §§ 1836a, 1836c und 1836d BGB ist. Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, dass sich die Höhe des Stundensatzes für die vom Beteiligten ab dem 1. Januar 1999 erbrachten Betreuungsleistungen wegen der Mittellosigkeit der Betroffenen nach den §§ 1908i, 1836 Abs. 1 und 2, 1836a BGB sowie § 1 BVormVG richtet. Dabei bestimmt die Regelung in § 1 BVormVG, die verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. BVerfG BtPrax 2000, 120), in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, dass die dem Betreuer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit 35,-- DM beträgt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erhöht sich diese Vergütung, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, und zwar gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG auf 45,-- DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind, und nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG auf 60,-- DM, wenn sie durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. Bestellt das Gericht einen Betreuer, der über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuungen allgemein nutzbar und durch eine Ausbildung iSv 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erworben sind, wird nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG grundsätzlich vermutet, dass die Kenntnisse auch für die Führung der konkreten Betreuung nutzbar sind (vgl. dazu BayObLGFamRZ 2001,187; OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 89/90 und FGPrax 2001, 21/ 22; HK-BUR - Bauer/Deinert, 28 EL., § 1836 Rdn. 102; Damrau/Zimmermann, BetR, 3. Aufl., § 1836a Rdn. 51), es sei denn, das Vormundschaftsgericht hat bei der Bestellung des Betreuers etwas anderes bestimmt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BVormVG), was hier nicht der Fall ist.

Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass hier die Übergangsregelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVormVG nicht einschlägig ist, weil der Beteiligte zu 1. am 1. Januar 1999 nicht bereits seit zwei Jahren Berufsbetreuer war.

Nach der vorstehend dargestellten gesetzlichen Regelung steht demjenigen Betreuer, der im Zeitpunkt seiner Bestellung über besondere, für die Betreuung nutzbare Kenntnisse verfügt und diese durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben hat, ein Stundensatz von 60,-- DM zu (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG). Die im Gesetz verwendeten Begriffe "Fachkenntnisse" in § 1836 Abs. 2 Satz 2 BGB und "besondere Kenntnisse" in § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG stehen in ihrer Bedeutung gleich. "Fachkenntnisse" bzw. "besondere Kenntnisse" sind Kenntnisse, die -bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet- über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand und Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann. Für die Führung einer Betreuung nutzbar sind solche Kenntnisse, wenn sie den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass derartige Kenntnisse das gesamte Anforderungsprofil der Betreuung abdecken; vielmehr reichen Kenntnisse zur Bewältigung eines bestimmten Aufgabenkreises aus (vgl. zu Vorstehendem BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und FamRZ 2001, 187; OLG Jena BtPrax 2000,170; OLG Schleswig BtPrax 2000, 262/263; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21; HK-BUR-Bauer/Deinert aaO). Da es sich bei der Betreuung in ihrem Wesen um eine rechtliche Betreuung handelt (vgl. § 1901 Abs. 1 BGB), kommt insbesondere rechtlichen Kenntnissen eine besondere Bedeutung zu; betreuungsrelevant sind darüber hinaus aber auch - je nach den übertragenen Aufgabenkreisen - Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (BayObLG a.a.O.; OLG Jena aaO; OLG Köln FamRZ 2000,1303; OLG Zweibrücken a.a.O.; Knittel aaO S. 25; HK-BUR - Bauer/ Deinert aaO; Krit. Damrau/Zimmermann aaO Rdn. 52).

Der Betreuer muss die relevanten Kenntnisse durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben haben, wobei der Gesetzgeber offen gelassen hat, durch welche Ausbildungsgänge für eine Betreuung nutzbare Kenntnisse erworben werden. Jedoch ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil die Ausbildung wegen der Komplexität der betreffenden Fachrichtungen gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung solcher Fachkenntnisse ausgerichtet ist (BayObLG a.a.O.; OLG Jena aaO; OLG Dresden FamRZ 2000, 847), wie das etwa bei den Studiengängen Rechtswissenschaften, Rechtspflege, Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Betriebswirtschaft regelmäßig der Fall ist (BayObLG aaO; OLG Jena aaO). Dies bedeutet allerdings nicht, dass die höheren Vergütungsstufen nur bestimmten Berufsgruppen vorbehalten sind.

Vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Ausbildung des Betreuers die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 BVormVG erfüllt (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 187/188; OLG Dresden a.a.O.). Hierzu bedarf es konkreter Feststellungen anhand der maßgebenden Regelungen der jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsinhalte, ob und in welchem Umfang im Rahmen der absolvierten Ausbildung besondere, für die Führung von Betreuungen nutzbare Kenntnisse erworben worden sind. Der Annahme, dass die Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens zum Kernbereich der Ausbildung gehörte, steht dabei nicht schon entgegen, dass die Ausbildung schwerpunktmäßig eine andere Zielrichtung hatte. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet war und das Niveau des dadurch erworbenen betreuungsrelevanten Gesamtwissens über ein Grundwissen deutlich hinausging, auch wenn in einzelnen Fächern nur Grundzüge gelehrt wurden, und dieses Wissen selbständiger Teil der Prüfung war (vgl. etwa zum Verwaltungsangestellten BayObLG a.a.O.; zum Handwerksmeister OLG Köln FamRZ 2000, 1303/1304; zum Dipl.-Ing. Landbau OLG Schleswig BtPrax 2000, 172).

Wurde die Ausbildung in der ehemaligen DDR abgeschlossen, ist im Grundsatz in gleicher Weise zu prüfen, ob sie im Kernbereich die Vermittlung besonderer Kenntnisse in betreuungsrelevanten Fachgebieten umfasste. Dabei steht der Umstand, dass die Ausbildung je nach Fachrichtung in mehr oder weniger großem Umfang auf die Besonderheiten des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems der ehemaligen DDR bezogen war, wovon insbesondere hinsichtlich der Vermittlung rechtlicher und ökonomischer Kenntnisse auszugehen ist, deren Berücksichtigung als betreuungsrelevant für sich allein nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsabschlusses mit einem in den alten Bundesländern erworbenen Abschluss auf einem entsprechenden Fachgebiet - sei es durch Rechtsvorschrift oder einen Gleichstellungsbescheid der zuständigen Behörde - anerkannt worden ist. Denn die Regelungen zur Feststellung der Gleichwertigkeit von in der DDR erworbenen Abschlüssen haben gerade zum Ziel, die bestehenden systembedingten Nachteile aus der ehemaligen DDR stammender Personen bei einer beruflichen Neuorientierung soweit vertretbar auszugleichen. Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung wird daher für die Feststellung der Gleichwertigkeit die Feststellung der "Niveaugleichheit" als genügend angesehen, d.h. wenn ein Ausbildungsniveau festgestellt wird, das auch bei der Aufnahme neuer beruflicher Betätigung nach geeigneten individuellen Bemühungen um die Beseitigung vorhandener Defizite eine erfolgreiche selbständige Einarbeitung in die beruflichen Anforderungen erwarten lässt. Diese setzt in erster Linie die formelle und funktionale Gleichheit der Ausbildung in dem betreffenden Berufsfeld, inhaltlich aber lediglich eine fachliche Annäherung voraus, während eine besondere Ausrichtung auf das System der DDR nicht entgegensteht (vgl. zu Vorstehendem eingehend BVerwGE 106, 24/37 ff.). Die für die Feststellung der Gleichwertigkeit maßgebenden Grundsätze sind auch im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob die in der ehemaligen DDR abgeschlossene Ausbildung des Betreuers die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 BVormVG erfüllt. Andernfalls würde deren Zielsetzung gerade für den nicht unbedeutenden Kreis derjenigen Betroffenen, die sich der Tätigkeit des Berufsbetreuers zugewandt haben, außer Acht bleiben. Auch hier muss es demnach genügen, wenn die Ausbildung im Kernbereich die Vermittlung besonderer Kenntnisse in betreuungsrelevanten Fachgebieten umfasste, während deren inhaltliche Ausrichtung auf das System der DDR jedenfalls bei feststehender Gleichwertigkeit der Ausbildung nicht entgegensteht. Denn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsabschlusses bedeutet, wie vorstehend dargelegt, dass der Betreuer über ein formell und funktional gleiches Ausbildungsniveau verfügt, das ihm ein selbständiges Einarbeiten in die neuen beruflichen Anforderungen ermöglicht. Selbst wenn daher die Ausbildung eine erhebliche inhaltliche Ausrichtung auf das System der DDR aufwies, wie es insbesondere für rechtliche und ökonomische Kenntnisse anzunehmen ist, ist doch davon auszugehen, dass er aufgrund der erworbenen formellen Kenntnisse (des juristischen bzw. ökonomischen "Handwerks") in der Lage ist, sich in die abweichende Rechts- und Wirtschaftsordnung einzuarbeiten und insoweit einem Laien ohne besondere Fachkenntnisse nicht gleichzusetzen ist. Dies rechtfertigt die Bejahung der Voraussetzungen des § 1 Abs.1 BVormVG in solchem Fall (vgl. zu Vorstehendem OLG Dresden FamRZ 2001,188/189, zum DDR-Abschluss Ingenieurökonom, das im Hinblick auf dessen Gleichstellung mit dem Fachhochschulabschluss Betriebswirtschaft die Frage der Vermittlung im Kernbereich offen lässt; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 349, zum DDR-Abschluss Staatswissenschaftler und Gleichstellung mit dem Fachhochschulabschluss Diplom-Verwaltungswirt, das besondere Rechtskenntnisse verneint, da nur einzelne Rechtsprobleme und nicht juristische Grundkenntnisse Ausbildungsgegenstand waren; OLG Jena BtPrax 2000, 170/170, das die Relevanz in der ehemaligen DDR erworbener rechtlicher und ökonomischer Kenntnisse bezweifelt, für den Diplombauingenieur deren Vermittlung im Kernbereich verneint; abl. Damrau/Zimmermann a.a.O. Rdn.55).

Die Feststellung, ob ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG erfüllt, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Dessen Würdigung ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, also insbesondere darauf, ob das Erstbeschwerdegericht von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht hat (§12 FGG), wesentliche Umstände außer Betracht gelassen (§ 25 FGG) oder gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 27 Rdn. 42 m. w. N.). Solche Fehler sind hier gegeben. Zwar ist das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss im Ansatz zutreffend von den oben dargestellten rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Als rechtsfehlerhaft erweist sich jedoch seine Würdigung, das postgraduale Studium des Beteiligten zu 1. zur Ausbildung als Patentingenieur an der H-Universität zu, das er am 29. April 1975 erfolgreich abgeschlossen hat, habe in seinem Kernbereich keine besonderen betreuungsrelevanten Kenntnisse vermittelt. Das Landgericht hat sich zunächst nicht hinreichend mit dem Inhalt des absolvierten Studiums befasst. Denn es hat angenommen, der Beteiligte zu 1. habe sich vornehmlich mit allgemeinen wirtschaftsrechtlichen und makroökonomischen Fragestellungen beschäftigt; vom juristischen Teil des Studiums entfalle weit weniger als 1/3 auf die möglicherweise betreuungsrelevanten Bereiche, nämlich Zivil-/Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht der DDR (vgl. S. 7 BA).Tatsächlich handelte es sich bei der Ausbildung zum Patentingenieur um ein ausschließlich juristisches Aufbaustudium. Dies legte bereits der im Verfahren vor dem Landgericht eingereichte Auszug aus dem Fachstudienplan nahe und ergibt sich eindeutig aus der dem Senat -ebenso wie der zugehörige Rahmenstudienplan- inzwischen vorliegenden vollständigen Fassung. Danach war das Studium zwar vorrangig auf die Vermittlung von Kenntnissen auf dem Gebiet des wissenschaftlich-technischen Rechtsschutzes gerichtet. Von den insgesamt durch den Aufbaustudiengang vermittelten Kenntnissen entfiel auf die für die Führung einer Betreuung vom Landgericht als relevant angesehenen Kenntnisse im Zivil- und Zivilprozessrecht sowie im Arbeitsrecht ein zeitlicher Anteil von etwa einem Drittel. Zu Unrecht hat das Landgericht darüber hinaus zur Beantwortung der Frage, ob das Aufbaustudium des Beteiligten zu 1. in seinem Kernbereich auch auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse, also von Kenntnissen in den soeben genannten Fachgebieten, gerichtet war, maßgeblich auf den prozentualen zeitlichen Anteil dieses Ausbildungsteils an der Gesamtausbildung sowie darauf abgestellt, ob die Vermittlung dieser Kenntnisse Schwerpunkt des Studiums waren. Auch wenn eine Ausbildung -wie hier- schwerpunktmäßig auf andere Bereiche ausgerichtet war, genügt es - wie dargelegt -, dass die Vermittlung der betreuungsrelevanten Kenntnisse notwendiger und nicht unwesentlicher Bestandteil dieser Ausbildung war.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich aus den genannten Gründen als rechtsfehlerhaft und ist daher aufzuheben (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. 546 ZPO). Weitere Ermittlungen sind nicht veranlasst; insbesondere kann der Senat den im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde vollständig eingereichten "Fachstudienplan für die Ausbildung von Juristen für den wissenschaftlich-technischen Rechtsschutz" vom 1.3.1972, den "Rahmenstudienplan für das postgraduale Studium zur Ausbildung von Patentingenieuren an der Fachstudienrichtung wissenschaftlich-technischer Rechtsschutz der Sektion Rechtswissenschaft der H Universität zu (XII. Lehrgang) von 1971 sowie den übrigen Akteninhalt in eigener Zuständigkeit würdigen und selbst in der Sache entscheiden (§ 563 Abs.3 ZPO).

Der Senat gelangt nach eigener Würdigung zu dem Ergebnis, dass der Beteiligte zu 1. durch das nach seiner Ausbildung zum Dipl.-Ing. für Elektrotechnik abgeschlossene Aufbaustudium zum Patentingenieur für die Führung einer Betreuung nutzbare juristische Kenntnisse durch eine einer abgeschlossenen Hochschulausbildung vergleichbare Ausbildung erworben hat, so dass ihm gemäß § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BVormVG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung ein Stundensatz von 60 DM zusteht.

Zwar war seine am 29.April 1975 mit dem akademischen Grad des Patentingenieurs abgeschlossene Ausbildung in ihrem Schwerpunkt auf die Vermittlung juristischer Kenntnisse auf dem Gebiet des wissenschaftlich-technischen Rechtsschutzes gerichtet. Jedoch umfasste sie zu einem erheblichen Teil auch Kenntnisse in solchen Rechtsgebieten, die für die Führung einer Betreuung nutzbar sind und über bloße Grundkenntnisse deutlich hinausgehen. Insbesondere der Ausbildungsabschnitt Zivil- und Zivilprozessrecht der DDR umfasste nahezu sämtliche Gebiete des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), das bis zum Abschluss seiner Ausbildung auch in der DDR noch geltendes Recht war, nämlich Teile des Allgemeinen Teils, des Schuldrechts, Deliktsrechts, Eigentums- und Erbrechts (vgl. Seite 6 des Fachstudienplans), sowie das gesamte Zivilprozessverfahren. Sein zeitlicher Anteil an der Ausbildung war ebenfalls nicht unerheblich; zudem war er Gegenstand von Prüfungen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch Teile der sonstigen Ausbildung, etwa im Bereich des Arbeits- oder Vertragsrechts, betreuungsrelevant waren und auch nicht ausschließlich das Recht der DDR betrafen, sondern das Recht des nichtsozialistischen Auslands einbezogen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich insgesamt um ein juristisches Aufbaustudium handelte und daher im Rahmen der gesamten Ausbildung notwendigerweise die spezifisch juristische Methodik vermittelt wurde. Insgesamt sind die vermittelten juristischen Kenntnisse auf den ohne weiteres betreuungsrelevanten Gebieten des Zivil- und Zivilprozessrechts daher als über ein bloßes Grundwissen hinausgehende besondere Kenntnisse zu bewerten. Der Umstand, dass der Erwerb dieser Kenntnisse längere Zeit zurückliegt, steht dem nicht entgegen, da § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BVormVG ein Erfordernis der Aktualität der erlangten Kenntnisse nicht aufstellt, sondern allein auf deren Nachweis durch einen Ausbildungsabschluss abstellt.

Der Beteiligte zu 1. hat seine Kenntnisse auch durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung bzw. eine dieser vergleichbare Ausbildung im Sinne von § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BVormVG erworben. Dies folgt bereits aus der dem Senat vorliegenden Bescheinigung des Senators für Wissenschaft und Forschung vom 15.Februar 1984, der Beteiligte zu 1. habe mit dem Erwerb des akademischen Grades Patentingenieur den Nachweis über ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium erbracht, das einem hiesigen Hochschulabschluss gleichwertig ist. Daher ist auch im Rahmen des § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.2 BVormVG von der Gleichwertigkeit der Ausbildung auszugehen. Denn der Sinn einer solchen Bescheinigung besteht gerade in der verbindlichen Feststellung der Gleichwertigkeit, soweit es - wie hier - um die formelle Gleichstellung von Ausbildungsabschlüssen geht. Der Umstand, dass die in der ehemaligen DDR absolvierte Ausbildung nicht inhaltsgleich war, ist daher - wie dargelegt - nicht zu berücksichtigen.

Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG in der Person des Beteiligten zu 1. gegeben, weshalb er für seine Betreuertätigkeit Anspruch auf die höchste Vergütungsstufe von 60,-- DM/Stunde hat. Bei einem erforderlichen Zeitaufwand für die Erledigung der Betreuungsaufgaben in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 1999 von 29,93 Stunden steht dem Beteiligten zu 1. daher eine Betreuervergütung von 1.795,80 DM (29,93 Stunden x 60,-- DM) zzgl. 16 % Umsatzsteuer zu. Das sind 2.083,13 DM. Hinzu kommt die unangefochten festgesetzte Vergütung für den Zeitraum vom 17. November bis 31. Dezember 1998 von 587,25 DM (6,75 Stunden x 75,-- DM zzgl. 16 % Umsatzsteuer), sowie Auslagen von 91,42 DM, so dass sich ein Gesamtbetrag von 2.761,80 DM ergibt, dessen Bewilligung aus der Landeskasse der Beteiligte zu 1. unter dem 15. Januar 2000 auch beantragt hatte. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts ist daher dahin zu ändern, dass dem Beteiligten zu 1. über den bereits durch Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 2. Februar 2000 bewilligten Betrag von 2.241,02 DM hinaus eine weitere Vergütung von 520,78 DM, das sind umgerechnet 266,27 EUR, zu bewilligen und die Anschlussbeschwerde des Beteiligten zu 2 zurückzuweisen ist.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 130 Abs. 2, 30, 31 KostO. Sie erfolgt in DM, da die Gebühren noch nach der bis 31.12.2001 geltenden DM-Tabelle zu berechnen sein werden.

Für eine Kostenerstattungsanordnung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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