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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 1 W 253/06
Rechtsgebiete: GKG, ZPO
Vorschriften:
GKG § 6 Abs. 1 | |
GKG § 66 Abs. 2 | |
ZPO § 114 |
Kammergericht
Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 253/06
82 AR 68/06
In Sachen
hier: Kostenstreit
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 26. April 2006 am 4. März 2008 beschlossen:
Tenor:
In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird der Kostenansatz des Landgerichts Berlin vom 30. November 2005 (Sollstellung der Justizkasse Berlin vom 31. Januar 2006 zu Ksb-Nr. 1060601877005) aufgehoben.
Gründe:
Die Beschwerde ist nach § 66 Abs. 2 GKG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Kostenbeamte hätte die - ermäßigte - Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1211 KV zu § 3 Abs. 2 GKG nicht gegen die Beteiligte zu 1 festsetzen dürfen. Die Beteiligte zu 1 darf nicht auf Zahlung von Gerichtskosten in Anspruch genommen werden, weil die Beteiligte zu 1 mit dem Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 keine unbedingte Klage eingereicht hat und für das allein anhängig gemachte Prozesskostenhilfeverfahren keine Gerichtskosten entstanden sind. Eine klagende Partei kann den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Klage bzw. den jeweiligen Antragsschriften verbinden, d.h. beide Anträge in einem Schriftsatz stellen (BGH, FamRZ 1996, 1142, 1143; Musielak/Foerste, ZPO, 5. Aufl., § 253 Rn. 6). Will der Antragsteller - wie im Regelfall - die Klage aber nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, bzw. im Umfang der Prozesskostenhilfe durchführen, muss in der Antragsschrift deutlich gemacht werden, dass die Antragstellung in der Hauptsache nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt (BGH, NJW-RR 2000, 879; OLG Koblenz, FamRZ 1998, 312; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 117 Rn. 7; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 6 GKG, Rn. 6). Das ist stets dann anzunehmen, wenn in dem eingereichten Schriftsatz die Klageerhebung unter der Voraussetzung steht, dass Prozesskostenhilfe bewilligt wird, oder von einer -nur - beabsichtigten Klage die Rede ist. Ein als Klage bezeichneter Schriftsatz kann aber auch dann zunächst nur als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemeint sein, wenn in dem Schriftsatz gebeten wird, "vorab" über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 9.2.2005 - XII ZB 146/04 - Rn. 7, in juris = FamRZ 2005, 794; OLG Koblenz, MDR 2004, 177; OLG Köln, FamRZ 1984, 916). Das gilt jedenfalls dann, wenn nicht zusätzlich erklärt wird, dass entgegen der gewünschten Reihenfolge der Bearbeitung die Klage - etwa zur Unterbrechung der Verjährung - zugestellt werden soll oder dass z. B. bei Klagen nach § 323 ZPO oder § 767 ZPO ein Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt wird (OLG Köln, FamRZ 1984, 916; Senat, RVGreport 2004, 158). Ohne einen solchen Zusatz will sich der Antragsteller die Entscheidung darüber, ob er Klage trotz eventuell negativer Entscheidung über die Prozesskostenhilfe einreichen will, ersichtlich noch vorbehalten (vgl. OLG Koblenz, MDR 2004, 177; OLG Köln, FamRZ 1984, 916).
Auch im vorliegenden Fall ist mit der Erklärung im Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 "gleichzeitig beantrage ich, der Klägerin vorab Prozesskostenhilfe ... zu bewilligen" ausreichend klargestellt, dass eine Klageerhebung vor der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht beabsichtigt war, sondern durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedingt sein soll. Es wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sich das Gericht zunächst nur mit dem Prozesskostenhilfegesuch befassen und prozessfördernde Maßnahmen ansonsten unterlassen solle. Die Sachlage ist damit nicht anders als bei Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs mit einem als Anlage beigefügten Entwurf der Klage. Dementsprechend ist das Prozessgericht hier auch verfahren. Es wurde von der Beteiligten zu 1 kein Prozesskostenvorschuss angefordert, sondern das Prozessgericht hat nur die formlose Übersendung der einfachen Abschrift der Klageschrift zur Stellungnahme auf das Prozesskostenhilfegesuch verfügt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts enthält der verfahrenseinleitende Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klage unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben sein sollte. Selbst wenn die Formulierungen in diesem Schriftsatz (einerseits keine Überschrift als Klage, nur Bezeichnung "in Sachen", andererseits im Text eine "Klageerhebung"; anschließend der "gleichzeitig" gestellte Antrag, "vorab" Prozesskostenhilfe zu bewilligen) unklar und damit auslegungsbedürftig sein sollten, wäre bei der Auslegung des Antrags davon auszugehen, dass die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Partei entspricht (BGH NJW-RR 1995, 1183 m.w.N.; Musielak/Foerste, a.a.O., § 253 Rn. 6). Dieses Interesse geht aber bei einer wirtschaftlich unvermögenden Partei in der Regel dahin, im Falle der Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht nur nach § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO von den Anwaltskosten der Gegenseite verschont zu bleiben, sondern auch nicht mit den Gerichtskosten nach Nr. 1210 ff. KV gemäß § 6 Abs. 1 GKG belastet zu werden. Nur in diesem Sinn kann der Antrag, "vorab" die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen, verstanden werden. Das verkennt die Beteiligte zu 2, wenn sie meint, die Beteiligte zu 1 habe mit dieser Formulierung auf den üblichen Verfahrensgang hinweisen wollen. Es ist kein inhaltlicher Grund dafür ersichtlich, dass die Beteiligte zu 1 hierauf hätte hinweisen sollen, ohne damit zugleich die Kostenpflicht nach § 6 Abs. 1 GKG von der vorab zu treffenden Entscheidung abhängig machen zu wollen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Ende der Entscheidung
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