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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.07.2005
Aktenzeichen: 1 W 288/05
Rechtsgebiete: ZPO, RVG VV
Vorschriften:
ZPO § 103 | |
ZPO § 104 | |
ZPO § 699 Abs. 3 | |
RVG VV Nr. 1000 | |
RVG VV Nr. 1003 |
2. Nach Rücknahme des Widerspruchs kann der Gläubiger die Einigungsgebühr im Vollstreckungsbescheid gemäß § 699 Abs. 3 ZPO gegen den Schuldner festsetzen lassen, wenn dieser im Vertrag seine Verpflichtung zur Zahlung der Gebühr anerkannt hat.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 288/05
In dem Kostenfestsetzungsverfahren zur Mahnsache
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts - Einzelrichter - hat auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wedding/Schöneberg - zentrales Mahngericht - vom 11.3.2005 - 04-3633766- 08- N - am 19.7.2005 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 19.5.2005 - 3 AR 2/05 - werden aufgehoben.
Der Vollstreckungsbescheid vom 11.3.2005 auf der Grundlage des Mahnbescheides des Amtsgerichts Wedding/Schöneberg - zentrales Mahngericht - vom 10.9.2004 - 04-3633766-08-N - wird dahin geändert, dass er über die bereits festgesetzten Beträge hinaus wegen weiterer Rechtsanwaltskosten der Antragstellerin in Höhe von 217,00 EUR nebst den festgesetzten Zinsen ab 11.3.2005 ergeht.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin hat mit Mahnbescheid vom 10.9.2004 eine Forderung aus einem fällig gestellten Darlehen in Höhe von 3.169,20 EUR nebst Verzugszinsen und Inkassokosten geltend gemacht. Die Antragsgegnerin hat Widerspruch erhoben und diesen am 11.10.2004 zurückgenommen. Im Antrag vom 25.10.2004 hat die Gläubigerin beantragt, in dem zu erlassenden Vollstreckungsbescheid "sonstige Kosten" in Höhe von 217,00 EUR für "TZ-Vergleichsgebühr" festzusetzen. Sie hat hierzu u. a. Kopie ihres Schreibens an die Antragsgegnerin vom 1.10.2004 und der von dieser unterschriebenen Teilzahlungsvereinbarung vom 1.10.2004 vorgelegt. In dieser Vereinbarung erkennt der Schuldner an, der Gläubigerin einen Betrag von 3.772,68 EUR zuzüglich Zinsen ab 2.10.2004 zu schulden, und verpflichtet sich, diesen Betrag zuzüglich Zinsen "sowie die Kosten dieser Vereinbarung, die sich aus nachstehender Abrechnung ergeben", in monatlichen Raten von 125,00 EUR zu zahlen, wobei die Zahlungen bestimmungsgemäß zuerst auf die "Kosten dieser Vereinbarung" zu verrechnen sind. Diese Kosten sind anschließend als 1.0 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG mit 217,00 EUR berechnet. Im Schreiben vom 1.10.2004, dem der Teilzahlungsvergleich und ein Rücknahmeschreiben beigefügt waren, teilte die Antragstellerin mit, dass sie der Antragsgegnerin für den Fall der Rücknahme des Widerspruchs Ratenzahlung gemäß anliegendem Vergleich gewähre und nach Rücksendung der Anlagen mit Unterschrift der Antragsgegnerin bei künftiger Einhaltung der Ratenzahlung gegen diese keine weiteren Schritte unternehmen werde "mit Ausnahme des Vollstreckungsantrages und Zustellung des Vollstreckungsbescheides zur Absicherung" ihrer Forderung.
Die Rechtspflegerin des Zentralen Mahngerichts hat es mit Beschluss vom 11.3.2005 abgelehnt, in dem zugleich erlassenen Vollstreckungsbescheid, wie beantragt, eine Vergleichsgebühr in Höhe von 217,00 EUR festzusetzen. Der hiergegen rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde vom 6.4.2005 hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen und die Sache dem Richter des Amtsgerichts Schöneberg zur Entscheidung vorgelegt. Mit Beschluss vom 19.5.2005 - 3 AR 2/05 - hat das Amtsgericht Schöneberg durch den Richter der Abt. 3 die "als befristete Erinnerung anzusehende" sofortige Beschwerde vom 6.4.2005 "als unbegründet verworfen". Hiergegen hat die Antragstellerin erneut - rechtzeitig - sofortige Beschwerde eingelegt, die die Zivilkammer 82 des Landgerichts gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG dem Kammergericht vorgelegt hat, da die Antragstellerin ihren Sitz im Ausland hat.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Nach § 699 Abs. 3 ZPO sind in den Vollstreckungsbescheid "die bisher entstandenen Kosten des Verfahrens aufzunehmen". Den hierauf gerichteten Antrag vom 25.10.2004 hat das Zentrale Mahngericht hinsichtlich des Ansatzes der geltend gemachten Kosten in Höhe von 217,00 EUR zurückgewiesen. Es ist anerkannt, dass dem Antragsteller gegen einen solchen teilweisen, die Kostenfestsetzung betreffenden Zurückweisungsbeschluss die sofortige Beschwerde nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO zusteht, sofern der Beschwerdewert nach § 567 Abs. 2 ZPO erreicht ist (Zöller/Vollkommer, ZPO § 699 Rn. 19; Senat, KGReport 01, 69).
Dass das Amtsgericht Schöneberg das Rechtsmittel als "sofortige Erinnerung" gemäß § 11 Abs. 2 RPflG aufgefasst und durch Beschluss vom 19.5.2005 zurückgewiesen hat, ist unschädlich. Diese Entscheidung durfte nicht ergehen, da - wie ausgeführt wurde - nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist. Die von der Vorinstanz herangezogene Vorschrift des § 691 Abs. 3 Satz 2 ZPO betrifft die Zurückweisung des Mahnantrages, sie ist auf die Entscheidung über den Erlass des Vollstreckungsbescheides nicht entsprechend anwendbar.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) war der Beschluss des Amtsgerichts vom 19.5.2005 aufzuheben.
2. Für die Entscheidung über das Rechtsmittel ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG das Kammergericht zuständig, da die Antragstellerin ihren Sitz in der Schweiz hat.
3. Die geltend gemachte 1,0 Einigungsgebühr (VV 1000, 1003) ist entstanden und im Vollstreckungsbescheid festsetzbar.
a) Die Einigungsgebühr tritt als Erfolgsgebühr neben die festgesetzten Verfahrensgebühren VV 3305 und 3308 (Vorbem. 1 vor Nr. 1000 VV), allerdings nur in ermäßigter Höhe gemäß Nr. 1003. Der Erfolg besteht in der Einigung selbst und der damit in der Regel verbundenen Entlastung des Gerichts und Herstellung des Rechtsfriedens (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken, RVG VV 1000 Rn. 5). Der vom Amtsgericht vermisste Entlastungseffekt ist aufgrund der Einigung auch eingetreten. Denn die Antragsgegnerin hat ihren Widerspruch zurückgenommen, wodurch die Bedingung für den Abschluss der Teilzahlungsvereinbarung eingetreten ist (VV 1000 Abs. 3). Ein Nachgeben der Antragstellerin war für das Entstehen der Einigungsgebühr hingegen nicht erforderlich. Bei der Einigungsgebühr nach VV 1000, die an die Stelle der Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO getreten ist, ist die Bezugnahme auf § 779 BGB weggefallen (von Eicken a.a.O. Rn. 3, 4). Im Übrigen liegt aber auch ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB vor, wenn der Gläubiger dem Schuldner Ratenzahlung bewilligt und dafür einen sicheren Vollstreckungstitel erhält (vgl. BGH Rpfleger 2005, 330). Das war hier aufgrund der Rücknahme des Widerspruchs und der in der Teilzahlungsvereinbarung erklärten Abtretung des pfändbaren Arbeitseinkommens der Schuldnerin der Fall.
Der Einwand des Amtsgerichts, der Vertrag beschränke sich auf ein Anerkenntnis der Schuldnerin ohne Entgegenkommen der Gläubigerin, wodurch eine Einigungsgebühr nach VV 1000 Abs. 1 Satz 1 nicht ausgelöst werde, geht fehl. Die Antragsgegnerin hat, um die Bedingung der Antragstellerin für Bewilligung von Ratenzahlung zu erfüllen, ihren Widerspruch zurückgenommen und die Abtretung ihres Arbeitseinkommens erklärt. Das geht über ein Anerkenntnis hinaus (vgl. von Eicken a.a.O. Rn. 63, 71; s. a. BGH a.a.O.).
b) Es handelt sich um Kosten des bisherigen Verfahrens, die nach § 699 Abs. 3 ZPO festsetzbar sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Teilzahlungsvereinbarung nur für den Fall der Rücknahme des Widerspruchs gelten sollte, es in der Sache also um die Beitreibung der unstreitig gestellten Forderung ging. Denn zur Vermeidung des streitigen Verfahrens war die Rücknahme des Widerspruchs erforderlich. Zu den Kosten des Verfahrens gehören auch solche, die zu seiner Beendigung aufgewendet werden.
Die Antragstellerin handelt nicht - wie das Amtsgericht meint - widersprüchlich, indem sie die Festsetzung der Einigungsgebühr verlangt und zugleich angeblich unter Verstoß gegen die getroffene Einigung den Erlass des Vollstreckungsbescheid beantragt. Damit verkennt das Amtsgericht den Inhalt der Vereinbarungen:
Die Antragstellerin war berechtigt, "zur Absicherung der Forderung" nach der zur Bedingung gemachten Rücknahme des Widerspruchs den Vollstreckungsbescheid zu beantragen, lediglich von Vollstreckungsmaßnahmen und der Offenlegung der Abtretung sollte sie bei pünktlicher Einhaltung der gewährten Raten absehen. Es war ausdrücklich vorgesehen, dass die Ratenzahlungen der Schuldnerin auf die von ihr anerkannten "Kosten dieser Vereinbarung" zuerst verrechnet wurden. Damit hat die Antragsgegnerin die Kosten der Einigung in Abweichung von der Regel des § 98 Satz 1 ZPO übernommen, so dass sie gegen diese festsetzbar sind (vgl. Senat JurBüro 1981, 1359).
c) Die Berechnung der 1,0 Gebühr nach einem Wert bis 3.500,00 EUR begegnet keinen Bedenken. Gegenstand der Einigung war die Rücknahme des Widerspruchs, der sich gegen die Hauptforderung insgesamt richtete.
III.
Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen. Gerichtskosten fallen für die erfolgreiche Beschwerde nicht an.
Da die Antragsgegnerin zum Verfahren der sofortigen Beschwerde keine Veranlassung gegeben hat, trägt die Antragstellerin die ihr in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst, § 93 ZPO in entsprechender Anwendung.
Ende der Entscheidung
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