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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.01.2004
Aktenzeichen: 1 W 294/03
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 12 Abs. 1 S. 1
1. Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht steht in der Regel dem Pflichtteilsberechtigten zu, der nach dem Tode des im Grundbuch eingetragenen Erblassers seine erbrechtlichen Ansprüche prüfen will; das gilt auch, wenn inzwischen der Erbe als Rechtsnachfolger eingetragen ist.

2. Zur Darlegung des berechtigten Interesses genügt in einem solchen Falle der Hinweis auf die Stellung als gesetzlicher Erbe, einer schlüssigen Darlegung der etwa geltend zu machenden Pflichtteilsansprüche oder konkreter, von der Grundbucheinsicht abhängender Entschließungen bedarf es nicht.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 294/03

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die weitere Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 6. Mai 2003 in der Sitzung vom 20. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 20. März 2003 werden aufgehoben.

Das Amtsgericht Hohenschönhausen (Grundbuchamt) wird angewiesen, dem Beteiligten eine unbeglaubigte Grundbuchabschrift zu erteilen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78 bis 80 GBO zulässig. Sie ist auch begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO, §§ 561 ff. ZPO).

Das Landgericht hat angenommen, dem Beteiligten sei eine Grundbuchabschrift gemäß § 12 Abs. 1 S. 1; Abs. 2 GBO nicht zu erteilen, da er ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht. nicht dargelegt habe. Das unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Ein berechtigtes Interesse i.S.V. § 12 Abs.1 S.1 GBO ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann (Senat, NJW 2002, 223, 224; Beschluss vom 20. März 2001 - 1 W 9339/00 -; BayObLG, Rpfleger 1999, 216, 217; Demharter, GBO, 24. Aufl., § 12 Rn. 7 ff.; Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 12 Rn. 4 jew. m.w.N.).

§ 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht (Senat, Beschluss vom 20. März 2001, a.a.O.). Andererseits genügt nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers; die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier muss ausgeschlossen und die Kenntnis vom Grundbuchstand für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen (so im Ergebnis BayObLG, a.a.O.; Rpfleger 1998, 338; NJW 1993, 1142, 1143; OLG Stuttgart, Rpfleger 1970, 92; OLG Hamm, DNotZ 1986, 497, 498; vgl. auch OLG Düsseldorf, FGPrax 1997, 258; Meikel/Böttcher, a.a.O. und § 12 Rn. 7; Eickmann in K/E/H/E, Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 12 Rn. 3, die darüber hinaus die Ermöglichung eines konkreten rechtlichen Handelns verlangen). Das folgt aus dem durch Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten, zum. allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 65, 1) der durch die Grundbucheinsicht Betroffenen, welches bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einzubeziehen ist (BVerfG, NJW 2001, 503, 505; Senat, NJW 2002, a.a.O.; OLG Zweibrücken, NJW 1989, 531). Die Darlegung des berechtigten Interesses erfordert einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, denn es hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme das schutzwürdige Interesse der Eingetragenen verletzt werden könnte, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren (Senat, Beschluss vom 20. März 2001, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.; Demharter, a.a.O., § 12 Rn. 13 f.; Meikel/Böttcher, a.a.O., § 12 Rn. 8).

Das Landgericht hat bei der Anwendung dieser Grundsätze rechtsfehlerhaft allein auf das geltend gemachte Verwandtschaftsverhältnis zu dem eingetragenen Eigentümer abgestellt und außer Acht gelassen, dass der Beteiligte darüber hinaus bereits mit Schriftsätzen vom 20. und 25. Februar 2003 dargetan hat, er sei einziger Sohn und Erbe der am 6. Februar 1982 verstorbenen ggf. sei das Erbrecht zu prüfen war von 1969 bis 1982 als Bruchteilseigentümerin des Grundstücks eingetragen, welches bis 1985 im Grundbuch von F Blatt gebucht war; der eingetragene Eigentümer ist hinsichtlich ihres Anteils von 1/4 am 26. August 1982 auf Grund notariellen Testaments vom 28. September 1968 in Abt. I des Grundbuchs eingetragen worden. Jedenfalls die Stellung des Beteiligten als gesetzlicher Erbe der (§ 1924 Abs. 1 BGB) rechtfertigt die Grundbucheinsicht, denn die Kenntnis vom Grundbuchinhalt kann für die Prüfung erbrechtlicher Ansprüche, insbesondere von Pflichtteilsansprüchen nach § 2303 BGB erheblich sein. Als Pflichtteilsberechtigter hat er nach dem Erbfall ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht (vgl. Eickmann in K/E/H/E, a.a.O., § 12 Rn. 6 "Verwandte"; a.A. Maaß in Bauer/v.Oefele, GBO, § 12 Rn. 38; missverständlich Meikel/Böttcher, a.a.O., § 12 Rn. 44). Das gilt auch für die Eintragungen in Abt. II und III des Grundbuchs, da diese Einfluss auf den maßgebenden Nachlasswert (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB) haben können. Es ist sachlich begründet, wenn der Beteiligte die Entscheidung, ob er Pflichtteils- oder gar Erbansprüche geltend macht, von der Person des als Erbe im Grundbuch Eingetragenen und dem Wert des Grundstücks abhängig machen will, denn insoweit handelt es sich - anders als bei Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen vor dem Erbfall (vgl. dazu BayObLG 1998, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Meikel/Böttcher, a.a.O.) - nicht um nur zukünftige Ansprüche. Der Beteiligte ist auch nicht auf seinen Auskunftsanspruch gegen den Erben nach § 2314 BGB zu verweisen (so aber Maaß in Bauer/v.Oefele, a.a.O.), da die Möglichkeit, die gewünschten Erkenntnisse auf andere Weise zu erlangen, das berechtigte Interesse an der Grundbucheinsicht nicht ausschließt (Böhringer, Rpfleger 1987, 181, 184; a.A. Meikel/Böttcher, a.a.O., § 12 Rn. 6 für den - hier nicht gegebenen - Fall, dass der Antragsteller die Erkenntnisse "unschwer" anderweitig erlangen kann).

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zweifel an der Darstellung des Beteiligten, er sei Abkömmling der bestehen nicht, denn dies ist mit dem vorgelegten Auszug aus dem Familienbuch sogar glaubhaft gemacht.

Der Beteiligte hat sein berechtigtes Interesse auch hinreichend dargelegt. Hierzu genügen bereits seine Angaben in den Schriftsätzen vom 20. und 25. Februar 2003, aus denen folgte - wie das Grundbuchamt dies auch erkannt hat - dass das Erbrecht nach der Mutter geltend gemacht wurde und dies das berechtigte Interesse an der Grundbucheinsicht begründen sollte. Dass der Beteiligte der Bemerkung im Beschluss vom 20. März 2003, ihm sei "bekannt", dass die Mutter "nie Eigentümerin des Grundstücks war und deshalb auch als deren Erbe keine Rechte am Grundstück zu prüfen sind", mit der Erstbeschwerde nicht entgegengetreten ist, ist unschädlich. Bereits die darin liegende unzutreffende - negative - Auskunft über die frühere Eintragung der Mutter begründete vielmehr ein rechtliches Interesse an der Richtigstellung durch Auskunft über die tatsächlich erfolgte Eintragung. Im Übrigen aber bedarf es bei der vorliegenden Sachlage keiner schlüssigen Darlegung der etwa vom Beteiligten - noch - geltend zu machenden Pflichtteilsansprüche oder konkreter, von der Grundbucheinsicht abhängender Entschließungen.

Anders als beim Einsichtsverlangen eines Gläubigers, der sein berechtigtes Interesse an der durch die Grundbucheinsicht zu erlangenden Information nach allgemeiner Ansicht (Senat, Beschluss vom 20. März 2001, a.a.O.; BayObLG, Rpfleger 1983, 1384, 1385; 1975, 361.; OLG Zweibrücken, a.a.O.; Meikel/Böttcher, a.a.O., § 12 Rn. 8) durch konkreten und nachvollziehbaren Vortrag zu den näheren Umständen der Forderung darzulegen hat, ist ein solcher Vortrag hier nicht zu verlangen. Denn als Pflichtteilsberechtigter ist der Beteiligte nach dem Erbfall Gläubiger der gesetzlichen Pflichtteilsansprüche gegen den Erben, § 2303 BGB. Ob er diese Ansprüche geltend macht, ist jedoch seiner Entschließung überlassen, zu deren Vorbereitung gerade auch die hier begehrte Grundbucheinsicht dienlich sein kann.

Für eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13a Abs. 1 S. 1 FGG besteht kein Anlass, da der eingetragene Eigentümer nicht hinzuzuziehen war (BGHZ 80, 1.26). Die Wertfestsetzung beruht auf § 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 S. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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