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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 1 W 385/06
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV, MarkG, RPflG
Vorschriften:
RVG § 2 | |
RVG § 13 | |
RVG VV Nr. 3100 | |
MarkG § 104 Abs. 3 Satz 1 | |
MarkG § 140 Abs. 3 | |
MarkG § 140 Abs. 3 Satz 3 | |
RPflG § 11 Abs. 1 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 385/06
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 28. September 2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 11. September 2006 am 3. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch sowie den Richter am Kammergericht Hinze
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 11. September 2006 - 16 O 188/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. März 2006 von den Antragsgegnern jeweils zu 1/3 an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden auf 5.790,08 EUR festgesetzt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 1/4 und die Antragsgegner zu 3/4.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, ist Inhaberin einer geschützten Marke für Stühle. Dabei handelt es sich um eine sog. IR-Marke nach dem Madrider Markenschutzabkommen (MMA), nicht um eine europäische Gemeinschaftsmarke. Die Antragstellerin, die über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, hat über die in der Schweiz ansässigen Rechtsanwälte M & L ihre Berliner Verfahrensbevollmächtigten damit beauftragt, eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegner zu erwirken, mit der diesen der Vertrieb bestimmter Stühle untersagt werden sollte, die den durch die Marke der Antragstellerin geschützten Stühlen gleichen. Das Landgericht Berlin hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss, der der Antragsgegnerin am 15. September 2006 zugestellt wurde, hat die Rechtspflegerin am Landgericht neben den - unstreitigen - Kosten der Berliner Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG VV 3100 zum Wert von 200.000,00 EUR sowie die Pauschale gemäß VV 7200, zusammen 2.380,80 EUR für die Schweizer Rechtsanwälte M & L festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am 28. September 2006 eingelegt sofortige Beschwerde der Antragsgegner. Die Antragsgegner machen geltend, die Einschaltung der Schweizer Rechtsanwälte M & L sei nicht erforderlich gewesen. Markenvertreter nach § 140 Abs. 3 MarkG könnten nur deutsche Rechtsanwälte sein; die Schweizer Anwälte verfügten über keine Kenntnis des deutschen Rechts. Eine analoge Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkG sei ausgeschlossen. Zudem verstoße die Beauftragung der Schweizer Anwälte durch die Antragstellerin gegen die Schadensminderungspflicht. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass, was unstreitig ist, die Berliner Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin diese in zahlreichen gleichgelagerten Fällen vertreten, so dass diese aufgrund ihrer markenrechtlichen Kenntnisse dazu in der Lage seien, den Fall allein rechtlich zu beurteilen. Deshalb sei die Einschaltung von Patentanwälten nicht erforderlich gewesen. Die Antragstellerin meint, die Schweizer Rechtsanwälte M & L seien nach Ausbildung und Funktion deutschen Patentanwälten vergleichbar, so dass deren Kosten in gleicher Höhe zu erstatten seien, wie die Kosten für die Einschaltung von Patentanwälten.
Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom 16. November 2006 die grundsätzliche Bedeutung der Sache angenommen und das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RpflG in Verbindung mit § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner ist teilweise begründet.
1. Zu Recht beanstanden die Antragsgegner die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr nach RVG VV 3100 für die Schweizer Rechtsanwälte M & L . Die Frage, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen die Kosten ausländischer Anwälte als Patentanwaltskosten erstattungsfähig sind, wird in Rechtsprechung Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Patenanwalt sei nur derjenige, der in der Liste der Patentanwälte beim DPMA geführt wird (OLG Karlsruhe, GRUR 1967, 217; von Eicken, Kostenfestsetzung, 19. Aufl. Rdnr. B 542 m.w.N.). Demgegenüber wurde jedenfalls für den EG-Bereich schon zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Kosten von Patent- und Markenanwälten mit Sitz im Ausland, die nach Ausbildung und Funktion deutschen Patent- bzw. Markenanwälten entsprechen, erstattungsfähig sind (OLG Düsseldorf, GRUR 1988, 761; OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2004, 343; OLG Koblenz, GRUR-RR 2002, 127; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 140 Rdnr. 20 m.w.N.; Benkar, Patentgesetz, 10. Aufl., § 143 Rdnr. 22). Im Ergebnis hat sich zwischenzeitlich auch der Bundesgerichtshof (Rpfleger 2007, 626 f.) der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen und entschieden, dass bei Mitwirkung eines Patentanwalts aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union dessen Gebühren gemäß § 140 Abs. 3 Satz 3 MarkG, 13 RVG erstattungsfähig sind. Voraussetzung sei allerdings, dass der ausländische Patentanwalt in Kennzeichnungsstreitsachen nach seiner Ausbildung und dem Tätigkeitsbereich, für den er in dem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, einem in Deutschland zugelassenen Patentanwalt im Wesentlichen gleichgestellt werden kann. Unerheblich sei dagegen, ob dies auch hinsichtlich seiner Befähigung zur Bearbeitung von Patentstreitsachen gelte. Angesichts des Standes der Harmonisierung des Markenrechts innerhalb der Europäischen Union sei es auch nicht angebracht, die entsprechende Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkG davon abhängig zu machen, ob ein ausländisches Kennzeichenrecht oder eine Gemeinschaftsmarke Gegenstand des Verfahrens sei. Die Vergleichbarkeit ausländischer Rechtsanwälte mit deutschen Patentanwälten sei auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen. Dem schließt sich der Senat an. Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist nach Auffassung des Senats entsprechend auch auf in der Schweiz zugelassene Rechtsanwälte auszudehnen, denn nach dem Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 Teil II 810 ff.) in Kraft getreten in der Bundesrepublik am 1. Juni 2002 (BGBl. 2002 Teil II, 1692) genießen schweizerische Rechtsanwälte im Bereich der Europäischen Gemeinschaft Dienstleistungsfreiheit (vgl. Art. 5 des Abkommens). Eine Ungleichbehandlung gegenüber im EG-Bereich niedergelassenen Rechtsanwälten lässt sich damit nicht mehr rechtfertigen.
Die Schweizer Rechtsanwälte M & L sind jedoch nach ihrer Ausbildung und ihrer Funktion mit deutschen Marken- und Patentanwälten nicht vergleichbar. Auf den Hinweis des Senats vom 30. November 2006 hin hat die Antragstellerin die Ausbildung zum Rechtsanwalt nach Schweizer Recht mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2006 im Einzelnen vorgetragen. Diese Ausbildung ist im Wesentlichen der Ausbildung eines deutschen Rechtsanwalts vergleichbar. Demgegenüber durchlaufen Patentanwälte, wie die Antragstellerin selbst vorträgt, zunächst eine naturwissenschaftliche Ausbildung, in der Regel zum Diplom-Ingenieur. Anschließend erfolgt eine dreijährige Ausbildung, von der insgesamt zwei Jahre normalerweise in einer Patentanwaltskanzlei oder der Patentabteilung eines Unternehmens verbracht werden. Danach absolvieren die deutschen Patentanwälte das sog. Amtsjahr beim deutschen Patent- und Markenamt in dessen verschiedenen Abteilungen, insbesondere im Bereich Patente und im Bereich Markenstellen. Soweit die Antragstellerin meint, die Ausbildung eines Schweizer Rechtsanwalts gehe über die Ausbildung deutscher Patentanwälte hinaus, mag dies hinsichtlich des juristischen Teils der Ausbildung zutreffen. Die Antragstellerin lässt jedoch unberücksichtigt, dass der Patentanwalt im Gegensatz zum Verkehrsanwalt, dessen Tätigkeit sich in der Rolle des Bindegliedes zwischen Partei und Prozessbevollmächtigten zur Überbrückung räumlicher Distanzen erschöpft, ein über das Leistungsbild des beauftragten Rechtsanwalts hinausgehende Sachkunde in dem Rechtsstreit einbringt. Seine Rolle ist damit eher der eines Sachverständigen vergleichbar, dessen Kosten - bei gerichtlicher Beauftragung - die unterliegende Partei ohne Weiteres zu tragen hat (HansOLG Hamburg, MDR 1998, 1311 f.). Demgegenüber beschränkt sich die Tätigkeit der Rechtsanwälte M & L nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin im Recherchieren des Sachverhalts und in der Durchführung der Korrespondenz. Dies ist gerade Aufgabe eines Verkehrsanwalts, nicht aber eines Patentanwalts. Der Umstand, dass die Rechtsanwälte M & L als Markenvertreter der geschützten Marke der Antragstellerin bei der WIPO eingetragen sind, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin setzt die Eintragung als Markenvertreter bei der WIPO keine besondere Eignungsprüfung voraus. Insoweit ist ein Markenvertreter bei der WIPO nicht mit einem beim EPA zugelassenen Vertreter zu vergleichen, dessen Kosten in der Rechtsprechung teilweise als erstattungsfähig angesehen werden (OLG Karlsruhe, GRUR 2004, 888). Denn die Zulassung beim EPA setzt eine Eignungsprüfung voraus.
2. Bis zur Höhe einer 1,0-Gebühr sind die Kosten der Schweizer Rechtsanwälte jedoch als Kosten eines Verkehrsanwalts nach RVG VV 3400 erstattungsfähig. Ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen eine ausländische Partei ohne inländische Vertriebsorganisation berechtigt ist, in einem Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht einen Verkehrsanwalt einzuschalten, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Während das OLG München (MDR 1998, 1054) die Auffassung vertritt, die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts für eine ausländische Partei seien nur nach den selben Kriterien wie bei einer inländischen Partei erstattungsfähig, hat das OLG Stuttgart (NJW-RR 2004, 1581 m.w.N.) entschieden, die Kosten eines Verkehrsanwalts für eine ausländische Partei seien stets erstattungsfähig. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Schon nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Hausanwalt (NJW 2006, 3008 f.) wären die Kosten der Schweizer Rechtsanwälte jedenfalls in Höhe ersparter Reisekosten für eine Reise von Zürich nach Berlin erstattungsfähig, zumal die Antragstellerin unstreitig über keine Rechtsabteilung verfügt. Zwar hat es der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2007 (Rpfleger 2007, 626 f.) abgelehnt, die Kosten der ausländischen Anwälte statt als Patentanwaltsgebühren in Höhe einer 1,0-Gebühr nach RVG VV 3400 als Verkehrsanwaltsgebühren festzusetzen, doch lag dies daran, dass die ausländischen Anwälte im dort zu entscheidenden Fall unstreitig nicht die Funktion von Verkehrsanwälten übernommen hatten. Demgegenüber haben die Schweizer Anwälte im vorliegenden Fall nach der Darstellung der Antragstellerin insbesondere auch die Korrespondenz mit den deutschen Anwälten geführt und damit die klassische Aufgabe eines Verkehrsanwalts erfüllt.
Der Umstand, dass die Berliner Verfahrensbevollmächtigten die Antragstellerin in Deutschland in zahlreichen Verfahren vertreten, steht der Erstattung der Kosten der Schweizer Rechtsanwälte nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) ist bei einem Unternehmen, das laufend eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten in Markensachen zu führen hat, auch das Interesse zu berücksichtigen, mit besonders sachkundigen Beratern seines Vertrauens in örtlicher Nähe zusammenzuarbeiten.
3. Danach ergibt sich folgende Berechnung (ausgehend von einem Streitwert von 200.000,00 EUR):
Anwälte P & B | |
1,3-Verfahrensgebühr nach RVG VV 3101 | 2.360,80 EUR |
Testkauf | 1.373,28 EUR |
Testkauf | 200,00 EUR |
Postpauschale | 20,00 EUR |
Insgesamt | 3.954,08 EUR |
Rechtsanwälte M & L | |
1,0-Gebühr nach RVG VV 3100 | 1.816,00 EUR |
Postpauschale | 20,00 EUR |
Insgesamt | 5.790,08 EUR. |
4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Kosten eines Verkehrsanwalts für eine ausländische Partei erstattungsfähig sind, wird in der Rechtsprechung nach wie vor nicht einheitlich beantwortet. Bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Kosten ausländischer Rechtsanwälte als Marken- oder Patentanwälte hat der Bundesgerichtshof zwar für Rechtsanwälte mit Sitz im Bereich der Europäischen Gemeinschaft die Voraussetzungen festgelegt. Ob Rechtsanwälte, die die Ausbildung zum Rechtsanwalt nach Schweizer Recht abgelegt haben, mit deutschen Patent- oder Markenanwälten nach Ausbildung und Funktion vergleichbar sind, ist jedoch bislang nicht entschieden worden.
Ende der Entscheidung
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