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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.06.2006
Aktenzeichen: 1 W 386/05
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 44
ZPO § 3
ZPO § 4
ZPO § 254
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 386/05

27.06.2006

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat auf die Beschwerden der Klägerin und der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. August 2005 in der Fassung des Beschlusses vom 23. September 2005 am 27. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Klägerin wurde mit Bescheid der Onnnnnnnnn Bnnn vom 15. Juli 1996 als Eigentümerin des ehemals volkseigenen Anteils von 2/3 an dem Grundstück Rnnnnn Snnn 5n /Wnnnnn Snnn nn festgestellt, welches die Beklagte vom 3. Oktober 1990 bis zum 30. September 1996 verwaltet hat. Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage darauf in Anspruch genommen, ihr Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben für das Grundstück im Zeitraum vom 3. Oktober 1990 bis zum 30. September 1996 abzulegen, sowie 2/3 des Überschusses in nach Rechnungslegung noch zu bestimmender Höhe zu zahlen. In ihrer Klageschrift vom 7. Oktober 2004 hat sie als Streitwert für den im Wege der Stufenklage verfolgten Auskunfts- und Zahlungsanspruch vorläufig 30.000 EUR angesetzt.

Durch Anerkenntnisteilurteil hat das Landgericht dem Antrag der Klägerin auf Rechnungslegung stattgegeben. Nachdem die Beklagte zusammen mit der Auskunft das sich daraus ergebende Guthaben von 180.642,72 EUR gezahlt hat, haben die Parteien den noch unbezifferten Zahlungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt.

Das Landgericht hatte den Streitwert mit Beschluss vom 10. August 2005 mit 37.500 EUR angenommen, diesen Wert aber mit Beschluss vom 23. September 2005 auf 30.000 EUR herabgesetzt sowie für die Berechnung der Terminsgebühren einen Wert von 7.500 EUR bestimmt. Die Klägerin und ihre im eigenen Namen handelnden Prozessbevollmächtigten streben mit ihren am 30. August 2005 eingelegten Beschwerden eine Festsetzung des Streitwerts auf 180.642,72 EUR an. Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, der Gebührenstreitwert eines im Wege der Stufenklage eingeklagten, zunächst unbezifferten Leistungsanspruchs bestimme sich nicht nach den Erwartungen des Klägers zu Beginn, sondern nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz. Die Klägerin habe zur Höhe des erwirtschafteten Überschusses zu Beginn des Verfahrens nur eine vorsichtige Schätzung abgegeben, die indessen den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht werde.

II. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. August 2005 in der Fassung des Beschlusses vom 23. September 2005 ist gem. § 68 Abs. 1 GKG unzulässig. Die Klägerin ist durch die ihrer Ansicht nach zu niedrige Festsetzung des Streitwerts nicht beschwert (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., GKG, § 68 Rn. 5). Eine zu geringe Streitwertbemessung hat für die klagende Partei lediglich geringere Kosten zur Folge, was sie in keiner Weise belastet.

III. Die nach § 32 Abs. 2 RVG im eigenen Namen erhobene Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die endgültige Festsetzung des Streitwerts nach § 63 Abs. 2 GKG ist dagegen gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht Berlin hat den Streitwert der Stufenklage mit 30.000 EUR und den Wert der Auskunftsstufe mit 7.500 EUR nicht zu tief angesetzt. Wird eine Stufenklage nicht bis zur Leistungsstufe fortgeführt, ist bei der Streitwertbestimmung nach § 44 GKG der unbezifferte Hauptanspruch zu bewerten und mit dem Auskunftsanspruch zu vergleichen. Zur Bewertung des noch unbezifferten Leistungsbegehrens hat sich der Senat in einer früheren Entscheidung (MDR 1993, 696) der in Rechtsprechung und Literatur ganz vorherrschenden Auffassung angeschlossen, wonach dieser Wert gemäß § 3 ZPO und §§ 4 ZPO, 40 GKG nach objektiven Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Erwartungen des Klägers bei Klageeinreichung zu schätzen ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Celle MDR 2003, 55 und FamRZ 1997, 99; OLG Schleswig, JurBüro 2002, 80; OLG Bremen, OLGR 1998, 192; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 4256; Hartmann, KostG 36. Aufl., GKG, § 44, Rn. 4; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand: 2003, Stufenklage; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort: Stufenklage; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 3 Rn. 32, Stufenklage; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 5, Rn. 22). Demgegenüber vertritt der 16. Zivilsenat des Kammergerichts den Standpunkt, dass sich der Gebührenstreitwert des mit der Stufenklage erhobenen noch unbezifferten Zahlungsanspruchs nicht nach den vom Kläger geäußerten Erwartungen zu Beginn des Rechtsstreits richtet, sondern nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz (KG, MDR 1997, 598; NJW-RR 1998, 1615; ähnlich der 24. Zivilsenat, HRR 1941 Nr. 656; Meyer, GKG, 7. Aufl., § 44, Rn. 6). Der Senat hält daran fest, dass sich die Bewertung einer "steckengebliebenen" Stufenklage nach dem für den Zeitpunkt der Klageeinreichung gemäß § 3 ZPO geschätzten Wert des noch nicht bezifferten Leistungsanspruchs richtet und hierbei die aus der Klageschrift ablesbaren Zahlungserwartungen der klagenden Partei maßgeblich zu berücksichtigen sind. Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet (§ 40 GKG). Da bei einer Stufenklage zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht feststeht, welchen Streitwert der Leistungsanspruch hat, ist dieser gemäß § 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Im Rahmen der danach gebotenen Schätzung sind die Vorstellungen des Klägers insoweit zu berücksichtigen, als er aufgrund seiner zur Begründung der Klage vorgebrachten Behauptungen objektiv gesehen Leistungen zu erwarten hat. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass der Streitwert sich nach dem Interesse des Klägers bestimmt (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 2; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl., § 15 A V a; OLG Bremen, OLGR 1998, 192, 193), wobei die Bemessung dieses Interesses allerdings nicht im Belieben des Klägers steht, sondern nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen hat (OLG Bremen, ebenda). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer sind die Erkenntnisse des Gerichts am Ende der Instanz ohne Bedeutung für die Bewertung des noch zu beziffernden Leistungsantrages. Selbst bei einer nachträglichen Prüfung der für den Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblichen Schätzung des Streitwerts eines unbezifferten Zahlungsbegehrens könnten die damals bestehenden Erwartungen des Klägers nicht anhand der im Prozessverlauf gewonnenen Einsicht korrigiert werden. Dies liegt auf der Hand in den Fällen, in denen sich nach Erteilung der Auskunft kein Zahlungsanspruch ergibt. Hier wäre - im Nachhinein - sowohl der Wert des Leistungsantrages als auch der Wert des den Leistungsantrages vorbereitenden Auskunftsantrages auf "Null" festzusetzen, obwohl das Interesse des Klägers an der Führung des Prozesses nicht rückwirkend entfallen, sondern durch die Auskunft befriedigt worden ist. Es zeigt sich aber auch in einem Fall, in dem - wie hier - die Erwartungen der klagenden Partei hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs nicht enttäuscht, sondern übertroffen werden. Auch in einem solchen Fall muss es bei der Bewertung des unbeziffert gebliebenen Antrags mit dem Ergebnis der anfänglichen Schätzung des Umfangs des zu erwartenden Leistungsanspruchs sein Bewenden haben (OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Celle, MDR 2003, 55; OLG Schleswig, JurBüro 2002, 80; OLG Bremen, OLGR 1998, 192). Streitwerterhöhend wirkt sich nach § 40 GKG erst der Übergang des Klägers von der Auskunftsstufe zur Leistungsstufe aus, wenn er anstelle des unbezifferten Hauptantrages erstmals den bezifferten Zahlungsantrag zur Überprüfung durch das Gericht stellt und dabei einen höheren als den ursprünglich angenommenen Zahlungsanspruch geltend macht (Madert, Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 4. Aufl., Stufenklage, Rn. 442; Schneider/Herget, a. a. O., Stufenklage, Rn. 4261; Stein/Jonas/Roth, a. a. O., § 5 Rn. 22). Die Bezifferung des im Rahmen einer Stufenklage erhobenen Leistungsantrages stellt zwar keine Klageänderung, sondern eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung dar (BGH, NJW 2001, 833). Auf eine solche ist § 40 GKG jedoch anwendbar (Hartmann, a. a. O., § 40 Rn. 2; Meyer, a. a. O., § 40 Rn. 3). Bei der Streitwertbemessung hat das Landgericht mithin zu Recht nicht auf den Betrag abgestellt, den die Beklagte ihrer Auskunft entsprechend an die Klägerin gezahlt und den die Klägerin der Höhe nach auch akzeptiert hat. Vielmehr durfte es sich mangels weiterer Angaben an den Hinweis der Klägerin in der Klageschrift halten, wonach der Wert des im Wege der Stufenklage verfolgten Auskunfts- und Zahlungsanspruchs auf 30.000 EUR anzusetzen sei. Es ist auch unter dem Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihren etwaigen Zahlungsanspruch - wie sie vorträgt - zunächst nur vorsichtig geschätzt hat. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die von der Zahlung von Gerichtskosten befreite Klägerin ihre Angaben untertrieben und den an sie auszukehrenden Betrag des erzielten Überschusses bewusst zu niedrig geschätzt hat.

IV. Die Nebenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG.

Ende der Entscheidung

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