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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 1 W 430/03
Rechtsgebiete: FGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

FGG § 22
FGG § 27
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29
FGG § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b)
FGG § 70e Abs. 1 S. 1
FGG § 70e Abs. 1 S. 2
FGG § 70f Abs. 1
FGG § 70g Abs. 3
FGG § 70m Abs. 1 S. 1
BGB § 1904 Abs. 1
BGB § 1904 Abs. 1 S. 1
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1906 Abs. 2 S. 1
ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 430/03

23.01.2007

In dem Unterbringungsverfahren betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen vom 25. Juli 2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 5. Juni 2003 - 83 T 118/02 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Kammergericht Müller am 23. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 21. Dezember 2001 erfolgten Genehmigung der Unterbringung eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b), 70g Abs. 3, 70m Abs. 1 S. 1, 22, 27, 29 FGG. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Rechtsschutzinteresse der Betroffenen ist nicht durch ihre zwischenzeitliche Entlassung entfallen. Die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Unterbringungsmaßnahme ist möglich. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet die Annahme eines Rechtsschutzinteresses in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe, in denen sich eine direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Eine Unterbringungsmaßnahme ist ein tief greifender Grundrechtseingriff (BVerfG, NJW 1998, 2432 ff; BVerfGE 104, 220 ff). Die Betroffene konnte aufgrund der bis zum 7. Februar 2002 genehmigten Unterbringung auch keine Entscheidung in den von der Verfahrensordnung vorgegebenen Instanzen erreichen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2000 - 1 W 2749/00, FGPrax 2000, 213f.).

II. Das Feststellungsbegehren hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 1906 Abs. 2 S. 1 BGB bedarf die mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Unterbringung zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist, weil auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, oder eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Dabei ist die Erforderlichkeit der Unterbringung einer strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen (BVerfG, NJW 1998, 1774, 1775). Die Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung ist nur zulässig, wenn sie sich als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden (BVerfG, a.a.O.; Senat, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 W 91/05 -, OLG-Report 2005, 621, 622).

2. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Betroffene leide seit ca. 1975 an einer schizoaffektiven Psychose, die zu zahlreichen Krankenhausaufenthalten geführt habe. Der Betroffenen fehle die Bereitschaft, sich entsprechend der Erkrankung medikamentös behandeln zu lassen. Ohne die dringend erforderliche konsequente neuroleptische Behandlung sei es wie in der Vergangenheit auch zu krankheitsbedingten Fehlhandlungen und Fehleinschätzungen der Realität gekommen. Dieses Fehlverhalten habe zu erheblichen Spannungen im Wohnumfeld der Betroffenen geführt, es habe auch schon einen Wohnungsverlust nach sich gezogen. Ohne konsequente Behandlung bestehe die Gefahr einer weiteren episodisch zunehmenden Chronifizierung der Erkrankung verbunden mit einer Defektsymptomatik. Die im Rahmen der Unterbringung erfolgte medikamentöse Behandlung sei auch erfolgreich; es habe zumindest vorübergehend über einen gewissen Zeitraum eine Stabilisierung der Betroffenen erreicht werden können. Zum Zeitpunkt ihrer Unterbringung sei die Betroffene einwilligungsunfähig gewesen; die durchgeführte medikamentöse Behandlung habe keiner Genehmigungspflicht unterlegen.

3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung, auf die das Gericht der weiteren Beschwerde beschränkt ist, stand, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

a) Allerdings war es verfahrensfehlerhaft, dass das Vormundschaftsgericht als Sachverständige die Ärztin im Praktikum Snnnn ausgewählt hat. Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, der den Betroffenen persönlich zu untersuchen oder zu befragen hat, § 70e Abs. 1 S. 1 FGG. Der Sachverständige soll in der Regel Arzt für Psychiatrie sein; in jedem Fall muss er Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie sein, § 70e Abs. 1 S. 2 FGG. Eine Ärztin im Praktikum verfügt im Regelfall noch nicht über ausreichende Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie, weil sie diese bei ihrer Tätigkeit erst sammeln soll (Senat, nicht veröffentlichter Beschluss vom 16. Juli 2002 - 1 W 6447 und 6447/96 -; Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 70e FGG, Rdn. 2). Dass dies vorliegend anders wäre, hat das Landgericht nicht festgestellt. An der Fehlerhaftigkeit der Auswahl der Sachverständigen änderte vorliegend auch nichts, dass die Chefärztin Dr. Hnnn und der Oberarzt Dr. Knnn das Gutachten mitunterzeichnet hatten. Diese beiden Ärzte waren von dem Vormundschaftsgericht nicht als Sachverständige bestellt worden, sie sind auch nicht am 21. Dezember 2001 als Sachverständige gehört worden.

Der Verfahrensfehler führt hier jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme, weil er sich im Ergebnis nicht auf die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ausgewirkt hat. Die Unterbringungsmaßnahme wäre dann rechtswidrig, wenn die Möglichkeit der Ursächlichkeit des Verfahrensverstoßes für die angefochtene Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann (Briesemeister, in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 27, Rdn. 68). So liegt der vorliegende Fall jedoch nicht. Denn der ausreichend qualifizierte Oberarzt Dr. Knnn hat sich in seiner von dem Landgericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme die Ausführungen in dem Gutachten zu eigen gemacht und damit das Gutachten bestätigt. Das war im Hinblick darauf ausreichend, dass Dr. Knnn durch Mitunterzeichnung des Gutachtens der Ärztin im Praktikum Snnnn - für die er zudem offenbar zusätzlich auch in Vertretung unterschrieb - bereits Verantwortung für den Inhalt des Gutachtens vom 18. Dezember 2001 übernommen hatte. Der Stellungnahme des Dr. Knnn vom 28. Januar 2001 ist auch zu entnehmen, dass er die Betroffene sowohl vor Erstellung des Gutachtens vom 18. Dezember 2001 als auch nach Aufforderung durch das Landgericht zur ergänzenden Stellungnahme selbst untersucht hat. Es ist danach ausgeschlossen, dass das Vormundschaftsgericht, hätte es den Verfahrensfehler vermieden oder rechtzeitig selbst bemerkt, auf einer anderen Grundlage entschieden hätte. Da die sachverständigen Ausführungen des Dr. Knnn bereits dem Vormundschaftsgericht vorlagen, mangelte es also nur an seiner Bestimmung als Sachverständiger durch das Gericht. Das änderte aber nichts an der Qualität seiner Ausführungen, auf die es letztlich bei der Entscheidung über die Unterbringung der Betroffenen maßgebend ankommen musste.

b) Materiell-rechtlich begegnet die Genehmigung der Unterbringung im Ergebnis keinen Bedenken. Maßgeblich waren insoweit die Voraussetzungen von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, weil die Unterbringung der Betroffenen zur Heilbehandlung erfolgte. Die auf der Grundlage des Gutachtens der Klinikärzte getroffene Feststellung des Landgerichts, dass die Voraussetzungen zur geschlossenen Unterbringung der Betroffenen vorlagen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Tatsachenfeststellung, wozu auch die Würdigung der Gutachten eines Sachverständigen zählt (BayObLG, FamRZ 1999, 817), ist Sache des Tatrichters und vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler zu überprüfen, das heißt dahin, ob der Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt worden ist und der Tatrichter bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Senat, OLG-Report 2005, 621, 623). Bei der Würdigung des Gutachtens eines Sachverständigen hat das Rechtsbeschwerdegericht zusätzlich zu prüfen, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens lediglich kritiklos hingenommen hat oder ob er unter Nachvollziehung der Gedankengänge des Sachverständigen dessen tatsächliche Feststellungen wie auch die von ihm gezogenen Schlüsse auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat (BayObLG, FamRZ 1999, 817). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Landgerichts.

aa) Dass die notwendige Behandlung der an einer schizoaffektiven Psychose leidenden Betroffenen nur im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung gewährleistet war, weil die Betroffene krankheitsbedingt nicht in der Lage war, ihre Behandlungsbedürftigkeit einzusehen, konnte das Landgericht ohne weiteres aus dem Gutachten der Klinikärzte vom 18. Dezember 2001 und den ergänzenden ärztlichen Ausführungen in dem Schreiben vom 28. Januar 2002 herleiten. Danach lehnt die Betroffene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung, fehlender Krankheitseinsicht und mangelnden Behandlungswillens die ärztlicherseits für notwendig gehaltene medikamentöse Behandlungsmaßnahme ab. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Unterbringung nicht einwilligungsfähig war. Das steht mit dem übrigen umfangreichen Akteninhalt, insbesondere den dort vorhandenen älteren ärztlichen Gutachten und Zeugnissen in Übereinstimmung, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Mit der fehlenden Krankheitseinsicht ist regelmäßig auch das Fehlen der Einsicht in die Unterbringungsbedürftigkeit verbunden (BT-Drs. 11/4528, S. 147, abw. Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1906, Rdn. 23), was in dem Sinne zu verstehen ist, dass der Betroffene krankheitsbedingt die Notwendigkeit der durch die Unterbringung möglichen medizinischen Behandlung nicht zu erkennen vermag (OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 118f.; Müller, in: Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Stand 1. August 2004, § 1906, Rdn. 7). Hierzu war die Betroffene während der Zeit ihrer geschlossenen Unterbringung nicht in der Lage.

bb) Der Unterbringung der Betroffenen stand nicht entgegen, dass die Heilbehandlung durch Verabreichung neuroleptischer Medikamente erfolgen sollte, die von der Betroffenen nicht freiwillig genommen wurden. Zwischenzeitlich ist höchstrichterlich geklärt, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Zwangsbehandlung einwilligungsunfähiger Betroffener gegen deren natürlichen Willen während der gerichtlich genehmigten stationären Unterbringung ermöglicht (BGH, NJW 2006, 1277, 1279). Dabei ist die Erforderlichkeit der Unterbringung allerdings einer strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen (vgl. BVerfG, NJW 1998, 1774, 1775). Die drohende Gesundheitsgefahr muss gewichtig genug sein, um den mit der beabsichtigten Unterbringungsmaßnahme verbundenen Freiheitseingriff zu rechtfertigen. Ist als Heilbehandlung eine neuroleptische Medikation vorgesehen, so muss dafür in jedem Einzelfall eine therapeutische Indikation bestehen und der mögliche therapeutische Nutzen der Behandlung gegen die Gesundheitsschäden abgewogen werden, die ohne die Behandlung entstehen würden. Wenn die Unterbringung mit einer Zwangsbehandlung verbunden werden soll, sind in die Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen einzubeziehen (BGH, a.a.O., 1278; OLG Köln, NJW-RR 2006, 1646).

Die von dem Vormundschaftsgericht erteilte Genehmigung der Unterbringung hält diesen strengen Anforderungen stand. Die Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss sind insoweit nicht zu beanstanden. Dass es bei der Betroffenen in der Vergangenheit und insbesondere im Vorfeld der verfahrensgegenständlichen Unterbringung zu krankheitsbedingten Fehlhandlungen gekommen war, lässt sich ohne weiteres dem Akteninhalt entnehmen. So hat die Betroffene Gegenstände aus ihrer Wohnung auf Passanten geworfen und durch Schreien und Klopfen Lärm verursacht, wodurch es zu Beschwerden der Nachbarn kam und ein erneuter Wohnungsverlust nicht auszuschließen war.

Die Behandlung war erforderlich, um eine gewichtige gesundheitliche Schädigung von der Betroffenen abzuwenden. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Gefahr droht, dass sich eine chronische Krankheit ohne konsequente Behandlung zunehmend weiter chronifiziert (OLG München, FGPrax 2005, 156, 158; Hoffmann, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann/, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 1906, Rdn. 108). Eben dies hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem Gutachten vom 18. Dezember 2001 festgestellt. Die Behandlung war auch Erfolg versprechend, denn im Rahmen der vorangegangenen Unterbringung hatte sich der gesundheitliche Zustand der Betroffenen bis zur eigenmächtigen Absetzung der Medikation wieder stabilisiert. Ein Gleiches war auch bei der erneuten Unterbringung zu erwarten, was sich letztlich bestätigt hat.

Die Verhältnismäßigkeit war auch bei Eintritt der mit den verabreichten Medikamenten möglichen Nebenwirkungen gewahrt. Allerdings hatte die Betroffene, wie den Akten zu entnehmen ist, in der Vergangenheit die verabreichten Neuroleptika nicht immer nebenwirkungsfrei vertragen. Auf bestimmte klassische Neuroleptika hatte die Betroffene sogar sehr stark mit extrapyramidalen Bewegungsstörungen reagiert. Es ist aber nicht ersichtlich, dass es sich dabei um so schwerwiegende Nebenwirkungen handelte, dass sie durch die voranstehend dargestellten Erfolge der medikamentösen Behandlung nicht aufgewogen wurden. Die Betroffene hat selbst vortragen lassen, dass die im hiesigen Unterbringungsverfahren zunächst aufgetretenen Nebenwirkungen durch Umstellung der Medikation gebessert werden konnten.

Alternativen zur Unterbringung gab es nicht. Vor allem hätte eine ambulante Behandlung mangels Mitwirkung der Betroffenen nicht durchgeführt werden können.

cc) Der Genehmigung der Unterbringung stand auch nicht entgegen, dass nicht zugleich eine Genehmigung nach § 1904 Abs. 1 BGB von dem Betreuer beantragt und von dem Vormundschaftsgericht erteilt worden war. Allerdings folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass eine zwangsweise Unterbringung nicht geeignet und damit nicht erforderlich ist, wenn die beabsichtigte Heilbehandlung keinen Erfolg verspricht (Senat, OLG-Report 2005, 621, 623). Gleiches muss gelten, wenn die Einwilligung in eine Heilbehandlung genehmigungsbedürftig ist und die entsprechende Genehmigung nicht vorliegt, weil dann die Behandlung nicht durchgeführt werden darf. Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden kann, wenn sie rechtlich zulässig ist, kann der Betreute auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden darf (BGH, a.a.O., 1280).

Die Einwilligung des Betreuers in die während der Unterbringung erfolgte zwangsweise Behandlung der Betroffenen mit Neuroleptika bedurfte nicht der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Das ist nur dann der Fall, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, § 1904 Abs. 1 S. 1 BGB. Reversible Nebenwirkungen bei einer Behandlungsdauer mit Medikamenten von unter einem Jahr fallen in der Regel nicht hierunter (Hoffmann, a.a.O., § 1904 BGB, Rdn. 120; Dodegge, NJW 2006, 1627, 1629). So war es hier. Die aufgetretenen Nebenwirkungen konnten zumeist nach Umstellung des Medikaments gebessert werden. Anhaltspunkte für aufgrund der Nebenwirkungen eintretende bleibende Schäden bestanden nicht.

dd) Schließlich begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass in dem angefochtenen Beschluss des Vormundschaftsgerichts die Art der Medikation nicht bezeichnet worden war. Gesetzlich vorgegeben ist dies nicht, vgl. § 70f Abs. 1 FGG. Allerdings hat der Bundesgerichtshof verlangt, dass bei der mit einer Zwangsbehandlung verbundenen Genehmigung der Unterbringung die zu duldende Behandlung so präzise wie möglich anzugeben ist. Dazu gehören bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder Wirkstoffes und deren (Höchst-) Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit (BGH, a.a.O., 1281; so jetzt auch OLG Köln, NJW-RR 2006, 1664, 1665). Diese Anforderungen musste der vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangene Beschluss des Vormundschaftsgerichts aber (noch) nicht erfüllen. Zudem ergibt sich aus seiner Begründung der Zweck der Unterbringung, nämlich die medikamentöse Behandlung der Betroffenen zu gewährleisten. Diese Behandlung konnte, wie wiederholt in der Vergangenheit auch, nur mit entsprechenden Neuroleptika durchgeführt werden, wobei es letztlich Aufgabe des Arztes bzw. Betreuers blieb, möglichst nebenwirkungsfreie Medikamente zu verabreichen bzw. nur in eine entsprechende Medikation einzuwilligen. Eine starre Festlegung der Medikation und Dosierung hätte den Zweck der Unterbringung, eine von der Betroffenen gut vertragene Medikation zu entwickeln und ihr so zur Einsicht in die Notwendigkeit der medikamentösen Einstellung zu verhelfen, eher gefährdet. Unter diesen Umständen kann die Rechtswidrigkeit der durch den Beschluss vom 21. Dezember 2001 genehmigten Unterbringungsmaßnahme nicht festgestellt werden.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 128b KostO.

Ende der Entscheidung

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