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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 1 W 448/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 S. 2
BGB § 1896 Abs. 3
Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, wenn die Vollmacht mit dem Ziel erteilt wurde, die ärztliche Behandlung einer psychischen Erkrankung und eine eventuelle zivilrechtlichen Unterbringung zu verhindern, und der Bevollmächtigte den geäußerten Willen des Betroffenen ohne Rücksicht auf dessen fehlende Einsichtsfähigkeit und eine konkrete Hilfsbedürftigkeit in jedem Fall über an seinem Wohl auszurichtende Maßnahmen stellt und dabei die Gefahr hinnimmt, dass sich die psychische Krankheit des Betroffenen dadurch weiter verstärkt. Die Bestellung eines Vollmachtsüberwachungsbetreuers ist nicht ausreichend, wenn der Bevollmächtigte deutlich macht, eine Zusammenarbeit mit dem Betreuer in jedem Fall abzulehnen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 448/04 1 W 449/04

31.10.2006

In der Betreuungssache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 23. September 2004 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2004 - 83 T 128 und 472/03 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Kammergericht Müller am 31. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde sowie der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. Wnnn werden zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Die weitere Beschwerde, mit der sich die Betroffene gegen die Verlängerung der Betreuung unter Erweiterung der Aufgabenkreise (dazu unten 1.a) sowie gegen die Bestellung des Beteiligten zu 1 als neuem Betreuer (dazu unten 1 b) wendet, ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf der Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Betroffene leide an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer schizoaffektiven Psychose, differenzialdiagnostisch an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche mittlerweile aufgrund des bisherigen jahrelangen Verlaufs zunehmend chronifiziert sei. Die Betroffene habe Verbindlichkeiten in vierstelliger Höhe, mit deren Regulierung sie krankheitsbedingt offensichtlich überfordert sei. Ohne ausreichende Kontrolle durch einen Betreuer sei sie nicht in der Lage, mit ihren geringen finanziellen Mitteln so zu haushalten, dass die Begleichung der laufenden Kosten wie Miete, Strom und Krankenversicherung gewährleistet wären. Die Betroffene sei offensichtlich überfordert, ihr zustehende ergänzende Beihilfen selbst zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Da sie Sozialhilfe beziehe und gegen sie Zwangsvollstreckungs- und andere Zivilverfahren betrieben worden seien, benötige sie auch die Hilfe eines Betreuers im Bereich der Vertretung vor Behörden und Gerichten. Dies gelte auch im Hinblick auf die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung zur Heilbehandlung aufgrund des nunmehr jahrelangen Verlaufs der Krankheit unter Ablehnung jeglicher geeigneter medikamentöser Behandlung und des krankheitsbedingt erheblichen Leidensdruckes bei der Betroffenen durch das Hören von Stimmen und wiederkehrende Angstzustände. Vor allem benötige die Betroffene in diesen Bereichen einen Betreuer angesichts des Verhaltens ihrer Bevollmächtigten. Diese schotteten die Betroffene völlig nach außen hin ab, negierten vollständig die Existenz und Behandlungsbedürftigkeit von psychischen Erkrankungen und propagierten auch das Recht auf Selbsttötung und -verstümmelung.

Die von der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten stünden der Betreuerbestellung nicht entgegen, weil die Bevollmächtigten allein schon wegen ihrer Anschauung hinsichtlich der Existenz bzw. Nichtexistenz von psychischen Krankheiten und der Notwendigkeit zu deren Behandlung nicht die Gewähr dafür böten, zum Wohle und im Interesse der Betroffenen tätig zu werden. Deshalb käme auch ihre Bestellung als Betreuer nicht in Betracht.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Rechtsfehler, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO, enthält die angefochtene Entscheidung nicht.

a) Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Ein Betreuer darf nur für die Angelegenheiten bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen (BayObLG, FamRZ 2001, 1244 f.). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und ohne oder gegen seinen Willen, setzt weiter voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (Senat, Beschluss vom 26. April 2005 - 1 W 414/04, KG-Report Berlin 2005, 709; BayObLG, FamRZ 2001, 1244f; 2001, 1245f.; jetzt: § 1896 Abs. 1a BGB).

Das Landgericht ist in tatsächlicher Hinsicht ohne Rechtsfehler und damit für den Senat bindend, vgl. §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO, vom weiteren Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen mit der Folge, dass die bestehende Betreuung über den Ablauf der ursprünglich mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 26. Mai 2000 festgesetzten Überprüfungsfrist, § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG, hinaus zu verlängern und auf die weiteren Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung zur Heilbehandlung zu erweitern war.

aa) Verfahrensrechtlich ist die angegriffene Entscheidung fehlerfrei ergangen. Zutreffend hat das Landgericht auch die für die Verlängerung der Betreuung geltenden Vorschriften angewendet, obwohl die im Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 26. Mai 2000 festgesetzte Überprüfungsfrist im Zeitpunkt des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts vom 20. Januar 2003 über die Verlängerung der Betreuung bereits abgelaufen war. Der Ablauf der Überprüfungsfrist führt nicht zur automatischen Beendigung der Betreuung (BT-Drs. 11/6949, S. 80 re. Sp.), so dass die Betreuung auch im Zeitpunkt des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts vom 20. Januar 2003 noch bestand.

Für die Verlängerung wie auch die Erweiterung der Betreuung gelten die Vorschriften für die erstmalige Entscheidung entsprechend, § 69i Abs. 1 und 6 FGG. Danach ist das Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der Betreuung einzuholen, § 68b Abs. 1 S. 1 FGG, und der Betroffene persönlich anzuhören, § 68 FGG. Hier hat das Vormundschaftsgericht Gutachten der Sachverständigen Dr. Bnnn und Dr. Dnnnn eingeholt und die Betroffene am 28. Juni 2002 und am 31. Januar 2003 persönlich angehört. Das Landgericht hat die Betroffene am 25. April 2004 persönlich angehört.

Von der erneuten Einholung eines Gutachtens hat das Landgericht abgesehen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 69g Abs. 5 S. 4 FGG kann das Beschwerdegericht seine Entscheidung auf im ersten Rechtszug eingeholte Gutachten, hier insbesondere auf das Gutachten des Dr. Dnnnnn stützen. Das Landgericht musste keinen weiteren Sachverständigen bestellen auch wenn das Gutachten des Dr. Dnnnn im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts bereits 20 Monate alt war. Zwar darf das Beschwerdegericht seiner Entscheidung nur ein zeitnah erstelltes Gutachten zu Grunde legen (OLG Köln, OLG-Report 2000, 154; Mertens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 69g FGG, Rdn. 16; Sonnenfeld, in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 69g, Rdn. 59). Ob eine Begutachtung noch als zeitnah anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls und hängt maßgeblich von der Art der Erkrankung des Betroffenen ab. Hat sich sein Krankheitsbild seit längerem nicht entscheidend verbessert, kann das Landgericht auch auf ältere, nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Beschwerdeentscheidung stehende Gutachten zurückgreifen (BayObLG, FamRZ 2001, 1558). Insofern gilt der in § 69g Abs. 5 S. 3 FGG enthaltene Grundsatz, dass das Beschwerdegericht von solchen Verfahrenshandlungen absehen kann, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. So ist es hier. Die Ärztin Wnn vom Sozialpsychiatrischen Dienst hatte bereits im Rahmen ihrer Anregung auf Bestellung eines Betreuers vom 13. Januar 2000 darauf hingewiesen, dass die Betroffene schon seit Juni 1998 bekannt sei und an einer schizo-affektiven Psychose leide. Die beiden im Jahr 2002 vom Vormundschaftsgericht bestellten Sachverständigen haben dies bestätigt und übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass eine Verlängerung auf die damals maximal mögliche Dauer von fünf Jahren wegen des lang andauernden und inzwischen chronifizierten Krankheitsverlaufs erforderlich sei.

bb) Auch materiell-rechtlich bestehen gegen die angegriffene Entscheidung keine Bedenken.

(1) Die fortdauernde Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen hat das Landgericht fehlerfrei aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Dnnnn hergeleitet. Die Tatsachenfeststellung, wozu auch die Würdigung der Gutachten eines Sachverständigen zählt (BayObLG, FamRZ 1999, 817), ist Sache des Tatrichters und vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler zu überprüfen, das heißt dahin, ob der Sachverhalt ausreichend und ohne Gesetzesverletzung aufgeklärt worden ist und der Tatrichter bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Senat, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 W 91/05 -, OLG-Report 2005, 621, 623). Bei der Würdigung des Gutachtens eines Sachverständigen hat das Rechtsbeschwerdegericht zusätzlich zu prüfen, ob der Tatrichter das Ergebnis des Gutachtens kritiklos hingenommen hat oder ob er unter Nachvollziehung der Gedankengänge des Sachverständigen dessen tatsächliche Feststellungen wie auch die von ihm gezogenen Schlüsse auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat (BayObLG, FamRZ 1999, 817). Diesen Anforderungen genügen die Feststellungen des Landgerichts.

Das Gutachten entspricht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 20. Dezember 1994 - 1 W 6687/94, FamRZ 1995, 1382). Der Sachverständige hat den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, § 68b Abs. 1 S. 4 FGG. Dies ist vorliegend geschehen. Der Sachverständige hat angegeben, die Betroffene am 18. Oktober 2002 in deren Wohnung untersucht zu haben.

Kommt nach Auffassung des Sachverständigen die Bestellung eines Betreuers in Betracht, so hat sich das Gutachten auch auf den Umfang des Aufgabenkreises und die voraussichtliche Dauer der Betreuungsbedürftigkeit zu erstrecken, § 68b Abs. 1 S. 5 FGG. Der Sachverständige hat die Aufrechterhaltung der bestehenden Aufgabenkreise, sowie die Erweiterung auf die Gesundheitssorge und die Aufenthaltsbestimmung zur nervenärztlichen Heilbehandlung sowie eine Verlängerung um weitere fünf Jahre vorgeschlagen.

Die Feststellung des Landgerichts, die Betroffene leide weiterhin an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer schizo-affektiven Psychose, differenzialdiagnostisch an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche mittlerweile zunehmend chronifiziert sei, lässt sich ohne weiteres mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Dnnnn in Übereinstimmung bringen. Entsprechende Diagnosen sind auch dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Bnnn sowie der ärztlichen Stellungnahme der Ärztin Wnn des Sozialpsychologischen Dienstes des Bezirksamts Wnnn von Bnnn zu entnehmen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht daraus sowie aus dem Bild, das sich die Kammer im Rahmen der Anhörung vom 25. April 2004 von der Betroffenen gemacht hat, eine weiterhin bestehende Betreuungsbedürftigkeit und die Erforderlichkeit einer Betreuung für die in den angefochtenen Beschlüssen bezeichneten Aufgabenkreise gefolgert hat.

(2) Die von der Betroffenen den Beteiligten zu 3 und 4 erteilte Vorsorgevollmacht machte die Bestellung eines Betreuers auch nicht entbehrlich.

Das ergibt sich, soweit es um die Verlängerung der bestehenden Betreuung mit dem ursprünglichen Aufgabenkreis der Vermögenssorge geht, ohne weiteres bereits aus dem Umfang der Vollmacht. Die Vermögenssorge wird hiervon nicht erfasst, weil die Betroffene den entsprechenden Passus des von ihr ansonsten ausgefüllten Vordrucks durchgestrichen hat.

Aber auch im Übrigen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht davon ausgegangen ist, die Angelegenheiten der Betroffenen könnten durch die Beteiligten zu 3 und 4 nicht ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden, vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Das wäre nur dann anzunehmen, wenn die Beteiligten zu 3 und 4 zur Wahrung der Interessen der Betroffenen tauglich erschienen (OLG Zweibrücken, OLG-Report 2006, 729). Die Bestellung eines Betreuers trotz bestehender Vollmacht ist möglich, wenn die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten dem Wohl des Betroffenen klar zuwiderläuft, so dass eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet wird (OLG Brandenburg, NJW 2005, 1587). So ist es hier.

Da die Betroffene Sozialhilfe bezieht, für ihre Verhältnisse nicht unerhebliche Schulden hat und gegen sie gerichtliche Verfahren anhängig waren, setzt die nachhaltige Vertretung im Bereich der Vermögenssorge auch die Befugnis des Betreuers voraus, die Betroffene gegenüber Behörden und Gerichten zu vertreten. Von der Übertragung dieser Aufgabenkreise hätte allenfalls dann Abstand genommen werden können, wenn zu erwarten gewesen wäre, dass die Beteiligten zu 3 und 4 bereitwillig mit dem Beteiligten zu 1 zusammengearbeitet hätten. Hierfür bieten die Beteiligten zu 3 und 4 nach den Feststellungen des Landgerichts aber keine genügende Gewähr. Sie lehnen vielmehr jegliche Form der Betreuung ab und haben wiederholt versucht, Betreuern die Tätigkeit möglichst schwer wenn nicht gar unmöglich zu machen. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, die Beteiligten zu 3 und 4 drohten massiv mit Strafanzeigen, verhängten Kontakt- und Hausverbote und unterstellten pflichtwidriges Verhalten. Soweit die Betroffene dies relativiert und die Auffassung vertritt, das Landgericht habe insoweit den zugrunde liegenden Sachverhalt unter Verstoß gegen § 12 FGG nicht genügend aufgeklärt, kann dem der Senat nicht folgen. Ein entsprechendes Verhalten haben die Beteiligten zu 3 und 4 im hiesigen Verfahren an den Tag gelegt, wie sich den Akten entnehmen lässt. Sie haben dem Beteiligten zu 1 zunächst grundlos vorgeworfen, Geld der Betroffenen unterschlagen zu haben, um dessen Stellungnahme gegenüber dem Vormundschaftsgericht dann zum Anlass zu nehmen, ihn u.a. wegen "Verleumdung" bei der Amtsanwaltschaft anzuzeigen. Dies entspricht dem von dem Landgericht in Bezug genommenen und bei den Akten befindlichen "Leitfaden" der Beteiligten zu 3 und 4, in dem es heißt man sammele "Methoden, wie man einem Betreuer das Leben so unerträglich machen kann, dass er froh ist, endlich das Handtuch schmeißen zu können." Das Landgericht hat weiterhin mehrere andere Betreuungsverfahren beigezogen und festgestellt, dass sich die Beteiligten zu 3 und 4 auch dort in gleicher Weise verhalten hatten. Das steht in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen des Senats im Verfahren 1 W 298/04, in dem es ebenfalls um die Tauglichkeit der hiesigen Beteiligten zu 3 und 4 ging. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht keine weiteren Ermittlungen veranstaltet hat, zumal die Beteiligten zu 3 und 4 im Rahmen der Anhörung vor der Kammer Gelegenheit hatten, ihre Standpunkte deutlich zu machen.

Danach stand die Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers auch nicht entgegen, soweit dem Betreuer die Aufgabenkreise "Gesundheitssorge" und "Aufenthaltsbestimmung zur Heilbehandlung" übertragen worden sind. Hinzu kommt, dass der Senat in Bezug auf die Beteiligten zu 3 und 4 in dem bereits erwähnten weiteren Betreuungsverfahren entschieden hat, dass eine Vollmacht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen steht, wenn ein Bevollmächtigter den mit der Anordnung der Betreuung eventuell verbundenen Zwang gegen den - kranken - Betroffenen prinzipiell ablehnt, daher den Willen des Betroffenen unabhängig von seiner konkreten Hilfsbedürftigkeit in jedem Fall über die am Wohl des Betroffenen ausgerichteten Maßnahmen stellt und deswegen dann jegliche Zusammenarbeit mit Ärzten, Pflegepersonal, Behörden und Sachverständigen sabotiert (Senat, Beschluss vom14. März 2006 - 1 W 298, 340/04, 134/05; OLG-Report 2006, 611 = FGPrax 2006, 182). Der Senat hält nach nochmaliger Überprüfung an dieser Auffassung fest.

Dabei geht es nicht darum, das Wohl des Betroffenen in jedem Fall über seinen Willen zu stellen. Dass dies unzulässig ist, hat der Gesetzgeber des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1073) durch Einfügung des § 1896 Abs. 1a BGB ausdrücklich klargestellt; gegen den freien Willen des Volljährigen darf danach ein Betreuer nicht bestellt werden. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, worauf die Betroffene Bezug nimmt (BVerfGE 58, 208, 225). Das Bundesverfassungsgericht hat aber sehr wohl unterschieden zwischen Fällen, in denen ein Gesunder staatlich angebotene Hilfe zurückweist, und solchen, in denen der Grund für die Zurückweisung in dem krankheitsbedingten Mangel der Fähigkeit zur Selbstbestimmung liegt. In letzterem Fall ist dem Staat fürsorgerisches Eingreifen auch dort erlaubt, wo beim Gesunden Halt geboten ist (BVerfG, a.a.O.). Dem entspricht die Regelung des § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach der Betreuer den Wünschen des Betroffenen zu entsprechen hat, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Insoweit kommt es nicht auf die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen an (Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1901, Rdn. 11), so dass der Betreuer unter Umständen aus seiner Sicht unvernünftigen Wünschen des Betroffenen zu entsprechen hat, wenn das Wohl des Betroffenen dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Im Gegensatz hierzu negieren die Beteiligten zu 3 und 4 gänzlich, dass psychische Erkrankungen eine Behandlung auch gegen den geäußerten Willen des Kranken erforderlich machen können. Sie beabsichtigen, jedem Wunsch der Betroffenen zu entsprechen und übergehen den Umstand, dass die Betroffene krankheitsbedingt nicht einsichtsfähig ist und deshalb eine ärztliche Behandlung ablehnt, beides auch auf die Gefahr hin, dass sich ihre psychische Krankheit weiter verstärkt. Der Gesetzgeber hat aber die Betreuung vorgesehen, um notfalls auch gegen den Willen des nicht einsichtsfähigen Kranken Maßnahmen zu seinem Schutz vornehmen zu können, vgl. § 1906 Abs. 1 BGB. Für ihre Auffassung können sich die Beteiligten zu 3 und 4 nicht auf eine "Freiheit zur Krankheit" der Betroffenen berufen. Eine solche "Freiheit zur Krankheit" steht zwar als Teil ihrer Menschenwürde auch psychisch Kranken zu (BVerfGE 58, 208, 226), so dass sie grundsätzlich auch von einem Betreuer zu respektieren ist. Sie besteht jedoch nicht schrankenlos. Ob dem Wunsch eines nicht einsichtsfähigen Betroffenen, der das Durchleben seiner Krankheit einer aus seiner Sicht unzumutbaren Behandlung vorzieht, zu folgen ist, muss im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung beantwortet werden (BGH, NJW 2006, 1277 zur zivilrechtlichen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Im Gegensatz zur Auffassung der Beteiligten zu 3 und 4 ist es also nicht so, dass dem geäußerten Willen der Betroffenen ohne jede weitere Prüfung immer zu folgen sein wird. Eben dies beabsichtigen die Beteiligten zu 3 und 4 aber und verkennen dabei, dass eine ärztliche Behandlung der psychischen Krankheit der Betroffenen angezeigt ist. Letzteres steht nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts, die insbesondere durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Dnnnn bestätigt werden, fest. Die Wahrnehmung der vermeintlichen Interessen der Betroffenen durch die Beteiligten zu 3 und 4 läuft danach dem Wohl der Betroffenen klar zuwider. Ohne die Bestellung eines Betreuers bestünde eine konkrete Gefahr für ihr Wohl.

Daran ändert auch nichts der Umstand, dass die Betroffene einen Überwachungsbevollmächtigten bestellt hat. Der Überwachungsbevollmächtigte hat sowohl gegenüber dem Vormundschaftsrichter wie auch dem Berichterstatter der Kammer des Landgerichts mitgeteilt, von einer Bevollmächtigung durch die Betroffene nichts zu wissen. Daraus folgt, dass eine Überwachung der Beteiligten zu 3 und 4 überhaupt nicht erfolgt und ersichtlich auch gar nicht erfolgen soll, nachdem der zur Überwachung der Beteiligten zu 3 und 4 bestellte Rechtsanwalt nach Süddeutschland verzogen ist.

Die Bestellung des Betreuers war auch nicht etwa auf die Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber den Beteiligten zu 3 und 4 zu beschränken, vgl. § 1896 Abs. 3 BGB. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass eine Zusammenarbeit mit einem Betreuer, gleich welcher Aufgabenkreis diesem übertragen wird, in keinem Fall erfolgt, oder zumindest zu erwarten ist, dass eine Überwachung der Beteiligten zu 3 und 4 durch einen Betreuer mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Die Bestellung eines Vollmachtsüberwachungsbetreuers war deshalb nicht ausreichend, um die Betroffene ausreichend zu schützen (vgl. OLG Zweibrücken, OLG-Report 2006, 729; BayObLG, FamRZ 2003, 1219; BtPrax 2001, 163; Schwab, in: Münchener-Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 1896, Rdn. 237).

b) Zutreffend hat das Landgericht auch die Auswahl des Beteiligten zu 1 als Betreuer der Betroffenen durch das Vormundschaftsgericht bestätigt.

Wird der Betreuer entlassen, so ist ein neuer Betreuer zu bestellen, § 1908c BGB. Hier hat das Vormundschaftsgericht die vormalige Betreuerin entlassen. Vor der Bestellung des neuen Betreuers ist der Betroffene persönlich anzuhören, § 69i Abs. 8 FGG. Die Betroffene wurde sowohl von dem Vormundschaftsgericht als auch dem Landgericht, vgl. § 69g Abs. 5 S. 1 FGG, persönlich auch zum Betreuerwechsel angehört.

Bei der Auswahl des neuen Betreuers gelten die gleichen Regelungen wie bei der Erstbestellung eines Betreuers (Mertens, in: Jürgens, a.a.O., § 1908c, Rdn. 1). Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem von der Betroffenen geäußerten Wunsch, die Beteiligten zu 3 und 4 zu Betreuern zu bestellen, nicht gefolgt ist. Dies würde nach den obigen Ausführungen ihrem Wohl zuwiderlaufen, vgl. § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB. Daran ändert auch nichts, dass die Beteiligten zu 3 und 4 im Fall ihrer Bestellung als Betreuer unter der unmittelbaren Aufsicht des Vormundschaftsgerichts stünden, §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1837 Abs. 1 bis 3 BGB. Sie bieten von ihrer grundsätzlichen Einstellung gegenüber Betreuungen nicht die Gewähr, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten der Betroffenen zu deren Wohl rechtlich zu besorgen und sie in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen, so dass sie als Betreuer insgesamt ungeeignet sind, § 1897 Abs. 1 BGB.

Da nicht ersichtlich ist, dass andere zur ehrenamtlichen Betreuung bereite Personen zur Verfügung standen, konnte der Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuer für die Betroffene bestellt werden, § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 3 KostO.

B.

Der Antrag der Betroffenen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen von § 14 FGG in Verbindung mit § 114 S. 1 ZPO nicht vorlagen. Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 S. 1 ZPO.

Prozesskostenhilfe war zu versagen, weil die Rechtsverfolgung durch die Betroffene aus den Gründen, die zur Zurückweisung ihrer weiteren Beschwerde führten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte. Damit ist keine unzulässige Betrachtung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Nachhinein verbunden. Zwar soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen, so dass bei der Beurteilung des Anspruchs auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht auf die in der Hauptsache gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden darf (BVerfG, NJW 2005, 3489, 3490). Die Entscheidung in der Hauptsache beruht hier jedoch nicht auf neuen Erkenntnissen des Senats, sondern auf dem bei Erlass der angefochtenen Entscheidung gegebenen Sachverhalt, §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 559 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Besonderheiten des betreuungsrechtlichen Verfahrens. Ob in Betreuungsverfahren die Voraussetzungen des § 114 S. 1 ZPO immer schon dann bejaht werden können, wenn schwerwiegende Eingriffe in die Rechte und die Lebensstellung des Betroffenen im Raume stehen (vgl. LG Karlsruhe, FamRZ 1999, 1091f.; Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 14, Rdn. 9a), kann dahinstehen. Die Verlängerung der Betreuung mit den von dem Vormundschaftsgericht bestimmten Aufgabenkreisen und die Auswahl des neuen Betreuers sind vorliegend keine so schwerwiegenden Eingriffe, dass Prozesskostenhilfe zur Gewährung des Rechtsschutzes schon ohne abschließende Würdigung der Erfolgsaussichten zu gewähren gewesen wäre.

Ende der Entscheidung

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