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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.03.2003
Aktenzeichen: 1 W 454/01
Rechtsgebiete: ZSEG
Vorschriften:
ZSEG § 3 Abs. 2 Satz 2 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 454/01
in Sachen
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juli 2001 in der Sitzung vom 11. März 2003
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Festsetzung seiner Entschädigung als Sachverständiger ist gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Der Beteiligte zu 1) ist als Sachverständiger beschwerdeberechtigt (§ 16 Abs. 2 Satz 2 ZSEG). Er ist durch den angefochtenen Beschluss auch um mehr als 100 DM (§ 16 Abs. 2 Satz 1 ZSEG a. F.) beschwert. Ihm wurde statt der beantragten Entschädigung von insgesamt 6.537,34 DM nur eine Entschädigung von 5.950,84 DM für das Gutachten vom 21. November 1997 und das Schreiben vom 9. Februar 1998 zugesprochen.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Gegenstand des Beschwerde-verfahrens ist die mit dem angefochtenen Festsetzungsbeschluss vorgenommene Kürzung der berechneten Sachverständigenentschädigung des Beteiligten zu 1) um 586,50 DM. In Rahmen dieses Betrages unterliegt die angefochtene Festsetzung der Sachverständigenentschädigung einer vollen Überprüfung, wobei das Beschwerdegericht - entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) - nicht nur die umstrittenen, sondern sämtliche Rechnungsposten überprüfen und ggf. zum Nachteil des Sachverständigen herabsetzen kann (Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 22. Aufl. 2002, § 16 Rn. 15; OLG Schleswig, MDR 1985, 79; Senat vom 23. 10. 2001 - 1 W 2084/00 - nicht veröffentlicht). Vorliegend erweist sich die Kürzung der berechneten Entschädigung um 586,50 DM jedoch bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als zutreffend. Zumindest der Zeitaufwand, den der Beteiligte zu 1) für das Aktenstudium berechnet hat, kann nicht in vollem Umfang als erforderlich anerkannt werden.
Die Entschädigung eines Sachverständigen richtet sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ZSEG u. a. nach dem erforderlichen Zeitaufwand. Dies ist nach allgemeiner Auffassung der im konkreten Fall für die Erledigung des Gutachtenauftrages objektiv erforderliche Zeitaufwand. Entscheidend ist nicht die Zeit, die der Sachverständige tatsächlich für die Begutachtung aufgewandt hat, sondern der Zeitaufwand, den ein mit der Materie vertrauter Sachverständiger von durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung benötigt, um die Beweisfrage sachgemäß zu beantworten (vgl. Senat, JurBüro 1984, 1066; BGH NJW-RR 1987, 1470 f.). Das Gericht darf und muss daher prüfen, ob der vom Sachverständigen mitgeteilte Zeitaufwand wirklich erforderlich war. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Sachverständigen ein Ermessensspielraum eingeräumt ist: Grundsätzlich bleibt ihm im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens die Entscheidung überlassen, wie viel Zeit für eine ordnungsgemäße Begutachtung notwendig ist. Deswegen ist zunächst von den Zeitangaben des Sachverständigen auszugehen. Anlass für eine Prüfung und eine Korrektur der Stundenzahl besteht nur dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ganz eindeutig ungewöhnlich hoch erscheint (Senat, JurBüro 1984, 1066; Senat, ZSW 82,228; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 43; OLG Hamm MDR 1987, 419; OLG Köln OLGR 1999, 115, Meyer/Höver/ Bach, a. a. O., § 3, Rn. 22).
Letzteres ist hier der Fall. Auch bei einer großzügigen Beurteilung des vom Sachverständigen berechneten Zeitaufwandes erscheint die angegebene Zeit von 6 Stunden für das Studium der Akten vor Erstellung des Gutachtens vom 21. November 1997 und von weiteren zwei Stunden für das Schreiben vom 9. Februar 1998 eindeutig außergewöhnlich hoch. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den angegebenen Zeitaufwand um 4 Stunden auf die Hälfte der Zeit gekürzt hat.
Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, insbesondere von Inhalt und Umfang der Akte sowie der Art des Beweisthemas kann für das Aktenstudium zur Abfassung des Gutachtens vom 21. November 1997 lediglich ein Zeitaufwand von drei Stunden anerkannt werden. Der Beteiligte zu 1) weist zwar zu Recht darauf hin, dass bei der Beurteilung der Höhe des Zeitaufwandes für das Aktenstudium nicht allein auf die reine Leseleistung abgestellt werden darf. Neben der Lektüre der Akten umfasst das Studium der Akten auch deren Aufarbeitung und Aus-wertung im Hinblick auf die zu beantwortende Beweisfrage (Meyer/Höver/Bach, a. a. O., § 3 Rn. 43.3). Dieser Umstand wird jedoch entgegen der Auffassung des Sachverständigen nicht vernachlässigt, wenn das Landgericht auf die in der Sozialgerichtsbarkeit aufgestellten Grundsätze verweist und sie im vorliegenden Fall übernimmt. Denn die Erfahrungswerte der Sozialgerichte berücksichtigen die Tatsache, dass ein Sachverständiger die Akten sorgfältig durchsehen und Notizen bzw. Exzerpte fertigen muss (Meyer/Höver/Bach, ebenda). Allerdings kann die Annahme des Landgerichts, für die gründliche Durcharbeitung einer Akte sei ein Zeitaufwand von einer Stunde für ca. 60 Aktenseiten angemessen, nur ein erster Anhalt sein. Die für das Aktenstudium erforderliche Zeit richtet sich nicht nur nach dem Umfang der Akte, sondern maßgeblich auch nach ihrem Inhalt und der Art des Beweisthemas. Im vorliegenden Fall ist mithin zu berücksichtigen, dass der Sachverständige zur Vorbereitung des Gutachtens bis zur Festlegung des Ortstermins am 4. Juli 1997 120 Aktenseiten durchzuarbeiten hatte, wobei 69 Seiten (Bl. 44 bis 113 d. A.) auf das Parteigutachten des Dipl. Ingenieurs Pnnn Jnnn vom 2. August 1996 samt Anlagen (u. a. das Bodengutachten des Dipl. Ing. Y. Pnnn vom 10. November 1993) entfielen. Dabei waren einerseits die Beweisthemen scharf umrissen und schnell zu erfassen: Es ging im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens um die Feststellung, ob 11 Risse am Haus des Klägers vorhanden sind, ob Maßnahmen der Beklagten zur Bodenverdichtung (konkret: die Vibrationen infolge dieser Baumaßnahmen) diese Gebäudeschäden verursacht haben und welche Kosten bei fachgerechter Beseitigung der Schäden entstehen würden. Andererseits verlangte die Durchsicht der beiden Fachgutachten besondere Aufmerksamkeit, auch wenn diese Gutachten dem zu begutachtenden Sachverhalt bereits eine klare Struktur gaben und damit die Aufarbeitung der Fakten durch den Sachverständigen erheblich erleichterten. Unter diesen Umständen ist ein Zeitaufwand von ca. 2 Stunden für die Durcharbeitung des Gutachtens Jnnn und von einer weiteren Stunde für die restliche Akte ausreichend bemessen.
Zu Recht hat das Landgericht auch den Zeitaufwand beanstandet, den der Gutachter für das Aktenstudium anlässlich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. Februar 1998 angesetzt hat. Die Schriftsätze der Parteien zum Gutachten des Sachverständigen umfassten lediglich 11 Seiten, wobei die Parteien zum einen Verständnisfragen stellten und zum anderen aus der Sicht von Laien Widersprüche innerhalb des Gutachtens aufzeigten. Selbst wenn der Beteiligte zu 1) im Februar 1998 sein zwei Monate zuvor verfasstes Gutachten von 11 Seiten nochmals lesen musste, erscheint der insgesamt berechnete Zeitaufwand von 2 Stunden für das Studium der Akten eindeutig zu hoch. Es ist davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 1) spätestens nach einer Stunde mit der Vorbereitung seiner klarstellenden schriftlichen Äußerung hätte beginnen können.
Umstände, die für das Aktenstudium einen größeren Zeitaufwand erforderlich machten, hat der Beteiligte zu 1) nicht aufgezeigt. Er weist lediglich in pauschaler Form darauf hin, dass zum Studium der Akten auch handschriftlichen Auszüge, Zuordnung und Heraussuchen von Bestimmungen des technischen Regelwerks, konzeptionelle Ordnung und Strukturierung gehören, bis er schließlich zum Ortstermin einladen könne. Weshalb diese Umstände hier besonders zeitraubend waren, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist dem Gutachten vom 21. November 1997 nicht zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 1) im Vorfeld dieses Gutachtens oder bei seiner Abfassung Bestimmungen des technischen Regelwerks herangezogen hat. Vielmehr basieren seine Ausführungen auf der tatsächlichen Untersuchung des Gebäudes sowie auf seiner Erfahrung als Sachverständiger, wonach die vorgefundenen Risse zwar zum Teil durch den Einsatz von Maschinen zur Bodenverdichtung hervorgerufen bzw. erweitert wurden, diese Schäden bei einem normal-widerstandfähigen Hochbau aber nicht zu erwarten gewesen wären. Erst in der zusätzlichen schriftlichen Stellungnahme vom 8. Februar verweist der Sachverständige auf DIN 4150 Teil 3, bestimmt die Rüttelenergie einer Bnn -Walze und überreicht einen Auszug aus der geologischen Karte von Mnnnnn - eine Arbeit, die sich in 7 weiteren, für die Ausarbeitung der ergänzenden Äußerung angesetzten Stunden niederschlägt.
Zu keinem anderen Ergebnis führt der im Grundsatz zutreffende Hinweis der Bezirksrevisorin, zur Vorbereitung eines Gutachtens gehörten neben dem Studium der erforderlichen Unterlagen auch weitere Tätigkeiten, wie ein das Verfahren begleitender Schriftwechsel mit dem Gericht und/oder den Parteien, Ladungen bzw. Abstimmungen hierzu, Einholen von Auskünften u. ä.. Der Beteiligte zu 1) hat nach seiner in der Beschwerdebegründung gegebenen Erläuterung unter der Rechnungsposition "Aktenstudium" pauschal die zeitlichen Aufwendungen bis zur Festlegung des Ortstermins zusammengefasst. Es wäre im Hinblick auf die gegen diese Rechnungsposition erhobenen Einwendungen nunmehr erforderlich gewesen, die erbrachten Leistungen so zu differenzieren, dass sich der berechnete Zeitaufwand den in der Liquidation des Sachverständigen zu Pos. 1 bis 3 aufgeführten Leistungen im Einzelnen nachvollziehbar zuordnen und nachvollziehen ließe (Meyer, a. a. O., § 3 Rn 22; OLG Köln, JurBüro 91,1396; OLG Köln, OLGR 99,115). Das ist nicht geschehen.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der für das Studium der Akten angesetzte überhöhte Bearbeitungsaufwand durch den Ansatz einer zu kurzen Bearbeitungszeit für die Abfassung des Gutachtens aufgewogen wird. Der hierfür insgesamt geltend gemachte Zeitaufwand von insgesamt 24 Stunden liegt keineswegs unter dem Zeitaufwand, der erfahrungsgemäß einem Sachverständigen für die gleiche Leistung zugebilligt werden müsste.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 16 Abs. 5 ZSEG).
Ende der Entscheidung
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