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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 1 W 463/03
Rechtsgebiete: ZSEG


Vorschriften:

ZSEG § 2 Abs. 2
ZSEG § 11 Abs. 1
1. Bestellt ein Zeuge für die Zeit seiner Abwesenheit aufgrund der gerichtlichen Ladung einen Vertreter, der nicht von ihm zu vergüten ist, sondern die vorgesehenen Leistungen auf eigene Rechnung erbringt, so sind dem Zeugen keine gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 ZSEG zu ersetzenden Vertretungskosten entstanden.

2. Dem Zeugen ist für den infolge der Erbringung der Leistungen durch seinen Vertreter entstandenen Verdienstausfall eine Entschädigung zu gewähren, die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG auf den Höchstsatz von 13 EUR für jede versäumte Arbeitsstunde begrenzt ist.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer. 1 W 463/03

in Sachen

hier: Festsetzung von Zeugenentschädigung gemäß § 16 ZSEG,

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. August 2003 in der Sitzung vom 16. März 2004 beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird die der Beteiligten zu 1. zu gewährende Zeugenentschädigung auf 104 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg. Der Beteiligten zu 1. zu kann keine höhere Entschädigung als 104 EUR (für 8 Stunden zu je 13 EUR) gewährt werden.

Bei dem von der Beteiligten zu 1. mit Rechnung vom 14.Aprii 2003 geltend gemachten "verlorenen Umsatz" in Höhe von 1.324,78 EUR handelt es sich - entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht um ihr entstandene Vertretungskosten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 ZSEG, sondern um Verdienstausfall im Sinne von § 2 Abs. 1 ZSEG, für den die Entschädigung eines Zeugen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG auf den Höchstsatz von 13 EUR für jede versäumte Arbeitsstunde begrenzt ist.

1. Nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 ZSEG werden dem Zeugen in den §§ 8-10 ZSEG nicht besonders genannte "bare Auslagen" ersetzt, soweit sie notwendig sind. Zu diesen sonstigen zu ersetzenden Auslagen gehören insbesondere die Kosten einer notwendigen Vertretung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 ZSEG). § 11 Abs. 1 ZSEG hat damit eine Auffangfunktion und gewährt dem Zeugen einen Anspruch auf Ersatz solcher Auslagen, die er zwangsläufig aufwenden musste, um seiner Zeugenpflicht vor Gericht nachzukommen. Gemeinsame Voraussetzung für den Ersatz solcher Kosten ist daher, dass sie dem Zeugen tatsächlich entstanden und nachgewiesen sind und schließlich auch notwendig waren (vgl. zu Vorstehendem OLG Celle Rpfleger 1990, 273; BSGE 80, 171/174; Thüringer LSG JurBüro 2003, 96; Bleutge, ZSEG, 3. Aufl., § 11 Rdn. 1).

Vorstehendes gilt auch für den Ersatz von Vertretungskosten. Ein Zeuge, der zur Vermeidung von Nachteilen für die Dauer seiner Abwesenheit von seinem Geschäft, seinem Arbeitsplatz oder seiner Praxis gezwungen ist, einen Vertreter zu beschäftigen, kann die von ihm für den Vertreter aufgewendeten Kosten gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 ZSEG ersetzt verlangen. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Zeugen tatsächlich Aufwendungen entstanden sind, wobei diese regelmäßig in der dem Vertreter zu zahlenden Vergütung bestehen (vgl. dazu die jeweiligen Sachverhalte in OLG Karlsruhe MDR 1993, 89; OLG Düsseldorf MDR 1993, 485; OLG Frankfurt/Main OLGR 2000, 20; LSG Niedersachsen, SozVers 2000, 305; ferner Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., § 11 Rdn. 2.5).

2. Wie sich aus den vorangehenden Ausführungen ergibt, handelt es sich bei den vorliegend geltend gemachten Kosten schon deshalb nicht um gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 ZSEG zu erstattende Vertretungskosten, weil die Beteiligte zu 1. selbst an Herrn Dr. ... für die Ausführung der am Tage ihrer Zeugenladung vor dem Landgericht Berlin bei dem Chirurgen Dr. ... vorgesehenen Operationen keine Vergütung zu zahlen hatte und ihr daher selbst auch keine Auslagen erwachsen sind. Ihr sind lediglich entsprechende Einnahmen (bzw. Umsätze) dadurch entgangen, dass Herr Dr. ... an ihrer Stelle an den Operationen mitwirkte und die dabei erforderlichen Leistungen auf eigene Rechnung erbrachte. Der Umstand, dass die bei einer Anästhesie zu erbringenden Leistungen festgelegt und nach festen Sätzen abzurechnen sind, ändert nichts daran, dass sie selbst keine Auslagen für ihre Vertretung zu tragen hatte.

Der von der Beteiligten zu 1. auf 1.324,78 EUR bezifferte Umsatzausfall kann gemäß § 401 ZPO und § 1 Abs. 1 ZSEG nur nach Maßgabe des ZSEG entschädigt werden. Nach § 2 Abs. 1 ZSEG ist ein Zeuge zwar für seinen Verdienstausfall zu entschädigen, jedoch ist die Entschädigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG für jede versäumte Arbeitsstunde auf den Höchstsatz von 13 EUR begrenzt; eine höhere Entschädigung kann auch dann nicht gewährt werden, wenn der Zeuge nachweist, dass ihm tatsächlich ein höherer Verdienstausfall entstanden ist. Denn der Gesetzgeber hat diese Begrenzung der Entschädigung für Verdienstausfall bewusst vorgenommen, weil der Zeuge einer staatsbürgerlichen Pflicht nachkommt, die ihm im Interesse der Rechtspflege und damit der Allgemeinheit auch ohne volle Entschädigung auferlegt wird (vgl. zu Vorstehendem OLG Nürnberg JVBl. 1972, 114; OLG Bremen JurBüro 1994, 182; Meyer/Höver/Bach a.a.O. § 2 Rdn. 9.1 m.w.N).

Im Hinblick auf den von der Beteiligten zu 1. belegten weit höheren Verdienstausfall ist es vorliegend gerechtfertigt, pro Arbeitsstunde den Höchstsatz von 13 EUR anzusetzen, wobei von einem regelmäßigen Arbeitstag von 8 Stunden auszugehen ist. Die festzusetzende Entschädigung beträgt daher insgesamt 104 EUR.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 16 Abs. 5 ZSEG).

Ende der Entscheidung

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