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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.10.2003
Aktenzeichen: 1 W 484/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 103
ZPO § 104
ZPO § 281
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 788 Abs. 2
1. Entscheidet das Landgericht als sachlich unzuständiges Gericht (§ 788 Abs. 2 ZPO) über einen Kostenfestsetzungsantrag, so ist es auf die unbeschränkt eingelegte Beschwerde des Kostenschuldners befugt, den Kostenfestsetzungsbeschluss wegen des von Amts wegen zu beachtenden Zuständigkeitsmangels aufzuheben. Zur Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages mangels sachlicher Zuständigkeit - wenn keine Abgabe oder Verweisung beantragt wird - ist nur das angerufene Gericht befugt.

2. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren über den Kostenfestsetzungsantrag auf den erst mit der Beschwerde gestellten Antrag an das gemäß §§ 788 Abs. 2 Satz 1, 764 Abs. 2 ZPO örtlich und sachlich zuständige Vollstreckungsgericht verweisen, sofern dieses bestimmt werden kann. Andernfalls ist die Sache zur Entscheidung über den Verweisungsantrag an das Landgericht zurückzuverweisen.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 484/03

In Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde der Klägerinnen gegen den im Kostenfestsetzungsverfahren ergangenen Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 - 13.O.177/97 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking als Einzelrichter am 31. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit durch ihn der Festsetzungsantrag der Klägerinnen vom 26. August 2002 zurückgewiesen wurde.

Die Sache wird an das Landgericht Berlin zur Entscheidung über den Verweisungsantrag der Klägerinnen zurückverwiesen.

Gründe:

I. Mit dem am 28. August 2002 beim Amtsgericht ... - Grundbuchamt - eingereichten Antrag haben die Klägerinnen die Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten gemäß § 788 ZPO für einen dort am 19. März 2001 gestellten Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek gegen den Beklagten in Höhe von 588,53 Euro - einschließlich einer Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO - beantragt. Die Sache wurde beim Grundbuchamt ausgetragen und mit Verfügung vom 2. September 2002 an das Vollstreckungsgericht bei dem Amtsgericht ... zur weiteren Veranlassung gesandt, gelangte jedoch an das Landgericht Berlin, wo sie am 12. September 2002 einging. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. September 2002 setzte das Landgericht Berlin zu Gunsten der Klägerinnen Vollstreckungskosten in Höhe von 482,49 Euro fest, wobei die Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGO abgesetzt wurde. Hiergegen haben die Klägerinnen am 18. Oktober 2002 - wegen des abgesetzten Betrages - und der Beklagte am 23. Oktober 2002 sofortige Beschwerde - jeweils rechtzeitig - eingelegt. Der Beklagte rügt, es handele sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, da die titulierte Forderung bereits am 19. März 2001 bezahlt worden und dem Zwangsvollstreckungsantrag der Klägerinnen der erforderliche Schuldtitel nicht beigefügt worden sei, was das Amtsgericht Schöneberg zu Recht beanstandet habe.

Der Rechtspfleger des Landgerichts Berlin hat mit Beschluss vom 25. Juni 2003 den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. September 2002 aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, das Landgericht Berlin sei für die Festsetzung nach § 788 ZPO "im vorliegenden Fall nicht zuständig". Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Landgericht den Klägerinnen auferlegt.

II. Die mit Schriftsatz vom 8. August 2003 eingelegte Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 25. Juni 2003 zulässig (§ 11 Abs. 1 RpflG in Verbindung mit §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 Satz 2, 569 ZPO). Sie hat im Wesentlichen Erfolg.

1. Mit dem Rechtsmittel wenden sich die Klägerinnen gegen den im Kostenfestsetzungsverfahren ergangenen Beschluss vom 13. September 2002, soweit durch diesen Beschluss ihr Festsetzungsantrag vom 26. August 2002 mangels sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen wurde. Insoweit hat die sofortige Beschwerde Erfolg, denn die Zurückweisung des Antrags durch das Landgericht war fehlerhaft. Die Klägerinnen hatten den Antrag beim Amtsgericht Schöneberg - als Vollstreckungsgericht - gestellt und eine Abgabe an das Landgericht - als Prozessgericht - nicht beantragt. Nur das angerufene Gericht konnte aber den Antrag mangels Zuständigkeit zurückweisen, wenn eine Abgabe oder Verweisung an das zuständige Gericht nicht beantragt wurde.

2. Bei der Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 13. September 2002 durch den angefochtenen Beschluss hat es hingegen zu verbleiben, da die Klägerinnen den Beschluss vom 25. Juni 2003 insoweit nicht angegriffen haben. Das Landgericht war im Übrigen durch den Grundsatz der auch für Kostenfestsetzungsbeschlüsse geltenden formellen und materiellen Rechtskraft (vgl. BGH AGS 2003, 176 = MDR 2003, 476 = NJW 2003, 1462) nicht gehindert, seinen eigenen Beschluss vom 13. September 2002 wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben. Anders als im Fall OLG München, Rpfleger 2000, 298 war der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. September 2002 vom Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2002 - rechtzeitig - in vollem Umfang angefochten worden, so dass dessen formelle Rechtskraft nicht eingetreten ist. Bei der gemäß § 11 Abs. 1 RpflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu treffenden Abhilfeentscheidung hatte das Landgericht die fehlende sachliche Zuständigkeit auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten. § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO schränkt die Abhilfebefugnis nicht ein; die Vorschrift, die der Prozessökonomie dient (vgl. Senat, KG-Report 2000, 410 = AGS 2000, 251 = Rpfleger 2000, 556 zum früheren § 10 ZPO), kommt erst zur Anwendung, wenn das Beschwerdegericht als übergeordnetes Gericht zur Sachentscheidung berufen ist.

III. Dem mit der Beschwerde gestellten Verweisungsantrag kann hingegen nicht entsprochen werden. Der Antrag ist zwar statthaft. Denn § 281 ZPO gilt in jedem der ZPO unterliegenden Verfahren (BayObLG, Rpfleger 1986, 98), also auch im Festsetzungsverfahren nach §§ 788 Abs. 2, 104 ZPO. Der Antrag kann auch erstmalig in der Rechtsmittelinstanz gestellt werden, nachdem die Vorinstanz ihre Zuständigkeit zu Recht verneint hat (KG, BB 1983, 213/214; OLG Köln, OLGZ 1989, 83/86 f).

Der Verweisungsantrag ist jedoch nicht entscheidungsreif. Die Verweisung hat an das nach § 788 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuständige Vollstreckungsgericht zu erfolgen. Da ausweislich der Beschwerdeschrift vom 23. Oktober 2002 mehrere Vollstreckungsverfahren bei verschiedenen Vollstreckungsgerichten (§ 764 Abs. 2 ZPO) anhängig gemacht wurden, die inzwischen sämtlich beendet worden sind, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist. Den Klägerinnen ist aufgegeben worden, hierzu unter Angabe der Daten und Aktenzeichen vorzutragen. Das ist nicht geschehen. Das Beschwerdegericht hat sich daher gemäß § 572 Abs. 3 ZPO auf die Aufhebung und Zurückverweisung zu beschränken. Die Klägerinnen haben nunmehr Gelegenheit, vor dem Landgericht zur örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts, an das verwiesen werden soll, vorzutragen.

IV. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Rahmen der abschließenden Kostenentscheidung nach Maßgabe des im Kostenfestsetzungsverfahren erzielten sachlichen Erfolges (§§ 91, 92 ZPO) zu befinden. Die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens als Mehrkosten nach § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO kommt nicht in Betracht, da die Klägerinnen das unzuständige Landgericht nicht angerufen haben. Eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO zu Lasten der Klägerinnen scheidet ebenfalls aus. Die Klägerinnen haben die mit dem Rechtsmittel angestrebte Verweisung zwar erst mit der Einlegung der Beschwerde vom 8. August 2003 beantragt. Sie hatten aber keine Veranlassung, diesen Antrag vor der Entscheidung des Landgerichts vom 25. Juni 2003 zu stellen, da sie das Landgericht nicht angerufen hatten und der Beklagte die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts in seiner Beschwerde vom 23. Oktober 2002 nicht gerügt hatte.

Ende der Entscheidung

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