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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.03.2009
Aktenzeichen: 1 W 551/08
Rechtsgebiete: ZPO, RVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 106
ZPO § 126
RVG § 55
RVG § 59
BGB § 242
1. Zur sog. Verstrickung des Kostenerstattungsanspruchs gem. § 126 Abs. 2 ZPO beim Anspruchsübergang auf die Staatskasse gem. § 59 RVG.

2. Zum Arglisteinwand der Staatskasse gegen den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts, wenn dieser die Kostenausgleichung gem. § 106 ZPO namens der bedürftigen Partei beantragt hat und die Gegenseite die Aufrechnung mit der titulierten Forderung erklärt.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 551/08

In dem Kostenstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die Beschwerde der Beteiligten gegen den die Vergütungsfestsetzung durch den Beschluss des Urkundsbeamten des Landgerichts Berlin vom 05. Dezember 2007 - 27 O 409/05 - wiederherstellenden Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13. Oktober 2008 - 82 AR 118/08 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rieger und den Richter am Kammergericht Hinze in der Sitzung vom 3. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das nach §§ 56, 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässige, insbesondere innerhalb der Frist nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegte Rechtsmittel ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts gemäß § 55 RVG ist im Beschluss vom 05. Dezember 2007 richtig festgesetzt worden, die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beteiligten vom 17. April 2008 war nicht begründet, die Abhilfeentscheidung der Rechtspflegerin vom 30. Juli 2008 daher aufzuheben.

Die Beteiligte stützt ihre Erinnerung darauf, dem Vergütungsanspruch stehe in Höhe eines Betrages von 607,67 EUR der Arglisteinwand entgegen. In Höhe dieses im Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 106 ZPO vom 05. Dezember 2007 ausgewiesenen Betrages sei der Erstattungsanspruch des Beklagten zu 1) zwar nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangen, er sei jedoch nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO, §§ 412, 406 BGB der Aufrechnung ausgesetzt gewesen. Die Aufrechnung mit der für sie titulierten Klageforderung hätten die Kläger wirksam erklärt. Demgemäß habe der Betrag nicht gegen die Kläger angesetzt bzw. mit den an sie zu erstattenden Gerichtskosten verrechnet werden können (s. die korrigierte KR III vom 30.07.2008, Klarstellung der Kostenausgleichung vom 30.07.2008). Der beigeordnete Rechtsanwalt habe es unterlassen, den Erstattungsanspruch rechtzeitig im eigenen Namen vom Gegner beizutreiben, § 126 Abs. 1 ZPO, und dies bei der Kostenausgleichung nach § 106 ZPO geltend zu machen. Gegen die in seinem Namen festgesetzte Erstattungsforderung hätte, auch wenn diese in Höhe von 607,67 EUR auf die Staatskasse übergegangen wäre, nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der gegen die Partei titulierten Forderung nicht aufgerechnet werden können. Wenn der Rechtsanwalt in Höhe dieses Betrages gleichwohl die Vergütung nach § 55 RVG verlange, handele er treuwidrig (§ 242 BGB).

Der Einwand greift nicht durch. Dies hat die 82. Kammer des Landgerichts im Ergebnis zutreffend erkannt:

1. Das Landgericht führt aus: Durch die erfolgte Festsetzung der Erstattungsforderung zu Gunsten des Beklagten zu 1) sei den Klägern keine Aufrechnungsmöglichkeit eröffnet worden, die sie nicht auch bei einer Festsetzung im Namen des Rechtsanwalts nach § 126 ZPO gehabt hätten. Denn die Beschränkung der Einreden der Kläger in § 126 Abs. 2 ZPO betreffe nur den nach § 126 Abs. 1 ZPO festgesetzten Erstattungsanspruch.

Das überzeugt im Ergebnis, nicht aber in der Begründung. Denn die Beteiligte macht gerade geltend, die Festsetzung nach § 126 ZPO hätte den hier nach §§ 104, 106 ZPO festgesetzten Erstattungsanspruch einschließlich des auf die Landeskasse übergehenden Differenzanspruchs umfasst. Daran ist grundsätzlich richtig, dass der Übergang nach § 59 Abs. 1 RVG den Anspruch nach § 126 ZPO in dem Zustand erfasst, in dem er sich im Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung durch die Staatskasse befindet (Mayer/Kroiß/Pukall, RVG 3. Aufl. § 59 Rn. 7). Bei Anweisung der Vergütung in Höhe von 1.383,30 EUR gemäß Auszahlungsanordnung vom 05. Dezember 2007 bestand der Erstattungsanspruch in der im Beschluss vom 30. Juli 2008 klarstellend festgesetzten Höhe. Die Rückwirkung der am 19. Dezember 2007 erklärten Aufrechnung nach § 389 BGB würde insoweit den Anspruchsübergang ausschließen.

Der Aufrechnung steht auch die sich aus § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebende "Verstrickung" des Kostenerstattungsanspruchs zu Gunsten des beigeordneten Rechtsanwalts nicht entgegen, solange die Kläger der Vollstreckung aus dem zu Gunsten des Beklagten zu 1) ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgesetzt waren (Senat, KG Report Berlin 2003, 245, 2004, 556 ff. in Anschluss an BGH, NJW 1994, 3292 ff.). Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05. Dezember 2007 erfasste aber den Betrag von 607,67 EUR nicht, da dieser auf die Landeskasse übergegangen sei und gesondert eingezogen werde. Das ist entsprechend dem Gerichtskostenansatz vom 08. Oktober 2007 (KR III) durch Verrechnung mit zu erstattenden Gerichtskosten und die Kostenrechnung vom 19. Dezember 2007 in Höhe von 372,63 EUR geschehen. Zum Zeitpunkt der Erfüllungshandlung - Aufrechnungserklärung - sahen sich die Kläger wegen des auf die Landeskasse übergegangenen Anspruches daher keiner Vollstreckung aus dem zu Gunsten des Beklagten zu 1) ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgesetzt, die grundsätzlich bestehende Verstrickung nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO war insoweit nicht aufgehoben. Auf den Zeitpunkt der Beitreibung des Anspruches durch den beigeordneten Rechtsanwalt gemäß § 126 Abs. 1 ZPO - oder - hier - die Staatskasse gemäß § 59 Abs. 2 RVG, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BeitrO kommt es dabei nicht an (BGH, Beschl. v. 14. Februar 2007 - XII ZB 112/06 -).

Dementsprechend haben die Kläger unter dem 19. Dezember 2007 die Aufrechnung - lediglich - in Höhe der im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05. Dezember 2007 gegen sie festgesetzten Beträge erklärt, in denen der auf die Landeskasse übergegangene Betrag nicht enthalten war (Bd. II Bl. 101b d.A.). Die Aufrechnungserklärung vom 28. Dezember 2007 (Bd. II Bl. 88) betraf dann den Betrag der Kostenrechnung vom 19. Dezember 2007, also nicht den zugunsten des Beklagten zu 1) festgesetzten Erstattungsbetrag. Unter dem 31. Januar 2008 haben die Kläger schließlich die Aufrechnung "gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO" erklärt (Bd. II Bl. 92). Auch zu diesem Zeitpunkt waren sie einer Vollstreckung wegen des für den Beklagten zu 1) festgesetzten Erstattungsbetrages nicht ausgesetzt.

2. Der beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) verweist im Übrigen zu Recht darauf, dass er mit Stellung des Kostenfestsetzungsantrages nach § 106 ZPO vom 20. September 2007 und des Antrages nach § 45 RVG vom 24. September 2007 lediglich den Anforderungen der Rechtspflegerinnen des Landgerichts vom 16. Juli 2007 und 06. September 2007 (Bd. II Bl. 74, 78 d.A.) gefolgt ist. Im Antrag vom 20. September 2007 wurde zwar nicht die Festsetzung nach § 126 ZPO beantragt - dies geschah erst mit Schriftsatz vom 03. Januar 2008 unter Rückgabe des Beschlusses vom 05. Dezember 2007 -, auch hat Rechtsanwalt Dr. ... unter dem 17. Oktober 2007 die Erklärung nach § 04 Abs. 2 Satz 3 ZPO namens des Beklagten zu 1) abgegeben. Für die Annahme der Arglist wäre aber erforderlich, dass der Rechtsanwalt dabei den Belangen der Staatskasse "in Nachteilsabsicht" entgegenwirkte (vgl. OLG Hamm, AGS 02, 18/19).

Davon kann unter den vorliegenden Umständen nicht die Rede sein.

Ende der Entscheidung

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