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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 1 W 5938/00
Rechtsgebiete: FGG, PsychKG
Vorschriften:
FGG § 27 Abs. 1 | |
FGG § 29 Abs. 2 | |
FGG § 70m Abs. 1 | |
PsychKG § 8 |
KAMMERGERICHT Beschluss
in der Unterbringungssache
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Zivilkammer 83 des Landgerichts Berlin vom 7. Juli 2000 in der Sitzung vom 26. Juni 2001 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
Gegen den die Unterbringung des Betroffenen nach § 8 Abs. 1 PsychKG aufhebenden Beschluss der Zivilkammer 83 des Landgerichts Berlin ist zwar grundsätzlich die sofortige weitere Beschwerde das statthatte Rechtsmittel (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2, 22 FGG iVm §§ 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 70g Abs. 3 Satz 1 und 70m Abs. 1 FGG). Das vom Betroffenen zur Feststellung der anfänglichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Unterbringungsmaßnahme eingelegte Rechtsmittel ist hier jedoch mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Es ist deswegen zu verwerfen.
Durch die Aufhebung der Unterbringungsmaßnahme in dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dem mit der Erstbeschwerde verfolgten Rechtsschutzziel des Betroffenen entsprochen. Dementsprechend ist die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen nicht mehr auf die Aufhebung, sondern auf die Feststellung der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung gerichtet.
Nach den Vorschriften der maßgeblichen Verfahrensordnung, des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ist das mit diesem Rechtsschutzziel eingelegte Rechtsmittel unzulässig, denn es fehlt nach Aufhebung der Unterbringung an einer gegenwärtigen Beschwer des Betroffenen, die in den §§ 20, 29 Abs. 4 FGG verlangt wird.
Allerdings kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Überprüfung prozessual überholter Maßnahmen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. NJW 1997, 2163/ 2164; NJW 1998, 2813/ 2814 und 2432/ 2433 sowie NJWE-FER 1998, 163), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. FGPrax 2000, 213), gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer angefochtenen Maßnahme unter der Voraussetzung zu bejahen sein, dass es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelte und die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in den nach der Verfahrensordnung gegebenen Instanzen kaum erlangen kann. Kurzfristige Unterbringungsmaßnahmen - hier von knapp sechs Wochen - gehören dabei zu den Hoheitsakten, die tiefgreifend in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 GG eingreifen können und bei denen im Fall fehlender Berechtigung der Unterbringungsmaßnahme der Grundrechtseingriff auch nach Ablauf des Unterbringungszeitraums in einer Weise fortwirkt, dass im Einzelfall ein effektiver Grundrechtsschutz über 19 Abs. 4 GG die Bejahung eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit gebieten kann (vgl. Senat, FGPrax 2000, 213; BVerfG NJW 1998, 2813/ 2814 und NJW 1998, 2432/ 2433; BayObLG FGPrax 1999, 120; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303; OLG Schleswig NJW 1999, 222 und FGPrax 1999, 198; Jensen/ Röhlig BtPrax 1998, 17 f.). Die gegenteilige Auffassung des OLG Karlsruhe (BtPrax 1998, 34 und FGPrax 1999, 245) ist durch die zeitlich nachfolgende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1998, 2432) ersichtlich überholt (vgl. Senat, unveröffentlichter Beschluss vom 6. März 2001, -1 W 71/01-; ebenso: BayObLG FGPrax 1999, 120; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 303/ 304).
Die Voraussetzungen für die Annahme eines aus der Schwere der angefochtenen Maßnahme folgenden rechtlichen Interesses an der nachträglichen Überprüfung der Unterbringung sind hier jedoch nicht gegeben, denn hier fehlt es an einem nachhaltigen und tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinn der dargestellten Grundsätze: Es kann dahinstehen, ob dies schon deswegen gilt, weil der Betroffene bereits im ersten vom Vormundschaftsrichter durchgeführten Anhörungstermin am 25. Mai 2000 erklärt hat, er sei bereit, freiwillig in der W zu bleiben und sich einer Behandlung zu unterziehen. Aus dem den Beteiligten mit Verfügung des Landgerichts vom 30. Juni 2000 übermittelten Vermerk über ein am selben Tag zwischen dem Berichterstatter des Landgerichts und dem Chefarzt Dr. P der K geführtes Telefongespräch ergibt sich nämlich, dass der Betroffene nach der Rückkehr aus dem ihm gewährten Urlaub in die K am 29. Juni 2000 dem Chefarzt Dr. P gegenüber erklärt hat, er wolle nicht entlassen, sondern lediglich weiter beurlaubt werden, um den schützenden Rahmen der Klinik nicht zu verlieren, wobei er völlig geordnet gewirkt habe. Demnach hat sich der Betroffene jedenfalls nach seiner Verlegung in die K und nach der dort eingetretenen Besserung seines Befindens mit der Unterbringung einverstanden erklärt und sich offensichtlich freiwillig auch einer weiteren Behandlung unterzogen.
Im Hinblick auf das dabei zum Ausdruck gebrachte Einverständnis des Betroffenen mit der Fortdauer der Unterbringungsmaßnahme kann in ihr kein tiefgreifender Grundrechtseingriff im Sinne der eingangs dargelegten Rechtsprechung mehr gesehen werden, so dass die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag allein wegen der Schwere der angefochtenen Maßnahme verfassungsrechtlich nicht geboten ist.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat es in einem vergleichbaren Fall (NJW 1998, 2813/ 2814) für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, dass das Oberlandesgericht einen nachhaltigen Grundrechtsrechtseingriff und damit die Möglichkeit einer Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde verneint hatte, weil der dort Betroffene sich der zwangsweise angeordneten Untersuchung inzwischen freiwillig unterzogen hatte. Nicht anders zu beurteilen ist der vorliegende Fall, in dem der Betroffene am 29. Juni 2000 gegenüber dem Chefarzt Dr. P seine Entlassung aus der Klinik ausdrücklich abgelehnt hatte. Die vom Bayerischen Obersten Landesgericht in seinem Beschluss vom 27. Juli 2000 -3 Z BR 64/00- (BayObLGZ 2000, 220) beurteilte Fallgestaltung, bei der trotz Aufhebung der Unterbringung durch das Landgericht und zwischenzeitlicher Entlassung des Betroffenen ein Rechtsschutzinteresse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung bejaht wurde, weicht dagegen wegen der Erklärung des Betroffenen vom 29. Juni 2000 in tatsächlicher Hinsicht von der hier vorliegenden Fallgestaltung erheblich ab, denn dort hatte sich der Untergebrachte, soweit ersichtlich, nicht mit der weiteren Unterbringung einverstanden erklärt.
Der Senat hat davon abgesehen, dem Betroffenen vorab einen rechtlichen Hinweis darauf zu erteilen. Dass seiner Erklärung gegenüber dem Chefarzt Dr. P vom 29. Juni 2000 ausschlaggebende Bedeutung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels zukommen konnte, ließ sich nämlich mit hinreichender Deutlichkeit schon aus der Vorgehensweise des Landgerichts erschließen: Wenn der Berichterstatter des Landgerichts den Beteiligten am 30. Juni 2000 eine Abschrift seines Vermerks über den Inhalt des Telefonats mit Dr. P übersandte, die Äußerung des Betroffenen gegenüber dem Arzt also in das Verfahren einführte, und zugleich anfragte, ob die sofortige Beschwerde gegen den Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 5. Juni 2000 trotz des ausdrücklichen Wunsches des Betroffenen aufrechterhalten bleiben solle, so konnte dies vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass nach der -zutreffenden- Auffassung des Landgerichts angesichts der Erklärung des Betroffenen für eine Prüfung der anfänglichen Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen Unterbringungsbeschlusses kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestand und deswegen nur noch eine Aufhebung der Unterbringung entsprechend § 70i Abs. 1 Satz 1 FGG in Betracht kam.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§§ 128b Satz 1 und 131 Abs. 3 KostO). Eine Entscheidung über die Auferlegung von Auslagen (§ 13a Abs. 2 FGG) ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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