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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 1 W 609/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1036 Abs. 2
BGB § 1037 Abs. 1
BGB § 1041 Satz 1
Wird ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück in der Weise vereinbart, dass der Berechtigte dem Eigentümer für die Erfüllung seiner Pflichten nur gemäß § 277 BGB einzustehen hat, so ist das Nießbrauchsrecht in dieser Form nicht im Grundbuch eintragungsfähig.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 609/03

In der Grundbuchsache

betreffend das im Grundbuch des Amtsgerichts Schöneberg von Schöneberg Blatt nnn verzeichnete Grundstück

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 24. September 2003 gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 19. August 2003 - 86 T 724/03 - am 11. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 3.000,00 EUR.

Gründe:

1. Die gemäß §§ 78 - 80 GBO zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten vom 24. September 2003 hat in der Sache keinen Erfolg.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass das Nießbrauchsrecht in der zwischen den Beteiligten vereinbarten Form nicht im Grundbuch eintragungsfähig ist, weil die gesetzlichen Regelungen der §§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1, 1041 Satz 1 BGB über die Pflicht zur Erhaltung der Substanz einer nießbrauchbelasteten Sache nicht mit dinglicher Wirkung abbedungen werden können. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses. Im Hinblick auf das Vorbringen in der weiteren Beschwerde weist er ergänzend auf folgendes hin:

a) Soweit die Beteiligten geltend machen, eine Vereinbarung, wonach der Mieter für die Erfüllung seiner Pflichten nur gemäß § 277 BGB einstehen muss, sei unzweifelhaft zulässig, obwohl dies dazu führe, dass einem späteren Eigentümer kraft Gesetzes (§ 566 BGB) dadurch der Sorgfaltsmaßstab des § 277 BGB zugemutet werde, so verkennen sie, dass es sich bei dem von ihnen gebildeten Beispiel nicht um eine dingliche sondern um eine schuldrechtlich wirkende Einschränkung des Eigentumsrechts handelt. Während aber im Schuldrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt, wird das Sachenrecht von den Grundsätzen des Typenzwangs und der Typenfixierung beherrscht (Soergel-Stürner, BGB, 13. Aufl., vor § 1030 Rdnr. 11 a).

b) Auch der von den Beteiligten angestrengte Vergleich der Stellung des Nießbrauchers mit derjenigen eines Vorerben führt nicht weiter. Entgegen der Auffassung des Beteiligten unterscheidet sich die Rechtstellung des Vorerben grundsätzlich von derjenigen eines Nießbrauchers. Im Gegensatz zum Nießbraucher wird der Vorerbe mit dem Erbfall Eigentümer und Inhaber der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und Rechte (Palandt/Edenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2100 Rdnr. 8), während dem Nießbraucher nur ein Nutzungsrecht an der belasteten Sache zusteht. Eine Vergleichbarkeit der Rechtstellung des Vorerben mit derjenigen eines Nießbrauchers lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Gesetzgeber bezüglich der Rechtstellung des Nacherben hinsichtlich der Frage der Sicherheitsleistung (§ 2128 BGB) auf das Nießbrauchrecht (§ 1052 BGB) verweist. Denn gerade hinsichtlich der hier interessierenden Frage des Haftungsmaßstabes hat der Gesetzgeber die Rechtstellung des Nießbrauchers anders geregelt als diejenige des Vorerben. Während der Vorerbe gemäß § 2131 BGB nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, hat der Gesetzgeber in § 1036 Abs. 2 BGB geregelt, dass der Nießbraucher bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfahren hat. Der Gesetzgeber hat also die Haftung des Vorerben gegenüber dem Nacherben bewusst anders geregelt als diejenige des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer, für die der gesetzliche Haftungsmaßstab nach §§ 280, 276, 278 BGB gilt.

c) Der Hinweis der Beteiligten auf die Vorschrift des § 690 BGB, wonach der Verwahrer bei unentgeltlicher Verwahrung nur für die eigenübliche Sorgfalt einzustehen hat, verhilft der weiteren Beschwerde gleichfalls nicht zum Erfolg. Einen besonderen Haftungsmaßstab für den unentgeltlichen Nießbrauch (zur Eintragungsfähigkeit vgl. Palandt/Bassenge a.a.O. § 1030 Rdnr. 7) kennt das Gesetz nicht. Im Übrigen sind die Rechtsbeziehungen zwischen Verwahrer und Hinterleger, im Gegensatz zu denjenigen zwischen Eigentümer und Nießbraucher, rein schuldrechtlicher Natur.

d) Die von den Beteiligten vereinbarte Einschränkung der Haftung des Beteiligten zu 1) gegenüber dem Beteiligten zu 2) lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, der Beteiligte zu 1) hafte als Schenker nach § 521 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, so dass die Vereinbarung des Sorgfaltsmaßstabes des § 277 BGB bezüglich der Ausübung des Nießbrauchrechts nicht zu einer stärkeren Beeinträchtigung eines späteren Eigentümers führe. Die Beteiligten übersehen auch hier, dass der mildere Haftungsmaßstab des § 521 BGB nur zwischen den Parteien des Schenkungsvertrages gilt, also nicht etwa gegenüber einem Rechtsnachfolger des beschenkten Eigentümers. Demgegenüber soll die hier streitige Regelung in III 1. a des Vertrages vom 13. Januar 2003 die Haftung des Beteiligten zu 1) für eine Verletzung der Pflichten bei Ausübung des Nießbrauchs nach §§ 1036, 1037, 1041 BGB mit dinglicher Wirkung gegenüber jedem Eigentümer beschränken. Den Beteiligten kann nicht gefolgt werden, wenn sie meinen, niemand könnte verstehen, dass ein Schenker, der bisher Eigentümer war, wegen der Schenkung gezwungen sein solle, den verschenkten Gegenstand besser zu behandeln, als er es die ganze Zeit zuvor getan habe. Vor der Schenkung ist der bisherige Eigentümer nach § 903 BGB berechtigt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren. Nach der Schenkung steht dieses Recht nunmehr dem neuen - jeweiligen - Eigentümer zu. Dies ist die notwendige Folge der Schenkung. Den Parteien bleibt es unbenommen, die sich aus der dinglichen Rechtslage ergebenden Haftungsfolgen durch schuldrechtlich wirkende Vereinbarung zu mildern, die dann aber nicht eintragungsfähig ist.

e) Inwieweit dem Nießbraucher im Rahmen des § 1036 Abs. 2 BGB von Rechtsprechung und Schrifttum ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, der im Ergebnis zu einer Haftungsmilderung führt, kann dahinstehen, denn dieser Umstand wäre allenfalls geeignet, ein nachvollziehbares Interesse der Beteiligten an der hier streitgegenständlichen Regelung entfallen zu lassen. Im Ergebnis entspricht es der soweit ersichtlich einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass jedenfalls die Regelung des § 1036 Abs. 2 BGB nicht mit dinglicher Wirkung abbedungen werden kann (BayObLG SZ 1977, 81, 84; Senat, OLGZ 1992, 1, 3; LG Ulm, BWNotZ 1977, 173; LG Augsburg, MittBayNot 1976, 139; LG Köln, MittRHNotK 1986, 24; Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 1036 Rdnr. 1; MK Pohlmann, BGB, 4. Aufl., § 1037 Rdnr. 17; Soergel-Stürner, BGB, 13. Aufl., vor § 1030 Rdnr. 11 a; Staudinger-Frank, BGB, Neubearbeitung 2002, § 1037 Rdnr. 4). Soweit im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten wird, einzelne Regelungen des Nießbrauchs seien abdingbar, betrifft dies insbesondere werterhöhende Maßnahmen und Umbauten, die dem Nießbraucher gestattet sein sollen, vorausgesetzt die Grenzen des § 1036 Abs. 2 BGB sind beachtet (Staudinger-Frank, a.a.O. m.w.N.).

2. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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