Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 1 W 6157/00
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 48
Die Erteilung einer Prokura an eine juristische Person ist unzulässig.
Kammergericht Beschluss

1 W 6157/00

in der Handelsregistersache

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die weitere Beschwerde der Gesellschaft gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 98 des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2000 in der Sitzung vom 23. Oktober 2001 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 550 f. ZPO).

Das Landgericht ist - übereinstimmend mit der Vorinstanz - rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass nach der geltenden gesetzlichen Regelung eine juristische Person nicht zum Prokuristen bestellt werden kann, und hat die Erstbeschwerde der Gesellschaft gegen die Zurückweisung seiner Anmeldung vom 30. Juli 1999 betreffend die Erteilung der Einzelprokura an die Kommanditistin der Gesellschaft, die Handels- und Dienstleistungsgesellschaft mbH, daher mit Recht zurückgewiesen.

Zwar wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass auch die Bestellung juristischer Personen zu Prokuristen zulässig sei. Zur Begründung dieser Ansicht, auf die sich auch die Anmelderin stützt, wird zunächst geltend gemacht, dass die Regelung der §§ 48-53 HGB deren Bestellung nicht ausschließe. So gelte der Grundsatz der Unübertragbarkeit der Prokura nach § 52 Abs. 2 HGB auch für die juristische Person als Prokurist; deren gesetzliche Vertreter könnten ihrerseits die Prokura als solche nicht übertragen. Das Erfordernis der Zeichnung der Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht (§ 53 Abs. 2 HGB) sei auch durch die juristische Person erfüllbar. Der Schutz des Kaufmanns gebiete eine solche Einschränkung nicht, zumal er einer juristischen Person auch in ihrer Tragweite weiter als die Prokura reichende Generalvollmachten erteilen könne und jede Vollmachtserteilung ein Vertrauensverhältnis voraussetze. Auch praktische Schwierigkeiten dürften nicht entgegenstehen, da der Satzung der juristischen Person entnommen werden könne, durch welche gesetzliche Vertreter sie handele. Schließlich wird auf die Zulässigkeit der Bestellung einer juristischen Person zum Komplementär oder Liquidator verwiesen (vgl. zu Vorstehendem Schlegelberger/Schröder, HGB, 5. Aufl., § 48 Rdn.11; GK-HGB/Nickel, 6. Aufl., § 48 Rdn. 4; Walchshöfer, Rpfleger 1975, 381/382; Bondi ZBl.HR 1929, 34/35).

Der Senat ist jedoch mit der weitaus überwiegenden Meinung im Schrifttum (veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung ist nicht bekannt geworden) der Ansicht, dass die Bestellung einer juristischen Person zum Prokuristen nach der geltenden gesetzlichen Regelung ausgeschlossen ist (vgl. GroßKomm-HGB/Joost, 4. Aufl., § 48 Rdn. 28 f.; MünchKomm-HGB/Lieb/Krebs, § 48 Rdn. 26; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 48 Rdn. 13; K.Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 16 III 2.b), S. 461; Canaris, Handelsrecht, 23. Aufl., § 14 Rdn. 6, S. 285; K.J.Müller JuS 1998, 1000/1001 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 48 Rdn. 2; Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, HGB, § 48 Rdn. 20; HK-HGB/Ruß, 5. Aufl., § 48 Rdn. 3; Koller/Roth, HGB, 2. Aufl., § 48 Rdn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Weber, HGB, § 48 Rdn. 15). Zwar mag der Wortlaut der §§ 48-53 HGB noch nicht zwingend gegen die Erteilung einer Prokura an eine juristische Person sprechen (wenngleich Prokuristen in § 48 Abs. 2 HGB als "Personen" bezeichnet werden und nach § 51 HGB mit ihrem Namen zeichnen müssen). Sie ist jedoch mit der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden gesetzlichen Konzeption der Prokura nicht vereinbar. Nach der Vorstellung des Gesetzes beruht die Erteilung der Prokura auf einem besonderen persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Prinzipal und Prokuristen. Dies ergibt sich schon aus dem umfassenden, im Außenverhältnis nicht beschränkbaren Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen (§§ 49, 50 HGB), kommt aber insbesondere in dem Grundsatz der Unübertragbarkeit der Prokura gemäß § 52 Abs. 2 HGB zum Ausdruck. Dem würde es widersprechen, wenn Prokurist formal eine juristische Person wäre, deren jeweiliges Vertretungsorgan die Vertretungsmacht ausüben würde. Denn bei einem Wechsel des Vertretungsorgans käme es jedenfalls zu einem Wechsel des tatsächlich auftretenden Entscheidungsträgers, auf den der Prinzipal keinen Einfluss hätte und dem er durch Widerruf der Prokura nur unzureichend begegnen könnte. Damit würde der mit § 52 Abs. 2 HGB verfolgte Gesetzeszweck umgangen.

Auch der weitere von der Gegenansicht angeführte Gesichtspunkt, dass einer juristischen Person auch eine umfassendere Generalvollmacht erteilt bzw. sie zum Komplementär oder Liquidator bestellt werden könne, rechtfertigt es nicht, von der geltenden gesetzlichen Ausgestaltung der Prokura als einer höchstpersönlichen Vertrauensstellung, die nur natürlichen Personen zukommen kann, abzugehen. Dies ist vielmehr dem Gesetzgeber zu überlassen. Im Übrigen ist ein zwingendes Bedürfnis für eine Bestellung juristischer Personen zu Prokuristen auch weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vorliegend kann etwa dem gegenwärtigen Geschäftsführer der Kommanditistin selbst Prokura erteilt werden. Demgegenüber hat bereits das Amtsgericht zutreffend auf praktische Schwierigkeiten hingewiesen, die aus der Notwendigkeit resultieren können, jeweils im Einzelfall die natürliche Person zu ermitteln, die tatsächlich die Prokura auszuüben befugt ist.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück