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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 1 W 716/03
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO
Vorschriften:
ZPO § 307 Abs. 2 | |
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2 | |
BRAGO § 33 Abs. 1 Satz 1 | |
BRAGO § 35 |
2. Die Verhandlungsgebühr - für beide Teile - entsteht gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bei Erlass des Anerkenntnisurteils auf der Grundlage des klägerischen Sachantrags und des Anerkenntnisses des Beklagten in mündlicher Verhandlung oder im schriftlichen Vorverfahren gemäß 307 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 35 BRAGO.
KAMMERGERICHT Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 716/03
In Sachen
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin hat auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 17. November 2003 - 16 O 269/03 - in der Sitzung vom 3. Februar 2004 beschlossen:
Tenor:
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Anerkenntnisurteil des Landgerichts Berlin vom 30 September 2003 von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus auf weitere 561,50 EUR mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2003 festgesetzt.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 561,50 EUR zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Das gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 Satz 2, 569 ZPO zulässige Rechtsmittel ist begründet. Der Rechtspfleger hat die von der Klägerin geltend gemachte 5/10-Verhandlungsgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 35 - zu ergänzen: § 33 Abs. 1 Satz 1 - BRAGO zu Unrecht abgesetzt. Die Gebühr, die nach dem Wert von 60.000,00 EUR 561,50 EUR beträgt, ist daher ebenfalls festzusetzen.
1. Allerdings entspricht die Entscheidung des Rechtspflegers der vom Senat zu §§ 35, 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, § 331 Abs. 3 ZPO vertretenen Auffassung, nach der es für die Entstehung der Gebühren gemäß § 35 BRAGO auf das tatsächliche Tätigwerden des Rechtsanwalts ankommt, im entschiedenen Fall also das Stellen des prozessual notwendigen Antrags nach § 331 Abs. 3 ZPO (unveröffentlichter Beschluss vom 5. August 1997 - 1 W 1733/97 -). In einem weiteren Beschluss vom 8. Februar 2000 (Rpfleger 2000, 238 m.w.N.) hat der Senat ausgeführt, die Gebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 BRAGO erwachse nicht bereits für die bloße Stellung eines Sachantrages, der zur Vorbereitung für die erforderliche Stellung eines Prozessantrages auf Erlass eines entsprechenden Urteils nach § 307 Abs. 1, § 331 Abs. 1 ZPO gestellt werde.
2. Die Auffassung des Senats bedarf der Überprüfung, nachdem das Antragserfordernis für den Erlass eines Anerkenntnisurteils in der Neufassung des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO durch das ZPO-RG fortgefallen ist (vgl. N. Schneider, MDR 2003, 1269).
a) Nach § 307 Abs. 1 ZPO n. F. ist die Partei, die bei der mündlichen Verhandlung den gegen sie geltend gemachten Anspruch anerkennt, dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, ohne dass es eines Antrags der klagenden Partei bedarf. Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sind der Sachantrag der klagenden und das Anerkenntnis der beklagten Partei. Die Voraussetzungen für die Annahme einer nicht streitigen Verhandlung und damit - auf beiden Seiten - für die Entstehung einer Verhandlungsgebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO sind erfüllt (die abweichende Kommentierung von Gerald/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 33 Rdnr. 4 beruht noch auf der alten, hinsichtlich des Antragserfordernisses mit § 331 ZPO übereinstimmenden Fassung des § 307 ZPO, s. ebenda § 35 Rdnr. 5).
b) Nach § 35 BRAGO erhält der Rechtsanwalt in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung bei einer Entscheidung, die gemäß §§ 276, 307 Abs. 2 oder 331 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergeht, die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung. Wie zu a) ausgeführt, hat der Fortfall des Antragserfordernisses - auch - im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 307 Abs. 2 ZPO n. F. zur Folge, dass die gerichtliche Entscheidung nunmehr allein auf der Grundlage des mit der Klage gestellten Sachantrags und dessen Anerkenntnis ergeht. Dadurch ist die Gebühr gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO verdient, und zwar auf beiden Seiten.
c) Vom Tätigkeitserfordernis für die Entstehung der Verhandlungsgebühr wird damit nicht gänzlich abgesehen. Nach § 307 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F. konnte der - nach § 307 Abs. 2 Satz 1 a. F. notwendige - prozessuale Antrag schon in der Klageschrift gestellt werden. Die Grenze zum Sachantrag, der nur zur Vorbereitung des in der Verhandlung zu stellenden Prozessantrags dient, ist vollends aufgehoben, wenn das Gericht den mit dem Sachantrag "konkludent" gestellten Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils genügen lässt (LAG Düsseldorf, JurBüro 2000, 23; auch im Falle des Versäumnisurteils: Senat, Beschluss vom 5. August 1997). Dem Fortfall des Antragserfordernisses ist nunmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass der - ohnehin die gerichtliche Entscheidung bestimmende - Sachantrag des Klägers dann das Tätigkeitserfordernis der Verhandlungsgebühr erfüllt, wenn er in der mündlichen Verhandlung oder im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Aufforderung des Gerichts das Anerkenntnis des Beklagten herbeiführt und daraufhin die gerichtliche Entscheidung dem Anerkenntnis gemäß ergeht.
d) Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zur oben zitierten Auffassung, dass es bei Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren für die Entstehung der Verhandlungsgebühr gemäß §§ 35, 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO des prozessualen Antrags gemäß § 331 Abs. 3 ZPO bedarf, auch wenn das Gericht ohne einen solchen Antrag entschieden haben sollte (Senatsbeschluss vom 5. August 1997). Dass der Gesetzgeber das Antragserfordernis in § 331 Abs. 3 ZPO beibehalten hat, rechtfertigt den gebührenrechtlichen Unterschied. Im Übrigen liegt in der - dem Anwaltszwang unterliegenden - Erklärung des Anerkenntnisses gemäß § 307 ZPO ein nichtstreitiges Verhandeln der Gegenseite, so dass in der Stellung des Klageantrags ein entsprechendes Verhandeln der klagenden Partei gesehen werden kann. Die - eingeschränkte - Geständniswirkung der Säumnis des Beklagten setzt hingegen nach § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraus, dass der Kläger den prozessualen Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils stellt.
Der Blick auf das seit 2001 im Entwurf vorliegende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestätigt die Annahme, dass der Gesetzgeber den aufgezeigten gebührenrechtlichen Unterschied hinsichtlich der Verhandlungsgebühr für das ohne Antrag bzw. trotz fehlenden Antrags ergehende Anerkenntnis- und Versäumnisurteil für gerechtfertigt hält. Im Kommissionsentwurf Stand 29. August 2001 war in Nr. 3103 W Anm. (1) Nr. 1 vorgesehen, dass die an die Stelle der Verhandlungs- und Erörterungsgebühr tretende Terminsgebühr auch bei Entscheidungen nach § 307 Abs. 2, § 331 Abs. 3 ZPO entstehen sollte. Im derzeit vorliegenden Gesetzentwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, der sowohl als Antrag aller Bundestagsfraktionen als auch als Regierungsvorlage eingebracht worden ist (BT-Drucksache 15/1971 vom 11.11.2003; BR-Drucksache 830/03 vom 07.11.2003), sind die Fälle in Nr. 3104 und 3105 W nunmehr unterschiedlich geregelt: Die volle Terminsgebühr von 1,2 entsteht nach Nr. 3104 Anm. (1) Nr. 1 - auch - im Falle einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 307 Abs. 2 ZPO; nach Nr. 3105 ermäßigt sich diese Gebühr hingegen auf 0,5, wenn im Falle der Säumnis "lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil" gestellt wird; und zwar nach Anm. (1) Nr. 2 auch dann, wenn eine Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO ergeht.
3. Nach alledem ist die 5/10-Verhandlungsgebühr - wie beantragt - festzusetzen.
Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Nachdem der Einzelrichter die Sache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen hat, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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