Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.01.2009
Aktenzeichen: 1 W 95/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1897
Bei der Auswahl des Betreuers hat das Vormundschaftsgericht dessen Geeignetheit umfassend im Hinblick auf alle erforderlichen Aufgabenbereiche zu prüfen. Das Vormundschaftsgericht muss sich jedenfalls dann mit der Bestellung mehrerer Betreuer konkret auseinandersetzen, wenn die von dem Betroffenen gewünschte Person nicht für alle erforderlichen Aufgabenkreis geeignet erscheint und dem Willen des Betroffenen mit der Bestellung mehrerer Betreuer am ehesten entsprochen werden kann.
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 95/08

27.01.2009

In der Betreuungssache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 18. Februar 2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rieger und den Richter am Kammergericht Müller am 27. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Januar 2008 - 83 T 288/07- wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück verwiesen.

Gründe:

I. Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht durch den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG.

II. Die weitere Beschwerde ist auch begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Betroffene sei infolge einer Demenz vom Mischtyp mit Störungen des Gedächtnisses, der Orientierung und der Handlungsplanung bei Realitätsverlust völlig außer Stande, die vom Aufgabenkreis des Betreuers umfassten Angelegenheiten selbst zu besorgen. Eine Betreuung sei auch nicht im Hinblick auf die Vorsorgevollmacht zu Gunsten von Frau S11111 entbehrlich, weil diese weder als Bevollmächtigte noch als Betreuerin geeignet sei. Es fehle jegliches Vertrauen in die Verlässlichkeit von Frau Ssssss bei der Besorgung der finanziellen Angelegenheiten der Betroffenen. Die Kammer sei davon überzeugt, dass Frau S mit Hilfe der Geldkarte der Betroffenen versucht habe, schon zu Lebzeiten einen erheblichen Teil der Geldmittel der Betroffenen zu eigenen Gunsten abzuzweigen, und dass sie die abgehobenen Geldbeträge nur deswegen in das Zimmer der Betroffenen im Pflegeheim gebracht habe, um sich von dem Verdacht der Unterschlagung rein zu waschen. Dass die Betroffene bei der persönlichen Anhörung die Schilderung von Frau Snnnnn über die Vorgänge bei der Geldabhebung bestätigt habe, besage nichts, weil es der Betroffenen an jeglichem verlässlichen Erinnerungsvermögen fehle. So habe sie bei der Anhörung erklärt, Frau S bereits seit acht Jahren zu kennen, während Frau S selbst schon zu Beginn des Verfahrens ausgeführt habe, sie kenne die Betroffene sei zwei Jahren. Auch habe die Betroffene bei der persönlichen Anhörung auf die Frage nach ihrer Geldkarte vergeblich in ihrem Schrank danach gesucht, wodurch ganz deutlich geworden sei, dass sie in diesen Angelegenheiten keinen Überblick habe. Es sei auch unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbar, weshalb die pflegebedürftige Betroffene, die zu keinerlei eigenen Geldausgaben im Rechtsverkehr in der Lage ist, den Bedarf nach Aufbewahrung von 2.500,00 EUR in 50,00 EUR-Scheinen im Zimmer des Heims gehabt haben könne. Selbst wenn sie so einen Wunsch geäußert haben solle, hätte Frau S , indem sie diesem Wunsch nachgekommen wäre, ihre Ungeeignetheit zur verlässlichen Führung der Geldgeschäfte der Betroffenen bewiesen.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung, auf die das Gericht der weiteren Beschwerde beschränkt ist, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO, nicht stand.

a) Allerdings ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen in den von dem Vormundschaftsgericht bestimmten Aufgabenbereichen "Sorge für die Gesundheit", "Aufenthaltsbestimmung" und "Vermögenssorge" festgestellt hat. Soweit das Vormundschaftsgericht als weiteren Aufgabenkreis auch "Vertretung vor Behörden" bestimmt hat, handelt es sich nicht um einen eigenständigen Aufgabenkreis, sondern lediglich um eine Konkretisierung der übrigen, weil sich die Vertretungsbefugnis des Betreuers gegenüber Behörden im Rahmen seines Aufgabenkreises aus dem Gesetz ergibt, § 1902 BGB (Senat, Beschluss vom 27. November 2007 - 1 W 243/07 -, FamRZ 2008, 919).

Ein Betreuungsbedürfnis besteht dann, wenn ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen stellt auch die weitere Beschwerde nicht in Abrede.

b) Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Bestellung eines Betreuers trotz vorliegender Vorsorgevollmacht für erforderlich gehalten hat. Eine Betreuung ist dann nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Allerdings folgt dies nicht daraus, dass der Behördenbetreuer die Vorsorgevollmacht vom 5. September 2005 gegenüber der Bevollmächtigten widerrufen hat. Dieser Widerruf ist unwirksam, weil dem Behördenbetreuer hierzu die Befugnis fehlte. Ein Betreuer ist nur dann zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht befugt, wenn ihm sämtliche Angelegenheiten des Betroffenen oder wenigstens auch der Aufgabenkreis "Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber dem Bevollmächtigten", vgl. § 1896 Abs. 3 BGB, übertragen worden ist (Senat, Beschluss vom 14. November 2006 - 1 W 343/06 -, FamRZ 2007, 1041). Eine entsprechende Aufgabenübertragung auf den Behördenbetreuer hat das Vormundschaftsgericht nicht vorgenommen.

Soweit das Landgericht die Betreuerbestellung im Aufgabenkreis "Vermögenssorge" für erforderlich gehalten hat, wird dies mit der weiteren Beschwerde nicht angegriffen und ist jedenfalls im Ergebnis rechtlich auch nicht zu beanstanden, weil die Vollmacht nicht ausreicht, um über die Konten der Betroffenen zu verfügen. Zutreffend hat der Behördenbetreuer darauf hingewiesen, dass die Vorsorgevollmacht in der vorliegenden Form von den Banken nicht anerkannt wird. Ohne Verfügungsmacht über die Konten kann die Bevollmächtigte aber die Vermögensinteressen der Betroffenen nicht sinnvoll wahrnehmen.

Die Betreuerbestellung war auch hinsichtlich der Aufgabenkreise "Gesundheitssorge" und "Aufenthaltsbestimmung" erforderlich. Auch insoweit genügt die der Bevollmächtigten erteilte Vertretungsmacht nicht, um in ausreichendem Maß deren Angelegenheiten zu besorgen. Die Vollmacht erfasst weder die Befugnis zur Einwilligung in ärztliche Maßnahmen nach § 1904 Abs. 1 BGB noch zur Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 BGB oder zur Einwilligung in Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB. Denn die schriftlich abgefasste Vorsorgevollmacht umfasst solche Maßnahmen nicht ausdrücklich, was aber nach §§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB erforderlich ist. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, Maßnahmen nach diesen Vorschriften stünden nicht an. Die Betroffene musste in der Vergangenheit bereits untergebracht werden. Das Betreuungsverfahren wurde durch das Krankenhaus angeregt, in dem die Betroffene durch das Bezirksamt nach dem PsychKG geschlossen untergebracht worden war, und das Vormundschaftsgericht hatte die weitere geschlossene Unterbringung durch den Behördenbetreuer mit Beschluss vom 24. Oktober 2006 genehmigt. Nach dem Gutachten des MDK B... -B e.V. vom 5. Juli 2007 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist für die Betroffene eine vollstationäre Pflege erforderlich, weshalb auch medizinische Entscheidungen im Sinne von § 1904 Abs. 1 BGB in der Zukunft nicht unwahrscheinlich erscheinen und einen in Gesundheitsangelegenheiten umfassend berechtigten Vertreter der Betroffenen erfordern.

c) Die angefochtene Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern, soweit das Landgericht die Bevollmächtigte als ehrenamtliche Betreuerin der Betroffenen für ungeeignet gehalten hat.

aa) Gemäß § 1897 Abs. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht eine natürliche Person zum Betreuer, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Stehen mehrere grundsätzlich geeignete Personen zur Verfügung, hat das Gericht die Auswahl nach den in § 1897 Abs. 4 bis 6 BGB aufgeführten Kriterien vorzunehmen. Schlägt der Betroffene eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft, § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB. Schlägt er vor, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, soll hierauf Rücksicht genommen werden, § 1897 Abs. 4 S. 2 BGB. Die Bestellung eines Berufsbetreuers kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist, § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB. Kann der Volljährige durch eine oder mehrere natürliche Personen oder durch einen Verein nicht hinreichend betreut werden, bestellt das Gericht die zuständige Behörde zum Betreuer, § 1900 Abs. 4 S. 1 BGB.

Bei der Auswahl des Betreuers hat der Tatrichter anhand der in § 1897 Abs. 4 bis 6 BGB enthaltenen Kriterien die jeweils für den Einzelfall einschlägigen Gesichtspunkte zu ermitteln, sie dann unter Berücksichtigung ihres Ranges, insbesondere der hohen Bedeutung von Wille und Wohl des Betroffenen, und der gesetzlich vorgegebenen Regeln zu gewichten und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu fällen. Erforderlich ist letztlich eine Gesamtabwägung der für und gegen die Bestellung einer bestimmten Person sprechenden Gesichtspunkte (BayObLG, FamRZ 2004, 1600).

bb) Das Landgericht hat die Bevollmächtigte wegen der seiner Ansicht nach nicht verständlichen Bargeldabhebungen im November 2006 für ungeeignet gehalten, Geldgeschäfte der Betroffenen verlässlich zu führen. Die Ausführungen des Landgerichts berücksichtigen jedoch nicht, dass dem Behördenbetreuer neben der Vermögenssorge auch die Gesundheitssorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden ist. Insoweit lassen sich der angefochtenen Entscheidung keine Feststellungen entnehmen, warum die Bevollmächtigte auch zur Besorgung dieser Angelegenheiten ungeeignet sein sollte. Im Hinblick auf den Vorrang des Willens des Betroffenen, vgl. §§ 1897 Abs. 4 S. 1, 1901 Abs. 3 S. 1 BGB, muss bei der Betreuerauswahl aber auch erwogen werden, ob nicht wenigstens für einen Teil der Aufgabenkreise der gewünschte Betreuer ohne große Nachteile für den Betroffenen bestellt werden kann (BayObLG, FamRZ 1994, 323). Dem steht nicht entgegen, dass die Bestellung mehrerer Betreuer nur dann in Betracht kommt, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können, § 1899 Abs. 1 S. 1 BGB, und die Beurteilung insoweit dem Tatrichter obliegt (vgl. Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 1899 BGB, Rdn. 6). Das Landgericht hat insoweit aber überhaupt keine Feststellungen getroffenen, so dass es seiner Pflicht zur Amtsaufklärung, § 12 FGG, nicht nachgekommen ist.

cc) Darüber hinaus tragen die Erwägungen des Landgerichts aber auch hinsichtlich einer Ungeeignetheit der Bevollmächtigten im Rahmen der Vermögenssorge die angefochtene Entscheidung nicht. Das Landgericht hat insoweit wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.

Zwar vermag der Senat der weiteren Beschwerde nicht zu folgen, soweit sie versucht, die Geldabhebungen mit dem Willen der Betroffenen zu begründen, das Geld bei sich in bar im Pflegeheim aufzubewahren. Auch wenn der Betreuer verpflichtet ist, den Wünschen des Betroffenen zu entsprechen, gilt dies doch nur, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist, § 1901 BGB. Dass die ungesicherte Verwahrung von Bargeld in nicht unbeträchtlicher Höhe in einem Pflegeheim die Gefahr des Verlustes durch Diebstahl in sich birgt, liegt auf der Hand, so dass ein entsprechender Wunsch der Betreuten regelmäßig ihrem Wohl zuwiderläuft. Vorliegend kommt hinzu, dass die Betroffene krankheitsbedingt überhaupt keinen Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse besitzt. Außerdem ist bei der Bestellung eines Betreuers auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen, was nicht nur im Rahmen von § 1897 Abs. 5 BGB, sondern auch bei der Anwendung von § 1897 Abs. 4 BGB gilt (Senat, Beschluss vom 26. Januar 1995 - 1 W 7060/94, FamRZ 1995, 1442). Mit der weiteren Beschwerde wird letztlich ein Interessenkonflikt bei der Bevollmächtigten selbst vorgetragen, wenn sie befürchtet hat, enterbt zu werden, sollte sie dem vermeintlichen Wunsch der Betroffenen nicht nachkommen (vgl. zum Interessenkonflikt des potentiellen Erben auch OLG Düsseldorf, BtPrax 1993, 103).

Gleichwohl genügen die bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht, die Bevollmächtigte auch als Betreuerin im Aufgabenkreis Vermögenssorge als ungeeignet abzulehnen. Aus den bisherigen Ermittlungen lässt sich nicht begründen, die Bevollmächtigte habe versucht, schon zu Lebzeiten einen erheblichen Teil der Geldmittel zu eigenen Gunsten abzuzweigen, und das Geld nur deswegen in das Zimmer der Betroffenen in das Pflegeheim gebracht, um sich von dem Verdacht der Unterschlagung rein zu waschen. Es bleibt unberücksichtigt, dass die Barabhebungen bereits im November 2006 erfolgt waren, der Behördenbetreuer die Bevollmächtigte aber erst am 10. Januar 2007 hierauf angesprochen hatte, wie sich aus dessen Anzeige bei der Polizei vom selben Tag entnehmen lässt. Am 24. Januar 2007 hat er dann das abgehobene Geld und sogar noch 500,00 EUR darüber hinaus bei der Betroffenen im Pflegeheim gefunden. Dass die Bevollmächtigte den Zeitraum zwischen dem 10. und 24. Januar 2007 genutzt hat, um den zuvor abgehobenen und für sich verwendeten Betrag zu ersetzen, ist zwar möglich, kann der Bevollmächtigten ohne persönliche Anhörung durch die Kammer aber nicht ohne weiteres unterstellt werden.

Ungeachtet dessen hat das Landgericht auch nicht berücksichtigt, dass die Bevollmächtigte als Betreuerin unter der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts stünde und über die Vermögensverwaltung jährlich Rechnung zu legen hätte, §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1837, 1840, 1841 BGB. Das Vermögen der Betroffenen hätte die Bevollmächtigte als Betreuerin mündelsicher anzulegen, und zu Verfügungen über deren Konten benötigte sie angesichts der dort befindlichen Guthaben die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts, §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1806, 1812, 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

III. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil nach den voranstehenden Ausführungen zur - ggf. auf einen Teil der Aufgabenkreise beschränkten - Geeignetheit der Bevollmächtigten als Betreuerin noch weitere Ermittlungen erforderlich sind.



Ende der Entscheidung

Zurück