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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.02.2001
Aktenzeichen: 1 WiO 4/00
Rechtsgebiete: AktG, HGB, BRAO, StGB, WPO, StPO


Vorschriften:

AktG § 124 Abs. 3
HGB § 318 Abs. 3
HGB § 319 Abs. 2 Nr. 5
BRAO § 43
StGB § 193
WPO § 125
WPO § 127
StPO § 467 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

1 WiO 4/00

In dem berufsgerichtlichen Verfahren

hat der 1. Senat für Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Kammergerichts in Berlin in der Sitzung vom 7. Februar 2001, an der teilgenommen haben:

Vizepräsident des Kammergerichts Dr. Pickel als Vorsitzender,

Richter am Kammergericht Schaaf, Richter am Kammergericht Libera, Wirtschaftsprüfer Dr. Karlheinz Autenrieth, Wirtschaftsprüfer Dr. Peter Schöneberger als Beisitzer,

Oberstaatsanwalt Göllner als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Berlin,

Justizangestellte Standke als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Wirtschaftsprüfers wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Kammer für Wirtschaftsprüfersachen - vom 29. September 2000 aufgehoben.

Der Wirtschaftsprüfer wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Wirtschaftsprüfers trägt die Wirtschaftsprüferkammer.

Gründe:

Das Landgericht hat gegen den Wirtschaftsprüfer wegen Verstoßes gegen seine Berufspflichten (Pflicht zu berufswürdigem Verhalten und Sachlichkeitsgebot nach § 43 Abs. 2 WPO, § 13 Abs. 1 Berufssatzung WPK) einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 5.000,-- DM verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Wirtschaftsprüfer rechtzeitig unbeschränkte Berufung mit dem Ziel seines Freispruchs eingelegt.

Die Berufung hat Erfolg.

Die erneute Hauptverhandlung hat folgendes ergeben:

I.

Der Betroffene, der seit 1978 als Wirtschaftsprüfer öffentlich bestellt ist und seitdem ständig in eigener Praxis oder als Geschäftsführer, bzw. Vorstandsmitglied verschiedener Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tätig ist, ist seit 1989 Vorstandsmitglied der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft-Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in, deren Geschäftsbriefbögen der Betroffene auch regelmäßig in von ihm privat geführten Briefverkehr verwendet. Seit längerem sieht der Betroffene im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer Entwicklungen, die nach seiner Auffassung einen "Verfall der guten Sitten" darstellen, insbesondere im Tätigkeitsbereich großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und deren nach seiner Auffassung mitursächlichen Funktion bei verschiedenen Unternehmenszusammenbrüchen.

Sein Interesse fanden daher auch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Zusammenschluß der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG und der Bayerischen Vereinsbank AG zur Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG, die er symptomatisch für ähnliche Entwicklungen bei anderen Großunternehmen hielt, bei denen nach seiner Auffassung große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften es bei Ausübung ihrer Tätigkeit aufgrund mangelnder Unabhängigkeit an der erforderlichen Objektivität und Unparteilichkeit bei Durchführung der ihnen obliegenden Kontrollen fehlen ließen. Um seine Auffassungen über den Konflikt um die genannte Bank einbringen zu können und auf deren Hauptverhandlung Rederecht zu haben, kaufte der Betroffene Aktien des Unternehmens. Außerdem wurde in Abstimmung mit ihm die Vermögensverwaltungsgesellschaft gegründet, die gleichfalls Aktienpakete der Bank hielt und deren Geschäftsführer der Sohn des Betroffenen war. Die Gesellschaftsform wurde dabei gewählt, um bei einem möglichen Rechtsstreit klageberechtigt zu sein. An der Hauptversammlung der Bank am 6. Mai 1999 nahm der Betroffene teil, führte Gespräche mit vielen Kleinaktionären und meldete sich zu dem besonders strittigen Thema zu Wort, ob die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Abschlußprüfer der Bank für das Geschäftsjahr 1999 bestellt werden durfte. Die Hauptversammlung wählte schließlich die zur Abschlußprüferin. Im Anschluß an die Hauptversammlung wurde eine Klage beim Landgericht München I eingereicht, die unter anderem die Feststellung der Nichtigkeit der Bestellung der zur Abschlußprüferin zum Ziel hatte. Eine der klagenden Parteien war die GmbH Vermögensgesellschaft. Über den sich anschließenden Gang des Gerichtsverfahrens wurde der Betroffene nicht nur von seinem Sohn, sondern auch von den die Gesellschaft vertretenden Rechtsanwälten informiert, die zum Teil auch ihr Prozeßverhalten mit dem Betroffenen abstimmten.

Im Zusammenhang mit dem Verfahren wurde von Prof. Dr. für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht sowie internationales Privatrecht an der Universität, im Auftrag der ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit und Begründetheit der erhobenen Klagen wegen Anfechtung und Nichtigkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Bank über die Wahl der zur gesetzlichen Abschlußprüferin der Bank erstattet, das von der, die in dem Prozeß der beklagten Bank als Nebenintervenientin beigetreten war, als Parteigutachten in den Prozeß eingeführt wurde. Mit Urteil vom 21. Oktober 1999 wies die Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landgericht die erhobenen Klagen ab und legte den beiden Klägerinnen gesamtschuldnerisch die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits sowie die vollen Kosten der Nebenintervenientin auf, die weitere Hälfte der Kosten allein der GmbH. Der Streitwert wurde auf 500.000,-- DM festgesetzt.

II.

Im Laufe des Verfahrens und nach dessen Abschluß richtete der Betroffene am 8. Oktober und 14. Oktober 1999 Schreiben an den Sachverständigen Dr. und am 15. und 25. Oktober 1999 an den Vorsitzenden Richter. Das Schreiben an den Sachverständigen vom 8. Oktober 1999 war handschriftlich auf einer Fotokopie der ersten Seite des von diesem erstatteten Gutachtens verfaßt, während die übrigen Schreiben jeweils auf den Briefbögen der AG maschinenschriftlich gefertigt waren und unter dem Text "Mit freundlichen Grüßen, AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, Dipl.-Kfm.". (Wirtschaftsprüfer) handschriftlich unterschrieben waren.

a) Das Schreiben an Prof. Dr. vom 8. Oktober 1999 hatte folgenden Wortlaut:

"Herrn Dr.

Sehr geehrter Herr Dr.

Ihre Stellungnahme habe ich mit Interesse gelesen. Leider haben Sie den gesetzlich vorgegebenen "Öffentlichen Auftrag" des Abschlußprüfers nicht beachtet. Auch bleiben die Änderungen des KonTraG betreffend die Stellung des Abschlußprüfers von Ihnen unberücksichtigt. Es enttäusche auch, daß gerade Sie sich zu solch einem Gutachten von der benutzen lassen. Die fehlende Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit der Wirtschaftsprüfer sind ein Grundübel unserer Gesellschaft. Selbst der "kleine" Mann auf der Straße weiß was "Befangenheit" heißt, nur Sie und die nicht. Ihrer Stellungnahme sehen wir entgegen.

MfG Ihr. 8.10.99"

b) Das Schreiben an den Sachverständigen Dr. vom 14. Oktober 1999 lautete:

"Gutachterliche Stellungnahme i.S. Hypo-Vereinsbank, München, vom 29.09.1999 Bestellung der als Abschlußprüfer

Sehr geehrter Herr Professor

das Landgericht München hat uns Ihre gutachterliche Stellungnahme übergeben. Nach Durchsicht dieser Stellungnahme kann ich Ihnen mitteilen, daß ich weder als bestellter Wirtschaftsprüfer und noch weniger als Aktionär der Hypo-Vereinsbank und als Bürger dieses Landes das Ergebnis Ihrer Stellungnahme akzeptieren kann. Ich bin ganz besonders darüber bestürzt, daß Sie die gesetzlich vorgegebene "öffentliche Funktion" des Abschlußprüfers in Ihrer Stellungnahme so gut wie nicht berücksichtigt haben. In Ihrer Position als Quasi-Organ der Rechtspflege sollten rechtliche Stellungnahmen nicht den Eindruck von "Gefälligkeitsgutachten" vermitteln. Dies würde Ihrem guten Ruf schaden.

Der Abschlußprüfer vertritt in seiner öffentlichen Funktion die Belange und Interessen der Öffentlichkeit, der Gläubiger, der Aktionäre, der Kunden und des Staates. In dieser öffentlichen Funktion sind Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit oberste Berufsgebote des Abschlußprüfers. Diese unabdingbaren persönlichen Voraussetzungen für die Eignung als Abschlußprüfer sind nicht wie Sie meinen, nur berufsständische Nebenpflichten, sondern die "Grundgesetze" für die Berufsausübung als Abschlußprüfer.

Nur ein unabhängiger, unbefangener und unparteilicher Abschlußprüfer kann die Interessen der Millionen von Kleinaktionären der großen Publikumsaktiengesellschaften und der Öffentlichkeit vor der Übermacht und den "Kungelei-Gefahren" der Großaktionäre, wie Versicherungen, Länder, Bund, Banken, usw., vertreten und schützen.

Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit können nur bei völligem Ausschluß von Interessenkollisionen zwischen Abschlußprüfer und dem Vorstand der zu prüfenden Gesellschaft gewährleistet sein. Schon die Gefahr für das Entstehen einer Interessenkollision muß ausgeschlossen sein. Die Erreichung dieses hohen Ziels ist auch Aufgabe der Rechtspflege und der Gerichte. Auch Sie als Quasi-Organ der Rechtspflege sind diesem Ziel verpflichtet.

In völligem Gegensatz zum unabhängigen, unbefangen und unparteilichen Abschlußprüfer steht der Abschlußprüfer in seiner Funktion als Berater des Vorstandes, als sein Interessenvertreter.

Wenn Abschlußprüfer und Berater des Vorstands personenidentisch sind, dies ist nach den Angaben in Ihrer Stellungnahme bei der, die ist u.a. Verschmelzungsgutachter, gegeben, sind Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Abschlußprüfers irreparabel zerstört.

Nicht nur als Verschmelzungsgutachter war die Berater des Vorstandes beider Banken und damit Interessenvertreter der Vorstände. Diese Vertragsverhältnisse zwischen Bank (vertreten durch den Vorstand) und dem Abschlußprüfer im Nebeneinander mit dem Abschlußprüfungsmandat in einer Person schafft als Interessenvertreter Befangenheit und Parteilichkeit. Die geistige und persönliche Distanz zwischen Abschlußprüfer und Vorstand ist aufgelöst.

Es würde mich sehr interessieren, wie Sie, sehr geehrter Herr Professor, diesen Interessenkonflikt lösen wollen. Auf der einen Seite muß die als Berater befangener und parteiverpflichteter Interessenvertreter des Vorstands sein, während sie gleichzeitig auf der anderen Seite unabhängiger, unbefangener und unparteilicher Abschlußprüfer in öffentlicher Funktion sein muß!

Es ist zu befürchten, daß es niemand auf dieser Welt gibt, außer der und Ihnen als ihr Interessenvertreter, für den dieser gravierende und unauflösbare Interessenkonflikt kein Problem darstellt.

Auch das KonTraG, das Sie nur am Rande erwähnten, hat die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers wesentlich gefördert, in dem es die Vergabe des Prüfungsauftrages an den Abschlußprüfer vom Vorstand auf den Aufsichtsrat übertragen hat. Diese gesetzliche Neuregelung der Auftragsvergabe ist ein Beweis dafür, daß der Gesetzgeber die öffentliche Funktion und den öffentlichen Auftrag des Abschlußprüfers stärken wollte, mit dem offensichtlichen Ziel, Interessenkollisionen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu verhindern. Nach der gesetzlichen Regelung im KonTraG wird der Abschlußprüfer vom Aufsichtsrat als sein Überwachungsgehilfe zum Kontrollorgan des Vorstandes. Im Rahmen seines Prüfungsauftrages kontrolliert der Abschlußprüfer damit auch die Geschäftsführung des Vorstandes.

Wie soll der Abschlußprüfer aber unabhängig, unbefangen und unparteilich einem Vorstand als Kontrolleur gegenübertreten, für den er gerade noch als Berater tätig war oder noch tätig ist und auch in Zukunft von demselben Vorstand weitere Beratungs- und Gutachtenaufträge erhofft? Reicht es dafür etwa aus, daß der Abschlußprüfer unterschiedliche Hüte trägt, je nachdem in welcher Funktion er auftritt: als Berater mit dem "Berater-Hut" und als Abschlußprüfer mit dem "Abschlußprüfer-Hut"?

Schon allein die Berufsehre des Wirtschaftsprüfers gebietet es, solche Interessenkonflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Die durfte unseres Erachtens deshalb im vorliegenden Fall den Prüfungsauftrag erst gar nicht annehmen, wenn sie an die moralischen Grundinhalte des Wirtschaftsprüferberufes glauben würde.

Selbst der "kleine Mann auf der Straße" fühlt und weiß ohne viel Erklärungen, was Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit bedeuten, die und Sie wissen es offensichtlich nicht. Die bedarf zur Erläuterung ihrer gesetzlichen und beruflichen Pflichten Ihrer gutachterlichen Stellungnahme über 66 Seiten, welche zum Ergebnis kommt, daß Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit für die Tätigkeit der und damit aller Abschlußprüfer ohne Bedeutung sein sollen. Ihr Rechtsgutachten ist für mich ein Beweis dafür, wie weit der Verfall der guten Sitten im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer schon fortgeschritten ist. Aber ganz besonders für Ihren Berufsstand der Rechtsprofessoren sollte Geld doch nicht die Maxime allen Handelns sein!

Nachdem wir uns persönlich kennen, ist es für mich enttäuschend, daß Sie Ihren untadeligen. Namen für eine solche Sache hergeben und sich von der für solch fragwürdige Ziele benutzen lassen.

Ihrer Stellungnahme sehe ich entgegen."

c) Das Schreiben an den Vorsitzenden Richter vom 15. Oktober 1999 lautete:

Gutachterliche Stellungnahme von Herrn Professor Dr., Universität vom 29.09.1999

Sehr geehrter Herr P,

in o.g. Angelegenheit erlauben wir uns, Ihnen unser Schreiben an Herrn Professor Dr. zu übergeben.

Es ist demoralisierend, wenn man feststellen muß, wie ein Professor der Rechtswissenschaft als Quasi-Organ der Rechtspflege im Auftrag einer WP-Gesellschaft die persönlichen Grundvoraussetzungen zur Eignung eines Wirtschaftsprüfers als Abschlußprüfer einer Publikums-Aktiengesellschaft" in einer gutachterlichen Stellungnahme versucht, als nebensächliches und für die Ausübung des Berufes unbeachtliches "Beiwerk" abzutun.

Der bisherige Verlauf und der Inhalt der ausgetauschten Schriftsätze bestätigt meine schon lange gehegte Befürchtung, daß man sich in unserem Lande äußerst schwer damit tut, die Banken in unsere Rechtsordnung insgesamt einzubinden, was tatsächlich ein Zweiklassenrecht zur Folge hat. Meine langjährigen Erfahrungen als Wirtschaftsprüfer (seit 1972) bestätigen, daß selbst die Gerichte bereit sind, bei den "Großen und Einflußreichen", z.B., bei den Banken, auch einmal ein Auge zuzudrücken. Dies ist eine äußerst bedenkliche Entwicklung.

Wie in den Schriftsätzen der Hypo-Vereinsbank im vorliegenden Verfahren mit den Formvorschriften des Aktiengesetzes, vor allem im Zusammenhang mit dem Hauptversammlungsbeschluß über die Bestellung der. Sonderprüfer, umgegangen wird, ist für jeden Kleinaktionär völlig unakzeptabel.

Gerade die Formvorschriften des Aktiengesetzes sollen die unzähligen Kleinaktionäre vor der Übermacht und den "Kungelei-Gefahren" der Großaktionäre schützen. Ohne diese Formvorschriften des Aktiengesetzes wären die Kleinaktionäre, die einen gewaltigen Anteil am Aktienkapital ausmachen, völlig hilflos der Willkür des Vorstandes, der Großaktionäre und der vom Vorstand und von den Großaktionären bestimmten Aufsichtsräten ausgesetzt. Die aktienrechtlichen Formvorschriften sind demgegenüber ein Ausgleich für die eingeschränkten Minderheitenrechte sein.

Nachdem in den seltensten Fällen ein unabhängiger, unbefangener und unparteilicher Abschlußprüfer eingesetzt wird, wie der vorliegende Fall der Hypo-Vereinsbank AG überdeutlich zum Ausdruck bringt, der auch seine öffentliche Funktion den Gesetzen entsprechend zugunsten der Kleinaktionäre und der Öffentlichkeit wahrnimmt, müssen doch für jeden, der sich mit diesen Problemen befaßt, die "Alarmglocken läuten", auch für Sie, sehr geehrter Herr

Die Abschlußprüfung ist die einzige vom Gesetzgeber eingesetzte Kontrollinstanz der Großunternehmen und damit der Wirtschaft zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Diese Kontrollinstanz muß aber völlig versagen, wenn die unabdingbaren Berufsgebote der Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit beim Abschlußprüfer nicht gewährleistet sind, wie die spektakulären Unternehmenszusammenbrüche der letzten Jahre (Vulkan, Coop, Balsam, usw.) und die Hypobank-Bilanz-Katastrophe zeigen. Wenn die Abschlußprüfer ihre Berufsgrundsätze ernst nehmen würden, könnten solche Unternehmens-Katastrophen verhindert werden. Leider werden diese Berufsgrundsätze immer mehr durch die neuen Berufsmaximen ersetzt, nämlich durch: Umsatz, Umsatz, Umsatz!

Wie sehen es in diesem Zusammenhang auch als wesentliche Aufgabe der Gerichte an, über die Durchsetzung der aktienrechtlichen Formvorschriften des Aktiengesetzes den vom Gesetzgeber gewollten Minderheitenschutz, vor allem den Schutz der Kleinaktionäre, sicherzustellen.

Ihrer Stellungnahme sehen wir entgegen."

d) Das Schreiben an den Vorsitzenden Richter vom 25. Oktober 1999 hatte folgenden Wortlaut:

Geschäfts-Nr. Urteil und mündliche Verhandlung am 21. Oktober 1999

Sehr geehrter Herr,

nachdem Sie, wie wir meinen, doch etwas überhastet, am 21. Oktober 1999 in o.g. Angelegenheit das Urteil gefällt haben, erlauben wir uns, Ihnen hierzu unsere Meinung mitzuteilen. Ein solches Urteil fordert zur Kritik heraus. Ich hoffe, daß Kritik auch an einem Gerichtsurteil als freie Meinungsäußerung nicht verboten ist.

Da ich persönlich nicht anwesend sein konnte, wurde mir über den Verlauf der mündlichen Verhandlung wie folgt berichtet:

Sie haben die Anfechtungsklage in beiden Punkten (Sonderprüfer- und Abschlußprüferwahl) vollumfänglich zugunsten der Hypo-Vereinsbank abgewiesen und den Antrag der Klägerin, den Streitwert auf DM 10.000,00 herabzusetzen, abgelehnt und von DM 200.000,00 auf DM 500.000,00 erhöht.

Nach Meinung von Verhandlungsteilnehmern konnte Ihr Urteil nur so ausfallen, weil die Klägerin Ihren Vergleichsvorschlag, der im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage völlig unangemessen war, nicht angenommen hat. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung und bei der Urteilsverkündung hätten Sie auskunftsgemäß den Eindruck vermittelt, um jeden Preis im Anschluß an die mündliche Verhandlung Ihr Urteil fällen zu müssen. Standen Sie unter Zeitdruck, weil das Sonderprüfungsgutachten der Hypo-Vereinsbank inoffiziell bereits vorliegt und am 26.10,1999 der Öffentlichkeit vorgelegt werden soll?

Ihr Urteil insgesamt ist eine Abstrafung der Klägerin, weil sie Ihren Vergleich nicht angenommen hat. Die Abstrafung konkretisiert sich ganz besonders in der Erhöhung des Streitwertes von DM 200.00,00 auf DM 500.000,00, obwohl es sich bei der Klägerin um einen Kleinaktionär handelt, dessen Aktienbesitz an der Hypo-Vereinsbank gerade mal einen Wert von DM 10.000,00 hat. Man wird auch den Eindruck nicht los, daß Ihr Urteil nicht nur eine Abstrafung für die Ablehnung Ihres Vergleichsvorschlages darstellt, sondern eine Abstrafung dafür ist, daß es ein Kleinaktionär wagt, gegen die Hypo-Vereinsbank seine Rechte, die ihm nach dem geltenden Aktiengesetz zustehen, in der praktischen Wirklichkeit vor Gericht durchsetzen zu wollen.

Nachdem der Zeuge, ein Vertreter der Hypo-Vereinsbank, in beispielhaft aufrichtiger Weise erklärt hat, daß im Hause der Hypo-Vereinsbank im Verfahren der Sonderprüferbestellung die Vorschrift des § 124 Abs. 3 AktG nicht beachtet wurde und darüber hinaus bestätigt hat, daß der Vorschlag zur Bestellung der Sonderprüfer tatsächlich durch den Vorstand und gerade nicht durch den Aufsichtsrat der Hypo-Vereinsbank erfolgte und damit eindeutig gegen die gesetzliche Vorgabe des § 124 Abs. 3 AktG verstoßen wurde, kann man Ihr Urteil zu diesem Punkt nur noch mit Kopfschütteln quittieren. Ihr Urteil ist u.E. damit ein ganz eindeutiger Verstoß gegen die gesetzliche Regelung des § 124 Abs. 3 AktG. Auf Ihre schriftliche Begründung, mit der Sie in Ihrem Urteil die Abweichung vom Gesetz rechtfertigen wollen, sind wir alle sehr gespannt. Hier müssen Sie sich stichhaltige Argumente einfallen lassen, alles wird durch die richterliche Unabhängigkeit nicht gedeckt!

In diesem Zusammenhang muß auch Ihre Streitwerterhöhung mehr als fragwürdig erscheinen: die Hypo-Vereinsbank verursacht und provoziert durch Nichtbeachtung des § 124 Abs. 3 AktG die Anfechtungsklage, Sie aber, sehr geehrter Herr, bestrafen den klagenden Kleinaktionär für den Gesetzesverstoß der Hypo-Vereinsbank mit der Streitwerterhöhung und der Kostentragungspflicht!

Ein solches Urteil muß jeder Kleinaktionär als Schlag ins Gesicht empfinden, da damit bewiesen wird, daß er nicht einmal vor Gericht Unterstützung bei der Durchsetzung seiner eindeutigen gesetzlichen Rechte erwarten kann. Sein Vertrauen in eine solche Gerichtsbarkeit muß gestört sein.

Es ist noch viel schlimmer! Der Kleinaktionär kann sich damit nicht einmal mehr auf das Gesetz verlassen, weil ihm vor Gericht dessen Durchsetzung verweigert wird. Er wird für die Anrufung des Gerichts auch noch abgestraft mit völlig überhöhten Streitwerten! Sie wissen, daß nur die Kosten weh tun, so ist es von Ihnen gewollt! Dem Kleinaktionär wird nicht nur sein Recht verweigert und ihm gezeigt, daß er faktisch rechtlos ist, er muß auch noch über die Maßen geldmäßig abgestraft werden, daß ihm die Lust an der Durchsetzung seiner Rechte schon in der ersten Instanz auch wirklich vergeht. Der Kleinaktionär wird damit nicht nur wie im praktischem Alltag von den Großaktionären, sondern auch von der Gerichtsbarkeit als faktisch rechtloser Störenfried behandelt.

Eine Rechtsauslegung und Rechtsprechung gegen das Gesetz hat keinen Bezug zu objektiver Rechtsfindung, auf die nach unserer Rechtsordnung auch ein Kleinaktionär Anspruch hat: Gefühlsjurispudenz ist rechtswidrig! Es kann nicht akzeptiert werden, daß die gesetzlichen Vorgaben des § 124 Abs. 3 AktG sowie die Grundsätze des Aktienrechts vom Gericht unbeachtet bleiben können, so wie es dem Gericht gerade paßt, nur weil die Hypo-Vereinsbank trotz Anfechtungsklage die von der Hauptversammlung - gegen das Gesetz - beschlossene Sonderprüfung bereits in Auftrag gegeben hat und der Sonderprüfungsbericht zur Veröffentlichung ansteht!

Gilt das Gesetz nur, wenn dessen Vorgaben auch in das politische und wirtschaftliche Interessengemenge passen? Wenn ja, gibt es dann nur noch eine Rechtsprechung zugunsten der Mächtigen? Wenn nein, dann haben Sie gegen das geltende Aktienrecht verstoßen, sehr geehrter Herr.

Der freiheitliche Rechtsstaat beruht darauf, daß Gesetze - hier das Aktiengesetz - befolgt werden. Schwindet der Rechtsgehorsam und wird dies von der Gerichtsbarkeit unterstützt, wie im vorliegenden Fall, so zerfällt die Rechtskultur, die auf der Allgemeinverbindlichkeit und Verläßlichkeit des Rechts beruht. Es ist schlimm, wenn solche Selbstverständlichkeiten von einem Gericht mißachtet werden.

Unverhältnismäßig hohe Streitwerte unterstützen eine Zielrichtung, die dem Kleinaktionär die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung seiner Rechte völlig verunmöglichen. Die Durchsetzung der Rechte der Kleinaktionäre wird von den Gerichten durch deren unkalkulierbare Streitwertfestsetzung ganz allgemein und ausschließlich zu einer Frage des Geldes gemacht! Kann dies ein Ziel unserer rechtsstaatlichen Ordnung sein?

Völlig unbegreiflich und verstandesmäßig nicht mehr nachvollziehbar ist die Abweisung der Klage zu der Frage der Abschlußprüferbestellung. Hier bedient sich das Gericht ganz plötzlich und überraschenderweise zur Begründung der Klageabweisung der einschlägigen handelsrechtlichen Vorschriften der §§ 319 Abs. 2 Nr. 5 und 318 Abs. 3 HGB. Ganz im Gegensatz zur Abweisung der Klage hinsichtlich der Sonderprüferbestellung soll hier das Gesetz die Abweisung der Klage begründen. Ich werde den Eindruck nicht los, dies könnte Rechtsprechung nach dem Motto sein: das Gesetz zählt nur, wenn es gerade opportun erscheint.

Sehr geehrter Herr, Ihre Vorgehensweise und Ihr Urteil im vorliegenden Fall entspricht meinen Erwartungen und bestätigt damit auch meine Befürchtungen über den Zustand unserer Gerichtsbarkeit. Der Kleinaktionär muß durch solche Urteile das Vertrauen in unsere rechtsstaatliche Ordnung und in die Gerichtsbarkeit völlig verlieren.

Die Durchsetzung von Rechtsansprüchen wird, wenn sich solche Beispiele weiter durchsetzen sollten, eindeutig nur noch eine Frage des Geldes und eine Frage politischer Macht: die Durchsetzung ihrer Rechte können sich unter solchen Verhältnissen nur noch die Reichen und die Mächtigen leisten!

Ein Zustand und eine Entwicklung, die Angst verbreiten muß.

Beiliegend erlauben wir uns, Ihnen zwei Aufsätze über "Ämterpatronage" in der Justiz zu übergeben, aber ohne jegliche Absicht, einen Bezug zu Ihrer Person herstellen zu wollen.

Ihrer Stellungnahme sehen wir entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Anlagen:

NJW 1992, S. 1790 ff.: "Parteigeist und politischer Geist in der Justiz" von Dr. (Oberstaatsanwalt) und Rechtsanwalt (MdL) NJW 1999,S. 2330 ff.: "Ämterpatronage durch politische Parteien" von Präs. OLG a.D., Dr..

PS: Meine Kritik an dem Urteil und an der Arbeit des Gerichts betrachte ich als von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt. Es liegt mir völlig fern, die Würde des Gerichts oder die persönlichen Gefühle eines Richters verletzen zu wollen."

Auf dem diesem Schreiben beigefügten Aufsatz zum Thema "Parteigeist und politischer Geist in der Justiz" war vom Betroffenen handschriftlich folgender Text hinzugesetzt:

"Zur Kenntnis, zum Studium und zum Nachdenken darüber, wie Sie vielleicht daran auch etwas ändern könnten. Wir haben schließlich auch Verantwortung für unsere nachfolgende Generation und vor allen unseren eigenen Kindern gegenüber, ob wir Ihnen eine noch verkommenere Gesellschaft hinterlassen, als sie heute schon ist.

MfG"

III.

Die Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen und den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden. Der Wirtschaftsprüfer hat den obigen Sachverhalt eingeräumt und sich dahin eingelassen, es sei ihm bei der Auseinandersetzung mit dem Sachverständigen und dem Richter allgemein um das Recht und das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer gegangen. Er sei es gewohnt, seine Meinung sehr deutlich auszudrücken und "Klartext" zu reden. Die Vorgänge um die Hypo-Bank habe er für symptomatisch für Fehlentwicklungen in der Gesellschaft, der Wirtschaft und in seinem Berufsstand gehalten und sich daher in diese Auseinandersetzung einschalten wollen. Auf der Hauptversammlung der Bank habe er die Machtlosigkeit der Kleinaktionäre, mit denen er zahlreiche Gespräche geführt habe, erlebt, jedoch mit seinen eigenen Redebeiträgen dort keine Chance gehabt, die Phalanx der Banken und Wirtschaftsprüfergesellschaften zu durchbrechen. Mit dem Sachverständigen, von dem bekannt gewesen sei, daß er generell häufig für die tätig gewesen war, habe er in eine persönliche Diskussion eintreten und ihn deshalb auch herausfordern wollen. Über den Ablauf des Prozesses vor dem Landgericht München sei er ständig über die Rechtsanwälte informiert worden, die mit ihm auch Rücksprache genommen hätten, als es um die von dem Richter angebotene vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits gegangen sei. Sie hätten vom Abschluß eines solchen Vergleichs abgeraten, da bei dem nach ihrer Ansicht vorliegenden eklatanten Verstoß gegen das Aktiengesetz die Klage erfolgreich sein mußte. Über das dann gefällte Urteil sei er daher maßlos enttäuscht gewesen. Dem Richter habe er lediglich seine Meinung sagen, ihn jedoch nicht beleidigen oder der Rechtsbeugung beschuldigen wollen. Der Begriff der "Abstrafung" sei von den Anwälten ihm gegenüber gebraucht worden, da nach deren Auskunft der Richter nach Ablehnung des von ihm gemachten Vergleichsvorschlages sehr emotional reagiert und das Urteil wütend verkündet habe. Er, der Betroffene, habe den Eindruck gewonnen, der Richter habe sich bei seiner Entscheidungsfindung von diesen Emotionen innerlich nicht freimachen können. Die in seinem zweiten Schreiben an den Richter beigefügten Zeitschriftenartikel hätten gerade auf seinem Schreibtisch herumgelegen, als er den Brief an den Richter verfaßt habe. Die in ihnen aufgeworfene Problematik im Bereich der Justiz habe er daher auch dem Richter - ohne Bezug zu dem konkreten Prozeß - mitteilen wollen.

IV.

Bei der Prüfung der Frage, ob sich der Betroffene mit den in seinen unter II. aufgeführten Schreiben enthaltenen Äußerungen, schuldhaft seine Berufspflichten verletzt hat und deshalb eine berufsgerichtliche Maßnahme gegen ihn verhängt werden muß, ist von einem beruflichen Verhalten des Betroffenen auszugehen (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 WPO). Denn bei der Abgrenzung zwischen beruflichem und außerberuflichem Verhalten kommt es auf die materielle Berufsbezogenheit und nicht auf die formelle an. Außerberufliches Verhalten liegt daher in der Regel nur dann vor, wenn es als das eines Privatmannes anzusehen ist. Werden dagegen Pflichten verletzt, die dem Berufsangehörigen kraft seines Berufes obliegen oder die sich auf seinen Beruf beziehen, so liegt eine nach § 67 Abs. 1 WPO zu ahndende Pflichtverletzung vor. Bei sog. Mischtatbeständen erfolgt die Zuordnung zum beruflichen Fehlverhalten (vgl. zu den entsprechenden Regelungen für Steuerberater (§§ 57 Abs. 1 und 2, 89 Abs. 1 und 2 StBerG) und Rechtsanwälte (§§ 43 Satz 2, 43 a Abs. 3, 113 Abs. 1 und 2 BRAO); BGHSt 29, 97 (98) und 28, 150 (154); Gehre, StBerG 4. Aufl., § 57 Rdn. 80 und § 89 Rdn. 6; Kuhls, StBerG, § 57 Rdn. 338; Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 89 StBerG Rdn. B 1253.7 und 1258.2; Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl., § 113 Rdn. 15).

Im vorliegenden Fall hat der Betroffene die genannten Schreiben zwar nicht im Rahmen der Wahrnehmung eines Wirtschaftsprüfermandats gefertigt, so daß sein Verhalten nicht der Berufstätigkeit im engeren Sinne zuzuordnen ist. Bis auf das Schreiben vom 8. Oktober 1999 sind die gefertigten Schriftsätze jedoch nicht nur von ihrer äußeren Form durch Verwendung des Briefpapiers der vom Betroffenen geleiteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der Unterschrift unter Bezug auf diese Gesellschaft mit dem Zusatz "Wirtschaftsprüfer" berufsbezogen, sondern sind es sämtlich auch nach ihrem Inhalt. Denn darin äußert sich der Betroffene in kritischer Form zu Entwicklungen seines Berufsstandes, zur Problematik der Funktion des Abschlußprüfers bei Großunternehmen und beruft sich dabei wie auch bei seinem Angriff gegen Gutachter und Richter auf die aus seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer gewonnene Sachkompetenz und sein Fachwissen. Seine Äußerungen stellen sich daher auch als die des Wirtschaftsprüfers und nicht lediglich als die eines in seinen Vermögensinteressen betroffenen Kleinaktionärs dar. Es handelt sich daher nicht um das Verhalten einer Privatperson ohne jeden beruflichen Bezug, das allein dem außerberuflichen Bereich zuzurechnen wäre (vgl. BGHSt 29, 97 (98); Kuhls a.a.O.).

V.

Nach den zu II. getroffenen Feststellungen ist eine nach § 67 Abs. 1 WPO zu ahndende schuldhafte Verletzung der Berufspflichten durch den Betroffenen nicht festzustellen.

a) Aus dem Gebot der gewissenhaften Berufsausübung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO und dem Verbot, sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 WPO), folgt zwar das Sachlichkeitsgebot, das den Wirtschaftsprüfer verpflichtet, die ihm anvertrauten Interessen sachlich und in angemessener Form zu vertreten (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 57 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StBerG: LG Hamburg StB 1992, 176 (177); Gehre Rdn. 76 und Kuhls Rdn. 340; jeweils zu § 57 StBerG). Dieses Gebot ist ferner in § 13 Abs. 1 der Berufssatzung WBK festgelegt. Es gilt auch für den im vorliegenden Fall betroffenen Bereich des beruflichen Verhaltens im weiteren Sinne, also ohne Wahrnehmung eines beruflichen Mandats.

b) Inhalt und Umfang des Sachlichkeitsgebotes werden jedoch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundrechten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG und freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sowie zu § 43 BRAO geprägt (vgl. Kuhls § 57 Rdn. 341; Feuerich/Braun § 43 a Rdn. 33; Kleine-Cosack, BRAO 3. Aufl., § 43 a Rdn. 23). Danach ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt und muß daher gegenüber Meinungsäußerungen der Schutz des privaten Rechtsgutes um so mehr zurücktreten, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handelt, da hier die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede spricht (vgl. BVerfGE 7, 198 (208, 212)). Daher muß auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohte. Allerdings tritt bei der Abwägung zwischen dem Ehrenschutz und der Meinungsäußerungsfreiheit in Fällen der Schmähkritik die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurück. Eine solche Schmähung ist jedoch erst anzunehmen, wenn bei einer herabsetzenden Äußerung nicht nur die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und sie jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person besteht (vgl. BVerfGE 82, 43 (51) und 82, 272 (282, 283 f.)). Bezüglich der Berufsausübung der Rechtsanwälte hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß nach allgemeiner Auffassung im "Kampf um das Recht" auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzt, Urteilsschelte geübt oder "ad personam" argumentiert werden darf, um beispielsweise eine mögliche Voreingenommenheit eines Richters oder die Sachkunde eines Sachverständigen zu kritisieren, wobei es nicht entscheidend sein könne, ob ein Anwalt seine Kritik anders hätte formulieren können, da grundsätzlich auch die Form der Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliege (vgl. BVerfGE 76, 171 (192)). Herabsetzende Äußerungen, die ein Berufsangehöriger im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung und der dabei zulässigen Kritik abgibt, sind daher noch kein Anlaß zu standesrechtlichem Eingreifen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten. Sie sind erst dann als Berufspflichtverletzungen zu beanstanden, wenn die Herabsetzungen nach Inhalt oder Form als strafbare Beleidigungen zu beurteilen sind, ohne durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB gedeckt zu werden, oder bewußt Unwahrheiten verbreitet oder der Kampf ums Recht durch neben der Sache liegende Herabsetzungen belastet wird, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben (vgl. BVerfGE 76, 171 (-193)); BVerfG BRAK-Mitt. 1990, 176 (177)).

Bei der Bewertung einer Meinungsäußerung nach den genannten Maßstäben darf daher der Sinn einer Äußerung nicht in einer Weise ermittelt werden, die der Bedeutung der Meinungsäußerung für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und für die freie Kommunikation in der Gesellschaft widerspricht. Über den bloßen Wortlaut einer Äußerung hinaus dürfen deshalb der sprachliche Kontext, in dem sie steht, sowie die für den Rezipienten erkennbaren Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, nicht unberücksichtigt bleiben, so daß die isolierte Betrachtung eines bestimmten Äußerungsteils oder Satzes den Anforderungen einer zuverlässigen Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht wird (vgl. BVerfGE 82, 43 (52) und 76, 171 (194); BVerfG NJW 1999, 2262 (2263)).

c) Bei der Bewertung der vom Betroffenen an den Sachverständigen und den Richter gerichteten Schreiben anhand der unter V. b) genannten Grundsätze ist zunächst die besondere Stellung des Betroffenen in Bezug auf das bei dem Landgericht München I anhängig gewesene Verfahren zu berücksichtigen. Zwar war der Betroffene weder als Privatperson noch in seiner Berufseigenschaft als Wirtschaftsprüfer in formellem Sinne Verfahrensbeteiligter. Er war jedoch durch das Verfahren als Kleinaktionär und durch die Beteiligung seines Sohnes als Geschäftsführer einer der klagenden Parteien betroffen, wobei im Rahmen des § 193 StGB auch die Wahrung der Interessen anderer Personen gedeckt wird, wenn diese dem Täter so nahe stehen, daß es nach vernünftigem Ermessen gerechtfertigt erscheint, sich als ihr Verfechter aufzuwerfen. Zu solchen besonderen Beziehungen gehört gerade auch die nahe Verwandtschaft (vgl. BayObLG NJW 1965, 58 (59)). In der Auseinandersetzung mit dem Sachverständigen wie auch dem Richter ging es dem Betroffenen schon nach dem objektiven Inhalt der Schreiben nicht in erster Linie um die Wahrung eigener wirtschaftlicher Interessen, sondern um die Auseinandersetzung mit nach seiner Auffassung schwerwiegenden Fehlentwicklungen innerhalb seines Berufsstandes, insbesondere bei der Frage der Unabhängigkeit großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei Prüfaufträgen gegenüber großen Aktiengesellschaften. Da der Betroffene über den Ablauf des Gerichtsverfahrens von den Rechtsanwälten der von seinem Sohn als Geschäftsführer vertretenen Klägerin nicht nur informiert wurde, sondern sogar im Verfahren zu treffende Entscheidungen mit ihm abgestimmt wurden, hatte er materiell eine einem Verfahrensbeteiligten gleichkommende Stellung. In beiden an den Sachverständigen gerichteten Schreiben des Betroffenen stehen im Mittelpunkt die Sachaussagen zur Bedeutung und Funktion des Abschlußprüfers und der nach seiner Auffassung für den konkreten Fall der Wahl der zur Abschlußprüferin der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank daraus folgenden Nichtigkeit der betreffenden Entscheidung. Die Auseinandersetzung innerhalb dieser Bank nach der ihrem Entstehen zugrundeliegenden Fusion zweier Banken stand - allgemeinkundig - auch im Zentrum über die direkt Beteiligten hinausgehender öffentlicher Diskussion. Insbesondere das längere Schreiben des Betroffenen vom 14. Oktober 1999 enthält zum größten Teil Sachaussagen, aus denen heraus sich die in scharfer Form geübte Kritik an dem Sachverständigen und dabei insbesondere an der Tatsache, daß er überhaupt im Auftrag einer Partei des anhängigen Rechtsstreits die Erstellung eines Gutachtens übernommen hatte, ergab. Soweit der Betroffene in beiden Schreiben den Vorwurf erhebt, daß selbst der "kleine Mann auf der Straße" fühle und wisse, was Unabhängigkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit bedeutet und nur der Sachverständige und die nicht, beziehen sich die entsprechenden Äußerungen ersichtlich nicht auf die eigene Stellung des Sachverständigen im anhängigen Rechtsstreit, sondern das von dem Betroffenen heftig kritisierte Ergebnis des vom Sachverständigen erstatteten Gutachtens, die Bestellung der als Abschlußprüferin trotz deren Beziehungen zu der zu prüfenden Gesellschaft für wirksam zu erachten. Soweit die Schreiben auf den vermittelten Eindruck von "Gefälligkeitsgutachten" Bezug nehmen, den Sachverständigen als "Interessenvertreter" der bezeichnen, der sich von dieser für "fragwürdige Ziele benutzen" lasse, und im Schreiben vom 14. Oktober 1999 darauf hingewiesen wird, daß für den Berufsstand der Rechtsprofessoren "Geld doch nicht die Maxime allen Handelns sein" sollte, muß bei der Bewertung der Äußerungen der Gesamtkontext der Briefe und der Umstand berücksichtigt werden, daß sich die entsprechenden Sätze nicht von der überwiegend inhaltlichen und nicht personenbezogenen Kritik der Schreiben trennen lassen (vgl. BVerfG NJW 1999, 2262 (2263); BayOblGE 94, 121 (127)).

Danach wird von dem Betroffenen zwar der Umstand scharf kritisiert, daß der Sachverständige als Rechtsprofessor überhaupt im Auftrag der Partei eines Rechtsstreits einen Auftrag zur Erstellung eines Rechtsgutachtens angenommen hat, nicht jedoch der Vorwurf erhoben, der Sachverständige habe bei Erstattung des Gutachtens mit dem vom Betroffenen für unhaltbar erachteten Ergebnis bewußt gegen besseres Wissen ein auch aus der eigenen Sicht des Sachverständigen falsches Gutachten erstattet, um zu dem von seinem Auftraggeber gewünschten Ergebnis zu kommen. Vielmehr hält der Betroffene ersichtlich die Übernahme solcher Aufträge generell für zweifelhaft und anstößig. Daß der Wirtschaftsprüfer seine diesbezüglichen Äußerungen in einer Form verfaßt hat, die als stilwidrig, ungehörig und als Verstoß gegen den guten Ton und aus Taktgefühl empfunden werden kann und vom Sachverständigen offensichtlich auch so empfunden worden ist, reicht unter Beachtung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles, denen insoweit eine hohe Bedeutung zukommt, für die Annahme eines standeswidrigen Verhaltens des Betroffenen nicht aus, da auch polemische und überspitzte Kritik, die nicht zielgerichtet nur in der Herabsetzung einer anderen Person besteht, hinzunehmen ist (vgl. BVerfG NJW 1991, 2274 (2275); BVerfGE 82, 272 (283); BayOblGE 94, 121 (126) ).

Dasselbe gilt aus den genannten Gründen für die, allerdings in deutlich schärferer Form verfaßten, Schreiben des Betroffenen an den Vorsitzenden Richter am Landgericht München. Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, daß der Betroffene bereits vor dem von ihm beanstandeten Urteil des Gerichts mit seinem Schreiben vom 15. Oktober 1999 in eine von ihm eröffnete Sachdiskussion mit dem Richter über die in dem anhängigen Verfahren entscheidenden Rechtsfragen der Funktion der Abschlußprüfung bei Großunternehmen, die Stellung des Abschlußprüfers und die an diesen zu stellenden Anforderungen getreten war. Dieses Schreiben ist rein sachbezogen und umreißt zugleich die Problemstellung, um die es dem Betroffenen ging, und sein über das anhängige Verfahren hinausgehenden Engagement in dieser Frage. Auch das zweite Schreiben des Betroffenen an den Richter enthält in wesentlichen Teilen sach- und nicht personenbezogene Aussagen unter Bezug auf § 124 Abs. 3 AktG sowie §§ 318 Abs. 3, 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB. Soweit in dem Schreiben von der "Abstrafung der Klägerin" durch den Richter durch Erhöhung des Streitwertes und in diesem Zusammenhang davon die Rede ist, der Richter wisse, "daß nur die Kosten wehtun" und so sei es von ihm auch gewollt, kann unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes beider Schreiben diesen Äußerungen nicht zwingend der Vorwurf der Rechtsbeugung entnommen werden. Vielmehr liegt darin lediglich der überspitzt formulierte Vorwurf, der Richter habe auf eine emotional belastete Prozeßsituation - Ablehnung des von ihm unterbreiteten Vergleichsvorschlages durch die Klägerpartei - emotional reagiert und dadurch eine objektiv falsche Sachentscheidung getroffen, ohne dies bewußt zu tun, zumal in dem Schreiben von dem Betroffenen die unkalkulierbare Streitwertfestsetzung und die Folge der Festsetzung unverhältnismäßig hoher Streitwerte für die Anrufung der Gerichte durch Kleinaktionäre über den konkreten Fall hinaus kritisiert wird. Auch weitere Meinungsäußerungen des Betroffenen in dem Schreiben nähern sich zwar dem Vorwurf der Rechtsbeugung, sind jedoch unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze und der konkreten Beziehung des Betroffenen zum anhängigen Rechtsstreit noch als durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt anzusehen. Dies gilt insbesondere, weil die Gesamtaussage des zweiten Schreibens an den Richter nicht dahin geht, den Vorwurf der Rechtsbeugung zu erheben, sondern eine scharf und sicherlich auch unangemessen formulierte Kritik an der mit dem Urteil vom 21. Oktober l999 getroffenen Entscheidung und der damit verbundenen Streitwertfestsetzung beinhaltet; als solche jedoch hält sie sich noch innerhalb des durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckten und daher auch nicht gegen das Sachlichkeitsgebot für Wirtschaftsprüfer verstoßenden Bereichs. Daß dem Schreiben zwei Aufsätze aus einer juristischen Fachzeitschrift beigefügt waren, die beide die Ämterpatronage durch politische Parteien behandeln, der eine speziell in bezug auf den Justizbereich, steht unabhängig von dem insoweit unbeachtlichen ausdrücklichen Hinweis des Betroffenen, keinen Bezug zur Person des Adressaten herstellen zu wollen, nicht in einem erkennbaren Zusammenhang zu der in dem Schreiben an der Person des Richters geäußerten Kritik. Dies gilt auch für den vom Betroffenen verfaßten handschriftlichen Zusatz an einem der Aufsätze. Bezug besteht vielmehr zu der im Schreiben vom Betroffenen in geübten allgemeinen Justizkritik. Die Beifügung der Zeitschriftenanlagen stellt daher keine Schmähkritik dar.

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 125 WPO i. V. m. § 127 WPO, § 467 Abs. 1 StPO (vgl. zu den gleichlautenden Vorschriften der §.§ 150, 153 StBerG Gehre § 150 Rdn. 4, 5; Kuhls § 148 Rdn. 28, § 150 Rdn. 2).

Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Grund (§§ 130 Abs. 1 Satz 1, 107 Abs. 2 WPO) ist nicht ersichtlich, da der Senat über Rechtsfragen oder Fragen der Berufspflicht, die von grundsätzlicher Bedeutung sind, nicht entschieden hat.

Ende der Entscheidung

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