Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 109/07
Rechtsgebiete: VV RVG


Vorschriften:

VV RVG Nr. 6100
VV RVG Nr. 6101
Dem Zeugenbeistand, der für die richterliche Vernehmung eines Zeugen aufgrund eines auswärtigen Rechtshilfeersuchens bestellt worden ist, stehen keine Gebühren nach den Nrn 6100, 6101 VV RVG zu. Er kann nur die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG verlangen.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 1 Ws 109/07

In der Rechtshilfesache gegen

wegen Mordes u.a.

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 13. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde des Zeugenbeistands, Rechtsanwalt Sch. gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 18. Juni 2007 wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Rechtsanwalt Sch. nahm als beigeordneter Beistand des Zeugen R. an dessen Vernehmung vom 28. September 2006 teil, die das Amtsgericht Tiergarten nach § 59 IRG im Wege der Rechtshilfe auf Ersuchen des Oberlandesgerichts sŽHertogenbosch (Niederlande) durchführte. Dem auf die Gebührentatbestände der Nrn. 4101, 4125, 4127 VV RVG gestützten Antrag des Rechtsanwalts, die Vergütung für seine Tätigkeit auf insgesamt 821,28 EUR festzusetzen, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts nur in Höhe von 470,96 EUR entsprochen und diesen Betrag zur Zahlung angewiesen, wobei er dem Antragsteller die Gebühren nach den Nrn. 4102 (gemeint ist: Nr. 4101) und 4109 VV RVG zugebilligt hat. Auf seine Erinnerung hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 22. Januar 2007 dem nunmehr geänderten Antrag des Rechtsanwalts stattgegeben und die Gebühren nach den Nrn. 6100, 6101, 7002, 7008 VV RVG auf 742,40 EUR festgesetzt. Das Landgericht hat (in der Besetzung mit drei Richtern) diese Entscheidung auf die Beschwerde des Bezirksrevisors des Amtsgerichts durch Beschluß vom 18. Juni 2007 aufgehoben und dem Rechtsanwalt lediglich einen Vergütungsanspruch nach den Nrn. 4301 Ziff. 4, 7002, 7008 VV RVG in Höhe von 218,08 EUR zuerkannt. Die (zugelassene) weitere Beschwerde des Rechtsanwalts bleibt ohne Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gebühren nach den Nrn. 6100, 6101 VV RVG stehen dem Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Zeugenbeistand nicht zu.

Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, daß für die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit im Rechtshilfeverfahren nach dem IRG die besonderen Gebührentatbestände der Nrn. 6100, 6101 (Teil 6 Abschnitt 1 des VV RVG) vorgesehen sind, wobei der Beistand eines Zeugen die "gleichen" Gebühren wie der Verfahrensbevollmächtigte erhalten soll (Vorbemerkung 6 Abs. 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG). Gleichwohl stehen dem Beschwerdeführer die Gebühren nach den Nrn. 6100, 6101 VV RVG nicht zu.

Der Vergütungsanspruch eines beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse richtet sich nach der ihm durch das Gericht übertragenen Aufgabe (§ 48 Abs. 1 RVG), die hier nach den §§ 77 IRG, 68b StPO - laut Beschluß des Amtsgerichts vom 28. September 2006 - lediglich in der Beistandsleistung "für die heutige Vernehmung" bestand.

Schon daraus folgt, daß dem Beschwerdeführer die beantragte Verfahrensgebühr (Nr. 6100 VV RVG), mit der das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information honoriert werden soll (Vorbemerkung 6 Abs. 2 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG), nicht zusteht.

Aber auch die Terminsgebühr (Nr. 6101 VV RVG) kann der Rechtsanwalt nicht verlangen. Sie entsteht - nach dem Wortlaut des Gebührentatbestandes - "je Verhandlungstag". Dadurch hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß die Gebühr im Verfahren nach dem IRG nur für solche gerichtlichen Terminen anfällt, bei denen über die Sache "verhandelt" wird, wie etwa vor dem Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten (§§ 31, 33 IRG). Dementsprechend billigt die Rechtsprechung dem nach § 40 Abs. 2 IRG bestellten Beistand für die Teilnahme an Terminen vor dem Amtsgericht, die in erster Linie der Anhörung und Belehrung des Verfolgten dienen (§§ 21, 22, 28, 41 IRG), eine Terminsgebühr nicht zu (vgl. OLG Dresden StraFo 2007, 176; OLG Hamburg AGS 2006, 290; OLG Hamm StraFo 2006, 259; OLG Köln 2006, 380; OLG Bremen, Beschluß vom 28. Juni 2005 - Ausl 8/04 - bei juris). Die in der Kommentarliteratur überwiegend vertretene Ansicht, nach der auch solche Gerichtstermine unter den Gebührentatbestand der Nr. 6101 VV RVG fallen (N. Schneider in AnwK-RVG, 3. Aufl., Rdn. 21 zu VV 6100-6101; Volpert in Burhoff, RVG 2. Aufl., Rdn. 7 zu Nr. 6101 VV mwN), läßt außer Acht, daß wegen der weitgehend ausgeschlossenen Befugnis des Amtsgerichts, eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§§ 21 Abs. 3, 22 Abs. 3, 23 IRG), bei derartigen Terminen über Anordnung und Fortdauer der Auslieferungshaft überhaupt nicht verhandelt werden kann. Auch bei Zeugenvernehmungen nach § 59 IRG findet keine gerichtliche Verhandlung über das Rechtshilfeersuchen statt, so daß die Teilnahme des Rechtsanwalts an diesen Terminen die Gebühr nach Nr. 6101 VV RVG nicht auslösen kann (vgl. H. Schneider in Riedel/Süßbauer, RVG 9. Aufl., Rdn. 11 zu VV Teil 6).

Art und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bei diesen Vernehmungen sind vergleichbar mit den Aufgaben und dem Aufwand eines Zeugenbeistands im Strafverfahren. Für diese Fälle hat der Senat bereits entschieden, daß der Rechtsanwalt nur die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG verlangen kann (vgl. Beschluß vom 18. Januar 2007 - 1 Ws 2/07 -). Ein begründeter Anlaß, im Rechtshilfeverfahren den Zeugenbeistand gebührenrechtlich besser zu stellen als im Strafverfahren, besteht nicht. Der Senat wendet daher für dessen Vergütung den Gebührentatbestand Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG entsprechend an.

Dem Beschwerdeführer steht danach eine Vergütung von 218,08 EUR zu. Den zuviel gezahlten Betrag in Höhe von 252,88 EUR wird er zurückerstatten müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Ende der Entscheidung

Zurück