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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 199/07
Rechtsgebiete: StPO, GVG


Vorschriften:

StPO § 51
StPO § 77
GVG § 56
Einem Dolmetscher können die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten des Verfahrens nicht auferlegt werden. Vorschriften über die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens von Zeugen, Schöffen oder Sachverständigen sind auf Dolmetscher weder unmittelbar, noch entsprechend anwendbar.
KAMMERGERICHT Beschluss

1 Ws 199/07

1 AR 1087/07

In der Strafsache

wegen Zuwiderhandlung gegen das Aufenthaltsgesetz

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 21. November 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Dolmetschers A. wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. Juni 2007 zu Ziffer 2 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe:

Das Landgericht Berlin hat dem Beschwerdeführer in dem angefochtenen Beschluss unter Ziffer 2 die Kosten des Verfahrens auferlegt, die durch sein Ausbleiben als Dolmetscher in der Berufungshauptverhandlung entstanden waren. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Weder die StPO noch das GVG bieten eine gesetzliche Grundlage, dem trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt ausgebliebenen Dolmetscher die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Für eine Anwendung der Vorschriften über die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens von Zeugen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StPO), Schöffen und Vertrauenspersonen des Schöffenwahlausschusses (§§ 56 Abs. 1 Satz 2 GVG) oder des Sachverständigen (§ 77 StPO) fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Etwas anderes lässt sich auch § 191 Satz 1 GVG nicht entnehmen, denn nach dieser Norm sind auf den Dolmetscher lediglich die Vorschriften über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 74 StPO anzuwenden.

Eine entsprechende Anwendung des § 77 Abs. 1 Satz 1 StPO kommt ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Verweisung auch aus anderen Gründen nicht in Betracht. Unter einem Dolmetscher versteht man einen Sprachkundigen, dessen Aufgabe es ist, den Prozessverkehr zwischen dem Gericht und den nicht der deutschen Sprache mächtigen Beteiligten zu vermitteln (vgl. OLG Koblenz, Justiz 2003, 449; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 185 GVG Rdn. 1). Nur wenn das Gericht den Dolmetscher heranzieht, um mangels eigener Sachkunde den Sinn einer außerhalb des Prozessverkehrs angefallenen fremdsprachigen Äußerung zu ermitteln, hat er die Funktion eines Sachverständigen. Ansonsten ist seine Stellung der eines Sachverständigen nur ähnlich (vgl. BGH 4, 154; Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 7). Beide sind aufgrund ihrer Fachkenntnisse Gehilfen des Gerichts. Während der Sachverständige jedoch eine eigene Beurteilung abgibt, wird der Dolmetscher vorwiegend als bloßer Sprachmittler tätig. Im Übrigen unterscheidet sich die Rechtsstellung beider wesentlich dadurch, dass der Sachverständige gemäß § 75 StPO zur Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist - sofern er nicht ein Verweigerungsrecht gemäß § 76 StPO hat -, während den Dolmetscher eine Pflicht zur Tätigkeit im Strafprozess nicht trifft (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

Dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er beide in den einzelnen Verfahrensordnungen rechtlich nicht gleichgestellt, sondern für den Dolmetscher in den §§ 185 ff GVG sowie in § 9 Abs. 3 JVEG eigenständige und verfahrensübergreifende Regelungen geschaffen hat. Den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass die für den Sachverständigen geltenden Bestimmungen der §§ 72 ff StPO für den Dolmetscher entsprechend Anwendung finden sollen. Deswegen ist entgegen einer in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung (LG Hildesheim Nds.Rpfl. 90, 232; AG Tiergarten StV 87, 13; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth MDR 78, 508) hinsichtlich der Auferlegung der durch das Ausbleiben des Dolmetschers verursachten Kosten ebenfalls eine analoge Anwendung des § 77 StPO ausgeschlossen. Es bedarf insoweit einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers, der in § 9 Abs. 3 JVEG bislang lediglich eine Regelung für den Fall getroffen hat, dass die Aufhebung eines Termins nicht durch den Dolmetscher veranlasst worden ist.

Die erforderliche gesetzliche Regelung wird im Übrigen nicht dadurch ersetzt, dass die Ladung des Beschwerdeführers unter Verwendung des Formulars StP 213 erfolgt ist und darin ohne Unterscheidung sowohl für Sachverständige als auch für Dolmetscher der Hinweis enthalten ist, ihnen bei Ausbleiben oder verspätetem Erscheinen ohne genügende Entschuldigung die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen.

Der Senat merkt ferner an, dass die in dem Formular StP 213 enthaltene Androhung eines Ordnungsgeldes sich ebenfalls in nicht zulässiger Weise auf Dolmetscher erstreckt. Da die Verhängung eines Ordnungsgeldes Strafcharakter hat, ist eine entsprechende Anwendung des § 77 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen des Analogieverbotes des Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich nicht zulässig (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 7).

2. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO in analoger Anwendung.

Ende der Entscheidung

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