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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.05.2005
Aktenzeichen: 1 Zs 3215/04 - 3 Ws 36/05
Rechtsgebiete: StPO, ZPO


Vorschriften:

StPO § 172 Abs. 1 Satz 1
StPO § 172 Abs. 2 Satz 1
StPO § 172 Abs. 3 Satz 1
StPO § 172 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 117 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 1 Zs 3215/04 - 3 Ws 36/05

In der Ermittlungssache gegen

wegen Verletzung der Unterhaltspflicht

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 24. Mai 2005 beschlossen:

Tenor:

Die von Frau K...... B........., Berlin, .............., vertreten durch Rechtsanwältin H., ..... Berlin, ..................., als Mutter des Minderjährigen R.... B........., geboren am 18. Oktober 1989, wohnhaft bei der Mutter, für den Minderjährigen gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 14. Dezember 2004 und auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Klageerzwingungsverfahren unter Beiordnung der Rechtsanwältin H. werden als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit dem angefochtenen Bescheid die Beschwerde der für den minderjährigen Antragsteller handelnden und dabei durch die Rechtsanwältin H. vertretenen Mutter gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Berlin vom 22. Oktober 2004 zurückgewiesen. Mit diesem Bescheid ist die Einstellung des auf die Strafanzeige gegen den Beschuldigten eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen Verletzung der Unterhaltspflicht mitgeteilt worden. Für den Antragsteller wird gerichtliche Entscheidung und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Klageerzwingungsverfahren unter Beiordnung der Rechtsanwältin H. beantragt. Da der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht von der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht worden ist, hat der Senat über beide Anträge zu entscheiden.

1. Der nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO durch Übermittlung per Telefax rechtzeitig gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil er nicht der vorgeschriebenen Form entspricht.

Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muß der Antrag die Tatsachen, die die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Dazu gehört, daß er eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Sachdarstellung enthält. Daraus muß nicht nur ersichtlich sein, was dem Beschuldigten vorgeworfen wird, sondern es muß auch in groben Zügen der Gang des Ermittlungsverfahrens geschildert, der Inhalt der angefochtenen staatsanwaltschaftlichen Bescheide mitgeteilt und dargetan werden, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Erwägungen der Staatsanwaltschaft nicht zutreffen und die Erhebung der öffentlichen Klage bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts in formeller und materieller Hinsicht gerechtfertigt ist. Der Antrag muß den Senat in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. OLG Bamberg NStZ 1989, 543, 544; OLG Schleswig NStZ 1989, 286, 287; ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, u.a. Beschluß vom 7. Juni 1997 - 3 Ws 354/97 -; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 172 Rdn. 27). Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört ferner, daß sich dem Antrag die Einhaltung der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO entnehmen läßt (BVerfG NJW 1988, 1773, NStZ 2004, 215, Beschluß vom 6. Juni 2003 - 2 BvR 1659/01 - Juris; KG JR 1989, 260; OLG Stuttgart Justiz 1983, 384).

Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht. Die Antragsschrift ist in wesentlichen Punkten inhaltlich zu unzulänglich, um, wie geboten, allein auf ihrer Grundlage prüfen zu können, ob die Staatsanwaltschaft ihre Strafverfolgungspflicht verletzt hat.

Daß der nach den gesamten Umständen erkennbar für den Minderjährigen gestellte Antrag allein von der Mutter überhaupt wirksam angebracht werden konnte, ist allerdings ausreichend begründet. Wenn sich auch aus bloß dem Hinweis, alleinerziehend zu sein und sich vor vielen Jahren vom Beschuldigten als dem Kindesvater getrennt zu haben, nicht auf alleinige Inhaberschaft der elterlichen Sorge schließen läßt, ist hier doch den Besonderheiten des Falles die Alleinvertretungsberechtigung der Mutter zu entnehmen. Der Kindesvater wäre, selbst wenn den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zustünde, hier von der Entscheidung über die Antragstellung ausgeschlossen, da er selbst der Beschuldigte ist (vgl. BGHSt 6, 155, 157 [zum Strafantrag]; 14, 159, 162 [zum Zeugnisverweigerungsrecht]).

Dem Antrag mangelt es aber schon daran, daß sich ihm nicht entnehmen läßt, ob durch Einhaltung des Fristerfordernisses nach § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO der Rechtsweg zum Kammergericht überhaupt eröffnet worden ist. Es ist zwar der 1. November 2004 als der Zugangstag des Einstellungsbescheids der Staatsanwaltschaft Berlin benannt, nicht aber, wann die dagegen gerichtete Beschwerde bei den Ermittlungsbehörden eingegangen ist. Dem Hinweis in der Antragsschrift "Gegen diesen Bescheid legte die Unterzeichnerin am 15. November 2004 bei der Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde ein..." ist der rechtzeitige Eingang nicht zu entnehmen. Ist angegeben, zu einem bestimmten Datum "Beschwerde eingelegt" zu haben, ist mangels Anhaltspunkten für anderweitige Übermittlung darunter der Posteinwurftag der Beschwerdeschrift zu verstehen (vgl. BVerfG NStZ 2004, 215, 216). Dieser hat danach hier am letzten Tag der Zweiwochenfrist gelegen, was keinen rechtzeitigen Eingang mehr erwarten ließ.

Die Antragsschrift läßt auch nicht ersehen, auf der Grundlage welchen Ermittlungsstandes die beteiligten Staatsanwaltschaften ihre Entschließungen getroffen haben. Von der eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit ist nur das Ergebnis mitgeteilt, daß der Beschuldigte bei bundesweiter Niederlassungsbereitschaft eine Vollzeitstelle als Tischler/Einrichter-monteur finden könne, nicht aber der zugrunde liegende Zusammenhang der Argumentation der Agentur, auf den es zur Beurteilung der Realitätsnähe der Einschätzung ankommt. Ob der Beschuldigte zu dem gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurf gehört worden ist und ob und gegebenenfalls wie er sich eingelassen hat, ist ebensowenig mitgeteilt. Schließlich ist auch die knappe Angabe des Inhalts der mißbilligten Bescheide zu allgemein gehalten, als daß sie eine geeignete Grundlage für die verlangte Überprüfung durch den Senat abgeben könnte. Die Bezugnahme auf die Auskunft der Bundesagentur und die staatsanwaltschaftlichen Bescheide als Anlagen zur Antragsschrift vermochte - abgesehen davon, daß die betreffenden Schriftstücke ohnehin erst verspätet zusammen mit dem auf dem Postwege übersandten Exemplar der Antragsschrift eingetroffen sind - über die Darstellungsmängel nicht hinwegzuhelfen; denn das Erfordernis der Verständlichkeit der Antragsschrift allein aus sich heraus läßt eine Darstellungsweise unter Inbezugnahmen nicht zu (vgl. Meyer-Goßner § 172 StPO Rdn. 30).

Angesichts solcher Unvollkommenheit bietet die Antragsschrift keine geeignete Grundlage für die begehrte gerichtliche Entscheidung und ist der auf sie gerichtete Antrag als unzulässig zu verwerfen.

2. Die inhaltliche Unzulänglichkeit der Antragsschrift greift auf den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durch. Er ist unzulässig, weil er nicht die nach § 172 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO erforderlichen Angaben über die Tatsachen enthält, die die öffentliche Klage begründen sollen.

Für die inhaltliche Ausgestaltung gilt, daß ein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zwar nicht die strengen Formerfordernisse zu erfüllen braucht, die nach der Rechtsprechung für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung selbst gelten. Jedoch muß er so gehalten sein, daß der Senat aufgrund des Antragsvorbringens prüfen kann, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 172 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO, § 114 ZPO). Dazu gehört - neben einer Schilderung, aus der sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung ergibt, nebst Angabe der wesentlichen Beweismittel und der Beanstandungen an den staatsanwaltlichen Entschließungen - die Mitteilung auch der Tatsachen, aus denen sich die formellen Voraussetzungen für das Klageerzwingungsverfahren ergeben. Insbesondere bedarf es regelmäßig der Mitteilung des Einstellungsbescheides und der Angaben, aus denen sich ergibt, daß die Beschwerde dagegen fristgerecht angebracht worden ist (vgl. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 172 Rdn. 167, 147; ständige Rechtsprechung des Kammergerichts).

Dem wird das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin nicht gerecht.

Schließlich ist dem Antrag auch nicht die nach der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts erforderliche formularmäßige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers (§§ 172 Abs. 3 Satz 2 StPO, 117 Abs. 2 und 4 ZPO in Verbindung mit der Prozeßkostenhilfevordruckverordnung) rechtzeitig beigefügt gewesen (vgl. Graalmann-Scheerer § 172 Rdn. 166; ständige Rechtsprechung des Senats). Sie ist erst nach Fristablauf eingetroffen, zusammen mit dem auf dem Postwege übermittelten Exemplar der Antragsschrift. Es kommt aber auf die prozeßordnungsgemäße Antragstellung innerhalb der Monatsfrist an, die durch § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gesetzt ist.

Im übrigen wäre das Prozeßkostenhilfegesuch, wenn es als formal einwandfrei zu behandeln wäre, unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aufgrund der Unzulässigkeit jedenfalls des Klageerzwingungsantrags aussichtslos ist (§§ 172 Abs. 3 Satz 2 StPO, 114 ZPO).

Damit ist auch für die beantragte Beiordnung der Rechtsanwältin kein Raum, weil sie die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe voraussetzte.

Ende der Entscheidung

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