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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 10 U 103/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, BauOBln


Vorschriften:

ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 546 Abs. 1 Satz 2 a.F.
EGZPO § 26 Nr. 5
BGB § 276
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 2
BauOBln § 2 Abs. 4
BauOBln § 36
BauOBln § 36 Abs. 4
BauOBln § 36 Abs. 4 Satz 1
BauOBln § 36 Abs. 4 Satz 2
BauOBln § 36 Abs. 6 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes Grundurteil

Geschäftsnummer: 10 U 103/01

verkündet am : 11.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Neuhaus, den Richter am Kammergericht Thiel und die Richterin am Landgericht Dr. Müller-Magdeburg für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 1. März 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 16.O.595/00 - geändert:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Tatbestand:

Die Kläger sind die Hinterbliebenen, und zwar die Klägerin zu 1) die Witwe und der Kläger zu 2) der Sohn des am 7. September 1997 verunglückten Fnn vn Bnnnnnn und als solche auch dessen Erben. Die Beklagte ist Pächterin des Ennn Hnnn in Bnnn , welches im Eigentum der (streitverkündeten) Vermögensverwaltung Ennnn Snnnnn steht.

Das Hotelgebäude wurde im Jahre 1995 auf Grund einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1993 errichtet. Am 28. September 1995 nahm das Bezirksamt Nnnnn - Abteilung Bau- und Wohnungswesen - den Bau ab und erteilte am 18. Oktober 1996 den Schlussabnahmeschein. Das Hotel steht insgesamt auf 4,5 m hohen Säulen.

In der Nacht vom 6. auf den 7. September 1997 logierte Herr vn Bnnnnnn in dem von der Beklagten betriebenen Ennn Hnn . Er bewohnte das Zimmer Nr. 10514, welches in der 5. Etage über den Säulen in einer Höhe von 15,5 m über dem Erdboden und damit 11 m über der unteren Kante des Gebäudes gelegen ist. Das Zimmer verfügt über ein Fenster. Der Abstand zwischen Fußboden und Fensterunterkante beträgt weniger als 80 cm, wobei das exakte Maß zwischen den Parteien streitig ist. In einer Höhe von 95 cm verläuft quer eine Eisenstange mit einem Durchmesser von ca. 4 cm. Diese ist außerhalb des Fensters rechts und links in dem Mauerwerk verankert. Eine innen an der Unterkante angebrachte Schließvorrichtung verhindert, dass Gäste das Fenster weiter als in Kippstellung öffnen können. Nur auf ausdrücklichen Wunsch der Gäste entriegeln Hotelpagen das Fenster.

Herr vn Bnnnnnn ließ das Fenster öffnen. In der Nacht stürzte er aus dem Fenster und verstarb an den Folgen seiner Verletzungen.

Die Kläger begehren Schadensersatz in Form von Unterhaltsausfall, Beerdigungskosten sowie Schmerzensgeld.

Durch Urteil vom 1. März 2001 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Die Kläger stellen das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung. Nachdem sie zunächst behauptet hatten, der Abstand zwischen Fußboden und Fenster betrage 77 cm, haben sie ihren Vortrag nunmehr dahingehend korrigiert, dass er lediglich noch 73 cm betrage. Sie sind der Ansicht, das Zimmer liege über dem 5. Vollgeschoss.

Die Kläger beantragen,

das am 1. März 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 16.O.595/00 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) einen Betrag in Höhe von jeweils 2.556,46 € (= 5.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 2000 bis zum 31. Januar 2001 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen,

2. an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 5.112,92 € (= 10.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 2000 bis zum 31. Januar 2001 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen,

3. an den Kläger zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 5.112,92 € (= 10.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 2000 bis zum 31. Januar 2001 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen,

4. an die Klägerin zu 1) für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. August 2000 einen rückständigen Unterhaltsfehlbetrag in Höhe von 8.362,12 € (= 16.354,88 DM) sowie ab 1. September 2000 bis zum 31. Dezember 2006 eine monatliche Unterhaltsrente von jeweils 261,32 € (511,09 DM) zu zahlen,

5. an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 7. September 1997 bis 31. August 2000 einen Unterhaltsfehlbetrag in Höhe von 22.316,54 € (= 43.647,35 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 2000 bis zum 31. Januar 2001 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen und ab 1. September 2000 eine jeweils im voraus zahlbare Unterhaltsrente in Höhe von 624,90 € (= 1.222,20 DM) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers zu 2) zu zahlen,

6. an die Klägerin weitere 3.261,92 € (= 6.379,77 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 2000 bis zum 31. Januar 2001 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen,

7. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sowohl der Klägerin zu 1) als auch dem Kläger zu 2) jeden weiteren in Zukunft noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem angefochtenen Urteil bei und behauptet:

Der Abstand zwischen Fußboden und Fenster betrage 77 cm. Die von ihr gewählte Konstruktion einer weniger als 80 cm hohen Fensterbrüstung mit einer Metallstange in 95 cm Höhe sei ebenso sicher wie eine Fensterbrüstung in 80 cm Höhe. Ein Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes habe sowohl bei der Erstellung des Hotels als auch nach dem Unfall die bauliche Gestaltung des Fensters als bauordnungsgemäß beurteilt.

Möglicherweise sei der Verstorbene auf Grund von Kreislaufschwäche oder wegen eines Schwindelanfalles gestürzt oder sei in Selbstötungsabsicht aus dem Fenster gesprungen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 516, 518, 518 ZPO in der gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO bis zum 31. Dezember 2001 geltenden alten Fassung (a.F.).

Der Anspruch der Kläger besteht dem Grunde nach. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 BGB. Die Beklagte hat die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten gegenüber Herrn Fnn vn Bnnnnn f schuldhaft verletzt. Durch den Betrieb eines Hotels in den von ihr gepachteten Räumen hat die Beklagte einen jedenfalls auf die Hotelgäste beschränkten Verkehr eröffnet. Sie trifft daher die Pflicht, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter vor vermeidbaren Gefahren zu treffen, die den sich hier entwickelnden Gefahrenquellen ausgesetzt sind. Davon umfasst ist insbesondere die Pflicht, soweit dies mit zumutbaren Mitteln geschehen kann, den Verkehr möglichst gefahrlos zu gestalten und den einzelnen vor unvermuteten Gefahrenquellen sowie vor solchen, auf die er sich nicht rechtzeitig einzurichten vermag, zu sichern (BGH NJW 1978, 1629; BGH NJW 1990, 1236; BGH NJW 1997, 582, 583; OLG Bamberg VersR 1991, 935; BayObLG NJW-RR 2002, 1249, 1250). Aus diesem Grunde kommt es entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht nicht darauf an, dass nicht sie, sondern die Streitverkündete Eigentümer des Hotels ist. Die Verkehrssicherungspflicht nämlich folgt nicht der Eigentümerstellung, sondern wird durch die Eröffnung des Verkehrs begründet. Dies geschah vorliegend durch den Hotelbetrieb, und zwar auch dann, wenn dieser auf Grund eines Pachtvertrages geführt wurde (vgl. allgemein BGH NJW 1985, 270, 271; BGH NJW-RR 1986, 1350, welche Entscheidungen sich allein damit befassen, unter welchen Bedingungen ausnahmsweise die stets neben der Verkehrssicherungspflicht des Pächters stehende Haftung des Eigentümers entfällt).

Die Beklagte hat die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt. Denn die Anordnung der Fenster in den Hotelzimmern entspricht nicht der Bauordnung Berlin. Der Inhalt der Verkehrsicherungspflicht richtet sich allgemein nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs. Sinn der Verkehrssicherungspflicht besteht nicht darin, das Publikum schlechthin vor jeder erdenklichen Gefahr zu schützen. Vielmehr hat der Verkehrssicherungspflichtige nur diejenige Sicherheit zu schaffen und zu bieten, die man bei Berücksichtigung der jeweils gegebenen Verhältnisse und der Art und Weise des in Frage kommenden Publikumsverkehrs allgemein erwarten darf und muss (BGH NJW 1985, 270; BGH NJW 1985, 1076; OLG Bamberg VersR 1991, 935). Es sind diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH NJW 1978, 1629; BGH NJW 1990, 1236; OLG Bamberg VersR 1991, 935; BayObLG NJW-RR 2002, 1249, 1250). Konkretisiert werden die Sicherheitserwartungen durch Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen, da diese den Stand der Technik und daher den Standard der Verkehrsauffassung widerspiegeln (BGH NJW 1997, 582, 583; vgl. auch BayObLG NJW-RR 2002, 1249, 1250). Entsprechendes gilt für diejenigen Vorschriften des Bauordnungsrechtes, welche die Sicherheit eines Gebäudes betreffen. Zu diesen Sicherheitsvorschriften des Bauordnungsrechts ist auch § 36 BauOBln zu zählen (vgl. allgemein BGH NJW-RR 1986, 1350; vgl. auch zur bayerischen Bauordnung: BayObLG VersR 1978, 568; BayObLGZ 1979, 138; BayObLG NJW-RR 1996, 657, 658), weil hier u.a. die Absicherung von Flächen mit einem Höhenunterschied von über einem Meter geregelt ist (Absturzsicherungen).

In dem von der Beklagten betriebenen Hotel sind die Anforderungen von § 36 Abs. 4 BauOBln nicht eingehalten worden. Nach § 36 Abs. 4 BauOBln müssen Fensterbrüstungen bis zum fünften Vollgeschoss mindestens 0,80 m, über dem fünften Vollgeschoss mindestens 0,90 m hoch sein. Geringere Brüstungshöhen sind zulässig, wenn durch andere Vorrichtungen, wie Geländer, die nach Abs. 5 vorgeschriebenen Mindesthöhen eingehalten werden.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht liegt das von dem Verstorbenen bewohnte Zimmer Nr. 10514 über dem 5. Vollgeschoss. Nach § 2 Abs. 4 BauOBln sind Vollgeschosse Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die festgelegte Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ein gegenüber den Außenwänden des Gebäudes zurückgesetztes oberstes Geschoss (Staffelgeschoss) und Geschosse im Dachraum sind nur dann Vollgeschosse, wenn sie die lichte Höhe gemäß Satz 1 über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses haben. Zwar befand sich das Zimmer im 5. Obergeschoss des Hotels. Jedoch stand das Hotel insgesamt auf einer 4,5 m hohen Säulenkonstruktion. Dadurch ist das Erdgeschoss entfallen; andererseits ist die Säulenkonstruktion höher als ein Vollgeschoss, so dass der Ausfall des Erdgeschosses ausgeglichen wird mit der Folge, dass sich das in Rede stehende Zimmer im 6. Vollgeschoss befindet. Diese Betrachtungsweise ist insbesondere unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Vorschrift geboten, welche höhere Sicherheitsstandards an die Höhe der Fenster knüpft.

Wegen § 36 Abs. 4 Satz 1 BauOBln musste die Fensterbrüstung daher mindestens 80 cm aufweisen, welche Höhe unstreitig nicht eingehalten wurde. Aus diesem Grunde kommt es nicht darauf an, ob der Abstand zwischen Fußboden und Fenster - wie die Kläger behaupten - 73 cm oder - wie die Beklagte und ursprünglich auch die Kläger behaupteten - 77 cm beträgt und ob das unterschiedliche Messergebnis möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die Kläger anders als die Beklagte das Fensterbrett einbeziehen und ob dies geboten ist oder nicht.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht ist die in einer Höhe von 95 cm über dem Fußboden angebrachte Eisenstange nicht zu der Brüstungshöhe im Sinne des § 36 Abs. 4 BauOBln hinzuzurechnen. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Eine Fensterbrüstung verläuft grundsätzlich bis dorthin, wo bei geöffnetem Fenster das Mauerwerk endet und die Fensterbank aufsitzt (Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer, Bauordnung für Berlin, 5. Auflage 1999, Anm. V zu § 36). Es kann dahinstehen, ob das Rohr, würde es unmittelbar auf dem Mauerwerk aufsitzen, möglicherweise als Teil der Brüstung anzusehen wäre, weil dies hier nicht der Fall ist. Ist die Brüstung 73 oder 77 cm hoch und die Stange auf einer Höhe von 95 cm angebracht, dann ist zwischen der Brüstung und dem Rohr ein so erheblicher Zwischenraum, dass nicht mehr von einer einheitlichen Brüstung gesprochen werden kann. Jedenfalls aber wird die Argumentation der Beklagten durch die gesetzliche Systematik widerlegt: Die Bauordnung sieht in § 36 Abs. 4 Satz 2 BauOBln auch andere Umwehrungen vor, grenzt diese also erkennbar von den Brüstungen ab, so dass die Stange, welche als eine solche andere Umwehrung anzusehen ist, nicht mehr unter den Begriff der Brüstung gefasst sein kann.

Eine geringere Brüstungshöhe ist auch nicht ausnahmsweise zulässig. Nach § 36 Abs. 4 Satz 2 BauOBln sind geringere Brüstungshöhen zulässig, wenn durch andere Vorrichtungen, wie Geländern, die nach Absatz 5 vorgeschriebenen Mindesthöhen eingehalten werden. Das ist vorliegend nicht der Fall. Zwar ist die Fensteröffnung in einer Höhe von 95 cm durch eine Eisenstange gesichert. Dadurch werden aber nicht die in Absatz 5 vorgeschriebenen Mindesthöhen eingehalten. Nach § 36 Abs. 6 Nr. 2 müssen notwendige Umwehrungen von Flächen mit - wie hier - mehr als 12 m Absturzhöhe eine Mindesthöhe von 1,10 m aufweisen, welche durch die nur in 95 cm Höhe angebrachte Eisenstange unstreitig nicht erreicht wird.

Ohne Erfolg beruft die Beklagte sich darauf, eine untypische Konstruktion gewählt zu haben, nämlich die Kombination von niedrigerer Brüstungshöhe und Ausgleich durch andere Vorrichtungen. Ihr ist die Einwendung, auf diese Weise einen gleichen Grad an Sicherheit erreicht zu haben, verwehrt. Eine solche Kombination von zwar niedriger Brüstungshöhe mit zusätzlicher Schutzvorrichtung ist nämlich nicht untypisch im Sinne der Bauordnung, sondern von dieser gerade vorgesehen. Allerdings existieren auch insoweit genaue Vorgaben hinsichtlich der jeweiligen Höhen (§ 36 Absatz 5 BauOBln), welche die Beklagte jedoch gerade nicht eingehalten hat.

Auch die erteilte öffentlich-rechtliche Abnahme schließt nicht die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der für den Zustand des Hotels verantwortlichen Beklagten von vornherein aus, weil nämlich die nicht hinreichend verkehrssichere Baugestaltung der Fenster, insbesondere die Abweichung von den Vorgaben der Bauordnung für jedermann erkennbar war und die offenkundige Gefahr von Unfällen mit sich brachte (vgl. BGH Fehler! Textmarke nicht definiert.; BGH NJW 1985, 1078; BGH Fehler! Textmarke nicht definiert., 2233; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 93). Die Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung verfolgt nämlich andere Zwecke als die auf den Vertrauenserwartungen des Verkehrs beruhende, auf den Integritätsschutz gefährdeter Personen ausgerichtete und deshalb in ihrer Zielsetzung umfassendere Verkehrssicherungspflicht (BGH Fehler! Textmarke nicht definiert., 2233).

Die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten führte kausal zu dem Tod des Herrn Fnn vn Bnnnnnn , weil der Sturz kausal auf der Nichteinhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften beruhte. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Denn es hat sich die Gefahr verwirklicht, vor welche die im Sinne der Bauordnung ausreichend hohen Brüstungen schützen sollen (vgl. BGH NJW 1986, 2757, 2758; BGH NJW-RR 1986, 1350; BGH WM 1996, 835, 838; BayObLG NJW-RR 1996, 657, 658; OLG Köln VersR 1999, 861; OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 752). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob noch andere Ursachen (Kreislaufschwäche, Schwindelanfall) für den Sturz mitursächlich waren. Abgesehen davon, dass eine Mitursächlichkeit genügt, um auch die Verantwortlichkeit für den Schaden zu begründen, dient die BauOBln dazu sicherzustellen, dass Fenster so konstruiert werden, dass eben auch bei plötzlichen Schwindelanfällen o.ä. ein Sturz vermieden wird.

Soweit die Beklagte in den Raum stellt, Herr vn Bnnnnnn habe sich möglicherweise in Selbsttötungsabsicht aus dem Fenster gestürzt, kann sie mit dieser Einwendung nicht gehört werden. Denn sie hat die Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Sie trifft aber die Beweislast. Wenn auch grundsätzlich die Kläger die Anspruchsvoraussetzungen, zu welchen auch die Kausalität der Handlung bzw. Unterlassung der Beklagten für die Rechtsgutsverletzung gehört, darlegen und beweisen müssen, spricht vorliegend der Beweis des ersten Anscheins für die Kausalität mit der Folge, dass nunmehr die Beklagte die Beweislast für das Fehlen der Kausalität trifft.

Die Beklagte handelte auch schuldhaft, weil sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ, § 276 BGB. Da die Beklagte die in der BauOBln objektivierten Pflichten und somit die sog. "äußere" Sorgfalt verletzte, ist die Verletzung der "inneren" Sorgfalt indiziert (BGH NJW 1986, 2757, 2758; BGH NJW 1994, 2232, 2233). Ihr ist es demgegenüber nicht gelungen, sich zu entlasten. Sie hat nicht dargetan, dass sie hier aus besonderen persönlichen Gründen nicht zu einer Abwendung der Art der Fenster ausgehenden Gefahren verpflichtet war, weil sie etwa nicht erkennen konnte, dass sie diese mit einer höheren Brüstung hätte schützen müssen. Im Gegenteil drängte sich ihr die Gefährlichkeit der Fensterkonstruktion geradezu auf. Hierfür spricht die Anordnung der Beklagten, dass die Fenster so zu verriegeln seien, dass sie durch Gäste nur gekippt und nur von den Hotelpagen vollständig geöffnet werden können.

Die Beklagte kann sich auch nicht damit entlasten, dass sie behauptet, Mitarbeiter der Bauaufsichtsbehörde hätten sowohl bei der Erstellung des Hotels als auch nach dem Unfall die bauliche Gestaltung des hier in Rede stehenden Fensters als bauordnungsgemäß beurteilt. Darauf, ob dies tatsächlich der Fall war, kommt es nicht an. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Umstände dieser Auskunft nicht mitteilt, so dass deren Verbindlichkeit nicht beurteilt werden kann, würde eine solche Mitteilung die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht aufheben. Die BauOBln fasst Rechtsvorschriften zusammen, die zum Schutze der mit dem Bau in Berührung tretenden Personen zwingend einzuhalten sind. Für deren Einhaltung trägt die Beklagte im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten die Verantwortung. Ob der von ihr eröffnete Verkehr vermeidbare Gefahren für Dritte begründet oder nicht, haben die Gerichte anhand des Gesetzes zu beurteilen. Einen im Widerspruch zum Gesetz stehenden Dispens können die Mitarbeiter nicht erteilen.

Aus den gleichen Gründen folgt auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 36 Abs. 4 BauOBln, weil diese Vorschrift des Bauordnungsrechts als Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1350; vgl. auch zur bayerischen Bauordnung näher BayObLGZ 1994, 276, 284 f.). Zweck dieser Vorschrift ist es, Unfälle zu verhindern. Gegen diese Vorschrift hat die Beklagte verstoßen.

Die Revision ist nicht gemäß § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. zuzulassen. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO a. F.), weil dem Rechtsstreit ein individueller Unfall zugrundeliegt, dessen Wiederholung nicht zu erwarten ist. Das Urteil weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab (§ 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO a.F.).

Ende der Entscheidung

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