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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 24.07.2000
Aktenzeichen: 10 U 2784/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
BGB § 459 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 10 U 2784/99 21.O.314/98 Landgericht Berlin

Verkündet am: 24. Juli 2000

Bels, Justizobersekretärin

hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 24.07.2000 durch den Richter am Kammergericht Sieveking als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Februar 1999 - 21.O.314/98 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Durch diese Entscheidung ist der Kläger in Höhe von 12.733,16 DM beschwert.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist abzuweisen, denn sie ist nicht begründet. Der Kläger ist nicht berechtigt, Wandlung des über den Pkw Daimler Benz 190 E, Fahrgestell-Nr.:, amtliches Kennzeichen geschlossenen Kaufvertrages vom 17.03.1998 zu verlangen.

Der Pkw ist dem Kläger als unfallgeschädigtes Fahrzeug unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft worden. Durch den handschriftlichen Zusatz "Selber Probefahrt gemacht und so gekauft. Keine spätere(n) Reklamationen am Fahrzeug" wurde der formularmäßige Gewährleistungsausschluss ausdrücklich bestärkt. Auch ein solcher individualvertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss kann nach der Rechtsprechung (BGH NJW 1991, 1880) aber versagen, wenn er mit dem Inhalt einer individualvertraglich erfolgten Eigenschaftszusicherung nicht vereinbar ist.

Der Kläger macht geltend, entgegen den Zusicherungen im Vertrag "gefahrene km: 119.600" und "Anzahl der Vorbesitzer: 2" sei das Fahrzeug mindestens 198.000 km gefahren und habe 2 weitere Vorbesitzer gehabt. Die Fahrleistung des Fahrzeugs sowie die Anzahl der Vorbesitzer können grundsätzlich Gegenstand einer vertraglichen Eigenschaftszusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB sein (s. Palandt/Putzo, BGB § 459 Rdnr. 29; BGH NJW 1975, 1693/1694). Für die Richtigkeit einer ausdrücklichen Zusicherung der Gesamtfahrleistung und auch der Anzahl der Vorbesitzer hat der Verkäufer auch dann einzustehen, wenn er formularmäßig jede Gewährleistung ausgeschlossen hat (vgl. BGH NJW 1979, 1886/1888). Der darüber hinaus individualvertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss steht dem nicht entgegen, da er den Gegenstand der Zusicherung nicht betrifft. Dem Verkäufer steht es frei, ob er Zusicherungen gibt oder nicht; gibt er sie, muss er sich daran festhalten lassen (BGH NJW 1993, 1854).

Die zitierten Angaben im Kaufvertrag stellen jedoch keine Zusicherungen dar.

Eine Zusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB setzt voraus(vgl. BGH NJW 1991, 1880), dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. Ob eine Angabe zur Kaufsache lediglich der Beschreibung dient (§ 459 Abs. 1 BGB) oder mit ihr eine Eigenschaft zugesichert wird, ist, wie bei jeder Willenserklärung, nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) in erster Linie danach zu beurteilen, in welchem Sinne sie der Geschäftsgegner als Erklärungsempfänger verstehen durfte. An das Vorliegen einer Gewährübernahme für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft sind im Gebrauchtwagenhandel mit Rücksicht auf dessen besondere Marktverhältnisse keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1981, 1268/1269; NJW 1993, 1854). Die im Gebrauchtwagenhandel typische Interessenlage ist dadurch gekennzeichnet (vgl. BGH NJW 1991, 1880/1881), dass sich der Käufer, dem in aller Regel die erforderliche Sachkunde fehlt, auf die Erfahrung und besondere Sachkunde des Händlers verlässt und daher erwartet und darauf vertrauen darf, der Händler wolle für Erklärungen, die er in Kenntnis dieses Umstandes abgibt, die Richtigkeitsgewähr übernehmen. Auf den privaten Verkauf treffen diese Erwägungen nicht zu (BGH a.a.O. und bereits NJW 1984, 1454). Hier steht dem Interesse des Käufers gleichgewichtig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag.

Das gilt insbesondere für Angaben, die die Vorgeschichte des Gebrauchtfahrzeuges betreffen. Vom Händler, der sich vor dem Verkauf über die bisherige Nutzung und Besitzerkette umfassend informieren kann, ist zu erwarten, dass er für die Richtigkeit seiner diesbezüglichen Angaben einzustehen bereit ist oder diese mit dem Vorbehalt versieht, sie erfolgten "ohne Gewähr". Vom privaten Verkäufer aus zweiter oder dritter Hand (vgl. OLG Köln NJW 1999, 2601) kann dagegen nur erwartet werden, dafür einzustehen, dass seine Angaben nach bestem Wissen erfolgen, d. h. dass sie den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und Angaben des Vorbesitzers entsprechen und nicht ins Blaue hinein oder wider bessere Kenntnis abgegeben werden. Eines ausdrücklichen Vorbehalts, die Angaben erfolgten "soweit bekannt" oder - hier -"lt. Tachostand" (vgl. KG, NJW-RR 1996, 173/174; zur Zusicherung unter Wissensvorbehalt s. auch OLG Köln a.a.O. sowie BGH NJW 1997, 2318 und NJW 1998, 2207), bedarf es nicht, §§ 133, 157 BGB, wenn sich bereits aus den Umständen des Vertragsschlusses und der dargestellten Interessenlage ergibt, dass eine Zusicherung nicht vorliegt.

So ist es hier. Die vom Beklagten angegebene Laufleistung entsprach unstreitig dem Tachostand. Die Eintragung in der Rubrik "gefahrene km" befindet sich in dem Teil des Formularvertrages, der der Beschreibung des verkauften Kraftfahrzeugs gewidmet ist, ohne jeglichen Hinweis darauf, dass durch das Ausfüllen der freien Zeilen vertragliche Zusicherungen abgegeben werden. Darin mag ein erheblicher Unterschied zum Fall KG a.a.O. liegen, in dem der Käufer in einem Inserat mit dem km-Stand von 21.000 geworben hatte, der beim Kaufinteressenten die Erwartung wecken sollte, das angebotene Fahrzeug habe eine sehr niedrige Laufleistung. Eine solche Erwartung konnte im vorliegenden Fall durch die Angaben, das Fahrzeug sei entsprechend dem Tachostand 119.600 km gefahren, habe zwei Vorbesitzer gehabt und sei im Juli 1991 - also vor mehr als 6 1/2 Jahren - erstmals zugelassen worden, nicht geweckt werden. Es ist nicht ersichtlich, worauf dann der Kläger als Käufer redlicherweise die Erwartung gründen konnte, der Beklagte als Verkäufer wolle für die Richtigkeit dieser Angaben auch dann einstehen, wenn er sich darüber selbst in einem unverschuldeten Irrtum befand. Auf die streitige Behauptung des Klägers, der Beklagte habe eine entsprechende Erklärung über die Laufleistung des Pkw auch mündlich abgegeben, kommt es nicht an. Eine solche Erklärung sollte nach den Umständen keine weitergehenden Rechtsfolgen begründen als die Eintragung im schriftlichen Kaufvertrag.

Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass der Beklagte in der Rubrik "gefahrene km" den km-Stand lt. Tacho eingetragen hat. Zwar wird der Formulierung "km-Stand" im Gegensatz zu einer ausdrücklich auf die Laufleistung bezogenen Angabe gelegentlich entnommen, es handele sich schon nach dem Wortlaut eher um eine bloße Beschreibung des Kaufgegenstands als um eine Zusicherung (OLG Frankfurt, NJW-RR 1991, 875; zweifelnd OLG Nürnberg NJW-RR 1997, 1212/1213). Daraus folgt aber nicht, dass der Angabe einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs - wie hier - notwendig die Bedeutung einer Zusicherung zukommt. Entscheidend ist auch hier, ob der Wortwahl aus der Sicht dem Empfängers der Erklärung eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Das ist nicht der Fall. Der Wortlaut des Vertragsformulars spielte unstreitig beim Vertragsschluss keine Rolle, der Kläger hätte den Vertrag nicht anders geschlossen, wenn der Beklagte die Angabe der km-Leistung ausdrücklich auf den Tachostand bezogen oder mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen hätte.

Für die Angabe der Anzahl der Vorbesitzer gilt nichts anderes. Der Beklagte konnte dem Kfz-Brief entnehmen, dass die Firma sechs Jahre lang Erstbesitzer des Fahrzeugs war. Er hatte das Fahrzeug Ende Januar/Anfang Februar 1998 von Frau gekauft. In den vorgelegten Kaufverträgen vom 26.01. und 01./04.02.1998 findet sich keine Angabe zur Zahl der Vorbesitzer. Der Beklagte hat demnach die ihm bekannte Anzahl der Vorbesitzer im Kaufvertrag vom 17.03.1998 angegeben. Dass er damit zusichern wollte, es gebe keine weiteren ihm nicht bekannten Vorbesitzer, ist nicht anzunehmen und konnte vom Kläger auch nicht erwartet werden. Ob die Angabe richtig war oder ob die Zwischenerwerber, die das Fahrzeug nach Besitzzeiten von 7 bzw. 31 Tagen weiterveräußert haben - wobei das Fahrzeug jedenfalls bei der Veräußerung an Frau am 29.09.1997 abgemeldet war -, auch als Vorbesitzer gezählt werden müssen, kann daher ebenso offen bleiben wie die Frage, ob in den kurzfristigen Besitzzeiten der Zwischenerwerber überhaupt ein Fehler der Kaufsache im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB erblickt werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10 und 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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