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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.10.2003
Aktenzeichen: 12 U 104/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 536 Abs. 1
BGB § 536 Abs. 1 Satz 1
BGB § 536 Abs. 1 Satz 2
BGB § 543 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 537 Abs. 1 a.F.
ZPO § 138
ZPO § 139 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 104/03

verkündet am: 13.10.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richter am Kammergericht Hinze und Dr. Wimmer auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Februar 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 32 O 441/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um Mietzinsforderungen der Klägerin für Gewerberäume in der N K straße in Berlin, die sie dem Beklagten mit Vertrag vom 1./24. Juni 1999 vermietet hat.

Erstinstanzlich hat die Klägerin zusätzlich zu ihrer Zahlungsforderung in Höhe von 5.700,89 EUR noch Räumung und Herausgabe des Mietobjektes verlangt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2003 vor dem Landgericht haben sich die Parteien vor dem Landgericht nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag des Gerichts auf eine Zahlung des Beklagten in Höhe von 4.000,00 EUR sowie auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses verständigt. Beide Parteien haben den Vergleich fristgerecht widerrufen, die Klägerin unter ausdrücklichem Hinweis darauf, der Beklagte habe seinerseits erklärt, er werde den Vergleich widerrufen.

Das Landgericht hat daraufhin im vorsorglich anberaumten Verkündungstermin der Klage unter Berücksichtigung von Mietminderung wegen Mängeln (diverse Feuchtigkeitsschäden) sowie einer hilfsweise erklärten Aufrechnung der Beklagten mit einer Gegenforderung auf Vorschuss für Mängelbeseitigung in Höhe von 1.713,46 EUR stattgegeben und sie im Übrigen - auch wegen der Räumung - abgewiesen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung nicht mehr den Räumungsanspruch weiter, begehrt aber Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 1.176,00 EUR nebst anteiligen Zinsen.

1. Das Beklagtenvorbringen rechtfertige überhaupt keine Mietminderung, weil eine erhebliche Beeinträchtigung des vertraglich vereinbarten Mietgebrauchs nicht dargelegt sei; jedenfalls seien die Minderungsquoten des Landgerichts überhöht.

Das Landgericht habe zudem die Minderung falsch berechnet, denn hierbei sei die Netto-Kaltmiete zugrunde zu legen; Nebenkostenvorschüsse seien nicht mit einzubeziehen.

2. Das Landgericht habe maßgebliche Verfahrensvorschriften unberücksichtigt gelassen und unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ein Überraschungsurteil gefällt. Nach dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag habe sie davon ausgehen dürfen, dass der Klägerin bei Vergleichswiderruf "ein maßgeblicher Anteil der Klageforderung zugesprochen und der Beklagte weiterhin zur Räumung und Herausgabe der Mietsache verurteilt würde". Auf seine hiervon abweichende Beurteilung, wie sie im Urteil deutlich geworden sei, hätte das Landgericht vor Urteilserlaß hinweisen müssen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist erfolglos, denn das angefochtene Urteil des Landgerichts ist richtig: Der Klägerin - als Vermieterin von Gewerberäumen in der N K straße Berlin, Erdgeschoss links - steht die mit der Berufung verlangte weitergehende Mietzinszahlung in Höhe von 1.176,00 EUR des Beklagten - als Mieter - für die Zeit von Juni 2001 bis zum Juni 2002 nicht zu; über die vom Landgericht zugesprochenen 1.713,46 EUR hinaus bestehen Mietzinsansprüche der Klägerin nicht, und zwar teils wegen Minderung des Mietzinses, teils nach hilfsweiser Aufrechnung des Beklagten mit einem Gegenanspruch wegen der Kosten der Mängelbeseitigung durch Ersatzvornahme. Das Berufungsvorbringen der Parteien gibt keine Veranlassung, die Sache anders als das Landgericht zu beurteilen. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I. Entgegen der mit der Berufung vorgetragenen Auffassung der Klägerin stellen die Beeinträchtigungen des Beklagten durch Feuchtigkeitsschäden erhebliche Mängel der Mietsache i.S.d. § 537 Abs. 1 BGB a.F. (Juli bis August 2001) und des § 536 Abs. 1 BGB dar (ab Oktober 2001, die Minderungsvorschriften nach den neuen Mietrecht gelten für bestehende Mietverhältnisse seit dem 1. September 2001, vgl. Art. 229 § 3 EGBGB; BGH NJW 2003, 2601). Die Mängel rechtfertigen eine Minderung im zuerkannten Umfang, die das Landgericht zutreffend berechnet hat.

1) Ein Sachmangel im Sinne der vorgenannten Vorschriften liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache in einer dem Mieter nachteiligen Weise vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht mit der Folge, dass der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache mindestens in erheblicher Weise eingeschränkt ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl. 2003, § 536 BGB, Rn. 16 ff. m.w.N.).

2) Derartige Mängel der Räume in der N KI Straße hat das Landgericht mit Recht seiner Entscheidung zugrundegelegt und eine Minderung daraus abgeleitet.

a) Keineswegs handelt es sich bei den Folgen des Wassereinbruches im Jalousiebereich um einen unerheblichen "ästhetisch-kosmetischen Mangel", wie die Klägerin in der Berufungsbegründung ausführt. Der Beklagte hat erstinstanzlich mehrere Fotos vorgelegt, auf denen die Wasserschäden und der dadurch entstandene dunkle Schimmel deutlich erkennbar ist. Die Klägerin hat nicht in Frage gestellt, dass die Fotos die streitgegenständlichen Feuchtigkeitsschäden wiedergeben. Selbst aus dem von der Klägerin eingeholten Angebot der Hauswartung H vom 2. April 2002 ergibt sich, dass jedenfalls die Erneuerung von 15 m2 Tapete und von 3,0 m2 Putz zur Beseitigung erforderlich ist. Damit ist offensichtlich, dass es sich um einen erheblichen Mietmangel handelt, der zusammen mit den unstreitigen Schäden am Fußboden eine Einbehaltung von 10 % des Mietzinses rechtfertigt.

b) Gleiches gilt für den durch einen Defekt der Regenrinne des Gebäudes verursachten Beeinträchtigungen durch beim Betreten der Räume.

(1) Ein Mieter kann verlangen, dass vorhandene Regenschutzvorrichtungen funktionieren. Tun sie dies nicht und kann man dadurch die Mieträume nicht betreten oder verlassen, ohne vom Regen durchnässt zu werden, vor dem die defekte Anlage eigentlich schützen soll, stellt dies einen erheblichen Mietmangel dar.

(2) So ist es hier.

Der Beklagte hat die Voraussetzungen eines solchen Mangels vorgetragen: Der gesamte auf der Dachfläche angesammelte Regen werde durch die beschädigte Stelle genau vor den Eingangsbereich seiner Büroräume geleitet mit der Folge, dass es nicht möglich sei, an Regentagen die Räume zu betreten und zu verlassen, ohne sich die Kleidung "zu versauen" (vgl. Schreiben vom 18. April 2001). Die Wirkung der herabfallenden Wassermengen hat er durch das mit Anlage 2 zum Schriftsatz vom 13. September 2002 vorgelegte Bild 2 illustriert, auf dem erkennbar ist, dass das Füllmaterial zwischen den Pflastersteinen vor der Eingangstüre teilweise fehlt. Später hat er auf Rüge der Klägerin durch eine Wetterinformation des Institutes für Meteorologie der Freien Universität Berlin vom 19. November 2002 belegt, dass in der Zeit von Juni 2001 bis zum Juni 2002 an insgesamt 196 Tagen mehr als 0,1 mm Niederschlag gefallen ist.

Dem ist der Beklagte lediglich durch einfaches Bestreiten und mit dem Hinweis entgegengetreten, auch bei einem geringfügigen Defekt der Regenrinne werde das vom Dach herunterlaufende Wasser in "Abfallrohre" abgeleitet, die zweifelsfrei funktionstauglich gewesen seien. Dies bleibt im Bereich der Spekulation und genügt den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nach § 138 ZPO über Vorgänge aus der eigenen Wahrnehmungssphäre nicht.

Die zur Begründung der Berufung weiter vorgetragenen Betrachtungen der Klägerin zu den Folgen von Regen für Personen, die sich im Freien aufhalten, besagen für die Entscheidung des Rechtsstreits nichts. Es ist gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), dass Menschen bei Regen im Freien nass werden, erst recht, wenn sie keinen Regenschirm benutzen. Dies gilt sowohl für Personen, nachdem sie ein Gebäude verlassen haben als auch für solche, die ein Gebäude noch nicht betreten haben. Ferner folgt der Senat aufgrund eigener Anschauung der Klägerin in ihrer Feststellung, von jedem Dach eines Hauses tropfe es bei oder nach Regenfällen mehr oder weniger. Alles dieses bleibt für gewöhnlich ohne rechtliche Folgen. Im vorliegenden Fall allerdings wird der konzentrierte Niedergang von Regenwasser vor der Türe des vom Beklagten gemieteten Gewerberaumes dadurch verursacht, dass eine Regenrückhaltevorrichtung des Gebäudes defekt ist, die eigentlich genau dies verhindern soll und den Regen nicht nur nicht ableitet, sondern ihn gebündelt vor die Eingangstüre der Büroräume leitet. Damit sind die Mieträume in einer Weise mangelhaft, die eine Minderung in Höhe von weiteren 10 % rechtfertigt.

c) Das Landgericht hat seiner Minderungsberechnung zutreffend die vereinbarte Bruttomiete zugrundegelegt. Der Senat vermag der zur Berufungsbegründung vorgetragenen Ansicht der Klägerin nicht zu folgen, es käme hierfür auf die Netto-Miete an, sondern schließt sich der Auffassung an, dass es für die Minderung des Mietzinses nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich auf die Bruttomiete ankommt, also auf die Summe aus Nettomiete und Nebenkosten (ebenso - zum alten Mietrecht - OLG Hamm, NJWE-MietR 1996, 80; OLG Düsseldorf, WuM 1994, 324; OLG Frankfurt, WuM 1986, 19; vgl. zur bisherigen, nach neuem Recht nicht weiterverfolgten Rechtsprechung des Senats GE 2001, 1670).

(1) Auf welcher Grundlage eine Mietminderung zu berechnen ist, ist umstritten. Als Ausgangspunkt für die Herabsetzung der Miete kommen die Nettomiete (Mietzins ohne Nebenkosten), die Bruttomiete (Mietzins mit allen Nebenkosten) oder die Bruttokaltmiete (Mietzins mit allen Nebenkosten ohne Heizkosten) in Betracht; sofern Nebenkosten in eine Mietminderung einbezogen werden, ergibt sich das weitere Problem, ob dies gleichmäßig geschehen soll oder ob eine Berücksichtigung nur der Nebenkosten geboten ist, die vom minderungsbegründenden Mangel betroffen sind. In Rechtsprechung und Literatur werden hierzu vielfältige Ansichten vertreten (vgl. die Übersicht mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen bei v. Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearbeitung 2003, § 536 BGB, Rn. 55).

(2) Dem Wortlaut des Gesetzes ist zu der Frage, auf welcher Grundlage eine Mietminderung zu berechnen ist, nichts zu entnehmen. In § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB ist lediglich von "Miete" die Rede. Diese Formulierung besagt für die Frage nichts, ob bei der Minderung die Nettokaltmiete (Miete ohne Nebenkosten), die Bruttomiete (Miete einschließlich Nebenkosten) oder eine andere Berechnungsgrundlage heranzuziehen ist.

(3) Gleichfalls unergiebig ist insoweit die Gesetzgebungsgeschichte zu § 556 Abs. BGB in der hier geltenden Fassung. Der Rechtsausschuss des Bundestages, der der Norm die jetzt geltende Fassung gegeben hat, hat entgegen ersten Plänen ausdrücklich von einer Legaldefinition der Miete abgesehen und damit die Lösung des Problems der Rechtspraxis überlassen (vgl. Sternel, WuM 2002, 244 [246] m.w.N.).

(4) Entscheidend für eine Berechnung der Mietminderung auf Basis der Bruttomiete, also unter Einbeziehung sämtlicher Nebenkosten, sprechen jedoch die Gesetzessystematik, der Zweck der Norm sowie Aspekte der Praktikabilität.

Aus § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich, dass der Mieter von der Entrichtung der Miete vollständig befreit ist, solange die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch infolge eines Mangels aufgehoben ist. Dies ist eindeutig: In diesem Fall muss der Mieter solange nichts zahlen, wie die Gebrauchstauglichkeit fehlt; auch Nebenkosten schuldet er nicht (vgl. Blank/Börstinghaus, Neues Mietrecht, § 536 BGB, Rn. 5). Im Hinblick darauf lässt sich nicht überzeugend begründen, dass bei einer Minderung der Tauglichkeit, also bei ihrer nur teilweisen Aufhebung, die Nebenkosten entweder ganz oder teilweise unverändert weiter zu zahlen sein sollen. Gegenüber dem vollständigen Wegfall der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch handelt es sich nicht um ein aliud, sondern nur um ein wesensgleiches minus. Beide Fälle sind in derselben Norm in unmittelbarem Zusammenhang geregelt (§ 536 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB); in beiden Fällen hat der Gesetzgeber das Wort "Miete" gewählt. Das spricht dafür, sie auch einheitlich zu interpretieren, und zwar im Sinne der Bruttomiete.

Dasselbe Wort "Miete" findet sich ferner unter demselben amtlichen "Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse" in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der das Recht des Vermieters zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges des Mieters regelt. Nach zutreffender Ansicht (als h.M. bezeichnet bei Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl. 2003, § 543 BGB, Rn. 23 m.w.N.) können Rückstände der Mietzahlung mit Einschluss der laufenden Nebenkosten und Vorauszahlungen für Heiz- und Warmwasserkosten eine derartige Kündigung rechtfertigen. Es spricht - auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung - nichts dafür, die Nebenkosten unterschiedlich zu berücksichtigen, je nachdem, ob Mieter oder Vermieter ihren Leistungspflichten unzureichend nachkommen (vgl. auch Gellwitzki, WuM 1999, 10 [15], zur Rechtslage nach altem Mietrecht). Auch dieses rechtfertigt es, bei der Mietminderung auf die Bruttomiete abzustellen.

Dasselbe Ergebnis gebietet der Zweck des § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB. Durch die Mietminderung soll das von den Vertragsparteien festgelegte Äquivalenzverhältnis zwischen der Leistung des Vermieters - der Bereitstellung einer im Vertragssinn nutzbaren Mietsache - und der Leistung des Mieters - der Mietzahlung - bei einer Störung auf Vermieterseite wieder hergestellt werden. Für eine reduzierte Vermieterleistung soll der Mieter auch nur reduziert leisten müssen.

Bei dieser Äquivalenzbetrachtung läßt sich die Nettomiete für Räume nicht sinnvoll von den Nebenkosten trennen. Der Mieter von Räumen zahlt Miete, um diese Räume im Rahmen des vertraglich gestatteten Gebrauchs entsprechend ihrer Ausstattung und technischen Möglichkeiten zu nutzen. Die an den Vermieter zu zahlenden Nebenkosten (etwa für Heizung, Wasser, Müllabfuhr, Straßenreinigung) dienen diesem Zweck: Sie ermöglichen oder erleichtern die Raumnutzung. Ohne die gleichzeitige Bereitstellung der Räume wäre die Zahlung von Nebenkosten für den Mieter zwecklos (vgl. die bereits erörterte Vorschrift des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit bewirkt eine beschränkte Nutzungsmöglichkeit, dass auch die auf volle Funktionsfähigkeit der Räume gerichteten Nebenkostenzahlungen ihren Zweck nicht voll erreichen können, sondern ihn in dem Maße verfehlen, wie die Nutzungsfähigkeit der Räume eingeschränkt ist. Entsprechend sind sie bei der Mietminderung zu berücksichtigen.

Dem läßt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Nebenkosten seien als eine Art "Durchlaufpositionen" beim Vermieter zu begreifen, die letztlich voll dem Mieter zugutekämen. Sie kommen nämlich regelmäßig auch dem Vermieter zugute - mit den Heizkosten etwa werden typischerweise auch Instandhaltungsarbeiten an der Heizungsanlage finanziert, die dem Vermieter gehört, und die auf die Mieter umgelegten Reinigungsarbeiten bewirken neben der Gewährleistung des geschuldeten Mietgebrauchs auch eine Pflege und den Erhalt des Vermietereigentums. Es ist nicht verständlich, warum der Mieter solche Zahlungen ungeschmälert weiter leisten soll, wenn der Vermieter nur unvollständig leistet.

Der Senat hält auch eine nach einzelnen Nebenkostenpositionen differenzierende Sichtweise bei der Minderung nicht für überzeugend.

Zum einen sind - wie bereits dargelegt - immer sämtliche Aufwendungen für die Raumnutzung im Sinne einer teilweisen Zweckverfehlung von einem Mangel der Räume betroffen. Zum anderen wäre - wollte man dies anders sehen - eine konsequente Differenzierung zwischen einzelnen, vom Mangel der Mietsache "betroffenen" Nebenkostenpositionen hochgradig unpraktikabel, weil es den Mieter einen kaum zu leistenden Darlegungs- und Berechnungsaufwand zur Rechtfertigung der begehrten Minderung auferlegen würde. Er müßte nicht nur erläutern, warum welche Nebenkostenposition betroffen wäre (im vorliegenden Fall wäre unter Berücksichtigung der umlegungsfähigen Kostenarten nach § 3 Nr. 3.3 des Mietvertrages etwa an die von den Wassereinbrüchen - möglicherweise - betroffenen Positionen Nr. 2 [Kanalgebühren, Entwässerung], Nr. 6 [Straßenreinigungsgebühren] oder Nr. 19 [Fassadenbeleuchtung, Fassadenreinigung] zu denken). Es obläge ihm konsequenterweise auch, für jede dieser Positionen je nach Betroffenheitsgrad eine gesonderte Minderungsquote zu benennen und daraus unter Einbeziehung der anteilig herabgesetzten Nettokaltmiete eine "Gesamtminderung" zu errechnen. Die mit Auseinandersetzungen der Prozessparteien über derartige Fragen verbundene Belastung der gerichtlichen Durchsetzung von Mietminderungen liegt für jeden Mietrechtspraktiker auf der Hand; auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes hindert den Senat daran, dieser Auffassung zu folgen.

(5) Hiernach hat das Landgericht zutreffend die Bruttomiete in Höhe von 587,99 EUR zugrundegelegt (486,18 EUR Netto-Kaltmiete + 101,81 EUR Betriebskostenvorschuss, darin enthalten nach § 3 Nr. 3.3 des Mietvertrages auch Kosten für die Zusatzheizung der BEWAG für den Gewerbebereich) und hieraus eine 10 %ige Minderung in Höhe von 58,80 EUR für die Monate Juni bis August 2001 und Oktober 2001 und eine 20 %ige Minderung in Höhe von 117,60 EUR von November 2001 bis Juni 2002 errechnet, insgesamt also einen Betrag in Höhe von 1.176,00 EUR (vgl. S. 9 der Entscheidungsgründe).

II. Die mit der Berufung erhobene Rüge der Klägerin, das Landgericht habe durch eine Überraschungsentscheidung ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, ist in doppelter Weise unbegründet und führt weder zur Abänderung des Urteils noch zu seiner Aufhebung und Zurückverweisung (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dem Landgericht ist eine solche Rechtsverletzung nicht vorzuwerfen; aus dem Klägervortrag ergibt sich aber auch nicht einmal, dass die behauptete Rechtsverletzung ursächlich für die angefochtene Entscheidung gewesen sein soll.

1) Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) findet eine besondere Ausprägung im Zivilprozess durch das Verbot der Überraschungsentscheidung (§ 139 Abs. 2 ZPO). Die für das Gericht erheblichen Umstände sollen vor der Entscheidung so zur Sprache kommen, dass die Prozessparteien in Kenntnis ihrer Entscheidungserheblichkeit dazu vortragen können. Soweit eine Partei einen Gesichtspunkt erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht seine Entscheidung darauf nur stützen, wenn es auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gegeben hat (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Gleiches gilt, wenn es einen Gesichtspunkt anders beurteilt als beide Parteien (§ 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. zu beiden Varianten Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 139 Rn. 15 ff. m.w.N. und Beispielen).

2) In Anwendung dieser Grundsätze war die Entscheidung weder überraschend im Rechtssinne noch war ein unterlassener Hinweis des Landgerichts nach dem Vergleichswiderruf ursächlich für die Entscheidung.

a) Eine Überraschungsentscheidung im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO hat der Kläger nicht dargelegt. Aus seinem Vortrag wie aus der Akte (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2003) ergibt sich im Gegenteil, dass die Umstände, aus denen der Beklagte Mängel der Mietsache ableitet, umfassend erörtert worden sind und dass das Landgericht zu erkennen gegeben hat, dass es die Ansprüche grundsätzlich für begründet hält. Weitere Hinweise waren nicht veranlasst. Die Angabe der Klägerin, sie habe überraschend auf eine Klageforderung von 5.700,89 EUR statt der vom Gericht als Vergleichsbetrag vorgeschlagenen 4.000,- EUR nur 1.713,46 EUR zugesprochen erhalten, ist falsch. Die Differenz beruht ersichtlich wesentlich darauf, dass in den Vergleich noch die weiteren - nicht streitgegenständlichen - Mietzinsforderungen für Juli und August 2002 bei einem zusätzlichen Wert in Höhe von 1.175,96 EUR einbezogen waren (Ziff. 3 des Vergleichstextes, Ziff. 1 des Streitwertbeschlusses). Der verbleibende Differenzbetrag von rund 1.100 EUR liegt im Bereich des normalen Vergleichsrisikos. Nicht nachvollziehbar ist, warum die Klägerin die Abweisung ihres Räumungsantrages für überraschend hält - dies entspricht der Einigung in Ziffer 2 des Vergleichstextes.

b) Darüber hinaus ist nicht erkennbar, mit welchem weiteren Vortrag auf einen richterlichen Hinweis die Klägerin den Rechtsstreit erstinstanzlich zu einem ihr günstigeren Ergebnis geführt hätte.

Ihr Vortrag im Berufungsrechtszug jedenfalls führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Sache; den Räumungsantrag hat sie nicht weiterverfolgt.

B. Im Hinblick auf die Frage der Berechnungsgrundlage für eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Senat die Revision zugelassen. Dieses sehr umstrittene Problem ist von grundsätzlicher Bedeutung, auch für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

C. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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