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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: 12 U 115/07
Rechtsgebiete: StVO, BGB


Vorschriften:

StVO § 9 Abs. 5
BGB § 823
Im Falle der Kollision mit einem Überholer muss der Linksabbieger nachweisen, dass und weshalb er ein Überholen des Nachfolgenden habe ausschließen können; bloßes korrektes Einordnen und Zeichengeben befreit nicht von der zweiten Rückschau.

Beginnt der Linksabbieger mit dem Abbiegevorgang, ohne zweite Rückschau und ohne das weitere Verhalten des Nachfolgenden abzuwarten, kommt seine Mithaftung nach einer Quote von 1/3 in Betracht.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 115/07

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch die Richter am Kammergericht Spiegel und Dr. Wimmer und die Richterin am Kammergericht Zillmann am 6. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen seit Zugang Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

Das Landgericht ist in der angegriffenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin lediglich 2/3 der ihr entstandenen Reparaturkosten, sowie anteilig Nutzungsausfall für 5 Tage, anteilige Wertminderung, Gutachterkosten und Kostenpauschale, insgesamt mithin 4.651,01 EUR, von den Beklagten auf Grund des Verkehrsunfalls vom 14. Dezember 2005 in der Bizetstraße in Berlin fordern kann. Es hat die Beklagten deshalb im Hinblick auf die bereits vorprozessual erfolgte Zahlung zu Recht zur Zahlung in Höhe von lediglich noch 827,75 EUR verurteilt.

Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung eine Zahlung von noch weiteren 3.018,46 EUR verfolgt, kann diese keinen Erfolg haben.

1. Das Landgericht hat zu dem Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls umfassend Beweis erhoben und die Beweisaufnahme in der angegriffenen Entscheidung auf den Seiten 6-10 ausführlich gewürdigt.

Diese Beweiswürdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrund zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (siehe Senat, Urteil vom 11. März 2004 - 12 U 285/02 - DAR 2004, 387; NZV 2004, 632; Urteil vom 8. Januar 2004 - 12 UU 184/02 - KGR 2004, 269, vgl. auch BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03 - NJW 2005, 1583).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Dabei darf er insbesondere auch einer Partei mehr glauben, als einem Zeugen, auch wenn dieser beeidet wurde, oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil der Beweisbehauptung feststellen, sofern dies nach der aus den übrigen Beweismitteln bzw. dem Akteninhalt gewonnenen Erkenntnisse seiner Überzeugung entspricht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rn 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und alle Beweismittel ausführlich einzugehen, es genügt, wenn nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 286 Rn 3; Senat, Urteil vom 12. Januar 2004 - 12 U 211/02 - DAR 2004, 223 = KGR 2004, 291).

An diese Grundsätze der freien Beweiswürdigung hat sich das Landgericht in dem angefochtenen Urteil gehalten.

Es hat auf den Seiten 6-10 des Urteils im Einzelnen ausgeführt, weshalb es zwar davon ausgeht, dass die Klägerin in der Mitte der Fahrbahn fuhr und vor dem Wendemanöver den linken Blinker betätigte, nicht jedoch die erforderliche letzte Rückschau sorgfältig genug vorgenommen habe.

Insbesondere hat die Klägerin, wie das Landgericht auf Grund der Beweisaufnahme festgestellt hat, nicht beweisen können, dass das Beklagtenfahrzeug hinter ihr gestanden habe, während beide noch Gegenverkehr abwarteten und erst in dem Moment ausgeschert sei, als sie bereits mit dem Abbiege bzw. Wendemanöver begonnen habe.

Damit hat sie, wie das Landgericht richtig ausführt, auch nicht beweisen können, dass sie im Moment des Abbiegens nicht mit einem Überholen des Beklagtenfahrzeugs habe rechnen müssen.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung versprechen keinen Erfolg.

Insbesondere vermag die Berufung nicht aufzuzeigen, weshalb die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihrer Pflicht nachgekommen sei, eine Gefährdung anderer auszuschließen.

Ausweislich der Beweisaufnahme hat die Klägerin zum Linksabbiegen bzw. Wenden angesetzt, als sie hinter sich ein weiteres Fahrzeug wahrnahm. Das dieses Fahrzeug überhaupt, wenn nicht sogar längere Zeit bereits hinter ihrem Fahrzeug gestanden habe, womit sie davon hätte ausgehen können, dass dieses ihr das angekündigte Linksabbiegen ermöglichen würde, hat die Klägerin nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht beweisen können.

Keiner der vernommenen Zeugen hat angegeben, dass das Beklagtenfahrzeug hinter dem Fahrzeug der Klägerin gestanden hätte.

Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darauf an, ob das Beklagtenfahrzeug für sie im Moment des Ansetzens zum Linksabbiegen bzw. Wenden als Überholer erkennbar war. Innerorts ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass Fahrzeuge auch dann überholen, wenn eine Absicht des Vorausfahrenden zum Abbiegen bzw. Wenden angezeigt ist. Der Linsabbieger muss deshalb bei nahe aufgerücktem Nachfolgeverkehr mit dem Abbiegen warten; bloßes korrektes Einordnen und Zeichengeben befreit von der zweiten Rückschau nicht, (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 9 StVO, Rn 25). Auf schmalen Straßen, die nur undeutliches Einordnen ermöglichen, können Linksabbieger unter Umständen auch nach der zweiten Rückschau zur weiteren Beobachtung des Nachfolgenden verpflichtet sein (vgl. Hentschel, aaO.).

2. Schließlich, und darauf hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht hingewiesen, wollte die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen auf der Bizetstraße unter Benutzung einer Hauseinfahrt wenden, um in eine auf der entgegen liegenden Straßenseite befindliche Parklücke einzufahren. Für sie galten deshalb die besonderen Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO. Die Klägerin hatte danach eine äußerste Sorgfalt zu beachten, und trägt im Hinblick auf das Fahrmanöver die Hauptverantwortung (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 9 StVO, Rn 50). Der Wendende muss fließenden Verkehr aus beiden Richtungen vorher vorbei lassen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war es deshalb für die Beklagten nicht erforderlich, die Ankündigung ihrer Überholabsicht nachzuweisen. Die Klägerin müsste vielmehr nachweisen, dass und weshalb sie ein Überholen des Beklagtenfahrzeugs habe ausschließen können. Dies ist ihr, wie das Landgericht richtig festgestellt hat, nicht gelungen.

Das Verschulden der Klägerin, welches das Landgericht vorliegend vertretbar mit lediglich einem Drittel angenommen hat, lag mithin darin, dass sie das Wendemanöver begonnen hat, ohne das weitere Verhalten des Beklagtenfahrzeugs abzuwarten, bzw. sich mit diesem - gegebenenfalls auch durch Handzeichen - zu verständigen.

3. Der Klägerin steht entgegen den Ausführungen der Berufung auch kein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls für einen längeren Zeitraum als fünf Tage zu.

Das Landgericht hat vorliegend zu Recht lediglich die von dem Sachverständigen angegebene Mindestdauer der Reparatur als Nutzungsausfall zuerkannt, da die Klägerin keine Angaben dazu getätigt hat, wie lange die Reparatur tatsächlich gedauert hat.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dieser Zeitraum sei jedenfalls deshalb zu erweitern, da der gesamte Zeitraum der Begutachtung durch den Sachverständigen mit zu berücksichtigen ist, übersieht sie einerseits, dass der Gutachter ausweislich des Gutachtens selbst den Auftrag erst am 19. Dezember 2005, mithin vier Tage nach dem Unfall erhalten hatte. Die Besichtigung erfolgte sodann auch unmittelbar am selben Tag, das Gutachten stammt vom 21. Dezember 2005.

Die weiteren Ausführungen der Klägerin, wonach ihr ein Entscheidungszeitraum von zwei Tagen zur Beauftragung der Reparatur zuzubilligen wäre, sind im Hinblick darauf, dass der Auftrag zur Reparatur tatsächlich erst Anfang Juli 2006 erfolgte, rein hypothetischer Natur und im Hinblick darauf, dass die tatsächliche Reparaturdauer nicht vorgetragen ist, deshalb nicht geeignet, einen weitergehenden Anspruch zu begründen. Die entsprechende Schätzung des Landgerichts ist damit nicht zu beanstanden.

4. Ebenfalls keinen Erfolg kann die Berufung haben, soweit das Landgericht die Klage hinsichtlich der vorprozessualen Anwaltskosten abgewiesen hat.

Das Landgericht hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin auch nach dem Bestreiten durch die Beklagten nicht ausreichend dazu vorgetragen hat, dass ihr die geltend gemachten Kosten durch ihre Prozessbevollmächtigte überhaupt in Rechnung gestellt wurden und sie diese daraufhin gezahlt habe.

Mit ihrem diesbezüglichen neuen Vorbringen ist die Klägerin ausgeschlossen, da weder ersichtlich, noch vorgetragen ist, weshalb es gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, das Landgericht habe versäumt, sie auf Bedenken hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der vorprozessualen Anwaltskosten hinzuweisen, übersieht sie, dass ein entsprechender Hinweis nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erforderlich war (vgl. hierzu auch Schleswig-Holsteinische OLG, Urteil vom 12. August 2004 - 7 U 10/04 - OLGR Schleswig, 2005, 99; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13. Dezember 2006 - 3 U 200/05 -), weil die nicht anzurechnende hälftige Anwaltsgebühr unstreitig als Nebenforderung geltend gemacht wurde.

5. Nach alledem wird anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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