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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.12.2006
Aktenzeichen: 12 U 117/06
Rechtsgebiete: II. BerechnungsVO, BGB


Vorschriften:

II. BerechnungsVO Anlage 3 (Nr. 1-16) zu § 27
BGB § 556 Abs.3 Satz 3
Mit "Bewirtschaftungs- und sonstigen Verbrauchsabgaben" in einem Gewerbemietvertrag ist dasselbe gemeint wie mit "Betriebskosten" im Sinne der Anlage 3 (Nr. 1-16) zu § 27 der II. Berechnungsverordnung; dies ist von einem durchschnittlichen Gewerbemieter auch in diesem Sinne zu verstehen. Die Rechtsfolge des in Bereich der Wohnraummiete geltenden § 556 Abs.3 Satz 3 BGB, wonach nach Ablauf der Abrechnungsfrist des Satzes 2 (spätestens bis zum Ablauf von 12 Monaten nach Ende des Abrechnungszeitraums) die Geltendmachung einer Nachforderung ausgeschlossen ist, wird nicht auf Gewerbemietverträge übertragen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 117/06

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richter am Kammergericht Spiegel und Dr. Wimmer am 29.12.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Beklagten wird antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt (§ 233 ZPO).

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.

3. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

Der Senat folgt den im wesentlichen und im Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Nach § 513 Abs.1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

1. Rüge der Verletzung formellen Rechts (Berufungsbegründung S.2 - 4)

Die Auffassung der Beklagten, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Wedding vom 1. Juli 2005 sei als "unechtes Versäumnisurteil" anzusehen, welches nicht mit dem Einspruch, sondern nur mit der Berufung hätte angefochten werden können, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg.

a) Das vorbezeichnete Versäumnisurteil ist kein "unechtes" Versäumnisurteil i. S. des § 331 Abs. 2 Halbs.2 ZPO, weil es nicht auf Antrag der Klägerin bei Säumnis auf Seiten der Beklagten ergangen ist, sondern allein wegen der Säumnis der Klägerin auf Antrag der Beklagten gemäß § 330 ZPO.

b) Darüber hinaus ist das Landgericht Berlin kraft nicht anfechtbarer Verweisung durch das Amtsgericht Wedding gemäß § 281 Abs.2 Satz 2 ZPO zuständig geworden, und zwar nachdem die Beklagte zum Verweisungsantrag der Klägerin rechtliches Gehör erhalten hatte.

2. Rüge der Zulassung einer Klageänderung durch das Landgericht (Berufungsbegründung S.4)

Diese Rüge verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht auf S.4 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass die irrtümliche Falschbezeichnung der Klägerin im Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides (unrichtig: Mietnebenkosten für die "Wohnung" statt richtig: Mietnebenkosten für "Gebäude und Grundstücksflächen") keine "Klageänderung" darstellt; dies folgt aus § 264 Nr.1 ZPO. Dass der Mahnbescheid die streitgegenständlichen Forderungen betraf, ergibt sich auch aus den dort angegebenen Vertragsdaten (Mietvertrag vom 28. Juli 1999 und Vertrag vom 15. Juni 2000).

Selbst wenn man dies anders sehen wollte und eine Klageänderung bejahen würde, hat das Landgericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung rechtsfehlerfrei gemäß § 263 ZPO mit der Vermeidung eines neuen Rechtsstreits bejaht. Denn die Sachdienlichkeit ist objektiv im Hinblick auf die Prozesswirtschaftlichkeit zu sehen ( BGH NJW 1985, 1841; NJW 2000, 800/803; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65.Aufl., 2007 § 263 Rdnr.24).

3. Auch die Rüge der Beklagten gegen die Begründetheit der Klage (Berufungsbegründung S.5-6) rechtfertigt eine Abänderung des angefochtenen Urteils nicht.

a) Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass die Regelung in § 4 (5) des Mietvertrages der Parteien ("die für das Mietgrundstück entstehenden Bewirtschaftungs- und sonstigen Verbrauchsabgaben trägt der Mieter.") nicht ausdrücklich nähere Angaben über die Arten der Nebenkosten enthält.

Auch das Landgericht hat dies erkannt (UA 5) und ausgeführt, die Vertragsbestimmung lasse dennoch in ausreichendem Maße erkennen, was der Beklagten auferlegt ist und sei dahin auszulegen, dass jedenfalls die abgerechneten Kostenarten erfaßt seien.

Diese Ausführungen des Landgerichts zur Auslegung des Mietvertrages sind zwar sehr kurz, aus Rechtsgründen im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden; vielmehr wird die Auslegung vom Senat geteilt (vgl. zur Überprüfung der Vertragsauslegung durch das Erstgericht im Berufungsverfahren BGH NJW 2004, 2751; Senat KGR 2005, 59; Urteil vom 14. Juni 2004 - 12 U 39/03 -, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 19.Juli 2005 - X ZR 126/04 -).

§ 4 (5) des Mietvertrages der Parteien vom 28./29. Juli 1999 ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass mit "Bewirtschaftungs- und sonstigen Verbrauchsabgaben" dasselbe gemeint ist wie mit "Betriebskosten" im Sinne der Anlage 3 (Nr. 1 - 16) zu § 27 der II. Berechnungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Oktober 1990 (BGBl. I S.2178, letztmals geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S.2346, 2349; vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2004 - VIII ZR 167/03 - NJW-RR 2004, 875 = GE 2004, 430 für Wohnraum; OLG München, Urteil vom 10. Januar 1997 - 21 U 2464/95 - ZMR 1997, 233 für Geschäftsraum; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3.Aufl., II Rdnr.407; III A Rdnr.40).

In einem gewerblichen Mietvertrag genügt es, wenn dem Mieter die Verpflichtung auferlegt wird, "die Betriebskosten" zu tragen; der Begriff ist dann vom durchschnittlichen Gewerbemieter im Sinne von § 2 der BetrKV oder der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der II. BV (Nr. 1 - 16) zu verstehen (vgl. Ahlt, GuT 2005, 47, 49).

Im übrigen wird die Klausel "der Mieter trägt die Nebenkosten" oder "der Mieter trägt die Betriebskosten" in Gewerbemietverträgen selbst dann in der vorbezeichneten Auslegung für unbedenklich gehalten, wenn sie Teil von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist (vgl. OLG München, a.a.O.; Bub/Treier, a.a.O.).

Nur wenn über den Betriebskostenkatalog der Nr. 1 - 16 der Anlage 3 zur § 27 Abs.1 der II. Berechnungsverordnung hinaus weitere Nebenkosten umgelegt werden sollen, bedarf es dafür einer klaren, das Transparenzgebot wahrenden Vereinbarung (vgl. KG, Urteil vom 8. Oktober 2001 - 8 U 6267/00 - GE 2002, 327 = KGR 2002, 81 = NZM 2002, 954).

Auch wenn die einzelnen Kostenarten in § 4 (5) des Mietvertrages nicht im einzelnen genannt sind, folgt aus der Auslegung des Vertrages, dass dem durchschnittlichen Gewerbemieter, also auch der Beklagten, klar sein mußte, dass die von der Klägerin abgerechneten Nebenkosten (Wasser, Strom, Straßenreinigung, Schneebeseitigung, Versicherungen sowie Grundsteuer) zweifellos zu den "Bewirtschaftungs- und sonstigen Verbrauchsabgaben" für das Mietgrundstück gehören (vgl. auch Bub/Treier, a.a.O., III A Rdnr. 40; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66.Aufl. 2007, § 556 Rdnr. 4 für Wohnraum).

b) Soweit die Beklagte geltend macht, das Landgericht habe ihren Einwand völlig übergangen, die Wasserkostenabrechnung sei unrichtig, weil keine Ablesungen vorgenommen worden seien; vielmehr seien Zurechnungen von Verbrauch vorgenommen, der durch Dritte verursacht worden sei, rechtfertigt dies eine Abänderung des angefochtenen Urteils nicht.

Zwar trifft es zu, dass die Beklagte einen solchen Einwand in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2006 vor dem Landgericht vorgetragen hat.

Daraus folgt jedoch nicht hinreichend die Unrichtigkeit der Abrechnung der Wasserkosten durch die Klägerin.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2006 eingewandt, bei der Erstellung der Wasserkostenabrechnungen seien Zurechnungen vorgenommen worden, die dazu geführt hätten, dass Kosten, die Dritte verursacht hätten, der Beklagten zugeordnet worden seien; eine von der Beklagten selbst installierte Wasseruhr sei nie abgelesen worden.

Dieses Argument hatte die Beklagte offenbar bereits vorprozessual mit Schreiben vom 20. Mai 2004 geltend gemacht. Denn die Klägerin hat ausweislich ihres Schreibens vom 11. August 2004 ihre Nachzahlungsforderungen für 2002 und 2001 für Wasserkosten auf den Widerspruch der Beklagten vom 20. Mai 2004 erheblich reduziert (für 2002 von 14.058,82 € auf 1.553,55 € und für 2001 um 2.536,76 € auf 1.553,55 €). Hierbei wurde in der Neuberechnung der abgelesene Jahresverbrauch für den 3. April 2003 bis 31. Mai 2004 zugrunde gelegt, der nicht streitig ist. Das korrigierende Schreiben vom 11. August 2004 ist ungeachtet der einleitenden Formulierung "...bieten wir an..." als endgültige Betriebskostenformulierung zu verstehen; dies ergibt sich aus der Fristsetzung am Ende des Schreibens.

Die Beklagte legt nicht dar, dass auch in den reduzierten Beträgen, die ihrem vorbezeichneten späteren Jahresverbrauch entsprechen, Anteile enthalten sind, die durch Dritte verursacht worden seien. Vielmehr erscheint die Orientierung der Klägerin sachgerecht und der Billigkeit entsprechend, zumal ein verbrauchsabhängiger Maßstab gewahrt ist.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Klageforderung auch nicht verfristet, selbst wenn die Betriebskostenabrechnung für 2001 erst im Januar 2003 und die Abrechnung für 2002 erst im Februar 2004 vorgenommen worden ist.

Denn § 556 Abs.3 Satz 3 BGB, wonach nach Ablauf der Abrechnungsfrist des Satzes 2 (spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraumes) die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen ist, gilt nur für den Bereich der Wohnraummiete, § 549 Abs.1 BGB.

Diese Rechtsfolge wird auch nicht in den Bereich der Gewerberaummiete übertragen, selbst wenn die Abrechnungsfrist selbst teilweise entsprechend angewandt wird. Vielmehr führt das Versäumen der Abrechnungsfrist durch den Vermieter von Gewerberäumen dazu, dass er für den abzurechnenden Zeitraum keine Vorauszahlungen mehr verlangen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. Nachweise bei Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 535 Rdnr.94, 98).

Zutreffend hat das Landgericht schließlich darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht ersichtlich sind.

4. Es wird angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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