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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 05.07.2004
Aktenzeichen: 12 U 146/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2
Die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO hindert den Beklagten nicht, in erster Instanz bestrittenes Vorbringen des Klägers nach Vorlage von Belegen im Berufungsverfahren unstreitig zu stellen.
Kammergericht

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 146/03

verkündet am: 5. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2004 durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. April 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin - 21 O 253/02 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:

Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 6.471,67 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 21. August 2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. trägt die Klägerin. Die Klägerin trägt weiter 1/2 der erstinstanzlichen Gerichtskosten und ihrer eigenen erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten. Die übrigen Kosten hat der Beklagte zu 2. zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 2.6.2002 (tatsächlich 2003) eine von den damaligen Hauseigentümern unterzeichnete Vollmacht vom 1. November 1996 vorgelegt hat, wonach die Bnnnn Hausverwaltung bevollmächtigt wurde: "... alle Rechtsgeschäfte vorzunehmen und verbindliche Erklärungen abzugeben die das Verwaltungsobjekt betreffen", kann sie mit Erfolg einwenden, die Abweisung der Klage auf Grund fehlender Vertretungsmacht der den Vertrag schließenden Hausverwaltung sei zu Unrecht erfolgt.

Die eingereichte schriftliche Vollmacht, deren Echtheit von dem Beklagten zu 2. nicht bestritten wird, umfasste unzweifelhaft die Bevollmächtigung der Bnnnn Hausverwaltung zur Vornahme sämtlicher Rechtsgeschäfte die das Objekt Mnnn straße n / Hnnn straße n in nnn Bnnn betrafen und damit auch den Abschluss von Verträgen jeder Art. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Satzes 2 der Vollmacht, in welchem es heißt: "Der Auftragnehmer vertritt die Eigentümer gegenüber Mietern, Behörden und sonstigen Dritten, soweit geltend zu machende Ansprüche das Verwaltungsobjekt betreffen". Insbesondere kann darin keine Einschränkung der umfassenden Bevollmächtigung im ersten Satz der Vollmacht gesehen werden. Es handelt sich vielmehr um die gesonderte Erklärung darüber, dass die Bnnnn Hausverwaltung auch berechtigt war, Ansprüche der Eigentümer Dritten gegenüber durchzusetzen.

Ebenfalls nicht gefolgt werden kann dem Beklagten zu 2. darin, dass sich aus der Vollmacht selbst ergeben sollte, dass sie nur im Zusammenhang mit dem Hausverwaltervertrag gesehen werden könnte und sich die Klägerin gegebenenfalls diesen Vertrag hätte vorlegen lassen müssen. Gerade im Hinblick auf die weite Fassung der Vollmacht bestand für die Klägerin kein Anlass, an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Bnnnn Hausverwaltung zu zweifeln. Soweit diese durch den Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages im Innenverhältnis zu den Eigentümern ihre Verwaltervollmachten überschritten haben sollte, berührt dies die Wirksamkeit gegenüber Dritten, hier der Klägerin, nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer von der Klägerin offenbar an die Hausverwaltung gezahlten Provision.

Die Vorlage der Vollmacht durch die Klägerin erst in der Berufungsinstanz ist auch nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz vorgetragen, dass der Bnnnn Hausverwaltung eine Vollmacht erteilt worden war. Nachdem der Beklagte die Erteilung einer solchen gesonderten Vollmacht in erster Instanz bestritten hatte, hat er die Echtheit der jetzt vorgelegten Vollmacht nicht angegriffen, die somit zwischen den Parteien unstreitig ist. Ob bspw. mit dem OLG Düsseldorf davon auszugehen ist, dass auch unstreitiges neues Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen ist, wenn keiner der Zulassungsgründe der Nr. 1-3 der Vorschrift vorliegt (Urteil vom 14. Oktober 2003, AZ 23 U 222/02; a.A. bei unstreitigem neuem Vorbringen OLG Hamm, NJW 2003, 2325), kann für den vorliegenden Fall unentschieden bleiben. Die Verspätungsvorschriften hindern die Parteien jedenfalls nicht, vormals bestrittenes Vorbringen in der Berufungsinstanz unstreitig zu stellen. Genau dies ist hier erfolgt. Das "Bestreiten" des Beklagten zu 2. beschränkt sich nunmehr darauf, die unstreitig erteilte Vollmacht dergestalt auszulegen, dass sie den Abschluss eines Rechtsgeschäfts der vorliegenden Art nicht umfasse. Dies ist jedoch eine reine Rechtsfrage. Ob das Landgericht bereits dem Beweisangebot der Klägerin durch Vernehmung des Zeugen Bnnnn für das Vorliegen einer solchen Vollmacht hätte nachgehen müssen, kann nunmehr dahin stehen.

2. Damit wurden die damaligen Eigentümer durch den Abschluss des Vertrages vom 10. Dezember 1996 wirksam verpflichtet, weshalb die Klägerin gegen sie einen Anspruch aus eben diesem Vertrag geltend machen kann.

Der Vertrag ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam oder nichtig. Soweit der Beklagte zu 2. vorbringt, es handele sich um einen atypischen, für die Eigentümer unvorteilhaften Vertrag, ist dies allein nicht geeignet, die Wirksamkeit des Vertrages in Frage zu stellen. Dabei ist das Vorbringen weder ausreichend, einen Verstoß gegen § 138 BGB zu prüfen, noch, an ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB zu denken. Es ist vor allem nicht ersichtlich, weshalb der Abschluss des Vertrages für die Eigentümer derart unvorteilhaft gewesen sein soll, wie dies nunmehr von dem Beklagten zu 2. vorgetragen wird. Ihr Haus wurde mit einem Breitbandkabelanschluss versehen und das Kabelsignal in das erstellte Netz eingespeist. Die von der Telekom erhobenen Gebühren, sowohl für den Erstanschluss, als auch für die monatliche Zurverfügungstellung des Signals, waren in den von der Klägerin geltend gemachten Pauschalen enthalten. Ob die entsprechenden Gebühren nicht auf die Mieter der einzelnen Wohnungen umgelegt wurden, ist im Verhältnis zur Klägerin unerheblich. Das dies bei dem vorliegenden Vertrag nicht möglich gewesen sein soll, ist zudem nicht nachvollziehbar vorgetragen worden.

Schließlich kann auch aus der Tatsache, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Provision an die Bnnnn Hausverwaltung gezahlt hat, nichts für die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages hergeleitet werden. Provisionszahlungen für Vertragsabschlüsse sind im Geschäftsleben keine Seltenheit. Die Provisionszahlung an sich ist auch kein Indiz dafür, dass die Klägerin in Kenntnis der möglicherweise im Innenverhältnis bestehenden Verpflichtung der Bnnnn Hausverwaltung, derartige Verträge nicht ohne Zustimmung der Eigentümer abzuschließen, gehandelt hat. Im Gegenteil musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Interesse daran haben, einen wirksamen Vertrag zu schließen, zumal es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelte. Weshalb sich aus der Zahlung einer Provision ergeben sollte, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin Kenntnis davon gehabt hatte, dass die Bnnnn Hausverwaltung einen derartigen Vertrag nach den Vereinbarungen mit den Eigentümern im Innenverhältnis nicht hätte abschließen dürfen, ist nicht ersichtlich.

3. Soweit sich der Beklagte zu 2. in der Berufungsinstanz nunmehr erstmals mit Schriftsatz vom 8. März 2004 gegen die Höhe der eingeklagten Forderung wendet, ist sein diesbezügliches Vorbringen allerdings nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n. F. sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in zweiter Instanz nur zuzulassen, wenn deren Geltendmachung im ersten Rechtszug unterblieb, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruhte. Denn es ist das erklärte Anliegen der Neuordnung des Verfahrensrechts, die Klärung des zu beurteilenden Sachverhalts bei den Gerichten erster Instanz zu konzentrieren. Zu diesem Zweck haben die Parteien alle ihnen bekannten und für den Rechtsstreit bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel bereits in erster Instanz anzugeben. Nachlässigkeit im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn eine Partei infolge einfacher Fahrlässigkeit (so ausdrücklich die Begründung der Neufassung, BT-Drucksache 14/4722, Seite 102) ihr günstige Tatsachen in erster Instanz nicht vorgetragen hat. Jeder Verstoß gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des § 282 ZPO führt somit zur Anwendung des § 531 ZPO (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 531 Rn. 30, 31; Gehrlein, MDR 2003, 421, 428).

Der Beklagte zu 2. hat in der ersten Instanz die Höhe der Forderung der Klägerin zu keiner Zeit angegriffen. Aus dem von der Klägerin mit der Klageschrift eingereichten Schreiben ihrer früheren Prozessbevollmächtigten vom 16. Mai 2001 ergibt sich, dass dem Beklagten zu 2. mit dieser Mahnung eine Forderungsaufstellung zugegangen war. Ausweislich seines eigenen Schriftsatzes vom 8. März 2004 liegt dem Beklagten zu 2. die den streitgegenständlichen Betrag ausweisende Rechnung der Klägerin auch vor. Dass diese Rechnung dem Beklagten zu 2. von der Klägerin erst im Verlauf des Berufungsverfahrens übermittelt worden wäre, trägt er selbst nicht vor. Es wäre deshalb möglich und nach dem neuen Prozessrecht auch unbedingt erforderlich gewesen, dass der Beklagte zu 2. alle Einwendungen gegen die Klageforderung bereits in der ersten Instanz vorgetragen hätte. Dass sich die Zusammensetzung der Klageforderung aus der Klageschrift nicht ergab, ändert daran nichts. Insbesondere war die Klageforderung der Höhe nach in erster Instanz nicht unschlüssig, weshalb das Landgericht auch zu Recht keinen diesbezüglichen Hinweis erteilt hatte, was es zumindest vor der Vernehmung des Beklagten zu 2. als Partei hätte tun müssen. Hätte dessen Vernehmung ergeben, dass er von dem abgeschlossenen Vertrag wusste, wäre das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe jedenfalls von einer Genehmigung ausgegangen. Schlüssig ist die Klage, wenn ihr Tatsachenvortrag, seine Richtigkeit unterstellt, den Klageantrag rechtfertigt (Zöller/Greger, 24. Aufl. ZPO, vor § 253 Rn 23). Dies war vorliegend gegeben. Die Klägerin hatte vorgetragen, dass sie aus dem Vertrag vom 10. Dezember 1996 für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 1999 nach ihrer Abrechnung einen Betrag von 12.657,48 DM begehrt. Aus dem Vertrag ergab sich ein zu zahlender Betrag von 17,30 DM netto pro Wohneinheit und Monat. Ausweislich der Klageschrift waren 28 Wohnungen zu versorgen. Damit hat die Klägerin eine Forderung von 17,30 DM x 16 % x 28 x 24 Monate = 13.484,04 DM = 6.895,81 EUR schlüssig vorgetragen. Weshalb sie nur 12.657,48 DM davon klageweise geltend macht, ist für die Schlüssigkeit der Klage ebenso ohne Belang, wie das Fehlen der Rechnungen. Dass ein Teil der ursprünglich in Rechnung gestellten Forderung bereits beglichen worden sei, ist weder ersichtlich, noch von dem Beklagten zu 2. vorgetragen worden.

Damit kann der Beklagte weder mit den Angriffen hinsichtlich der Anzahl der für die Abrechnung zu berücksichtigenden Wohneinheiten, noch hinsichtlich der Höhe des monatlich zu zahlenden Pauschalbetrages gehört werden, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob der im Termin vom 24. Mai 2004 überreichte Schriftsatz mit Datum vom 8. März 2004 insgesamt verspätet war. Denn auch bei dessen Eingang im März 2004 wäre das darin enthaltene neue streitige Vorbringen zur Höhe der Klageforderung nicht zuzulassen.

4. Der Zinsanspruch ist begründet aus den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a.F. Die Klägerin kann für die geltend gemachten Beträge für die Jahre 1998 und 1999 lediglich den alten Zinssatz von 4 % verlangen, da die Forderungen bereits vor dem 1. Mai 2000 fällig waren, weshalb es gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB bei dem früheren Zinssatz verbleibt. Ein höherer Zinsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 291 ZPO, da Prozesszinsen nicht höher sein können, als Verzugszinsen (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 291 BGB RN 1) und die Verweisung in § 291 BGB sich nur auf die für den jeweiligen Fall gültige Fassung des § 288 BGB beziehen kann.

5. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Die prozessuale Nebenentscheidung folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.



Ende der Entscheidung

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