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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.06.2005
Aktenzeichen: 12 U 190/04
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 152
Für die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Unfallmanipulation ist nicht die Feststellung erforderlich, dass der Eigentümer des Opferfahrzeugs und der Fahrer des Täterfahrzeugs vor dem Unfall sich gekannt haben. Das Bestehen einer Vollkaskoversicherung für das Opferfahrzeug schließt die Bewertung nicht aus, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein manipuliertes Ereignis vorliegt.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 190/04

verkündet am : 6. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2005 durch den Richter am Kammergericht Spiegel als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. August 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin - 17 O 112/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Zurückweisung der Berufung erfolgt aus den auch nach Anhörung des Sachverständigen im zweiten Rechtszug im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die in Bezug genommen werden.

Im Hinblick auf die Ausführungen im zweiten Rechtszug sowie im Hinblick auf die aufgrund des erstinstanzlich von der Klägerin gestellten Antrags zwingend erforderliche Anhörung des Sachverständigen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 411 Rdnr. 5a m.w.N.) ist ergänzend auf das Folgende hinzuweisen:

1) Der erkennende Senat geht in ständiger Rechtsprechung von dem Folgenden aus:

Grundsätzlich obliegt es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzutun und zu beweisen (Senat, Urteil vom 3. Juni 1996 -. 12 U 2074/95 -; Urteil vom 17. Juni 1996 - 12 U 2152/95 -; Urteil vom 24. Juni 1996 - 12 U 2835/95 -; Urt. Vom 26. Juli 1999 - 12 U 4832/97 -). Ferner hat der Geschädigte das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen.

Selbst wenn dem Geschädigten diese Beweise gelingen, entfällt eine Haftung des Schädigers, Halters des gegnerischen Fahrzeugs und des Haftpflichtversicherers, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen verabredeten Unfall gehandelt hat. In diesem Fall scheitert ein Ersatzanspruch an der Einwilligung des Geschädigten, ohne dass besonders auf § 152 VVG abzustellen wäre. Den Nachweis, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt, hat grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu führen. Doch genügt der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation spricht, gestattet eine entsprechende Feststellung (§ 286 ZPO; grundlegend BGHZ 71, 339 VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; VersR 1979, 514; vgl. die weiteren Nachweise in den vorzitierten Entscheidungen des Senats).

Unter Heranziehung der vorstehenden Grundsätze ist das Landgericht in seiner Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, hinreichend gewichtige Umstände führten vorliegend zu der erheblichen Wahrscheinlichkeit, es handele sich um einen gestellten Unfall. Wie das Landgericht in seiner Entscheidung ausführt, spricht eine Vielzahl von Indizien für die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Manipulation sprechen.

Ergänzend sei die Klägerin darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Farbabrieb auf dem Gummireifen vorne links nicht "um eine Zufälligkeit" handelt. Nach ihrer eigenen Behauptung hat die Klägerin die Reifen nach dem Vorfall vom 7. Januar 2003, 22:00 Uhr, aber noch vor der Besichtigung des Fahrzeugs durch den Schadenssachverständigen am nächsten Tag gewechselt, um ein gleichmäßiges Abfahren der Reifen zu gewährleisten. Gleichwohl sind auf diesem Reifen rote Farbspuren zu erkennen, die in Lage und Farbton dem Farbauftrag an der linken vorderen Stoßstange ähneln. Diese Farbantragungen wiederum sind, wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, auffällig, da sie keine einheitliche Ausrichtung haben. Der Sachverständige hat die Ansicht geäußert, dass dieser Farbantragungen "eher zufällig auf die Stoßstange gespritzt sind". Dem Gericht drängt sich dagegen die Annahme auf, dass diese Farbe nach dem Reifenwechsel und damit nach dem Unfall absichtlich auf die Stoßstange aufgebracht wurde, um das Schadensbild zu ändern. Hierbei hat dann auch der Reifen den rötlichen Farbfleck "abbekommen".

2) Die Anhörung des Sachverständigen hat keine Umstände ergeben, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Der Sachverständige hat sich mit den von der Klägerin gegen sein schriftliches Gutachten vorgebrachten Einwendungen auseinandergesetzt und diese überzeugend entkräftet.

Darüber hinaus hat sich im Rahmen dieser Anhörung ein weiteres, zu Lasten der Klägerin zu wertendes Indiz ergeben. Die Klägerin hat - ihren Vortrag erneut wechselnd - in ihrem Schriftsatz vom 21. Juni 2004 behauptet, der linke Außenspiegel ihres Fahrzeuges sei bei dem Unfall herausgerissen worden. Sie habe den Spiegel nach dem Unfall "wieder befestigt, um überhaupt ... am Straßenverkehr teilnehmen zu können."

Der gerichtsbekannt sachkundige Sachverständige Prof. Dr. Rnn hat im Rahmen seiner Anhörung an Hand der Anlagen zu seinem schriftlichen Gutachten aber nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sämtliche Unfallspuren im Bereich des linken Außenspiegels und der linken Tür des klägerischen Fahrzeuges gegen diese Behauptung der Klägerin sprechen. Auf der Grundlage dieser Ausführungen des Sachverständigen hält es das Gericht für ausgeschlossen, dass die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, der linke Außenspiegel sei durch den Unfall abgerissen und von ihr danach wieder "befestigt" worden, zutreffend ist. Offensichtlich hat die Klägerin eine entsprechende Behauptung auch nicht gegenüber dem Schadensgutachter Neumann aufgestellt, obwohl dies angesichts des mit einem solchen Vorgang verbundenen Schadensumfangs nahe gelegen hätte.

Die Klägerin kann sich wegen dieser unrichtigen Behauptung auch nicht darauf berufen, sie selbst sei bei dem Unfall nicht dabei gewesen und könne deshalb keine exakten Angaben machen. Zumindest die Behauptung, sie selbst habe den Außenspiegel "befestigt", betrifft den Bereich ihrer eigenen Wahrnehmung.

3) Die von der Klägerin angeführten Gründe gegen die Annahme, es handele sich um einen gestellten Unfall, überzeugen den Senat nicht.

a) Auf die Frage, ob sich die Klägerin und der Beklagte zu 2) bereits vor dem Unfall kannten, kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin entscheidend nicht an. Bei manipulierten Ereignissen werden die Kontakte oft über dritte Personen hergestellt.

b) Das Bestehen einer Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 € spricht nicht zwingend gegen die Annahme eines gestellten Ereignisses. Bei Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung müsste die Klägerin mit einer Heraufstufung ihrer Versicherungsprämie rechnen, so dass es nicht fern liegt, wenn sie dies durch Inanspruchnahme der Beklagten zu vermeiden sucht.

c) Die behauptete Dringlichkeit des Transportes der Gartengeräte (oder Gartenmöbel? - auch hier ist der klägerische Vortrag widersprüchlich-) ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) unmittelbar nach dem streitigen Vorfall eine Anhängerkupplung an seinen privaten PKW anbaute und einen kleinen Anhänger kaufte. Die behauptete Dringlichkeit könnte sich allenfalls aus einem zeitnahen Transport der Gartengeräte bzw. Möbel ergeben. Dass und zu welchem Zeitpunkt ein solcher Transport tatsächlich stattgefunden hat, wird von der Klägerin aber in beiden Instanzen nicht vorgetragen.

d) Unerheblich ist, ab welchem Zeitpunkt Polizeibeamte an Unfallort zugegen waren und ob diese beobachteten, wie die Fahrzeuge wieder voneinander "getrennt" wurden. Dass es zu einem Vorgang gekommen ist, bei dem sich die beiden Fahrzeuge berührten ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass einige der Schäden an dem Fahrzeug der Klägerin auf diesen Vorgang zurückzuführen sind. Streitig ist zwischen den Parteien lediglich, ob es sich um einen "echten" Unfall gehandelt hat und ob alle Schäden auf diesen zurückzuführen sind. Eine Vernehmung der Polizeibeamten war deshalb nicht erforderlich.

B Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

C Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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