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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.09.2005
Aktenzeichen: 12 U 193/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 531 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 546 a
Befindet sich der Zustellungsempfänger vier Monate in Strafhaft, sind die zuvor bewohnten Räume während dieser Zeit nicht mehr "Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften. Hat der Mieter nach Austausch der Schlösser durch den Vermieter keinen Zugang zu den Mieträumen, hat der Vermieter - unabhängig von der Wirksamkeit der von ihm zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung - keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB für die Zeit nach Austausch der Schlösser. Im ersten Rechtszug nicht geltend gemachte Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im Berufungsverfahren nicht allein deshalb mangels Nachlässigkeit der Partei im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 zuzulassen, weil sich der Beklagte vier Monate in Strafhaft befand.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 193/04

verkündet am: 8. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2005 durch den Richter am Kammergericht Spiegel als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 19. August 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin - 32 0 55/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 19. August 2004 verkündete Urteil des Landgerichts - 32 O 55/04 -, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte u. a. vor:

Die Argumentation des Landgerichts genüge weder den tatsächlichen noch den rechtlichen Anforderungen an ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 543 Abs. 2 Ziff. 1 BGB.

Eine außerordentliche fristlose Kündigung sei gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann zulässig, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Dies sei der Ausgangstatbestand, der bei Würdigung der in Abs. 2 beispielhaft aufgeführten Einzelgründe stets erfüllt sein müsse.

Das Landgericht habe diese gesetzestechnische Systematik nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße beachtet. Vom Grundsatz her sei es sicherlich zutreffend, dass dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache auch dadurch entzogen werden könne, wenn diese mit einem vom Vermieter zu vertretenden Mangel behaftet sei. Aber nicht jeder Sachmangel berechtige zur außerordentlichen Kündigung, sondern nur ein solcher, der bei Abwägung der beiderseitigen Interessen so gravierend ist, dass dem Mieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Hieran fehle es vorliegend.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, die er für zutreffend erachtet.

Er rügt die Unzulässigkeit neuen Sachvortrags und setzt sich im Einzelnen mit der Berufungsbegründung auseinander.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

A Das Landgericht hat die Klage abgewiesen soweit der Kläger diese auf seine Kündigungserklärungen vom 12. November 2003, 20. November 2003, 1. Dezember 2003, 10. Dezember 2003, 17. Dezember 2003 und 30. Dezember 2003 gestützt hat. Dies wird von dem Kläger hingenommen.

B Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat aber auch die Kündigung vom 2. Januar 2004 nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses am selben Tag geführt. Die Feststellungsklage war deshalb auch wegen dieses Hilfsantrages abzuweisen.

Gemäß § 543 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB kann ein Mieter ein Mietverhältnis u. a. kündigen, wen ihm der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil wieder entzogen wird und ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass ein teilweises Vorenthalten der Mietsache auch aus einem Sachmangel resultieren kann. Voraussetzung ist aber, dass der Mangel den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache in nicht unerheblicher Weise tatsächlich beeinträchtigt. Eine Vertragsfortsetzung ist nämlich nur dann unzumutbar, wenn der Mangel den Gebrauch der Mietsache erheblich beeinträchtigt (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Auflage, § 543 Rdnr. 19; BGH NJW 2005, 2152).

1. Hieran fehlt es vorliegend selbst dann, wenn man mit dem Landgericht davon ausgeht, dass die auf Seite 7 der angefochtenen Entscheidung genannten Sachmängel der Mietsache (nicht vermauerte Wand zum Vordach, fehlende L90 Ummantelung der Leitung bis zum Anschluss an den Schacht, fehlende Prüf- und Revisionsöffnungen, Verwendung eines Aluminiumflexrohres) sowie der von dem Kläger beanstandete zu geringe Durchmesser des Rohres im Zeitpunkt der im zweiten Rechtszug streitgegenständlichen fristlosen Kündigung noch bestanden haben.

Diese Mängel bestehen nämlich alle schon seit Beginn des Mietverhältnisses im Jahr 1993. Seit 1993 befinden sich in den Mieträumen zwei Imbisse, deren Betrieb durch die Untermieter rund 10 Jahre lang von den behaupteten Mängeln in keiner Weise beeinträchtigt worden ist. Warum diese Sachmängel nunmehr so erheblich (geworden) sein sollen, dass sie eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, vermag der Kläger nicht einmal im Ansatz darzulegen.

Im Übrigen kann sich der Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichtes auch darauf berufen, vor Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten durch ihn habe zunächst eine Beseitigung der Mängel in den Mieträumen durch den Kläger selbst zu erfolgen. Die unstreitig vom Kläger zu vertretenden fehlenden Filter haben nämlich zu einer ganz erheblichen Verschmutzung des gesamten Abzugssystems geführt. Dies ergibt sich aus der vom Kläger selbst eingereichten gutachterlichen Stellungnahme vom 17. November 2003, so dass das Bestreiten des Klägers insoweit unsubstantiiert ist.

Bis zur Beseitigung dieser vom Kläger zu vertretenden Mängel bestand aber die Gefahr, dass es im Bereich der vom Beklagten durchzuführenden Arbeiten erneut zu Verschmutzungen durch Fettablagerungen kommen wird. Schon deshalb war der Beklagte nicht "vorleistungspflichtig". Selbst wenn die Mängelbeseitigung durch den Kläger am 17. Dezember 2003 und damit vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung erfolgt sein sollte, war die dem Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung dann noch zur Verfügung stehende Zeit für eine Beseitigung des Mangels nicht ausreichend (§ 543 Absatz 3 Satz 1 BGB).

2. Soweit der Kläger seine Kündigung auf eine Brand- bzw. Explosionsgefahr stützt, fehlt es an der Darlegung einer konkreten, den Mietgebrauch beeinträchtigenden Gefahr. Jedenfalls hat der Bezirksschornsteinfegermeister in Kenntnis des Zustands der Mieträume keinen Anlass zu einer Betriebsuntersagung bzw. zu einer entsprechenden Information von Bauordnungs- bzw. Gewerbeamt gesehen.

3. Der Kläger kann seine Kündigung vom 2. Januar 2004 auch nicht auf die Mängelfeststellung des Schornsteinfegermeisters Rnnn vom 12. September 2003 (Anlage K4) sowie auf seine Behauptungen, es bestehe die Gefahr, dass das Bezirksamt in Folge der Hinweise des Bezirksschornsteinfegermeisters die Stilllegung verfüge, zukünftigen Untermietern würde eine behördliche Konzession wegen der Abluftanlage nicht erteilt werden, eine Untervermietung könne deshalb nicht mehr erfolgen, stützen.

Auch dieser Vortrag reicht für die Darlegung eines konkreten Sachmangels nicht aus. Zwar handelt es sich bei öffentlich-rechtlichen Gebrauchshindernissen und -beschränkungen um Mängel im Sinne von § 536 Absatz 1 Satz 1 BGB, wenn sie mit Art, Lage oder Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Ein zur Kündigung berechtigender Mangel liegt aber erst vor, wenn solche öffentlich-rechtlichen Gebrauchshindernissen und -beschränkungen von einer Behörde tatsächlich verfügt wurden oder zumindest so konkret angedroht worden sind, dass dem Mieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann (vgl. Bub/Treier, Handbuch, 3. Auflage, III.B Rdnr. 1346 m.w.N.).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Die Beanstandungen des Schornsteinfegermeisters haben keine unmittelbare Rechtswirkung. Diese werden erst in Kraft gesetzt durch den Erlass entsprechender Verwaltungsakte, für die das Bauordnungs- bzw. Gewerbeamt zuständig wären. Diese sind aber bisher in keiner Weise aktiv geworden. Soweit der Kläger geltend macht, es Bestehe die Gefahr der Stilllegung des Betriebs, zukünftigen Mietern würde eine behördliche Konzession nicht erteilt werden, fehlt es an einem belegenden konkreten Tatsachenvortrag. Es wäre für den Kläger durchaus möglich gewesen, die Räume unter der aufschiebenden Bedingung der Konzessionserteilung zu vermieten und die Reaktion der Behörde auf die von den Untermietern zu stellenden Anträge abzuwarten.

Soweit der Kläger behauptet, eine Untervermietung sei aufgrund der von ihm behaupteten Mängel nicht mehr möglich, fehlt es an jeglichem Vortrag, dass er eine Untervermietung konkret versucht hat und dass diese Versuche lediglich an den behaupteten Mängeln gescheitert sind.

C Die Klage war auch insoweit abzuweisen, als der Kläger mit seinem "äußerst hilfsweise" gestellten Antrag die Feststellung begehrt, das Mietverhältnis sei durch seine außerordentlichen befristeten Kündigungen "fristgemäß zum 30. Juni 2004 beendet" worden.

Die Parteien haben in § 3 des Vertrages vereinbart, dass das Mietverhältnis am 28. Februar 2008 endet. Gemäß § 542 Absatz 2 BGB endet das Mietverhältnis deshalb frühestens mit Ablauf der vereinbarten Zeit, wenn es nicht in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich gekündigt wird. Dass ein solcher gesetzlich zugelassener Fall (vgl. die Aufzählung dieser Fälle in Palandt-Weidenkaff a.a.O. § 542 Rdnr. 11) vorliegt, hat der Kläger nicht dargelegt. Die Ausführungen des Klägers lassen nicht einmal erkennen, welcher dieser Fälle nach Ansicht des Klägers gegeben sein soll.

D Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

E Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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