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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: 12 U 207/01
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 511
ZPO § 511 a
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
VVG § 152
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 207/01

Verkündet am: 16. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und Spiegel für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Juni 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 333/00 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen der §§ 516, 518 und 519 ZPO. Sie ist zulässig, hat aber in der Sache aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Vorbringen in der Berufung nicht entkräftet werden, keinen Erfolg (§ 543 Absatz 1 ZPO a. F.). Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, hinreichend gewichtige Umstände führten in ihrer Gesamtschau zu dem Schluss, es handele sich bei dem Ereignis am 8. Februar 2000, gegen 11.05 Uhr, in Berlin, Frankfurter Allee/Jessener Straße mit erheblicher Wahrscheinlichkeit um einen gestellten Unfall. Folglich kann der Kläger von der Beklagten als Haftpflichtversicherer keinen Schadensersatz für seine Unfallschäden verlangen.

A. Grundsätzlich obliegt es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzutun und zu beweisen (Senat, Urteil vom 3. Juni 1996 - 12 U 2074/95 -; Urteil vom 17. Juni 1996 - 12 U 2152/95 -; Urteil vom 24. Juni 1996 - 12 U 2835/95 -; Urt. vom 26. Juli 1999 - 12 U 4832/97 -). Ferner hat der Geschädigte das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen.

Selbst wenn dem Geschädigten diese Beweise gelingen, entfällt eine Haftung des Schädigers, Halters des gegnerischen Fahrzeugs und des Haftpflichtversicherers, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen verabredeten Unfall gehandelt hat. In diesem Fall scheitert ein Ersatzanspruch an der Einwilligung des Geschädigten, ohne dass besonders auf § 152 VVG abzustellen wäre. Den Nachweis, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt, hat grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu führen. Doch genügt der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation spricht, gestattet eine entsprechende Feststellung (§ 286 ZPO; grundlegend BGHZ 71, 339 VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; VersR 1979, 514; vgl. die weiteren Nachweise in den vorzitierten Entscheidungen des Senats).

Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang ergänzend zu überlegen scheint, ob es sich bei der Häufung von Beweisanzeichen um spekulative Vermutungen oder um einen Anscheinsbeweis handelt, ist dem nicht zu folgen.

B. Unter Heranziehung der vorstehenden Grundsätze ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, hinreichend gewichtige Umstände führten vorliegend zu der erheblichen Wahrscheinlichkeit, es handele sich um einen gestellten Unfall. Insoweit macht sich der Senat die Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung vollinhaltlich zu Eigen.

Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung weist das Gericht ergänzend auf Folgendes hin:

1. Entgegen der vom Kläger auch in zweiter Instanz aufgestellten Behauptung betrug der Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeugs nicht 44.500,00 DM. Dieser Betrag wird zwar in dem vom Kläger in Auftrag gegebenen Gutachten des Sachverständigen H vom 11. Februar 2000 genannt. Er ist aber deshalb unzutreffend, weil dieser Sachverständige mehrere unstreitig bestehende Vorschäden bei seiner Wertermittlung nicht berücksichtigt hat, wobei offen bleiben kann, ob dies auf eine falsche Information des Sachverständigen durch den Kläger oder auf kollusives Zusammenwirken zurückzuführen ist. Das Landgericht geht deshalb zu Recht davon aus, dass es sich bei dem vom Kläger seinerzeit geführten PKW Mercedes-Benz E 200, EZ 24. April 1997, um ein vergleichsweise hochpreisiges Modell mit hohem Benzinverbrauch und entsprechend hohen Unterhaltskosten gehandelt hat, welches zum Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von 43.075 km aufwies und wegen der Vorschäden zu dem vom Gutachter H geschätzten Betrag von 44.500,00 DM auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht absetzbar war.

2. Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, dass das Risiko des Schadensereignisses für den Beklagten zu 2) gering war. Diese Aussage ist in zweifacher Hinsicht zutreffend: Zum einen war das Verletzungsrisiko des Beklagten zu 2) aufgrund des von ihm gefahrenen LKW gering, zum anderen konnte er, da des Fahrzeug dem Beklagten zu 1) gehörte und dem Beklagten zu 2) die Arbeitnehmerprivilegien zugute kamen, davon ausgehen, einen materiellen Schaden nicht zu erleiden.

3. Zu Recht hat das Landgericht seiner Entscheidung die Gutachten des Sachverständigen B vom 3. April 2000 und des Sachverständigen W vom 12. September 2000 zu Grunde gelegt. Es handelt sich insoweit jeweils um detaillierten Parteivortrag der Beklagten, den das Gericht berücksichtigen muss (BGH, NJW 2001, 77) und der mangels substantiierten Bestreitens seitens des Klägers gemäß § 138 Absatz 3 ZPO als zugestanden gilt. In technischer Sicht enthält die Berufungsbegründung keinen Vortrag, der gegen eine Verwertung dieses Gutachtens sprechen könnte. Einen Fahrzeugzustand, der von den gutachterlichen Feststellungen abweicht, hat der Kläger nicht vorgetragen.

4. Die Ausführungen des Landgerichts zur finanziellen Situation des Klägers beruhen auf dessen eigenem Vortrag. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben sich im Hinblick auf die finanzielle Situation und das wirtschaftliche Verhalten des Klägers weitere Indizien ergeben, die zu Lasten des Klägers zu werten sind. Nach den eigenen Bekundungen des Klägers ist dieser seit 1984 ununterbrochen als selbständiger Unternehmer tätig, im Februar 2000 betrieb er ein Stehcafe mit Bäckerei, welches auch zur Zeit noch besteht. Die vom Kläger auf ausdrückliche Nachfrage des Landgerichts mit Schriftsatz vom 11. September 2000 aufgestellte und im Rubrum der Berufungsschrift vom 17. August 2001 wiederholte Behauptung, er sei von Beruf Angestellter, war deshalb falsch. Von Interesse sind diese Angaben, weil der Kläger vorliegend Bruttobeträge einklagt. Als Angestellter, der er nicht ist, könnte er Ersatz von Bruttobeträgen fordern. Als Selbständiger kann er dagegen nur Ersatz von Nettobeträgen fordern. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht zum Betriebsvermögen gehört, hat der Kläger trotz Nachfrage im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vorgetragen. Der Kläger hat mithin versucht, von der Beklagten zu 3) einen ihm nicht zustehenden Schadensersatz in Höhe der Mehrwertsteueranteile zu erlangen.

Nicht plausibel sind auch die Erklärungen des Klägers zum behaupteten Verlust einer Rechnung der Werkstatt "D Automobile" über angeblich 17.000,00 DM sowie deren, vollständige oder teilweise Bezahlung. Schon aus rein buchhalterischen Gründen müssten dem Kläger Unterlagen über diese Reparatur und deren Bezahlung zur Verfügung stehen.

5. Entgegen der Ansicht des Klägers steht der minderwertig instandgesetzte Vorschaden im vorderen rechten Seitenbereich in direkter Beziehung zum vorliegenden Fall. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger diesen Schaden sowohl gegenüber dem Gutachter H und der Beklagten zu 3) als auch gegenüber dem Landgericht verschwiegen hat, um hierdurch einen überhöhten Wiederbeschaffungswert behaupten zu können. Dies ist ein gewichtiges Indiz für das unredliche Verhalten des Klägers im vorliegenden Fall und seine daraus resultierende Unglaubwürdigkeit. Erst dem Vortrag des Klägers auf Seite 5 der Berufungsbegründungsschrift ist zu entnehmen, dass er diesen sich eindeutig aus den Gutachten der Sachverständigen E und W ergebenden Schaden nicht mehr bestreiten will.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber dem Sachverständigen H einen weiteren Vorschaden verschwiegen hat, den sein Fahrzeug im linken Heckbereich aufwies. Hierdurch ist es zu einer überhöhten Feststellung der Reparaturkosten durch diesen Sachverständigen gekommen. Wie sich aus dem Gutachten der Sachverständigen W ergibt, resultieren die wesentlichen Schäden, die der Sachverständige H festgestellt hat, nicht aus dem Anstoß des bei der Beklagten zu 3) versicherten Fahrzeuges. Es muss deshalb vor dem streitgegenständlichen Vorfall vom 10. Februar 2000, jedenfalls aber vor der Vorstellung des Fahrzeuges bei dem Sachverständigen H am 11. Februar 2000 zu einer weiteren Beschädigung im Bereich des Hecks gekommen sein. Das Vorliegen dieses (Vor)schadens hat der Kläger gegenüber dem Landgericht schriftsätzlich sowie gegenüber dem Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestritten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der prozessbevollmächtigte des Klägers das Vorliegen dieses Schadens in Anwesenheit des Klägers dagegen zugestanden.

6. Zu Recht wertet das Landgericht auch die Angaben des Beklagten zu 2) am Unfallort als Indizien zu Lasten des Klägers. Das Fehlen eines nachvollziehbaren Grundes für das Auffahren und ein sofortiges, knappes "Geständnis" des Fahrers des gegnerischen Fahrzeuges sind "klassische" Indizien eines gestellten Unfalls.

7. Auch die Mitwirkung eines Unfallbeteiligten an anderen manipulierten Unfällen gehört zu den "klassischen" Indizien eines gestellten Unfalls. Die angefochtene Entscheidung enthält deshalb zu Recht Ausführungen zur Person des Beklagten zu 2), und zur Häufigkeit manipulierter Unfälle in Berliner Kreisverkehren.

8. Der Einwand, er, der Kläger, hätte den Beklagten zu 2) vor der Kollision nicht gekannt, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Es ist in Fällen manipulierter Verkehrsunfälle üblich, dass "Opfer" und Täter einander nicht kennen; Kontakte werden über Dritte hergestellt (vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2002 - 12 U 20/01 - ; Urteil vom 30. September 2002 -12 U 6365/99-).

9. Entgegen der Ansicht des Klägers spricht das Bestehen einer Vollkaskoversicherung nicht zwingend gegen die Annahme eines Bestellunfalls. Es ist zwar richtig, dass der aus einem manipulierten Unfall zu ziehende finanzielle Vorteil bei einem nicht vollkaskoversicherten Fahrzeug deutlich höher ist, es kommen aber - wie gerichtsbekannt ist - immer wieder zu manipulierten Unfällen, an denen vollkaskoversicherte Fahrzeuge beteiligt sind (vgl. Senat, Urteile vom 6. Juni 2002 - 12 U 9189/00 - und vom 29. April 2002 - 12 U 7995/00 -; KG, Urteil vom 22. August 2002 - 22 U 383/01 -). Der erstrebte finanzielle Vorteil liegt dann in der Nutzungsausfallentschädigung oder in der Vermeidung einer Rückstufung in der Kaskoversicherung. Angesichts der schwere der zu Lasten des Klägers zu wertenden übrigen Indizien geht der Senat trotz des Bestehens einer Vollkaskoversicherung jedenfalls davon aus, das mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ein manipulierter Unfall vorliegt.

10. Soweit der Kläger auf Seite 7 seiner Berufungsbegründung ausführt, er sei noch nie mit dem Gesetzt in Konflikt geraten, ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren versucht hat, sich durch das Verschweigen von Vorschäden und durch die Behauptung, er sei Angestellter, ihm nicht zustehende Vermögensvorteile zu verschaffen. Zumindest der objektive Tatbestand des versuchten Betruges zu Lasten der Beklagten zu 3) dürfte mithin vorliegen. Die Frage der gesellschaftlichen Stellung des Klägers ist dagegen eher nachrangig (vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2002 - 12 U 20/01 - sowie r+s 1996, 377, 378).

10. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO n. F.).

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO i.V.m § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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