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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 01.10.2001
Aktenzeichen: 12 U 2139/00
Rechtsgebiete: StVG, StVO, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVG § 17 Abs. 1
StVO § 3 Abs. 1 Satz 4
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 2139/00

Verkündet am: 1. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzanspruchs aus Kraftverkehrsunfall

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richter am Kammergericht Hinze und Philipp für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 19. Januar 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 12.449,09 DM nebst 4 % Zinsen von 8.229,09 DM seit dem 14. August 1998 und von weiteren 4.220,00 DM seit dem 23. Juni 1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 9 % und die Beklagten 91 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine Partei 60.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Die Beklagten haben der Klägerin dem Grunde nach den gesamten unfallbedingten Schaden zu ersetzen. Lediglich der Höhe nach entfallen teilweise geltend gemachte Beträge. Die Beklagten schulden der Klägerin insgesamt 12.449,09 DM:

I. Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für den gesamten unfallbedingten materiellen Schaden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 3. Juli 1998 gegen 9.30 Uhr in Berlin-Spandau auf der nördlichen Richtungsfahrbahn der Ruhlebener Straße in Höhe des Grundstücks Nr. 23, und zwar in Höhe des Mittelstreifendurchbruchs zur südlichen Richtungsfahrbahn - gegenüber der Einfahrt zum Möbelkaufhaus IKEA - ergibt sich daraus, dass sich der Unfall bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1. gehaltenen und geführten, bei der Beklagten zu 2. gegen Haftpflicht versicherten Personenkraftwagen Ford Escort B ereignet und er den Unfall fahrlässig verschuldet hat (§§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflichtVersG). Weil der Beklagte zu 1. den Unfall schuldhaft verursacht hat, haben die Beklagten der Klägerin ferner ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen (§§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 287 ZPO, 3 PflichtVersG).

Der Beklagte zu 1. hatte beabsichtigt, aus westlicher Richtung kommend, mit seinem Personenkraftwagen über den Mittelstreifendurchbruch zu wenden und auf der nördlichen Richtungsfahrbahn der Ruhlebener Straße in westlicher Richtung weiter zu fahren. Als er sich auf dem äußersten linken, dritten Fahrstreifen der nördlichen Richtungsfahrbahn befand, geriet die Klägerin mit ihrem Motorrad Yamaha Virago B vorn seitlich gegen die Front des Personenkraftwagens und stürzte. Dabei verletzte sich die Klägerin. An dem Motorrad trat so genannter wirtschaftlicher Totalschaden ein.

Weder die Klägerin noch die Beklagten können sich darauf berufen, dass der Unfall für einen der beiden Kraftfahrer ein unabwendbares Ereignis darstellen würde, das von vornherein die Mithaftung der Klägerin oder die Haftung der Beklagten ausschließen könnte (vgl. § 7 Abs. 2 StVG). Denn die Klägerin hat nicht beweisen können, dass sie sich auf ein etwaiges Fehlverhalten des Beklagten zu 1. habe einrichten wollen, jedoch dennoch den Unfall nicht habe vermeiden können. Den Beklagten wiederum ist der Beweis der Unabwendbarkeit bereits deshalb verschlossen, weil der Beklagte zu 1. den Unfall verursacht und - fahrlässig - verschuldet hat, wie noch auszuführen ist.

Deshalb ist eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Klägerin und des Beklagten zu 1. unter Berücksichtigung der von ihren Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahrgeboten (§ 17 Abs. 1 StVG). Im Rahmen dieser Abwägung sind neben unstreitigen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen (BGH VersR 1967, 132 f.; KG VersR 1973, 1049 f.). Im Rahmen der Beweislast sind die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zu beachten. Die Abwägung führt dazu, dass die Beklagten den gesamten unfallbedingten Schaden der Klägerin zu ersetzen haben. Ihr steht auch ein angemessenes Schmerzensgeld in voller Höhe zu, weil ihr kein Mitverschulden nachzuweisen ist (vgl. § 254 BGB).

1. Der wendende Verkehrsteilnehmer - so der Beklagte zu 1. - hat nicht nur wie ein Linksabbieger entgegenkommenden Verkehr durchfahren zu lassen (vgl. § 9 Abs. 3 StVO). Vielmehr muss er sich darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 9 Abs. 5 StVO). Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten spricht gegen den Wendenden der erste Anschein, diesen Anforderungen nicht genügt zu haben (vgl. BGH DAR 1985, 316 = VersR 1985, 989, 990). Die Ausräumung des Anscheinsbeweises erfordert, dass der von ihm Betroffene Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Ursachenverlaufs ergibt. Wenn er den Anschein nicht widerlegt, hat er den gesamten Schaden aus dem Verkehrsunfall zu tragen und zu ersetzen (vgl. BGH DAR 1984, 85; KG, Urteil vom 29. November 1999 - 12 U 7113/96 -; 10. Juli 2000 - 12 U 1438/99 -; OLG Köln VersR 1999, 993, 994; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., 2001, StVO § 9 Rdn. 50, 52).

Die besonderen Umstände des Einzelfalles sind stets zu berücksichtigen. So kann sich die Haftung des Wendenden mindern oder gegebenenfalls ganz entfallen, wenn der fließende Verkehr infolge überhöhter Geschwindigkeit sich außer Stande setzt, unfallverhütend zu reagieren oder genügend Zeit hat, sich auf das Verhalten des Wendenden einzustellen (vgl. KG, Urteile vom 28. April 1994 - 12 U 7593/92 -; 29. November 1999 - 12 U 7113/96 -). Eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten wegen Geschwindigkeitsüberschreitung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn diese Sorgfaltspflichtverletzung unfallursächlich war. Denn im Rahmen der Vorschrift des § 17 Abs. 1 StVG dürfen nur Umstände berücksichtigt werden, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (vgl. BGH VersR 1982, 442 = NJW 1982, 1149; KG NZV 1999, 85, 86 = KG Report 1999, 315, 318; KG NZV 2000, 377, 378 = KG Report 2000, 135, 136). Dass der Vorfahrtberechtigte sich infolge einer Geschwindigkeitsüberschreitung außer Stande gesetzt hat, noch unfallverhütend zu reagieren, hat der Wartepflichtige - wegen des gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweises - darzutun und zu beweisen (vgl. KG NZV 2000, 377, 378 = KG Report 2000, 135, 136).

Diese Grundsätze sind auch vorliegend zu beachten, soweit das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt hat, dass die Klägerin die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hätte, aber davon ausgegangen ist, dass die Klägerin nur so schnell habe fahren dürfen, dass sie innerhalb der überschaubaren Strecke hätte anhalten können, wie § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO zu entnehmen sei, was sie jedoch nicht getan habe (UA. S. 5).

Wenngleich der Kraftfahrer sich darauf einrichten muss, auch vor unvermuteten Hindernissen auf der Fahrbahn noch anhalten zu können, braucht er andererseits mit nachträglich auch von der Seite auftauchenden Hindernissen in der Regel nicht zu rechnen. Ebenso wenig muss er in seine Überlegungen einbeziehen, dass ein entgegenkommender Verkehrsteilnehmer sich mit einem Fahrzeug verkehrswidrig auf ihn zubewegen könnte; insoweit ist das Sichtfahrgebot durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt (Hentschel, a.a.O., StVO § 3 Rdn. 14). Das bedeutet, dass ein den äußersten linken Fahrstreifen befahrender Verkehrsteilnehmer, dessen Fahrbahn durch einen Mittelstreifen von der Gegenfahrbahn getrennt ist, nicht ständig darauf bedacht sein muss, es könnte alsbald ein Mittelstreifendurchbruch kommen, über den aus dem Gegenverkehr ein Verkehrsteilnehmer unbedacht auf die selbst benutzte Fahrbahn wenden würde, und schon wegen dieser bloßen Möglichkeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht mehr einhalten dürfte.

Eine andere Beurteilung ist nicht geboten, wenn der den linken Fahrstreifen befahrende Verkehrsteilnehmer den Mittelstreifendurchbruch deshalb nicht aus einer Entfernung erkennen kann, auf der er noch anhalten könnte, weil die Fahrbahn eine Rechtskurve beschreibt oder die Sicht auf den Mittelstreifendurchbruch durch Fahrzeuge verdeckt ist, die einen anderen Fahrstreifen in derselben Fahrtrichtung benutzen. Es gibt kein Gebot, auf Verdacht die zulässige Geschwindigkeit herabzusetzen, weil ein Mittelstreifendurchbruch auftauchen und/oder weil ein dort befindlicher Verkehrsteilnehmer seinen Wendevorgang fortzusetzen beginnen könnte.

2. Hiernach ist schon nach dem Vorbringen der Beklagten, zumindest auf Grund der Bekundungen der Zeugen G W J B und G D vor dem Landgericht am 9. Dezember 1999 (Bl. 62 ff.) davon auszugehen, dass der Verkehrsunfall im Zusammenhang mit dem Wendevorgang des Beklagten zu 1. über den Mittelstreifendurchbruch auf der Ruhlebener Straße in Höhe des Grundstücks Nr.23 steht. Es verbleibt bei der vollen Haftung der Beklagten. Denn sie haben nicht den Beweis geführt, aus welcher Entfernung die Klägerin den Beklagten zu 1. mit seinem Personenkraftwagen im Mittelstreifendurchbruch wahrnehmen konnte, und vor allem aus welcher Entfernung sie erkennen konnte, dass er den Wendevorgang auf den von ihr benutzten linken Fahrstreifen so weit fortsetzen würde, dass für sie die Weiterfahrt unmöglich wurde. Nur wenn feststünde, dass noch in letzterem Falle die Entfernung zu einem gefahrlosen Abbremsen durch die Klägerin ausgereicht hätte, käme ihre Mithaftung in Betracht. Denn wie ausgeführt, brauchte die Klägerin sich nicht hypothetisch darauf einzurichten, einmal dass an noch nicht voraussehbarer Stelle ein Mittelstreifendurchbruch vorhanden ist, zum anderen dass ein im Mittelstreifendurchbruch haltender Verkehrsteilnehmer seinen Wendevorgang fortsetzt. Hierzu ist Folgendes hervorzuheben:

a. Der Kriminalbeamte G W als Zeuge hat vor dem Landgericht auf seine schriftliche Aussage vom 7. August 1998 zu der Bußgeldsache 297 OWi 3278/98 des Amtsgerichts Tiergarten (= BA, dort Bl. 18-20 = Bl. 51-53 d.A.) Bezug genommen. Dieser Zeuge benutzte mit seinem Personenkraftwagen den mittleren der drei Fahrstreifen auf der nördlichen Richtungsfahrbahn der Ruhlebener Straße. Er hielt vor dem Mittelstreifendurchbruch, weil sich wegen der Rotphase für diese Richtungsfahrbahn an der ampelgeregelten Kreuzung mit der Schulenburgstraße/Pichelswerder Straße ein verkehrsbedingter Rückstau bis etwa eine oder zwei Fahrzeuglängen an den Mittelstreifendurchbruch heranreichte. Der Rückstau auf dem linken Fahrstreifen war geringer. Weil der Zeuge W vor dem von ihm als Wendestelle bezeichneten Mittelstreifendurchbruch hielt, fand mit dem Beklagten zu 1., der mit seinem Fahrzeug noch im Durchbruch hielt, ein Blickkontakt dahin statt, dass der Zeuge den Beklagten zu 1. auf den mittleren Fahrstreifen hereinfahren lassen wolle.

Wenn der Zeuge W fortfährt, dies sei für den Beklagten zu 1. offensichtlich wegen des geringen Wendekreises nicht ganz einfach gewesen, so ist dies nicht so zu verstehen, dass der Beklagte zu 1. nicht vor den Personenkraftwagen des Zeugen auf den mittleren Fahrstreifen hätte gelangen können. Denn sonst hätte der Zeuge dem Beklagten zu 1. nicht bedeutet, ihn vorfahren zu lassen; sonst hätte der Zeuge ferner nicht angeben können, dass wenig später die Klägerin versucht habe, vor seinem - des Zeugen - Fahrzeug auf den mittleren Fahrstreifen zu fahren, um anschließend gleich wieder nach links auszuweichen. Damit ist die Schilderung des Zeugen W dahin zu verstehen, dass der Beklagte zu 1. sich im weiteren Verlauf ungeschickt und unachtsam, jedenfalls nicht entsprechend den einem Wendenden obliegenden Sorgfaltspflichten verhalten hat, wenn er nach links und nur kurz nach rechts schaute, zu diesem Zeitpunkt sich die Klägerin noch nicht näherte, er aber sodann seinen Blick wieder nach links richtete. Als der Beklagte zu 1, nun seinen Personenkraftwagen langsam in Bewegung zu setzen begann und etwa die Hälfte des linken Fahrstreifens mit seinem Fahrzeug versperrte, dabei der Beklagte zu 1. nur noch nach links schaute, bemerkte der Zeuge in seinem Rückspiegel die Klägerin mit dem Motorrad auf dem linken Fahrstreifen, und zwar nach seiner Schätzung aus einer Entfernung von etwa 20 Metern; sie solle "diese unübersichtliche Stelle mit etwas zu hoher Geschwindigkeit" befahren haben, ohne dass er eine Geschwindigkeitsangabe machen könne (Bl. 52 = BA Bl. 19). Er habe aber gesehen, dass die Klägerin zu bremsen begonnen habe, und im gleichen Augenblick habe der Beklagte zu 1. aus seiner Sicht wieder nach rechts - also in Richtung der sich nähernden Klägerin - gesehen und sein Fahrzeug, welches nur ganz langsam gerollt sei, abgebremst; es sei zum Stillstand gekommen und habe den linken Fahrstreifen noch nicht ganz versperrt. Die Klägerin müsse erkannt haben, das Motorrad vor dem Personenkraftwagen nicht mehr anhalten zu können. Sie habe deshalb eine Art Slalomfahrt ausgeführt. Dabei sei sie am Personenkraftwagen des Zeugen vorbei und davor nach rechts gefahren, um in den mittleren Fahrstreifen zu gelangen. Anschließend habe sie mit dem Motorrad wieder einen Schlenker nach links gemacht. Dabei sei es ihr nicht gelungen, an der Fahrzeugfront des Personenkraftwagens des Beklagten zu 1. vorbeizukommen. Sie sei gegen die Stoßstange des Fahrzeuges geraten und anschließend mit dem Motorrad zu Fall gekommen. Wegen des Rückstaus hinter seinem, des Zeugen, Fahrzeugs könne die Sicht der Klägerin nach vorn zusätzlich beeinträchtigt gewesen sein.

Entscheidend ist die Aussage des Zeugen W dass der Beklagte zu 1. mit seinem Personenkraftwagen den Mittelstreifendurchbruch verließ und nicht nur bis zur Mitte des linken Fahrstreifens vorrollte, als er über seinen Rückspiegel die Klägerin mit dem Krad wahrnahm, sondern der Beklagte zu 1. auch zu diesem Zeitpunkt so weiter vorfuhr, dass allenfalls nur noch 1/3 des linken Fahrstreifens unversperrt blieb. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte nach der Wahrnehmung des Zeugen W der Beklagte zu 1. nicht nach rechts in die Richtung geblickt, aus der die Klägerin kam. Im Vordergrund steht also die Unachtsamkeit des Beklagten zu 1., dass er nicht ständig den Blick nach links und rechts gewechselt hat. Dann hätte er wie der Zeuge W die Klägerin mit dem Motorrad wahrnehmen können, als sie noch etwa 20 Meter entfernt war und er gerade allenfalls die Mitte des linken Fahrstreifens erreicht hatte. Weil er als Wendender ständig bremsbereit fahren musste, hätte er auf der Stelle den Personenkraftwagen anhalten können und müssen, da das Fahrzeug nur langsam rollte. Er hat sich besonders aufmerksam verhalten müssen, weil der Zeuge W ferner dahin zu verstehen ist, dass der Beklagte zu 1. es zuvor lediglich infolge zögerlichen Verhaltens nicht geschafft hatte, zügig den Wendevorgang abzuschließen. Die Klägerin begann aber das Motorrad abzubremsen, als der Beklagte zu 1. mit dem Personenkraftwagen etwa die Mitte des linken Fahrstreifens erreicht hatte. Er rollte jedoch mit dem Fahrzeug auch jetzt noch weiter, bis nur noch etwa 1/3 des Fahrstreifens frei blieb. Wenn aber die Klägerin ihr Motorrad abzubremsen begann, als der Beklagte zu 1. sein Fahrzeug über die Mitte des linken Fahrstreifens weiterrollen ließ, wie der Zeuge W beobachtet hat, konnte die Klägerin nicht mehr vorausahnen, wo der Beklagte zu 1. den Personenkraftwagen endgültig anhalten werde und ob auf dem dritten Fahrstreifen dann noch für sie mit dem Motorrad genügend Platz bleiben würde, um vor dem Personenkraftwagen des Beklagten zu 1. vorbeifahren zu können. Sie konnte nicht voraussehen und sich nicht darauf einrichten, dass noch etwa 1/3 des Fahrstreifens unversperrt bleiben würde. Deshalb ist es nicht der Klägerin zuzurechnen, dass sie eine Berührung mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. dadurch zu umgehen versuchte, dass sie unmittelbar, nachdem sie am Personenkraftwagen des Zeugen W - auf dem mittleren Fahrstreifen - vorbeigefahren war, nach rechts ausscherte und sodann wieder nach links lenkte, jedoch hierbei im Bereich der Stoßstange das Fahrzeug des Beklagten zu 1. berührte und deshalb mit dem Motorrad zu Fall kam. Selbst wenn darin eine Fehlreaktion zu erblicken ist, ist sie uneingeschränkt dem Beklagten zu 1. zuzurechnen, weil er noch zu einem Zeitpunkt sein Fahrzeug weiterrollen ließ, als er die Klägerin hätte wahrnehmen müssen, sie aber nicht voraussehen konnte, wie sich der Beklagte zu 1. weiterhin verhalten würde, außerdem sie nicht mehr in der Lage war, noch vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. ihr Motorrad abzubremsen. Dass die Klägerin bei der von ihr eingehaltenen Geschwindigkeit das Motorrad noch hätte abbremsen können, lässt sich auf Grund der Bekundungen der Zeugen W und der beiden weiteren Zeugen nicht feststellen. Zwar hebt der Zeuge W insbesondere anlässlich seiner Vernehmung vor dem Landgericht (Bl. 62 R) hervor, die Klägerin hätte noch an dem - zu ergänzen ist: schließlich stehenden - Personenkraftwagen des Beklagten zu 1. vorbeifahren können, wenn sie eine "angemessene Geschwindigkeit" eingehalten hätte. In seiner schriftlichen Aussage vom 7. August 1998 (Bl. 52 = BA Bl. 19) spricht er von einer seines Erachtens "unübersichtlichen Stelle", die die Klägerin mit "etwas zu hoher Geschwindigkeit" befahren habe. Doch ist bereits ausgeführt worden, dass ein Motorradfahrer sich nicht stets auf mögliche Mittelstreifendurchbrüche in der Weise einrichten müsse, dass er vor ihnen noch anhalten könne. Denn er darf vertrauen, dass dort wendende Verkehrsteilnehmer nicht seine Vorfahrt beeinträchtigen. Entscheidend ist, dass der Zeuge W keineswegs zum Ausdruck hat bringen wollen, die Klägerin hätte die in geschlossenen Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten und etwa deshalb sich außer Stande gesetzt, unfallverhütend zu reagieren. Hierfür lässt sich noch anführen, dass der Zeuge seine schriftliche Aussage dahin ergänzt hat, trotz seines Hinweises auf die etwas zu hohe Geschwindigkeit könne er eine Geschwindigkeitsangabe nicht machen (Bl. 52 = BA Bl. 19). Daran ändert sich nichts dadurch, dass dieser Zeuge selbst die Berechtigung zum Führen eines Motorrades besitzt und vor dem Landgericht erklärt hat, er könne die Fahrweise der Klägerin gut beurteilen (Bl. 62 R).

Soweit der Zeuge W vor dem Landgericht schließlich noch angegeben hat, der Platz, der neben dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. auf dem linken Fahrstreifen noch frei gewesen sei, habe etwa die Hälfte bis ein Drittel des Fahrstreifens umfasst (Bl. 62 R), hat er insoweit seine frühere schriftliche Aussage vom 7. August 1998 nicht berichtigen wollen. Zudem war das Erinnerungsvermögen am 7. August 1998 erheblich frischer und ungetrübter als vor dem Landgericht am 9. Dezember 1999. Deshalb ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1. über die Hälfte des dritten Fahrstreifens hinausrollte und dieser Fahrstreifen schließlich "noch nicht ganz versperrt" war (Bl. 62 = BA Bl. 19).

b. Eine andere Wertung des Fahrverhaltens der Klägerin gestatten auch nicht die vom Kriminalbeamten J B als Zeugen bekundeten Wahrnehmungen vom Beifahrersitz des Fahrzeuges des Z W aus:

Bei den gleichfalls glaubhaften Bekundungen des Zeugen B ist zu beachten, dass er die Klägerin mit dem Motorrad erst gesehen hat, als sie an dem Personenkraftwagen vorbeigefahren war, in dem er sich auf dem Beifahrersitz befand, wie er vor dem Landgericht am 9. Dezember 1999 (Bl. 63 R) klargestellt hat. Deshalb ist ihm zu folgen, dass er über die von der Klägerin eingehaltene Geschwindigkeit überhaupt keine konkreten oder verwertbaren Angaben machen kann, zumal er erklärt hat, hierzu fühle er sich überfragt. Wenn er ferner angegeben hat, die Geschwindigkeit sei mindestens normal gewesen, langsam sei sie nicht gewesen, gestatten diese Angaben keine für die Entscheidung verwertbaren Rückschlüsse. Die Berücksichtigung seiner schriftlichen Aussage vom 21. Juli 1998 zur den Beklagten zu 1. betreffenden Bußgeldsache (Bl. 48 = BA Bl. 13) führt zu keiner Konkretisierung. Soweit der Zeuge vor dem Landgericht ferner erklärt hat, als der Beklagte zu 1. seinen Personenkraftwagen im linken Fahrstreifen angehalten habe, habe es diesen Fahrstreifen nicht vollständig in Anspruch genommen, sondern - so möchte er sagen - vielleicht die Hälfte (Bl. 63), lässt sich gerade der Art seiner Formulierung entnehmen, dass der Zeuge nicht mehr sicher wusste, wie weit der Beklagte zu 1. mit seinem Fahrzeug den linken Fahrstreifen versperrt hat. Deshalb kann nicht einfach auf die Zeichnung dieses Zeugen zur Bußgeldsache (Bl. 49 = BA Bl. 14) zurückgegriffen werden, in der er das Fahrzeug des Beklagten zu 1. so eingetragen hat, als habe es nur wenig in den linken Fahrstreifen hineingeragt.

Entscheidend ist, dass die Bekundungen des Zeugen B keine Feststellung - zu Lasten der Klägerin - gestatten, zu welchem Zeitpunkt sie hätte wahrnehmen können, wann der Beklagte zu 1. mit seinem Wagen den Mittelstreifendurchbruch verließ und ob sie zu diesem Zeitpunkt noch in der Lage war, unfallverhütend zu reagieren.

c. Auch die Bekundungen des Bauleiters O D als Zeugen vor dem Landgericht am 9. Dezember 1999 (Bl. 63 R, 64) führen zu keinem anderen Ergebnis. Er hat zwar die Klägerin mit dem Motorrad bereits im Rückspiegel wahrgenommen, hatte also dieselbe Fahrtrichtung eingehalten und hielt schließlich auf dem mittleren Fahrstreifen der nördlichen Richtungsfahrbahn der Ruhlebener Straße. Doch hat er das Fahrzeug des Beklagten zu 1. erst wahrgenommen, als das Motorrad von diesem etwa 10 Meter entfernt war. Dagegen konnte er sich nicht mehr erinnern, ob sich zu diesem Zeitpunkt der Personenkraftwagen noch in Bewegung befand oder schon hielt. Seine schriftliche Aussage vom 13. Juli 1998 zur genannten Bußgeldsache (Bl. 50 = BA Bl. 15 R, 16 R) gestattet hierzu gleichfalls keine anderen Feststellungen. Der Zeuge sah das Motorrad noch "schlingern", was darauf zurückzuführen sei, dass das Vorderrad stärker abgebremst worden sei als das Hinterrad; das konnte er beurteilen, da er selbst einen Motorradführerschein besitzt. Er bemerkte auch, dass die Klägerin versucht hatte, das Motorrad abzubremsen. In seiner schriftlichen Aussage hat der Zeuge noch ergänzt, dass die Klägerin "mit hoher Geschwindigkeit angefahren" gekommen sei (Bl. 50 = BA Bl. 15 R).

Allein wegen der "hohen Geschwindigkeit" kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten oder eine an die Verkehrssituation nicht angepasste Geschwindigkeit eingehalten hätte. Denn im Übrigen ist auch den Angaben des Zeugen D nicht zu entnehmen, ob die Klägerin überhaupt noch in der Lage war, unfallverhütend zu reagieren, als der Beklagte zu 1. begann, mit seinem Personenkraftwagen vom Mittelstreifendurchbruch aus in den linken Fahrstreifen einzufahren, ferner ob genügend Zeit verblieb, das Motorrad zu stabilisieren, als möglicherweise erkennbar wurde, dass von dem dritten Fahrstreifen noch etwa 1/3 seiner Breite schließlich frei blieb, wie der Zeuge W zu verstehen ist.

Allein hierauf ist abzustellen, weil den Beklagten der Beweis obliegt nachzuweisen, dass die Klägerin auf das Verhalten des Beklagten zu 1. noch unfallverhütend hätte reagieren können, jedoch die von ihr eingehaltene Geschwindigkeit oder eine etwaige Unachtsamkeit mit ursächlich geworden ist. Dieser Beweis ist ihnen nicht gelungen. Soweit sie sich im Berufungsverfahren (Bl. 104) auf eine Entscheidung des OLG Hamm (ZfS 1995, 166) berufen, betrifft diese Entscheidung die Produzentenhaftung für Nahrungsmittel und in diesem Zusammenhang Fragen zu § 847 Abs. 1 BGB, nicht aber Erläuterungen des Inhalts, wann einen wendenden Verkehrsteilnehmer kein Verschulden trifft.

d. Die Feststellung des Senats, dass die Beklagten den gesamten unfallbedingten Schaden der Klägerin zu ersetzen haben, beruht auf seiner ständigen Rechtsprechung, dass gegen den Wendenden der Beweis des ersten Anscheins spricht und ihm deshalb die Beweislast obliegt, dies zu widerlegen und ein Mitverschulden des Geschädigten nachzuweisen. Diese Fragen hat der Senat unter Beachtung allein des objektiven Aussagewertes der Bekundungen der drei genannten Zeugen geprüft und ihnen keine andere Bedeutung beigemessen, als das Landgericht es getan hat. Das Landgericht ist lediglich deshalb zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil es nicht ausreichend die anzuwendenden Rechtsgrundsätze und den Umfang der den Beklagten obliegenden Beweislast hinsichtlich des Nachweises eines Verschuldens beachtet hat. Deshalb musste der Senat die drei Zeugen nicht nochmals vernehmen, um die angefochtene Entscheidung abändern zu können.

II. Zur Höhe des unfallbedingten Schadens ist auszuführen:

1. a. Der zu ersetzende materielle Schaden setzt sich aus folgenden Positionen zusammen:

Wiederbeschaffungswert des Motorrades gemäß Privat- gutachten des Dipl.-Ing. J. I vom 27. Juli 1998 (Bl. 7, 11) 8.000,00 DM abzüglich Restwert (Bl. 7, 12) 1.900.00 DM 6.100,00 DM Kosten des Privatgutachtens gemäß Rechnung vom 27. Juli 1998 (Bl. 20) 814,09 DM Auslagenpauschale 30,00 DM Abschleppkosten und Vermessung des Motorrades gemäß Rechnung der F GmbH vom 27. Juli 1998 (Bl. 21), nicht bestritten 220,00 DM 490,00 DM Ab- und Ummeldekosten lediglich 75,00 DM Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage zu je 50,00 DM 700,00 DM Telefonkosten (Bl. 22), unstreitig 10,00 DM Kosten für ein Attest der Ärztin Dr. Z A gemäß Quittung vom 27. Juli 1998 (Bl. 24) 10.00 DM 8.449.09 DM.

b. Was die von der Klägerin mit 80,00 DM geltend gemachten Ab- und Ummeldekosten anbelangt, sind ohne Nachweis höherer Kosten nach ständiger Rechtsprechung des Senats pauschal nur mit 75,00 DM zu berücksichtigen (KG, Urteile vom 2. Dezember 1999 - 12 U 3997/98 -; 8. Januar 2001 - 12 U 7095/99 -), diese aber auch nur dann, wenn der Geschädigte sich tatsächlich ein Ersatzfahrzeug - hier ein Motorrad - angeschafft hat, also derartige Kosten entstanden sind.

c. Außerdem steht der Klägerin eine Nutzungsausfallentschädigung für die Wiederbeschaffungszeit von 14 Tage zu je 50,00 DM, insgesamt 700,00 DM zu.

Einem Geschädigten, der sein Fahrzeug nicht reparieren lässt, steht eine Nutzungsausfallentschädigung zu, wenn er sich ein Ersatzfahrzeug beschafft, allerdings begrenzt auf die fiktive Dauer der Reparatur, maximal auf die Dauer der üblichen Wiederbeschaffungszeit von 2 Wochen (vgl. BGH VersR 1976, 874, 876 = NJW 1976, 1396, 1398; KG, Urteile vom 25. Oktober 1993 - 12 U 4712/92 -; 3. März 1994 - 12 U 6305/92 -).

Die Klägerin hat nunmehr mit Schriftsatz vom 20. August 2001 dargelegt, dass sie sich ein Ersatz-Motorrad beschafft hat.

Allerdings ist zu beachten, dass die Klägerin ihr Motorrad mit Yamaha Virago bezeichnet hat (Bl. 2). Wegen der Bezeichnung Virago ist es der Gruppe E und nicht der Gruppe F der Tabelle für die Nutzungsausfallentschädigung für Krafträder bei Splitter (DAR 1998, 125, 134) mit 50,00 DM und nicht mit 60,00 DM pro Tag zuzurechnen. Die Krafträder von Yamaha werden der Gruppe F erst ab 37 kW zugeordnet. Das Motorrad der Klägerin hatte lediglich 32 kW (Bl. 8). Deshalb stehen ihr für 14 Tage lediglich 700,00 DM zu.

d. Der Klägerin stehen 4 % Zinsen auf 8.229,09 DM seit dem 14. August 1998 und auf die Abschleppkosten in Höhe von 220,00 DM 4 % Zinsen erst seit dem 23. Juni 1999, dem auf die Zustellung der Klageschrift folgenden Tage zu (§§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a.F.). Denn das nunmehr dem Senat vorliegende Schreiben vom 24. Juli 1998 (Bl. 120), mit dem die Klägerin ihren Schaden gegenüber der Beklagten zu 2. abgerechnet hat, betrifft noch nicht die Abschleppkosten. Damit hat sie die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom 12. August 1998 (Bl. 28) lediglich bezüglich der übrigen Schadenspositionen in Verzug setzen können.

2. Ferner begehrt die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt mindestens 4.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Oktober 1998. Sie begnügt sich nicht mit den ihr vom Landgericht zuerkannten 1.300,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Juni 1999 (Rechtshängigkeit). Ihr stehen 4.000,00 DM zu:

a. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von seiner Doppelfunktion auszugehen (vgl. BGHZ 18, 149; KG DAR 1987, 151 = VerkMitt 1986, 69 = VRS 72, 331, 333). Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Der Entschädigungs- und Ausgleichsgedanke steht im Vordergrund. Die wesentliche Grundlage für die Höhe der Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, die Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, die Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie ferner der Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles.

Bei Verletzungen infolge Verkehrsunfalls wird die Höhe des Schmerzensgeldes in erster Linie - entsprechend der im Vordergrund stehenden Ausgleichsfunktion - durch das Maß der dem Verletzten durch den Unfall zugefügten Lebensbeeinträchtigung bestimmt. Bei der Bemessung der Höhe ist die besondere Natur des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Dieser ist vom Gesetzgeber lediglich formal als Schadensersatzanspruch ausgestaltet, seinem Inhalt nach aber jedenfalls nicht ein solcher der üblichen, d.h. auf den Ausgleich von Vermögensschäden zugeschnittenen Art. Immaterielle Schäden betreffen gerade nicht in Geld messbare Güter, wie im Streitfall die körperliche Unversehrtheit der Klägerin. Daher lassen sie sich niemals in Geld ausdrücken und kaum in Geld ausgleichen. Die Eigenart des Schmerzensgeldanspruchs hat zur Folge, dass dessen Höhe nicht auf Heller und Pfennig bestimmbar und für jedermann nachvollziehbar begründbar ist. Auch deswegen eröffnet der in § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgeschriebene Maßstab der Billigkeit dem Richter einen Spielraum, den er durch eine Einordnung des Streitfalles in die Skala der von ihm in anderen Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder ausfüllen muss (KG DAR 1987, 151; VerkMitt 1996, 44 Nr. 60; KG, Urteile vom 13. April 2000 - 12 U 7999/97 -; 23. April 2001 - 12 U 971/00 -).

b. Um die Höhe des Schmerzensgeldes schätzen zu können (vgl. § 287 ZPO), hat der Senat gemäß Beschluss vom 13. August 2001 in Verbindung mit dem Anschreiben gleichfalls vom 13. August 2001 auf Antrag der Klägerin die schriftliche Äußerung der Ärztin für Chirurgie Dr. S Z A vom 15. August 2001 als sachverständige Zeugin eingeholt (vgl. §§ 377 Abs. 3, 414 ZPO).

Wie der Äußerung dieser sachverständigen Zeugin zu entnehmen ist, bestand Dienstunfähigkeit bis zum 24. August 1998. Am 16. November 1998 fand sich noch eine Weichteilschwellung links medial am Knie; quälende Schmerzen sind für diese Zeit nicht dokumentiert. Auch ist die Ärztin so zu verstehen, dass keine medizinische Notwendigkeit bestand, Gehstützen zu benutzen; es kommt nicht weiter darauf an, ob die Klägerin Gehstützen brauchte, die Ärztin dies nur nicht wahrgenommen hat.

Im Übrigen hat die sachverständige Zeugin die Behauptungen der Klägerin bestätigt. Danach ist die Klägerin nach dem Unfall mit der Feuerwehr ins Krankenhaus Spandau verbracht worden. Dort wurde sie 4 Tage lang stationär betreut. Sie hatte eine schwere Prellung des Knies erlitten. Das tiefe Hämatom der Wade musste mehrfach punktiert werden. Die Verletzung ist als schwerwiegend und schmerzhaft zu bezeichnen. Der Heilungsverlauf war langwierig. Es bestand ein hinkendes Gangbild. Ultraschallbehandlung und Krankengymnastik vom 13. Juli bis 7. August 1998 sowie ferner Muskelaufbautraining waren erforderlich. Die Klägerin war infolge der Verletzungen gehindert, eine für Juli1998 geplante Urlaubsreise anzutreten. Bei der letzten Untersuchung am 16. November 1998 fand sich neben der bereits umschriebenen Schwellung unterhalb des linken Knies noch eine gewisse Druckempfindlichkeit. Seither war abgesehen von der Verordnung von Salben eine weitere Therapie nicht mehr einzuleiten. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach Angaben der sachverständigen Zeugin nicht verblieben.

Diese Angaben der Ärztin Dr. Z A als sachverständige Zeugin sind von keiner Partei in Frage gestellt worden. Die von ihr umschriebenen Verletzungen und Folgen gestatten die Schätzung, dass der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 DM zusteht (§§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 287 ZPO). Mit dieser Schätzung befindet sich der Senat im Rahmen der von Gerichten in vergleichbaren oder ähnlich gelagerten Fällen ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträge. Hierzu wird auf folgende bei Hacks/Ring/Böhm (Schmerzensgeldbeträge, 20. Aufl., 2001) wiedergegebene Fälle verwiesen:

Lfd. Nr. 746: LG Augsburg, Urteil vom 21. Februar 1989:

4.000,00 DM für Verletzungen am linken Unterschenkel, linken Handgelenk und linken Ellenbogengelenk mit deutlich sichtbar dunkel verfärbter Narbe am Unterschenkel und Anschwellung des Fußes.

Lfd. Nr. 755: AG Landau/lsar, Urteil vom 10. März 2000:

4.000,00 DM für Schürfwunden am Unterkiefer, Hämatom und Druckschmerz am rechten Ellenbogen, HWS-Distorsion, Toraxprellung links, Beckenprellung links, M.d.E. 21 Tage lang 100 %, 14 Tage lang 20 %.

Lfd. Nr. 765: LG Augsburg, Urteil vom 27. Oktober 1989:

4.000,00 DM wegen Verletzungen am linken Unterschenkel, am linken Handgelenk und am linken Ellenbogengelenk; etwa 2 Monate dauernde ambulante Behandlung.

Lfd. Nr. 774: LG Flensburg, Urteil vom 28. Oktober 1992:

4.000,00 DM für Teilverletzung des vorderen Kreuzbandes, geringfügige Verletzung des Außenmeniskus am rechten Knie, Schürfwunden und Prellungen am rechten Arm, leichte Instabilität des rechten Knies, M.d.E. 12 Wochen lang 100 %, 3 Wochen lang 70 % und 5 Wochen lang 30 %.

Lfd. Nr. 793: LG Kassel, Urteil vom 10. Februar 1993:

4.000,00 DM wegen Distorsion des rechten Kniegelenks mit Innenbanddehnung, Schädelprellung und Schnittwunde an der Nase, Verdacht auf Bänder- und Meniskusläsion; M.d.E. 45 Tage lang 100 %, 11 Tage lang 80 %, 21 Tage lang 50 %.

Die beiden zuletzt genannten Entscheidungen betreffen Verletzungen, die gravierender sind als diejenigen der Klägerin. Soweit unter den lfd. Nrn. 786 (Urteil vom 20. Juni 1991) und 794 (Urteil vom 30. August 1990) gleichfalls Schmerzensgeldbeträge von 4.000,00 DM ausgeurteilt worden sind, haben erheblich gravierendere Verletzungen vorgelegen. Wenn deshalb berücksichtigt wird, dass in diesen Fällen einerseits nachhaltigere Verletzungen zu bewerten waren, andererseits diese Entscheidungen teilweise 10 Jahre alt und geringfügig älter sind, außerdem auch eine Geldentwertung berücksichtigt werden kann (vgl. Hacks/Ring/Böhm, a.a.O., S. 15), erscheint unter Beachtung der neueren Entscheidung zur lfd. Nr. 755 ein Schmerzensgeld von 4.000,00 DM zu Gunsten der Klägerin ausgewogen und ausreichend (§ 287 ZPO). Hierdurch wird zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass die Klägerin gehindert war, mit Familienangehörigen eine gemeinsam geplante Reise anzutreten, weil es naheliegt, dass sich dieser Umstand auf die psychische Verfassung ausgewirkt hat.

Dagegen stehen der Klägerin 4 % Zinsen auf den Schmerzensgeldbetrag erst seit dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tage, dem 23. Juni 1999 zu (§§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a.F.), wie es auch das Landgericht angenommen hat. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Beklagten nicht dadurch in Verzug geraten, dass die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom 22. Oktober 1998 (Bl. 98) den Ausgleich bislang geltend gemachter Aufwendungen abgelehnt hat. Das Schreiben ist dahin zu verstehen, dass die Klägerin zuvor Schmerzensgeld in konkreter Höhe nicht geltend gemacht und damit die Beklagte nicht in Verzug gesetzt hat.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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