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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.11.2005
Aktenzeichen: 12 U 214/04
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 286
ZPO § 398
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
StVG § 17 Abs. 1
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
Widersprüche in der Beweiswürdigung von Zeugenaussagen durch das Erstgericht können Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen begründen und eine erneute Beweisaufnahme gebieten (§§ 398, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Anscheinsbeweis gegen den von hinten Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge - unstreitig oder erwiesenermaßen - so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können Bleibt bei einem Auffahrunfall - wegen eines unstreitigen oder ernsthaft möglichen Fahrstreifenwechsels als Unfallursache - der Unfallhergang im Einzelnen ungeklärt, ist der Schaden hälftig zu teilen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 214/04

verkündet am : 21.November 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2005 durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 3. September 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 24 O 268/03 - teilweise abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1) 1.064,50 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 1.019,50 EUR seit dem 28. März 2003, aus 45,- EUR seit dem 1. Juli 2003 sowie aus 1.728,65 EUR für den Zeitraum vom 28. März 2003 bis zum 5. November 2004 und weitere 200,- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2003 und an die Klägerin zu 2) 200,- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1) 52 %, die Klägerin zu 2) 3 % und die Beklagten 45 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A. Die Berufung der Kläger hat nur zum Teil Erfolg.

1. Zu Unrecht ist das Landgericht in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass dem Kläger zu 1) ein Anspruch auf Ersatz des ihm bei dem Unfall vom 7. Dezember 2002 entstan-denen Schadens sowie den Klägern ein Anspruch auf Schmerzensgeld für die bei dem fraglichen Unfall erlittenen Verletzungen nicht zusteht.

a. Dabei rügt die Berufung zunächst zu Recht, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht frei von Widersprüchen ist.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges sich bei der Tatsachenfest-stellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen.

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, den Sachverhalt auf Grundlage des Parteivorbringens möglichst vollständig aufzuklären (BGH NJW 1997, 1988). Er hat die in erheblicher Weise beantragten Beweise erschöpfend zu erheben und sich in der Urteilsbegründung mit dem Prozessstoff und dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinanderzusetzen (BGH NJW 2000, 2024; Senat, Urteil vom 12. Januar 2004 - 12 U 211/02, DAR 2004, 223). Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen ausführlich einzugehen; es genügt, das nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 286 Rn. 3, 5 und 6 m. w. N.).

Auch wenn der Richter im Rahmen seiner Überzeugungsbildung einer Partei mehr Glauben schenken darf, als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als erwiesen ansehen kann (KG, Urteil vom 3. November 2003 - 22 U 136/03 - KGR 2004, 38 =MDR 2004, 533), können Widersprüche bei der Beweis-würdigung dazu führen, dass Anlass besteht, von dieser abzuweichen.

Das Landgericht hat in seiner äußerst kurzen Beweiswürdigung allein darauf abgestellt, dass durch die Aussage der Zeugin nnnnnn , der Kläger habe von der rechten in die linke Spur wechseln müssen und kurze Zeit danach sei der Anstoß erfolgt, bewiesen sei, der Unfall habe sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des Klägers ereignet. Die Aussage des Zeugen nnnnnnn sei nicht geeignet gewesen, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, da der Zeuge angegeben hatte, der Kläger zu 1) sei bereits "ein paar Minuten" in der linken Spur gewesen, als das Pannenfahrzeug in Sicht gekommen sei. Diese Zeitangabe sei nach Auffassung des Landgerichts viel zu unbestimmt gewesen.

Das Landgericht verkennt, dass die Angabe "kurze Zeit" ebenfalls ungenau und keinesfalls bestimmter ist, als die Angabe "ein paar Minuten". Dies gilt umso mehr, wenn, wie hier, die Zeugin keine Angaben dazu gemacht hat, welcher Zeitraum für sie bei dem zu beschreibenden Sachverhalt eine "kurze Zeit" darstellt. Dies können nach dem üblichen Sprachgebrauch je nach Fall, nur einige Sekunden, mehrere Minuten, oder auch wenige Tage sein. Wenn das Landgericht diesem Teil der Aussage der Zeugin nnn ein derartiges Gewicht hätte beimessen wollen, so wäre es erforderlich gewesen die Zeugin zu fragen, was genau sie mit der Angabe "kurze Zeit" meint.

Allein die vom Landgericht gegebene Begründung ist jedenfalls nicht geeignet, der Aussage der Zeugin nnnnnnn den Vorzug vor der Aussage des Zeugen nnnnnnn zu geben. Dass das Landgericht die Aussage des Zeugen nnnnnnn für unglaubhaft oder den Zeugen für nicht glaubwürdig hält, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

b. Nach der im Berufungsrechtszug gemäß §§ 398, 529 Abs. 1 ZPO wiederholten Beweisaufnahme lässt sich nicht mit der für die Überzeugung des Gerichts nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit klären, ob es sich bei dem Unfall um einen typischen Auffahrunfall handelte, wonach für ein alleiniges Verschulden des Beklagten zu 2) und damit die volle Haftung der Beklagten der Beweis des ersten Anscheins sprechen würde, oder ein unmittelbar vorangegangener Fahrstreifenwechsel des Klägers (ebenfalls noch) unfallursächlich gewesen ist.

aa. Die Zeugin nnnnnnn hat ausgesagt, dass der Kläger zu 1) bereits auf der linken Spur gefahren sei, als es zu dem Anstoß kam. Er habe den Fahrstreifenwechsel nicht anlässlich der Situation mit dem Pannenfahrzeug durchgeführt, sondern sei bereits längere Zeit zuvor auf der linken Spur gefahren. Zu ihrer Aussage vor dem Landgericht gab die Zeugin nnnnnnn an, es sei in der dortigen Vernehmung nach ihrem damaligen Eindruck nicht um die Frage gegangen, in welcher Zeit vor dem Unfall der Fahrspruchwechsel erfolgt sei, sondern vordringlich darauf angekommen, ob der Kläger zu 1) geblinkt habe. Sie habe sich seinerzeit offenbar nicht richtig ausgedrückt und ihr sei nicht bewusst gewesen, welche Folgen es haben könne, wenn man eher ungenaue Angaben mache. Die Zeugin konnte auf Befragen auch nicht angeben, welchen Zeitraum sie bei ihrer Aussage vor dem Landgericht mit der Angabe kurze Zeit gemeint habe. Sie habe seinerzeit keine andere Aussage gemacht. Ihre Angaben seien nur nicht so aufgenommen worden, wie sie gemeint gewesen seien.

Der Zeuge nnnnnnn hat auch in seiner erneuten Vernehmung vor dem Berufungsgericht angegeben, dass sich das Fahrzeug des Klägers zu 1) bereits auf der linken Spur befunden hatte, als das Pannenfahrzeug in Sicht kam und sich mehrere Fahrzeuge vor ihnen einfädelten. Der Kläger zu 1) sei nicht auf Grund des Pannenfahrzeugs nach links hinüber gefahren. Dies sei bereits zuvor aus einem anderen, ihm nicht mehr erinnerlichen Grund erfolgt.

Der Beklagte zu 2) hingegen hat angegeben, dass der Kläger zu 1) zwar eher allmählich und nicht abrupt, aber unmittelbar vor dem Unfall den Fahrstreifen gewechselt habe. Dies hatte er auch bereits vor dem Landgericht angegeben. Weiterhin gab der Beklagte zu 2) an, dass er lediglich verhalten abgebremst hatte, da er annahm, er werde es noch schaffen und sich zudem hinter ihm dichter Verkehr befunden habe, weshalb er von einer Vollbremsung Abstand genommen habe.

Das Gericht ist trotz der konstanten und bereits in erster Instanz durchaus eindeutigen Aussage des Zeugen nnnnnnn , der Kläger zu 1) sei bereits ein paar Minuten auf der linken Spur gefahren, nicht sicher davon überzeugt, dass dem Unfall kein im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang damit stehender Fahrspurwechsel vorausgegangen war.

Einen solchen Fahrspurwechsel haben die Beklagten bereits mit der Klageerwiderung vorge-bracht, auch wenn sie dort entgegen den Angaben des Beklagten zu 2) einen abrupten Wechsel behauptet hatten. Außerdem ist in dem vorliegenden polizeilichen Unfallbericht vom 12. Dezember 2002 festgehalten, dass der Kläger zu 1) vor dem Unfall von dem rechten in den linken Fahr-streifen gewechselt sei. Dieser Bericht war gefertigt worden, nachdem zunächst in dem Bericht vom 7. Dezember 2002 festgehalten wurde, dass der Beklagte zu 2) hinter dem Kläger zu 1) in der linken Spur und auf diesen aufgefahren sei.

Schließlich ist auch die Aussage der Zeugin nnnnnnn nicht geeignet, einen Fahrspurwechsel auszuschließen. Zwar hat sie ihre Angaben, ein solcher sei "kurze Zeit" vor dem Unfall erfolgt, insoweit zumindest abgemildert, als sie sicher ausschloss, dass diese "kurze Zeit" im Sinne von einer halben Minute zu verstehen sei. Ihre damalige Ausdrucksweise erklärte sie nunmehr damit, dass sie auf die Frage, in welchem zeitlichen Abstand ein Fahrstreifenwechsel tatsächlich erfolgt war, kein besonderes Gewicht gelegt habe und hiernach auch nicht explizit gefragt worden sei.

Die Zeugin nnnnnnn hatte jedoch in ihrer damaligen Aussage vor dem Landgericht ange-geben, dass der Kläger zu 1) seinerseits den Fahrstreifen erst gewechselt habe, nachdem das Pannenfahrzeug in Sicht gekommen war. Sie drückte sich dergestalt aus, dass deshalb "alle Fahrzeuge von der rechten in die linke Spur wechseln" mussten; "auch diese Fahrzeuge mussten vor uns nach links rüber wechseln in die neben uns gelegene Spur". "Wir sind dann in den links neben uns gelegenen Fahrstreifen eingefahren".

Diese früheren Angaben der Zeugin nnnnnnn sind eindeutig dahin zu verstehen, dass der Spurwechsel des Klägers zu 1) in unmittelbarem Zusammenhang mit dem auf der rechten Spur stehenden Pannenfahrzeug erfolgte. Insoweit hat die Zeugin auch nach Vorhalt dieser Aussage nunmehr jedoch angegeben, dass sie dieses Pannenfahrzeug erst nach dem Unfall wahrge-nommen habe und es nicht Anlass für den Spurwechsel gewesen sei.

Nach alledem kann, was auch das durch das Landgericht eingeholte Gutachten feststellt, sowohl die durch die Beklagten vorgetragene Situation eines Fahrspurwechsels unmittelbar vor dem Unfall, als auch ein typischer Auffahrunfall, bei dem der Beklagte zu 2) die Gefahrensituation auf der Autobahn nicht bemerkt und das Abbremsen der Fahrzeuge vor ihm übersehen hat, gegeben gewesen sein.

Es ist weder ersichtlich, dass eine der Parteien ersichtlich die Unwahrheit vorgetragen hat, noch vermag das Gericht festzustellen, dass die Zeugen nnn in ihrer Aussage vor dem Berufungs-gericht die Unwahrheit gesagt haben und allein die frühere Aussage der Zeugin nnnnnnn zutreffend ist.

Die Beklagten haben damit den ihnen obliegenden Beweis eines in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall erfolgten Fahrstreifenwechsels nicht erbracht, ohne dass jedoch die ernsthafte Möglichkeit eines solchen ausgeschlossen werden kann.

Auch wenn für die im Rahmen der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO erforderliche Über-zeugung des Richters keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" erforderlich ist, sondern nur ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (st. Rspr., BGH, Urteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02, NJW 2003, 1116 = VersR 2003, 474; BGHZ 53, 243, 256 = NJW 1970, 946; BGH VersR 1977, 721; Senat, NJW 1989, 2948 = VersR 1989, 758, 759), so gilt doch, dass weniger als die Überzeugung von der Wahrheit der behaupteten Tatsache für das Bewiesensein nicht ausreichen und ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmals berechtigt (Senat, Urteil vom 21. April 2005 - 12 U 210/03 -).

bb. Bleibt der Unfallhergang ungeklärt, so ist die von beiden Parteien jeweils zugestandene Fahrweise zugrunde zu legen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 17 StVG, Rn 31).

Der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge - unstreitig oder erwiesenermaßen - so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können (OLG Celle, VersR 1982, 960; OLG München, NZV 1989, 438; Senat, Urteile vom 22. Juni 1992 - 12 U 7008/ 91 - ; vom 7. Juni 1999 - 12 U 4408/97 - ; vom 11. September 2000 - 12 U 1361/99 - ).

Bleibt dies ebenso ungeklärt wie die Frage, ob sich der Unfall in unmittelbarem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit einem - unstreitigen - Fahrstreifenwechsel des angestoßenen Fahrzeugs ereignet hat, ist der Schaden hälftig zu teilen (Senat, Urteil vom 26. August 2004 - 12 U 195/03 - DAR 2005, 157 = VRS 108, 25 = OLGR 2005, 99).

Der Beweis des ersten Anscheins spricht zwar gegen den Auffahrenden, wenn sich beide Fahrzeuge im gleichgerichteten Verkehr bewegt haben und der Nachfolgende auf das Heck des Vorausfahrenden gestoßen ist. Dies gilt auch bei bloßer Teilüberdeckung der Stoßflächen. Der Anscheinsbeweis versagt jedoch, wenn der Vorausfahrende erst einige Augenblicke vor dem Auffahrunfall in den Fahrstreifen des Auffahrenden gewechselt ist. Die Beweislast für die Möglichkeit eines anderen, untypischen Verlaufs und damit auch für den Fahrstreifenwechsel trifft zwar den Auffahrenden. Das atypische Schadensbild (Schrägaufprall, knappe Überdeckung), der Fahrbahnverlauf oder die Stellung der Fahrzeuge auf der Fahrbahn sind im Einzelfall ein Indiz für einen behaupteten Fahrstreifenwechsel (KG, Urteil vom 22. Januar 2001 - 22 U 1044/00 -, KGR 2001, 93 = MDR 2001, 808). Ebenso gilt dies für die vorliegende polizeiliche Unfallanzeige, das Vorbringen der Parteien und die Zeugenaussagen.

Bleibt der Unfallhergang - bei einem ernsthaft möglichen Fahrstreifenwechsel als Unfallursache -ungeklärt, ist der Schaden hälftig zu teilen (Senat, Urteil vom 19. Juni 1997 - 12 U 2131/96 - VM 1997, 76 Nr.98; siehe auch Senat, Urteil vom 6. Februar 1997 - 12 U 5521/95 - VM 1997, 43 Nr.58 = KGR 1997, 223).

c. Soweit der Beklagte zu 2) sowohl vor dem Landgericht, als auch im Termin vom 24. Oktober 2005 angegeben hatte, dass der von ihm als dem Unfallgeschehen unmittelbar vorausgehend dargestellte Fahrstreifenwechsel des Klägers zu 1) jedenfalls nicht abrupt, sondern allmählich vor sich ging und er daraufhin lediglich verhalten gebremst habe, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung der Haftung.

Der Beklagte hat zwar nach seinen Angaben keine Vollbremsung vollzogen, weil er die Situation einerseits so eingeschätzt hatte, dass die von ihm vorgenommene Bremsung ausreichen würde und zudem im Hinblick auf die hinter ihm fahrenden Fahrzeuge Sorge hatte, dass eine Vollbrem-sung gefährlich wäre. Dieses Verhalten des Beklagten wäre bei einem dann als unmittelbar vorausgegangen angenommenen Fahrstreifenwechsel jedoch nicht geeignet, die Haftung des Klägers zu 1) vollständig entfallen zu lassen, sondern würde lediglich einem hälftigen Mitverur-sachungsanteil des Beklagten zu 2) im Sinne des § 17 Abs. 1 StVG begründen.

2. Der Anspruch des Klägers zu 1) berechnet sich danach wie folgt:

a) unmittelbarer Sachschaden

Reparaturkosten 4.068,89 EUR merkantiler Minderwert 400,- EUR Sachverständigenkosten 452,40 EUR 4.921,29 EUR abzüglich der von der Kaskoversicherung erstatteten Kosten in Höhe von 3.528,05 EUR und 661,24 EUR 732,- EUR.

Bei einer Haftungsquote von 50 % bestünde der Anspruch des Klägers zu 1) auf Ersatz des unmittelbaren Sachschadens in Höhe von 50 % von 4.921,29 EUR = 2.460,65 EUR. Aufgrund des Quotenvorrechts verbleiben dem Kläger zu 1) 732,- EUR.

b) Sachfolgeschaden

Nutzungsausfall 650,- EUR Kostenpauschale 15,- EUR 665,- EUR

Der Anspruch des Klägers zu 1) auf Ersatz des Sachfolgeschadens beträgt 50 % von 665,- EUR, mithin 332,50 EUR.

3. Hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs haben die Beklagten den Eintritt der vorgetragenen Verletzungen als solche nicht, sondern allein die Höhe des Schmerzensgeldes bestritten.

Für den Kläger zu 1) ist zu berücksichtigen, dass er ausweislich des unstreitigen Vorbringens ein leichtes HWS-Trauma erlitt und in der Zeit vom 7. - 29. Dezember arbeitsunfähig erkrankt war.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von seiner Doppelfunktion auszugehen (BGHZ 18, 149; KG DAR 1987, 151). Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Die wesentliche Grundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden sowie Dauer der Behandlungen und der Arbeitsunfähigkeit, Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufs, Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie ferner Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles.

Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers zu 1) erscheint vorliegend ein Schmerzensgeld in Höhe von 200,- EUR angemessen, aber auch ausreichend. Insoweit wird verwiesen auf die Entscheidungen unter laufender Nr. 86, 95 und 93 der Schmerzensgeldtabelle Hacks/Ring/Böhm, 22. Auflage.

Die Klägerin zu 2) hat ausweislich ihres Vorbringens und des eingereichten ärztlichen Berichts ebenfalls ein leichtes HWS-Trauma sowie eine Schädelprellung erlitten und befand sich vom 9.-16. Dezember 2003 in ärztlicher Behandlung. Dies rechtfertigt, da der Klägerin zu 2) ein Mit-verschulden nicht zuzurechnen ist, ein Schmerzensgeld von ebenfalls 200,- EUR. Insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidungen zu laufender Nr. 39, 40 der oben genannten Schmerzensgeldtabelle.

4. Der Zinsanspruch ist berechtigt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs auf den für erledigt erklärten Teil der Hauptforderung ist dieser nur aus einem Betrag von 1.728,65 EUR (2.793,15 - 1.064,50 EUR) berechtigt, da dem Kläger zu 1) auch ohne das erledigende Ereignis gemäß den obigen Ausführungen lediglich ein Anspruch in Höhe von 2.793,15 EUR zustand.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 269 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 1 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Diese waren nach billigem Ermessen ebenfalls zum Teil dem Kläger zu 1) und zum Teil den Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger zu 1) hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Klageforderung von 4.189,29 EUR lediglich in Höhe von 50 %, mithin 2.094,65 EUR obsiegt hätte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

C. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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