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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.07.2006
Aktenzeichen: 12 U 217/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 547
Die ZPO sieht für das Berufungsverfahren - anders als in § 547 ZPO für die Revision - keine absoluten Berufungsgründe vor. Selbst wenn das angefochtene Urteil in vollständiger Fassung prozessordnungswidrig erst später als 5 Monate nach seiner Verkündung zugestellt wird (wesentlicher Verfahrensmangel), kann der Rechtsstreit nicht allein deshalb an das Erstgericht zurückgewiesen werden, weil die Entscheidung nicht darauf beruht (BGH NJW-RR 2004, 361). Die Prozessführungsbefugnis des Hausverwalters zur Einziehung von Mieten aufgrund einer Ermächtigung des Vermieters (gewillkürte Prozesstandschaft) erfordert ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse des Verwalters. Dieses liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung des Prozesses die eigene Rechtslage des Verwalters beeinflusst. Dies ist nicht schon deshalb der Fall, weil der Vermieter den Verwalter bevollmächtigt hat, ihn gegenüber den Mietern zu vertreten oder er dem Verwalter zu ordnungsgemäßer Verwaltung und Rechenschaft verpflichtet ist.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 217/05

In Sachen

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts am 10. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Es wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist hier nicht der Fall.

Denn die angefochtenen Entscheidung beruht weder auf einem Verfahrensfehler noch ist ihr Ergebnis rechtlich zu beanstanden.

Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Der - hilfsweise gestellte, aber logisch vorrangige - Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Berlin und dort an eine andere Kammer ist unbegründet.

Zwar wurde das am 6. Juni 2005 verkündete unechte Versäumnisurteil der Klägerin in vollständig begründeter Fassung erst am 12. Mai 2006 zugestellt.

§ 547 Nr. 6 ZPO, wonach ein absoluter Revisionsgrund dann vorliegt, wenn das Urteil entgegen den Bestimmungen der ZPO nicht mit Gründen versehen ist, und dies zur Aufhebung des Urteil und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führt (§§ 562, 563 ZPO) gilt jedoch nicht im Berufungsverfahren.

Denn § 513 ZPO verweist lediglich auf § 546 ZPO, nicht jedoch auch auf § 547 ZPO; diese Vorschrift ist als Ausnahmetatbestand auch nicht analogiefähig.

Eine Zurückverweisung an das Landgericht kommt auch nicht nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Betracht.

Zwar bedeutet jeder Verstoß gegen § 547 ZPO einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. nur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. 2006, § 538 Rn 5).

Weitere Voraussetzung für eine Zurückverweisung ist jedoch, dass aufgrund des wesentlichen Verfahrensmangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und - vor allem - dass das angefochtene Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruht (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO)

Dies ist nicht ersichtlich; denn soweit die verspätete Zustellung des vollständigen Urteils prozessordnungswidrig war, beruht die Entscheidung nicht darauf (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - XII ZB 102/02 - BGHR 2004, 49 = NJW-RR 2004, 361 = FamRZ 2004, 22).

2. In der Sache selbst folgt der Senat dem zutreffenden Ergebnis der angefochtenen Entscheidung, das auch durch den Schriftsatz vom 7. Juli 2006 nicht entkräftet wird.

Vielmehr ist auch für den Senat die erforderliche Prozessführungsbefugnis der Klägerin nach wie vor nicht erkennbar.

a) Das dafür erforderliche rechtsschutzwürdige Interesse der Klägerin als Hausverwalterin an der Geltendmachung von Mietzinsansprüchen der GbR-Mnnnn -Knn -Center in eigenem Namen (gewillkürte Prozessstandschaft) hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint, auch wenn die Formulierung auf S. 4 der Urteilsgründe ("ein eigenes (wirtschaftliches) Interesse" reiche aus) mißverständlich sein kann.

Denn eine bloße Prozesswirtschaftlichkeit kann das gerade rechtlich erforderliche Interesse nicht begründen (BAG DB 1984, 2566).

Vielmehr ist das erforderliche rechtsschutzwürdige Interesse des Verwalters (Klägerin) an der Durchsetzung der Mietforderung nur dann gegeben, wenn die Entscheidung des Prozesses die eigene Rechtslage des Prozessführenden beeinflusst (st. Rspr., vgl. BGHZ 92, 349; BGHZ 96, 152 = NJW 1986, 850; BGHZ 100, 218 = NJW 1987, 210; BGHZ 107, 389 = NJW 1990, 1987; BGHZ 108, 56 = NJW 1989, 2751; BGHZ 119, 242 = NJW 1993, 919; BGHZ 125, 199 = NJW 1994, 2549; BGH NJW 2003, 2232; OLG Celle NJW 1998, 2477; Baumbach u. a., a. a. O., Grdz § 50 Rn 31; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 50 Rn 44).

Dies ist bei Geltendmachung von Mietzinsforderungen durch den Hausverwalter des Vermieters im Wege gewillkürter Prozessstandschaft grundsätzlich nicht der Fall (LG Görlitz, Urteil vom 24. September 1997 - 2 S 12/97 - WuM 1997, 682; LG Berlin NJW-RR 1993, 1234 = GE 1993, 317; LG Kassel NJW-RR 1991, 529 = ZMR 1992, 548; LG Hamburg WuM 1991, 599; AG Wuppertal WuM 1993, 416; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl. 1996, Rn 1409;).

Diese Einschätzung wird von der Klägerin auch nicht mit Schriftsatz vom 7. Juli 2006 entkräftet.

Der vorliegende Einzelfall weist keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen, von der Regel abzuweichen.

Ein eigenes rechtliches Interesse ergibt sich für die Klägerin nicht schon daraus, dass sie dem Vermieter Rechenschaft über ihre Verwaltung schuldet (vgl. LG Görlitz, aaO, LG Hamburg aaO, LG Kassel, aaO).

Es ist auch nicht erkennbar, dass aus der Vereinbarung in § 1 der Hausverwaltervollmacht vom 1. Juni 2004 ("Der Verwalter vertritt den Eigentümer gegenüber den Mietern") etwas dafür abzuleiten ist, dass die Entscheidung des Prozesses die eigene Rechtslage der Klägerin beeinflusst.

Es kann dahinstehen, ob sich im Hinblick auf Hausverwaltungen allgemein die wirtschaftlichen Verhältnisse gewandelt haben. Dies mag im Einzelfall ein wirtschaftliches Interesse an einem Prozessieren von Hausverwaltungen in eigenem Namen über Rechte der Hauseigentümer begründen.

Derartiges reicht jedoch nicht aus, um ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Verwalters zu begründen (vgl. auch Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII Rn 49). Dies verkennen das Landgericht Darmstadt (WuM 1990, 445), dessen Begründung die Klägerin sich zu eigen macht, sowie das dieser Entscheidung folgende Landgericht Bremen (WuM 1993, 605). Es handelt sich um vereinzelt gebliebene Entscheidungen (vgl. LG Görlitz, a. a. O.) , denen auch der Senat nicht folgt.

b) Weil schon das eigene rechtliche Interesse der Klägerin nicht erkennbar ist, kommt es nicht vorrangig darauf an, ob die allgemeine Ermächtigung in der Hausverwaltervollmacht vom 1. Juni 2004 (K 2) und / oder die spezielle Vollmacht vom 17. Mai 2005 nach § 134 BGB wegen Verstosses gegen das RBerG gem. § 134 BGB nichtig ist (vgl. LG Berlin, a. a. O.; LG Kassel, a.a.O.).

3. Im übrigen hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO, zumal die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft höchstrichterlich geklärt sind.

Es wird angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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