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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 12 U 228/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 6 | |
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1 | |
ZPO § 538 Abs. 2 | |
ZPO § 531 | |
ZPO § 531 Abs. 2 | |
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 12 U 228/04
verkündet am : 12. Januar 2006
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2005 durch den Richter am Kammergericht Hinze als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 21. September 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 368/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Allerdings beanstandet der Kläger zu Recht, dass das Urteil des Landgerichts eine Klageabweisung nicht trägt. Zwar mag das Urteil des Landgerichts, dessen Entscheidungsgründe sich im Wesentlichen auf eine Bezugnahme auf die Klageerwiderung vom 15. Juli 2004 beschränken, noch als mit Entscheidungsgründen im Sinne des § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO versehen angesehen werden, doch stellt das weitgehende Fehlen einer eigenen Begründung einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 313 Rd. 24 m. w. N.). Zudem hat das Landgericht verkannt, dass sich die Darstellung der Beklagten zum Schadenhergang nach dem Wortlaut der Klagerwiderung auf ein Schadensereignis in der Gervinusstraße bezog, obwohl sich der hier streitgegenständliche Vorfall unstreitig in der Fritschestraße ereignet hat. Schon deshalb hätte das Landgericht den Vortrag der Beklagten seiner Entscheidung nicht zu Grunde legen dürfen, ohne diesen Punkt vorher geklärt zu haben. Mangels eines Antrages nach § 538 Abs. 2 ZPO war die Sache nicht an das Landgericht zurückzuverweisen.
2. Gleichwohl hat die Berufung des Klägers in der Sache keinen Erfolg, denn unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten in der zweiten Instanz, sowie des Ergebnisses der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme liegt eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen vor, auf Grund derer eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen sogenannten bestellten Unfall besteht.
a) Das Klägerfahrzeug, ein zum Zeitpunkt des Schadensereignisses knapp 10 Jahre alter Mercedes Benz C 180 mit einem vom Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungswert von 6.200,00 EUR stellt ein geeignetes Objekt für einen gestellten Unfall dar, auch wenn es sich hierbei sicher nicht um ein Fahrzeug der "gehobenen Luxusklasse" handelt. Es kommt hinzu, dass der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt nach dem in erster Instanz unwidersprochenem Vortrag der Beklagten arbeitslos war und zur "Kundennummer nnn " vom Arbeitsamt Berlin Süd Arbeitslosengeld bezog. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 30. November 2005 erstmals behauptet, er habe "durchgängig seit seiner Schule gearbeitet und zum Bruttosozialprodukt" beigetragen handelt es sich um neues Vorbringen im Sinne des § 531 ZPO. Die Voraussetzungen unter denen dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise zugelassen werden könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Im Übrigen ist der diesbezügliche Vortrag des Klägers mangels konkreter Angaben zur Art der behaupteten Erwerbstätigkeit auch nicht hinreichend substantiiert.
b) Für einen gestellten Unfall spricht weiter, dass das Beklagtenfahrzeug zum Zeitpunkt des Schadensereignisses vom Beklagten zu 2) gemietet worden war, obwohl der Beklagte zu 2) unstreitig ebenfalls arbeitslos war. Die Verursachung eines Unfalls durch ein gemietetes oder gestohlenes Fahrzeug entspricht dem sogenannten "Berliner Modell".
c) Weiteres Indiz für einen gestellten Unfall ist der Umstand, dass das Fahrzeug des Klägers unstreitig am 10. Juli 2002 einen erheblichen Vorschaden erlitten hatte, dessen Behebung in einer Fachwerkstatt nicht nachgewiesen worden ist.
d) Auch der Umstand, dass der Beklagte Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten geltend macht, obwohl er das Fahrzeug nicht hat reparieren lassen spricht für einen gestellten Unfall. Allerdings kann den Beklagten nicht gefolgt werden, wenn sie meinen, es spräche für einen gestellten Unfall, wenn der Kläger Nutzungsausfallentschädigung verlangt, ohne das Fahrzeug repariert zu haben. Denn nach der Rechtssprechung des Senats (KG DAR 04, 352; KGR 05, 98) kann der geschädigte Fahrzeugeigentümer auch ohne Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung Nutzungsausfallentschädigung beanspruchen. Ähnliches gilt für den vom Kläger bei der Schadensberechnung in Ansatz gebrachten Restwert. Insoweit durfte sich der Kläger grundsätzlich auf die Angaben in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten verlassen.
e) Gewichtige Anhaltspunkte für einen manipulierten Unfall ergeben sich auch aus dem Hergang des Schadensereignisses, wie er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht.
aa) Der entsprechende Vortrag der Beklagten zu 1), wonach sich die Darstellung des Schadensereignisses in der Klagerwiderung auf den hier streitigen Vorfall in der Fritschestraße und nicht auf einen solchen in der Gervinusstraße bezog, sowie die weiteren Angaben der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 13. Oktober 2005 waren nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil dass Landgericht es verabsäumt hat, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen.
bb) Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin nnnnn , die, soweit ersichtlich, kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, ist der Beklagte zu 2) zunächst mit dem von ihm gemieteten PKW Mercedes rückwärts auf den Bürgersteig gefahren und hat dort ca. 10 Minuten ohne erkennbaren Grund gehalten, um so dann gerade in dem Moment, anzufahren, als sich der Kläger mit seinem Fahrzeug näherte. Es ist nicht verständlich, warum der Beklagte zu 2) das Fahrzeug des Klägers auf der gerade verlaufenden Fritschestraße am sonnigen Pfingstmontag trotz bester Sichtverhältnisse nicht gesehen haben sollte. Auch die Reaktion des Klägers, nachdem der Beklagte zu 2) teilweise in die Fritschestraße eingefahren war, ist nicht plausibel. Zwar ist die Darstellung der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 13. Oktober 2005, wonach das Beklagtenfahrzeug nur soweit in die Fahrbahn der Fritschestraße eingefahren war, wie auf den Fotos Anlage BB 1 ersichtlich, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Vielmehr haben alle drei Zeugen übereinstimmend ausgesagt, das Beklagtenfahrzeug sei ein kleines Stück weiter in die Fahrbahn der Fritschestraße eingefahren und nach der Kollision mit dem Klägerfahrzeug etwas zurückgesetzt worden. Keiner der Zeugen hat jedoch ausgesagt, das Beklagtenfahrzeug sei soweit vorgefahren, dass dem Kläger ein Ausweichen nach links nicht mehr möglich gewesen wäre. Vielmehr haben die Zeugen nnnn und nnnn übereinstimmend ausgesagt, der Kläger habe zunächst kurz versucht nach links auszuweichen, sei dann aber nach rechts auf das Beklagtenfahrzeug zugefahren. Eine Situation, bei der, wie im Hinweis des Gerichts vom 8. September 2005 beschrieben, ein Lenkmanöver nach rechts sinnvoll gewesen wäre, lag jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Dagegen spricht insbesondere, dass auch ausweislich der Verkehrsunfallmeldung der Anstoß am Beklagtenfahrzeug im Frontbereich erfolgt ist. Hätte der Kläger sein Fahrzeug nicht nach rechts gelenkt, so wäre es voraussichtlich nicht zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen. Berücksichtigt man die Anstoßstellen an den Fahrzeugen und zudem die geringe Fahrbahnbreite der Fritschestraße in Höhe der Unfallstelle, so bestand keine Aussicht für den Kläger dadurch, dass er sein Fahrzeug nach rechts lenkte, hinter dem Beklagtenfahrzeug vorbeizufahren und so eine Kollision zu vermeiden. Dagegen spricht auch, dass ausweislich der von der Beklagten zu 1) eingereichten Fotos vom Unfallort zum Unfallzeitpunkt neben der Grundstücksausfahrt, aus der das Beklagtenfahrzeug heraus fuhr vom Kläger aus gesehen vom rechten Fahrbahnrand der Fritschestraße geparkte Fahrzeuge standen. Es bestand also zusätzlich die Gefahr für den Kläger auch andere Fahrzeuge zu beschädigen. Unter diesen Umständen ist der Hergang des Schadensereignisses nicht plausibel.
Weiter Auffälligkeiten ergeben sich aus den Aussagen der Zeugen nnnn und nnnn . So fällt zunächst auf, dass beide Zeugen keine plausible Erklärungen dafür angeben konnten, warum sie den Kläger zum fraglichen Zeitpunkt in seinem Fahrzeug begleitet hatten. Beide Zeugen haben ausgesagt, der Kläger habe vorgehabt, seine Tante zu besuchen. Sie konnten jedoch keine Angaben dazu machen, wo die Tante wohnte, wie lange der Besuch dauern sollte und warum sie den Kläger bei dieser Fahrt begleitet haben. Der Zeuge nnnn konnte keine Angaben dazu machen, wo die Fahrt begonnen hatte. Ferner hat der Zeuge nnnn ausgesagt, er habe im Fahrzeug des Klägers auf der Rückbank in der Mitte gesessen, während der Zeuge nnnn auf dem Beifahrersitz gesessen habe. Demgegenüber hatte der Zeuge nnnn ausgesagt, der Zeuge nnnn habe auf dem Beifahrersitz gesessen, er, der Zeuge nnnn , habe auf der Rückbank in der Mitte gesessen.
f) Auffällig ist auch, dass der Kläger unstreitig innerhalb von knapp drei Jahren in vier Verkehrsunfälle verwickelt war. Zwar mag dies allein unverdächtig erscheinen. Für einen gestellten Unfall sprechen jedoch die Parallelen bezüglich des Herganges des Schadensereignisses und der Art der beteiligten Fahrzeuge mit dem Vorfall vom 9. Juli 2003, der den Gegenstand des Verfahrens 17 O 563/05 bildet. Der entsprechende Vortrag der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 11. November 2005 war schon deshalb zuzulassen, weil er hinsichtlich der Art der beteiligten Fahrzeuge und des Hergangs des Schadensereignisses zwischen den Parteien unstreitig ist.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 30. November 2005 erstmals behauptet, bei dem Schadensereignis vom 9. Juli 2003 habe seine schwangere Frau auf dem Beifahrersitz gesessen und sei erheblich verletzt worden spricht dies mangels konkreter Angaben zur Art der behaupteten Verletzungen und ihren Folgen nicht zwingend gegen einen gestellten Unfall. Im Übrigen fällt auf, dass die Klageschrift im Verfahren 17 O 563/05 vor dem Landgericht Berlin keinen Hinweis auf behauptete Verletzungen der Ehefrau des Klägers enthält. Entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 30. November 2005 werden im Verfahren 17 O 563/05 Schmerzensgeldansprüche wegen einer Verletzung der Ehefrau des Klägers nicht geltend gemacht.
Bei der gebotenen Gesamtschau begründen die vorstehend genannten Beweisanzeichen insgesamt eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein manipuliertes Schadensereignis.
3. Eine Erklärungsfrist auf die Schriftsätze der Beklagten zu 1) vom 8. und 16. Dezember 2005 war dem Kläger nicht einzuräumen, da die genannten Schriftsätze kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten. Auch bedurfte es keiner Akteneinsicht für den Kläger in die Akten des Landgerichts Berlin 17 O 563/05. Der Inhalt der Akten beschränkt sich im Wesentlichen auf die Klageschrift und die Ladungsverfügung. Da der Berufungskläger gleichzeitig Kläger des Verfahrens 17 O 563/05 ist, geht das Gericht davon aus, dass ihm der Inhalt der Klageschrift im dortigen Verfahren bekannt ist.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Ende der Entscheidung
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