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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.11.2002
Aktenzeichen: 12 U 4705/00
Rechtsgebiete: StVG, PflVG, BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

StVG § 823 Abs. 1
StVG § 823 Abs. 2
StVG § 7
StVG § 18
PflVG § 2
BGB § 252
BGB § 252 Satz 2
BGB § 288
BGB § 291 a. F.
BGB § 852
ZPO § 287
ZPO § 139
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 344
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
EGZPO § 26 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 4705/00

Verkündet am: 4. November 2002

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2002 durch den Richter am Kammergericht Hinze als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 8. April 2002 wird aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. April 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 606/99 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 10.737,13 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Dezember 1999 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten vorab die Kosten ihrer Säumnis im Termin vom 31. Januar 2002 zu tragen.

Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig Vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 8. April 2002 ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. In der Sache hat er insoweit Erfolg, als der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag erster Instanz weiterverfolgt. Hinsichtlich der Klageerweiterung ist die Berufung demgegenüber unbegründet.

1. Unstreitig sind die Beklagten dem Kläger dem Grunde nach gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 7, 18 StVG, § 2 PflVG zum Ersatz aller Schäden verpflichtet, die ihm aufgrund des Verkehrsunfalles vom 5. Mai 1994 auf der in Berlin gelegenen M Straße entstanden sind.

a) Nach dem Ergebnis der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger, wenn er nicht bei dem streitgegenständlichen Unfall vom 5. Mai 1994 verletzt worden wäre, aufgrund eines Auftrages der eine Vergütung in Höhe von 42.000,00 DM erzielt hätte.

aa) Ein Verdienstausfall lässt sich namentlich bei Selbständigen und Freiberuflichen in der Regel nur mit Hilfe des § 252 Satz 2 BGB und des § 287 ZPO ermitteln. Sowohl § 252 Satz 2 BGB als auch § 287 ZPO, der auf die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität angewandt wird (BGH = NJW 1987, 705 VersR 1987, 310), gewähren eine Beweiserleichterung gegenüber dem allgemeinen Grundsatz, wonach für die Entstehung des Schadens der volle Beweis erforderlich ist. Nach § 252 Satz 2 BGB muss der geschädigte die Umstände darlegen und ggf. beweisen, aus denen er nach dem gewöhnlichen Verlauf oder nach den besonderen Umständen des Falles seine Gewinnerwartung herleitet Stehen diese Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts fest, so genügt es, wenn der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH Z 29, 393, 398; BGH WM 1986, 622, 623; BGH NZV 2001, 210, 211; Senat, Urteil vom 10. Dezember 2001 - 12 U 1077/99 -), wobei solche Tatsachen, die selbst zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehören, nicht bewiesen zu werden brauchen (BGH NJW 1968, 661/663). Welche Tatsachen zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehören und welche Tatsachen so wesentlich sind, dass sie vom Kläger dargelegt und ggf. bewiesen werden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich daher nicht ein für alle Male festlegen (BGH Z 54, 45, 56). Es dürfen jedoch keine allzu strengen Anforderungen an das gestellt werden, was der Kläger vorbringen muss, um das Gericht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu veranlassen (BGH Z 54, 45, 56; BGH Z 100, 50; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 252 Rdnr. 5).

Genaue Tatsachen, die zwingend auf das Bestehen und den Umfang eines Schadens schließen lassen, braucht er nicht anzugeben (BGH VersR 1968, 888), denn § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO mindern auch die Darlegungslast (BGH VersR 1968, 888 f.; BAG NJW 1972,1437,1438). An sie dürfen nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei anderen Forderungen. Eine volle Substantiierung kann danach nicht gefordert werden. Es genügt, wenn der Kläger hinreichend Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO liefert (BGH NJW 1988, 3017; 1993, 2673, 1998, 1633, 1635). Steht fest, dass ein der Höhe nicht bestimmbarer aber erheblicher Schaden entstanden ist, ergibt sich in der Regel aus den Umständen eine hinreichende Grundlage für die Schätzung eines Mindestschadens (BGH NJW-RR 1996,1077). Wenn es für das freie Ermessen nicht an allen Unterlagen fehlt, muss das Gericht nötigenfalls nach freiem Ermessen entscheiden, ob ein Schaden entstanden ist und in welcher Höhe. Dabei kann und darf das Gericht auch solche Umstände berücksichtigen, die ihm sonst bekannt geworden sind, ohne dass es einer Verhandlung darüber oder einer etwaigen Befragung der Parteien nach § 139 ZPO bedarf (BGH VersR 1960, 786, 788; BGHZ 29, 393, 400). Unzulässig und unmöglich ist eine derartige Entscheidung nur dann, wenn wegen Fehlens hinreichender Anhaltspunkte eine Grundlage für eine Schätzung nicht zu gewinnen wäre und das richterliche Ermessen vollends in der Luft schweben würde (BGH Z 29, 393, 400; BGH Z 54, 45, 55), oder wenn die Ursächlichkeit des haftungsbegründenden Ereignisses für den behaupteten Gewinnentgang nicht wahrscheinlich ist (BGH NJW 1964, 661, 663).

bb) Hier hat der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO bewiesen, dass ihm aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen ein konkreter Auftrag entgangen ist. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, er sei im Jahre 1994 wie auch heute Geschäftsführer bei der gewesen. Diese habe für ihr Sportgeschäft in Potsdam eine Bewachung benötigt, nachdem es dort wiederholt zu schweren Einbruchsdiebstählen gekommen sei, in deren folge das Versicherungsunternehmen, bei welchem die gegen derartige Vorfälle versichert gewesen sei, die Verträge gekündigt habe. Das Versicherungsunternehmen, bei welchem die eine neue Versicherung habe abschließen wollen, habe als Bedingung verlangt, dass die bis zur Installation einer Alarmanlage das Objekt durch ein Bewachungsunternehmen bewachen lasse. Er, der Zeuge, habe sich daraufhin an den Kläger gewandt, da ihm dieser von seiner damaligen Lebensgefährtin empfohlen worden sei. Bei zwei Terminen, bei denen mit dem Kläger über die Auftragserteilung verhandelt worden sei, habe dieser als Referenzen verschiedene Objekte benannt, bei denen der Kläger tätig gewesen sei. Als Vergütung für die Überwachung, die jeweils von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens habe andauern sollen, sei ein Pauschalhonorar in Höhe von 42.000,00 DM brutto vereinbart gewesen. Nachdem der Kläger wegen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen den Auftrag nicht persönlich habe durchführen können, habe der Zeuge den Auftrag storniert. Denn für die Auftragserteilung sei der persönliche Eindruck, den er vom Kläger gewonnen habe, ausschlaggebend gewesen.

Diese Aussage ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, sieht es keinen Anlass, an der Richtigkeit der Aussage zu zweifeln. Auch die Beklagten haben keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen geäußert.

b) Dass der Kläger dadurch, dass der Auftrag der nicht zur Durchführung kam, Aufwendungen bzw. Kosten in Höhe von mehr als 50 % erspart hat, die er sich in erster Instanz hat abziehen lassen, haben die hinsichtlich ersparter Aufwendungen beweispflichtigen Beklagten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., vor § 249 Rdnr. 123 m. w. N.) nicht unter Beweis gestellt. Soweit die Beklagten im Schriftsatz vom 21. Mai 2002 unter III. bestimmte Kosten wie Lohn für Arbeitnehmer Sozialabgaben, Büromiete etc. auflisten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Kosten für Arbeitnehmer sind nach dem Vortrag des Klägers nicht angefallen, da der Kläger dieser den Auftrag, wie auch der Zeuge glaubhaft bestätigt hat, in Person durchführen sollte. Im Übrigen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger wegen Kündigung des Auftrags der Personal entlassen und so Lohnkosten erspart hätte. Bei den weiteren von der Beklagten aufgezählten Positionen handelt es sich ganz überwiegend um fixe Kosten. Insoweit streitet zugunsten des Klägers die Vermutung, dass Geschäftskosten generell unabhängig von einem konkreten Geschäft anfallen (vgl. Baumgärtl-Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 252 Rdnr. 13).

c) Hinsichtlich der am 3. Mai 2002 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterung war die Klage abzuweisen, da die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift. Die am 24. November 1999 bei Gericht eingegangene Klageschrift, mit der zunächst nur eine Forderung in Höhe von 21.000,00 DM geltend gemacht worden war, war nicht geeignet, die dreijährige Verjährung des § 852 BGB zu unterbrechen. Denn es handelt sich nach dem eigenen Vorbringen des Klägers insoweit um eine Teilklage. In Rechtsprechung und Schrifttum ist aber anerkannt, dass eine Klage, die auf einen Teilanspruch gerichtet ist, die Verjährung nur hinsichtlich dieses Teilanspruchs unterbricht, und zwar selbst dann, wenn in der Klagebegründung der Einspruch in seinem ganzen Umfang dargelegt und die Geltendmachung des Restes vorbehalten wird (MK Grothe, BGB, 4. Aufl., § 209 Rdnr. 12 m. w. N.). Der Kläger hat gerade nicht seinen gesamten Schaden geltend gemacht, mit der Folge, dass die Verjährungsunterbrechung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beispielsweise auf für eine auf nachträgliche Preissteigerung beruhende Erhöhung des Klageanspruchs gelten würde (vgl. BGH NJW 1982,1809). Der Kläger hat auf S. 2 des Schriftsatzes vom 13. Juli 2000 ausdrücklich vorgetragen, er mache nur die Hälfte des konkreten Schadens geltend. Seine ersparten Aufwendungen würden "niemals die Hälfte des Betrages, der nicht geltend gemacht wurde, ausmachen". Damit hat der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, nicht den gesamten nach seinem Vortrag entstandenen Verdienstausfallschaden geltend gemacht zu haben. Auf die weitere Frage, ob die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verjährungsunterbrechung auch dann eingreift, wenn die Erhöhung des Klageanspruchs auf einer grundsätzlich im Belieben des Klägers stehenden Änderung der Schadensberechnung beruhen und nicht auf äußeren Umständen, wie Preissteigerungen etc., auf die der Anspruchsteller keinen Einfluss hat (vgl. BGH NJW 2002, 2167), bedarf unter diesen Umständen keiner Entscheidung.

d) Der Zinsanspruch ist aus §§ 288, 291 BGB a. F. gerechtfertigt.

2. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 2, 344, 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren - mit Ausnahme der Kosten der Säumnis im Termin vom 31. Januar 2002 - dem Kläger aufzuerlegen, da der teilweise Erfolg seines Rechtsmittels auf dem erst in zweiter Instanz erfolgten Antritt eines Zeugenbeweises für die behauptete Vereinbarung mit der beruht.

Ende der Entscheidung

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