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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 12 U 5/08
Rechtsgebiete: StVO


Vorschriften:

StVO § 1 Abs. 2
StVO § 16 Abs. 1 Nr. 2
1. Bemerkt der Führer eines Kraftfahrzeuges ein starkes Verlangsamen wegen eines Motordefekts, ist er nach §§ 1 Abs.2, 16 Abs.1 Nr.2 StVO verpflichtet, andere Verkehrsteilnehmer zu warnen.

2. Kommt es aufgrund eines Motordefekts des Vorausfahrenden, der deshalb den Fahrstreifen nach rechts wechselt und den Nachfolgenden nicht warnt, zu einem Auffahrunfall, kann eine Schadensteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Vorausfahrenden angezeigt sein.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 5/08

31.07.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und die Richterin am Kammergericht Zillmann am 31. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss teilweise zurückzuweisen.

2. Die Berufungsklägerin erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen drei Wochen nach Zugang Stellung zu nehmen.

Gründe: 1. Die Berufung hat nur in geringem Umfang Aussicht auf Erfolg. Im Übrigen hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Dies ist nur der Fall, soweit die Klägerin Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten nach einer Quote von 1/3 der Klageforderung, mithin nach dem vom Landgericht zugesprochenen Betrag in Höhe von 1.786,40 EUR begehrt.

Die Parteien werden um Mitteilung binnen zwei Wochen gebeten, ob insoweit Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren besteht.

2. Hinsichtlich der Hauptforderung hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht mit dem angegriffenen Urteil die Beklagten zu Recht nur zur Zahlung nach einer Quote von 1/3 des der Klägerin entstandenen Schadens verurteilt hat.

Die von der Berufung hiergegen vorgebrachten Angriffe versprechen keinen Erfolg.

a) Soweit die Berufung ausführt, dass sich weder aus dem unstreitigen Vorbringen der Parteien, noch nach der durchgeführten Beweisaufnahme eindeutig ergäbe, dass die Beklagte zu 2) auf das bereits stehende und damit im Sinne von § 15 StVO liegen gebliebene Fahrzeug der Klägerin aufgefahren sei, ist dies nicht zutreffend.

Die Beklagten hatten in ihrer Klageerwiderung angegeben, dass das Fahrzeug der Klägerin abrupt zum Stillstand gekommen sei. Dies hat die Klägerseite im Schriftsatz vom 4. Juli 2006 zwar bestritten und vorgebracht, dass das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes noch eine Geschwindigkeit von ca. 30-40 km/h innehatte. Diese Angabe steht jedoch im Widerspruch zu den Aussagen des Zeugen ... und der Beklagten zu 2) direkt nach dem Unfall. Der Zeuge ... hatte gegenüber den Polizeibeamten angegeben: " Mein Fahrzeug wurde langsamer und ich wechselte auf den rechten Fahrstreifen, als das Fahrzeug plötzlich stand". Die Beklagte zu 2) hat in ihrer schriftlichen Anhörung ebenfalls ausgeführt, dass der Unfallgegner nach dem Spurwechsel abrupt zum Stehen kam und ihr keine Möglichkeit mehr geblieben sei, ihr Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten. Diese Angaben hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bestätigt.

Soweit der Zeuge ... erklärt hatte, er könne sich seine in dem polizeilichen Bericht festgehaltene Äußerung zum Stehenbleiben nicht so recht erklären, ist dies wenig geeignet, diese Angaben als falsch aufgenommen anzusehen.

b) Es kann jedoch letztlich dahinstehen, ob mit dem Landgericht von einer Anwendbarkeit des § 15 StVO auszugehen ist, weil die Entscheidung des Landgerichts auch dann richtig ist, wenn das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes noch nicht vollständig zum Stehen gekommen war, sondern, wie die Klägerin vorbringt, noch ohne Motorkraft ausrollte.

Unstreitig bemerkte der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs einen Defekt an seinem Fahrzeug bereits, als er noch die linke der beiden Spuren befuhr. Dies war der Grund, einen Spurwechsel nach rechts vorzunehmen. Sodann bemerkte er, dass der Motor ausgegangen war und das Fahrzeug nur noch rollte.

Damit oblag es dem klägerischen Fahrer jedenfalls nach § 1 Abs. 2 StVO dafür Sorge zu tragen, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet würde. Außerdem war er gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 StVO gehalten, andere Verkehrsteilnehmer - insbesondere auch die hinter ihm fahrende Beklagte zu 2) - durch Licht- und/oder Hupsignale auf seine Situation aufmerksam zu machen. Insoweit besteht auch eine Warnpflicht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 16 StVO, Rn 6).

Das Landgericht hat auch richtig ausgeführt, dass auf der Autobahn niemand damit rechnen muss, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug ohne erkennbaren Grund und vor allem ohne das Abgeben von Leuchtzeichen - sei es das Aufleuchtenlassen der Bremslichter oder das Einschalten der Warnblinklichter - seine Geschwindigkeit in kurzer Zeit erheblich bis - jedenfalls nahe - zum Stillstand herabsetzt.

Dies gilt umso mehr, als der Zeuge ... bereits in Kenntnis eines offenkundigen Defektes an seinem Fahrzeug den Spurwechsel vorgenommen hat. Bereits hieraus ergibt sich die Verpflichtung, andere Verkehrsteilnehmer auf die potentielle Gefahrensituation aufmerksam zu machen.

c) Nach der vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Verschuldensanteil des klägerischen Fahrers doppelt so hoch liegt, wie der der Beklagten zu 2). Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Betriebesgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch den Defekt erhöht war, was das Landgericht richtig ausgeführt hat. Andererseits ist auch die Mithaftung des Vorausfahrenden bei einem Auffahrunfall umso größer, je unwahrscheinlicher ein plötzliches Abbremsen ist (vgl. Senat, Urteil vom 13. Februar 2006 - 12 U 70/05 - KGR 2006, 659; NZV 2007, 79). Nach einem vorausgegangenen Spurwechsel auf der Autobahn muss der nachfolgende Verkehr ohne wahrnehmbare Warnhinweise wie Signal- oder Leuchtzeichen nicht damit rechnen, dass die Geschwindigkeit des Vorausfahrenden - zumal ohne Aufleuchten von Bremslichtern - derart erheblich herabgesetzt wird.

Es wird deshalb insoweit anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung bezüglich der Hauptforderung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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