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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: 12 U 57/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 138
ZPO § 139
ZPO § 287
ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 529
Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. Bei unstreitigen Vorschäden und bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 57/06

In Sachen

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts am 6. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Es wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.

3. Der Antrag des Klägers vom 19. März 2007 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

A. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.

Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:

I. Das Landgericht ist bei seinem Urteil von zutreffenden rechtlichen Grundsätzen über die Anforderungen an die Darlegungen zur Beseitigung von Vorschäden bei Geltendmachung eines späteren kompatiblen Unfallschadens ausgegangen. Insofern wird zunächst auf Seite 6 und 7 UA verwiesen.

Da ein Geschädigter selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen kann, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind (vgl. hierzu beispielhaft OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Februar 2006 - 1 U 148/05 - DAR 2006, 324) und er bei bestrittener Kausalität zwischen dem Unfall und den vorliegenden Schäden die Ursächlichkeit im Einzelnen nachzuweisen hat, wofür er ausschließen muss, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren (hierzu BGHZ 71, 339), muss der Kläger im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen. Es entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass ein Anspruchsteller, der dem Gutachter, dem Anspruchsgegner und dem Gericht gegenüber Vorschäden in Abrede stellt, auch möglicherweise berechtigte Ansprüche nicht geltend machen kann (vgl. hierzu Senat, Urteile vom 22.September 1997- 12 U 1683/96; vom 15.Mai 2000 - 12 U 9704/98; vom 17.Oktober 2005 - 12 U 55/05 - KGR 2006, 527 = DAR 2006, 527; OLG Köln, Urteil vom 5.Februar 1996 - 16 U 54/95 - NZV 1996, 241; OLG Frankfurt, Urteil vom 7.Juli 2004 - 16 U 195/03 - ZfS 2005, 69; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.Februar 2006 - 1 U 148/05 - DAR 2006, 324).

II. In Anwendung dieser Grundsätze und in Würdigung des Sachvortrages einschließlich der darin enthaltenen Beweisangebote hat das Landgericht in rechtsfehlerfreier Weise den behaupteten Unfallschaden als nicht bewiesen angesehen und sich durch die Darlegungen des Klägers zu einer weiteren Beweisaufnahme zum unfallbedingt entstandenen Schaden nicht veranlasst gesehen.

1. Zutreffend ist das Landgericht in seiner Begründung davon ausgegangen, dass der streitgegenständliche Mercedes vor dem streitgegenständlichen Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, nämlich durch einen Motorbrand, der im September 2003 Gegenstand von sachverständiger Begutachtung war. Der Kläger hat sich auf das Gutachten der nnnnnn nnnnnnnn GmbH (Gutachter nnnnnn ) vom 10. September 2003 und das Gutachten des Brandsachverständigen nnnnnnnnnnn vom 23. September 2003 gestützt. Letzterer hat ausgeführt, es sei zu einem "Primärfeuer" im rechten mittleren Teil des Motorraumes gekommen, bei dem der Wagen ausschließlich im Motorraum beschädigt worden sei. Der Sachverständige nnn hat die Reparaturkosten kalkuliert, ist zu erforderlichen Reparaturkosten von 22.619,91 EUR brutto gelangt, hat einen Restwert von 2.200,- EUR ermittelt und den Wiederbeschaffungswert auf 15.000,- EUR brutto veranschlagt. Auf dieser Grundlage hat er seinerzeit einen wirtschaftlichen Totalschaden bejaht. Dem ist das Landgericht zu Recht gefolgt. Der Kläger hat zwar erstinstanzlich auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 19. November 2004 ausgeführt, er könne nicht beurteilen, warum die Brandfolgen als Totalschaden eingestuft worden seien und im Schriftsatz vom 23. Dezember 2004, Seite 3, das Vorliegen eines Totalschadens durch den Brand mit Nichtwissen bestritten. Als zulässiges hinreichendes Bestreiten der als substantiierter Sachvortrag in den Rechtsstreit eingeführten Feststellungen der genannten Sachverständigen ist dies deshalb nicht anzusehen, weil der Kläger behauptet, er habe den Schaden selbst im Zusammenwirken mit dem Zeugen nnnnnnn vollständig beseitigt. Damit behauptet er jedenfalls genaue Kenntnis des bei Erwerb des Mercedes durch ihn vorhandenen Schadensumfanges und der zur fachgerechten Wiederherstellung erforderlichen Arbeiten nebst Materialien; daher ist es ihm nach § 138 ZPO verwehrt, ohne weitere Ausführungen die genau dargelegten Voraussetzungen eines Totalschadens in Frage zu stellen.

2. Die Annahme des Klägers, das Landgericht sei auf Seite 6 ff. (zu Unrecht) von einem wirtschaftlichen Totalschaden am Mercedes allein durch den streitgegenständlichen Unfall ausgegangen, ist nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen auf Seite 6 UA betreffen lediglich die abstrakten Voraussetzungen, unter denen einem Geschädigten im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis versagt ist. Bei der nachfolgenden Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht keineswegs einen Totalschaden durch den streitgegenständlichen Unfall bejaht, sondern beanstandet, der Kläger habe den Reparatur-aufwand nach dem früher erlittenen Totalschaden nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, so dass nicht feststehe, ob der jetzt eingeklagte Schaden (Gutachten nnn ) auf den Unfall zurückgehe.

Auch die Ausführungen auf Seite 11 UA zum Zustand des Fahrzeuges nach einem weiteren Unfall des Mercedes nach dem streitgegenständlichen Unfall lassen die Annahme nicht zu, das Landgericht sei von einem Totalschaden infolge des streitgegenständlichen Unfalls ausgegangen. Das Landgericht hat hier nur den vom Kläger selbst im Vertrag vom 13. April 2004 vermerkten Hinweis auf einen Totalschaden nach dem späteren Unfall kommentiert.

3. Beanstandungsfrei hat das Landgericht die Feststellung des von ihm beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. nnnnnnnnn , sämtliche im Gutachten des Sachverständigen nnn nnn vom 7. April 2004 aufgeführten Schäden könnten aus technischer Sicht auf den Unfall vom 7. April 2004 zurückgehen, nicht als hinreichenden Beweis für die Unfallursächlichkeit der Schäden angesehen (§ 286 ZPO). Der Senat teilt diese Bewertung: Mit dieser Feststellung ist allenfalls etwas über die Kompatibilität der Schäden im Allgemeinen gesagt. Sie lässt die Klägerbehauptung, Vorschäden seien fachgerecht beseitigt worden, allenfalls als möglich erscheinen; mehr lässt sich daraus nicht ableiten.

4. Den Gutachter nnnnnnn musste das Landgericht nicht vernehmen, weder als Zeugen noch als sachverständigen Zeugen.

Unmittelbare Wahrnehmungen zu der vom Kläger behaupteten und entscheidungserheblichen umfassenden Reparatur vor dem Unfall vom 31. März 2004 hat der Zeuge unstreitig nicht gemacht, denn er hat das Fahrzeug erst danach gesehen, also mit erneuten Beschädigungen. Ohnehin hat der Kläger - wie das Landgericht richtig hervorhebt - zu seinem Reparaturweg keine Angaben gemacht und nur in geringem Umfang Belege für das verwendete Material vorgelegt, so dass auch deshalb die Vernehmung eines Zeugen hierzu nicht veranlasst ist.

Der behauptete Umstand, dass der Privatgutachter das Fahrzeug als reparaturwürdig eingestuft hat und den Fahrzeug-Allgemeinzustand am 7. April 2004 als "gut erhalten" beschrieben hat, stellt kein aussagekräftiges Indiz für die ordnungsgemäße Schadensbeseitigung vor dem Unfall dar und veranlasst seine Vernehmung daher nicht. Es erscheint schon fraglich, ob es bei entsprechend zielgerichteter Untersuchung eines beschädigten Unfallfahrzeuges möglich ist, die fachgerechte Beseitigung eines Vorschadens sozusagen retrospektiv zu erkennen. Jedenfalls hat der Gutachter nnn hierauf nach eigener schriftlicher Darstellung, auf die der Kläger sich bezieht, gerade nicht geachtet. Der Kläger hat davon abgesehen, ihn auf den Vorschaden hinzuweisen. Der Sachverständige hat ausdrücklich in seinem Gutachten vom 7. April 2004 darauf hingewiesen, dass die Kalkulation nur visuell erkennbare Schäden erfasse und solche, die aufgrund der Stoßrichtung zwingend eintreten müssten. Es sei möglich, dass noch weitere nicht erkennbare Schäden vorhanden seien, die eine Reparaturkostenerhöhung zur Folge haben könnten. Daraus erhellt, dass der Gutachter sich entgegen den zur Berufungsbegründung vorgetragenen Behauptungen, er habe umfassend auch die fachgerechte Beseitigung von Vorschäden geprüft, nur auf die Prüfung von Schäden durch den von ihm festgestellten längsaxialen Anstoß konzentriert hat. Die unter Beweisantritt pointiert zusammengefasste Behauptung des Klägers, Gutachter und dementsprechend der Sachverständige nnn prüften stets umfassend die Beseitigung von Vorschäden, läuft nicht nur auf eine unzulässige Ausforschung des Sachverhaltes hinaus; sie widerspricht auch den gleichzeitig vorgelegten schriftlichen Äußerungen des Sachverständigen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Formulierung im Schreiben des Sachverständigen nnn vom 17. November 2004, es werde bestätigt, dass alle besichtigten Schäden neu und nicht alt gewesen seien. Angesichts der erklärtermaßen unfallbezogen geprüften Schäden besagt dies zur Beseitigung der Brandschäden nichts.

Die als Anlage K 13 vorgelegte Bewertung des Fahrzeuges durch den Sachverständigen nnnn nach dem DAT-System führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Das mit Stempel und Unterschrift versehenen Dokument enthält die Erklärung, das Fahrzeug sei am 28. Dezember 2005 besichtigt worden und habe für diesen Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 11.650,00 EUR gehabt. Wenn der Kläger in der Berufungsbegründung auf vom Landgericht geäußerte Zweifel einräumt, der Sachverständige habe das Fahrzeug trotz entsprechender schriftlicher Bestätigung tatsächlich nicht besichtigt, verhilft dies seinem Antrag, den Zeugen zu seinen Wahrnehmungen bezüglich des Mercedes zu vernehmen, nicht zum Erfolg.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, das Landgericht habe keinen entsprechenden Hinweis nach § 139 ZPO zum Ausforschungsbeweis erteilt, geht ins Leere. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche berücksichtigungsfähigen und entscheidungserheblichen Umstände der Kläger auf einen derartigen Hinweis vorgetragen hätte.

III. Anknüpfungspunkte für die vom Kläger verlangte Schätzung eines Mindestschadens gemäß § 287 ZPO liegen daher nicht vor. Der Hinweis auf das nach dem Brandschaden eingeholte Gutachten der nnnnnnnnnnnnnnnn GmbH (Restwert damals: 2.200,- EUR brutto) führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Der Kläger hat das beschädigte Fahrzeug mit Vertrag vom 13. April 2004 für 3.600,- EUR weiterveräußert und so den auf dem Markt erreichbaren Restwert erzielt. Für die weiter behaupteten Schäden gibt ein wie auch immer berechneter Restwert jedoch nichts her.

B. Im übrigen hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO.

C. Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ist aus den vorstehend dargelegten Gründen erfolglos, denn die Berufung hat nicht die nach § 114 ZPO erforderliche Aussicht auf Erfolg.

D. Es wird angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken. Der Berufungsstreitwert soll auf 7.687,80 EUR festgesetzt werden.

Ende der Entscheidung

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