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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.06.2001
Aktenzeichen: 12 U 5931/00
Rechtsgebiete: BGB, AKB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249 Satz 2
BGB § 251 Abs. 2 Satz 1
AKB § 13
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 93
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

12 U 5931/00

verkündet am 14. Juni 2001

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Hinze und den Richter am Amtsgericht Dr. Wimmer auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juni 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,- DM nicht.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich: Das Landgericht hat dem Kläger zu Unrecht weiteren Schadensersatz auf Reparaturkostenbasis zugesprochen, so daß das angegriffene Urteil entsprechend zu ändern war.

I. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Schäden des Klägers aus dem Unfall vom 30. Oktober 1999 ist außer Streit. Nach einer Zahlung der Beklagten zu 1) in Höhe von 16.499,08 DM steht dem Kläger jedoch weiterer Ersatz für "fiktive" Reparaturkosten auf Grundlage des Gutachtens M. S vom 1. November 1999 (Bl. 48 d.A.) in Höhe von 7.038,10 DM nebst anteiligen Zinsen nicht zu, denn insoweit hat er weder ein Integritätsinteresse dargelegt noch ist dieses anderweitig erkennbar.

1) Geldersatz zum Ausgleich für einen Schaden, der durch einen Verkehrsunfall an einem gebrauchten Fahrzeug entstanden ist, ist nach den §§ 249 Satz 2, 251 Abs. 2 Satz 1 BGB nur geschuldet, soweit er zur Schadensbeseitigung erforderlich ist. Bei der Beschädigung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges kann der Geschädigte grundsätzlich zwischen Reparatur und Wieder- bzw. Ersatzbeschaffung wählen. Ersatz kann er aber nur insoweit beanspruchen, als er die Maßnahme wählt, die den geringsten Kostenaufwand erfordert: Der Schädiger muß dem Geschädigten nur diejenigen Aufwendungen abnehmen, "die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen" (BGH, Urt. vom 15. Oktober 1991 -VI ZR 314/90- BGHZ 115, 364).

Nach diesem Wirtschaftlichkeitsgebot bemißt sich, ob im Einzelfall ein Unfallschaden durch Zahlung der Reparaturkosten oder der Wiederbeschaffungskosten eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges zu ersetzen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Integritätsinteresse des Geschädigten, also sein "Interesse an dem Erhalt seines Vermögens in dessen konkreter Zusammensetzung" (BGH, Urt. vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 -NJW 1999, 500).

Sofern der Geschädigte dieses Interesse dadurch zum Ausdruck bringt, daß er das Fahrzeug tatsächlich reparieren läßt, kann er selbst dann Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30% übersteigen. Einer Kürzung des Wiederbeschaffungswertes um den Restwert des Fahrzeuges bedarf es bei Berechnung dieses Integritätszuschlages nicht, denn dieser Restwert wird durch die jeweiligen Reparaturkosten "mitrepräsentiert" (BGH, Urt. vom 15. Oktober 1991, a.a.O.; kritisch zu dieser Berechnung des Zuschlages Sanden/Völz, Sachschadensrecht des Kraftverkehrs, 7. Aufl. 2000, Rn. 75ff.). Beschränkt sich der Geschädigte jedoch darauf, Reparaturkosten auf Gutachtenbasis geltend zu machen, ohne den Fahrzeugschaden tatsächlich zu beseitigen, bleibt es zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit bei einer postengenauen Vergleichsrechnung zwischen den verlangten Reparaturkosten und den Kosten für eine Wiederbeschaffung mit der Folge, "daß der Geschädigte, wenn er kein Interesse an der Reparatur des Unfallfahrzeugs darlegt, sich bei der Abrechnung nach fiktiven Reparaturkosten im allgemeinen in der durch die Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungswert gezogenen Grenze halten muß" (BGH, Urt. vom 5. März 1985 - VI ZR 204/83 - NJW 1985, 2469; BGH, Urt. vom 15. Okt. 1991, a.a.O.; Senat, Urteil vom 29. Mai 2000 - 12 U 9626/98 -; OLG Hamm, Urt. vom 22. April 1993 - 6 U 259/92 - r+s 1993, 379). In diesem Fall ist auf der Seite der Ersatzbeschaffung der Restwert vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen, denn er wird nicht durch tatsächlich zu zahlende Reparaturkosten berücksichtigt (vgl. auch Senat, a.a.O., sowie Urt. vom 12. Feb. 1996 -12 U 7636/94-).

2) Unter diesen Vorgaben ist dem Kläger eine Abrechnung der Reparaturkosten auf Grundlage des Gutachtens M. S vom 1. November 1999 (Bl. 48 d.A.) verwehrt, denn diese Kosten übersteigen die Wiederbeschaffungskosten deutlich, ohne daß dies durch ein Integritätsinteresse gerechtfertigt wäre.

a) Ein möglicherweise ursprünglich bestehendes berechtigtes Integritätsinteresse hat der Kläger durch sein eigenes Verhalten aufgegeben.

Er hat das beschädigte Fahrzeug nach dem Unfall nicht reparieren lassen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat er vielmehr zu Protokoll gegeben, er habe den streitgegenständlichen Wagen verschrottet (Protokoll Bl. 77 d.A.). Weitere erläuternde Einzelheiten zu den Umständen dieser Verschrottung, etwa die Erzielung eines eigenen Restwertes, hat der Kläger auch nach entsprechender Rüge der Beklagten nicht vorgetragen. Nachdem er zugleich aber darauf hinweist, es habe aus seiner Sicht kein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen, denn das Gutachten enthalte keinerlei Hinweis auf ein Restwertangebot (Schriftsatz vom 30. März 2000, S. 5 = Bl. 66 d.A.), läßt sich dieses Verhalten nur als klar erkennbare Aufgabe des Integritätsinteresses verstehen: Wer ein Auto verschrottet, dessen Reparatur nach eigenem Bekunden noch wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre, bringt damit denkbar deutlich zum Ausdruck, daß er auf diesen konkreten Vermögensbestandteil keinen Wert mehr legt. Damit kann er nicht mehr beanspruchen, bei der Schadensberechnung wegen der zu schützenden Integrität seines Vermögens privilegiert zu werden.

Die umfangreichen Ausführungen des Klägers zum Integritätsinteresse bleiben daher ebenso erfolglos wie sein Hinweis auf die Rechtslage nach § 13 AKB: Zutreffend weisen die Beklagten darauf hin, daß diese Klausel dem Rechtsverhältnis der Parteien nicht zugrundeliegt, so daß es auch auf die hierzu ergangene und vom Kläger herangezogene Entscheidung des BGH (vgl. zur Unanwendbarkeit der Rechtsprechung zum Intergritätsinteresse im Rahmen von § 13 AKB auch OLG München, Urt. vom 12. März 1992 - 24 U 886/91 - Schaden-Praxis 1993, 184).

b) Die vom Kläger verlangten Reparaturkosten einschließlich Wertminderung übersteigen den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges abzüglich des Restwertes deutlich.

Gegenstand der Klage vor dem Landgericht waren folgende Positionen (jeweils DM):

Gutachterkosten brutto 1.059,08 Reparaturkosten It. Gutachten 21.438,10 Wertminderung It. Gutachten 1.000,00 Kostenpauschale 40,00 Summe: 23.537,18

Nach den Erkenntnissen des Gutachters, die auch der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, belief sich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges auf brutto 28.000,- DM (S. 9 des Gutachtens = Bl. 55 d.A.). Ein Restwert des beschädigten Fahrzeuges ist im Gutachten nicht ausgewiesen. Dem von den Beklagten unter Bezug auf ein Angebot der Fa. F vom 18. November 1999 (Schreiben vom 22. November 1999, Bl. 43 d.A.) angegebenen Restwert in Höhe von 12.600,- DM ist der Kläger aber nicht entgegengetreten, so daß er als zugestanden anzusehen ist, § 138 Abs. 3 ZPO. Zieht man diesen Restwert vom Wiederbeschaffungswert ab, ergibt sich unter Beibehaltung der Positionen Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale der von der Beklagten zu 1) ausgezahlte Betrag in Höhe von 16.499,08 DM. Die Differenz zwischen beiden Schadensberechnungen beläuft sich mithin auf den mit der Berufung angegriffenen Urteilsbetrag in Höhe von weiteren 7.038,10 DM.

c) Damit erweist sich die vom Kläger gewählte Reparaturkostenabrechnung auf Gutachtenbasis als der unwirtschaftlichere Weg zum Schadensausgleich. Er muß sich mithin auf die Wiederbeschaffungskosten verweisen lassen. Diese sind jedoch schon ausgeglichen.

d) Auf die weiteren - ohnehin nur hilfsweisen - Ausführungen der Beklagten zu der Frage, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliege mit der Folge, daß auch deshalb nur in Höhe der Wiederbeschaffungskosten Ersatz zu leisten sei, kommt es daher für die Entscheidung der Sache nicht an.

II. Der Anregung der Beklagten auf Zulassung der Revision war nicht zu entsprechen, da die Entscheidung weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweicht; sie folgt vielmehr dessen Rechtsprechung.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Der Senat sieht - anders als das Landgericht - weder eine rechtliche Möglichkeit noch eine Veranlassung, die Kosten des Rechtsstreits insoweit den Beklagten aufzuerlegen, als die Teil-Feststellungsklage des Klägers abgewiesen worden ist. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das ist im vorliegenden Fall der Kläger, weil eine "Erledigung der Hauptsache" vor Rechtshängigkeit der Klage logisch nicht denkbar ist (so die h.M., vgl. BGHZ 83, 14; 127, 163; NJW 1990, 1906; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. 2000, § 91 a Rn. 30; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 91a Rn. 36).

Angesichts dieser klaren Regel fehlt es an einer planwidrigen Lücke des Gesetzes, die die vom Landgericht beabsichtigte analoge Anwendung des § 93 ZPO rechtfertigen könnte (zu den Lösungsansätzen bei einer "Erledigung" vor Rechtshängigkeit Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 91a Rn. 41 - 42).

Ende der Entscheidung

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