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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.06.2005
Aktenzeichen: 12 U 65/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 531
Aus dem Umstand, dass der Fahrer des Opferfahrzeugs bei einem seinem ganzen Erscheinungsbild nach manipulierten Verkehrsunfall möglicherweise eine HWS - Distorsion erlitten hat, ergibt sich nicht zwingend, dass der "Unfall" unfreiwillig war. Auch der Unstand, dass der gerichtliche Sachverständige die vom Kläger behauptete Unfallkonstellation als untypisch für gestellte Unfälle bezeichnet, spricht nicht zwingend gegen einen manipulierten Unfall; denn es ist gerade das Wesen der Unfallmanipulation, dass die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadenseintritts offen bleiben soll.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 65/04

verkündet am: 13. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2005 durch den Richter am Kammergericht Hinze als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. März 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 82/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, das auf Grund einer ungewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Manipulation des Schadensereignisses vom 10. Oktober 2000 spricht.

a) Allerdings kann dem Landgericht nicht gefolgt werden, wenn es auf Seite 7 des angefochtenen Urteils ausführt, auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion sei ausgeschlossen, dass der Kläger die geltend gemachte HWS-Distorsion erlitten habe, weil die beim dem Unfall erlittenen Verletzungen unterhalb der in der Wissenschaft anerkannten Harmlosigkeitsgrenze gelegen hätten. Die Frage einer sogenannten Harmlosigkeitsgrenze ist in der Rechtssprechung lediglich für den Fall eines sogenannten typischen Auffahrunfalles diskutiert worden. Auch für diese Fallkonstellation ist sie vom BGH verneint worden (BGH NJW 2003, 1116).

Im vorliegenden Fall wird demgegenüber vom Kläger ein seitlicher Zusammenstoß behauptet. Das Landgericht hätte daher nicht als erwiesen ansehen dürfen, dass der Kläger Schmerzensgeld für tatsächlich nicht erlittene Verletzungen geltend macht und hieraus auf ein unredliches Verhalten schließen dürfen, ohne zuvor das Gutachten des medizinischen Sachverständigen eingeholt zu haben.

b) Die übrigen festgestellten Umstände reichen jedoch aus Sicht des Gerichts aus, um den Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten zu führen. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen VW Golf Cabrio um ein geeignetes "Objekt" für einen gestellten Unfall handelt, zumal das Fahrzeug unstreitig während der Zeit des Besitzes durch den Kläger einen Vorschaden erlitten hat (Sturmschaden 1999) ohne dass der Kläger dazu in der Lage gewesen wäre, nachzuweisen, dass das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt ordnungsgemäß repariert worden wäre.

Ferner sprechen für einen gestellten Unfall, dass es sich bei dem Verursacherfahrzeug um einen Miet-LKW handelt und der Kläger die behaupteten Schäden auf Gutachtenbasis abrechnet ohne eine Reparatur durchgeführt zu haben. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil allerdings ausführt, für einen gestellten Unfall sprächen auch, dass der Kläger mit der Geltendmachung der behaupteten Schäden einen Rechtsanwalt beauftragt hat, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Für einen manipulierten Unfall sprechen demgegenüber einzelne Umstände im Zusammenhang mit dem vom Kläger behaupteten Hergang des Schadensereignisses. Da der Fahrer der Miet-LKWs sich beim Ausparken der Hilfe eines Einweisers bedient hatte, wäre zu erwarten gewesen, dass der Einweiser den Fahrer der LKWs durch entsprechende Zeichen oder Rufe davon abgehalten hätte, rückwärts aus der Parklücke herauszufahren, bis der Kläger mit dem VW Golf aus dem Gefahrenbereich heraus war. Es kommt hinzu, dass der LKW-Fahrer nach seiner eigenen Darstellung in dem Unfallbericht gegenüber dem Vermieter Rnnn & Wnnnn den VW Golf vor der Kollision gesehen hatte. Als widersprüchlich erscheint auch die Darstellung des LKW-Fahrers in dem Unfallbericht, er habe den PKW gesehen, aber geglaubt, dieser wäre schon vorbei. Da sich der VW Golf aus Sicht des LKW-Fahrers von hinten rechts näherte hätte der LKW-Fahrer im linken Außenspiegel erkennen können, wenn der VW-Golf am Heck des LKWs vorbei gefahren war. Warum er gleichwohl geglaubt hat, der PKW sei schon vorbei gefahren, obwohl er diesen im linken Rückspiegel unzweifelhaft nicht hat vorbeifahren sehen können, ist nicht erklärlich.

Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Zusammenhang mit der von der Beklagten verlangten Nachbesichtigung bewusst unwahre Angaben zum Standort des Fahrzeugs gemacht hat um so eine Nachbesichtigung durch die Beklagte zu verhindern. Ein solches unredliches Verhalten stellt ein erhebliches Indiz für ein manipuliertes Schadenereignis dar. Nachdem die Beklagte bereits mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 eine Nachbesichtigung verlangt hatte, hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 10. November 2000 erklären lassen, das Fahrzeug sei zwischenzeitlich bereits verkauft worden. Tatsächlich muss jedoch davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug frühestens am 18. November 2000 verkauft worden ist. Der Kläger selbst hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2001 einen auf den 18. November 2000 datierten Kaufvertrag vorgelegt. Erstmals im Berufungsverfahren hat der Kläger hierzu behauptet, er habe den VW Golf etwa 10 Tage nach dem Schadenereignis durch mündlichen Vertrag für 4.500,00 DM verkauft und das Fahrzeug übergeben. Erst nachdem seine Versicherung einen Kaufvertrag verlangt habe, habe er den Käufer gesucht, dessen Aufenthalt ihm damals nicht bekannt gewesen sei. Er habe ihn dann im einen Lokal getroffen und sich mit ihm für den nächsten Tag, den 18. November 2000 verabredet. An diesem Tag sei der zu den Akten gereichte Kaufvertrag angefertigt worden. Mit diesem neuen Vortrag ist der Kläger gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen. Die Voraussetzungen, unter denen sein neuer Vortrag ausnahmsweise zugelassen werden könnte, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Nachdem die Beklagte bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 22. November 2001 auf diese Problematik hingewiesen hatte, hätte der Kläger Anlass gehabt, seinen Vortrag entsprechend zu ergänzen. Im Übrigen erscheint die Darstellung, die der Kläger im Termin vom 23. Mai 2005 zum Verkauf des VW Golf abgegeben hat auch nicht als plausibel. Der Kläger konnte schon keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgeben, warum der schriftliche Kaufvertrag auf den 18. November 2000 datiert worden ist und nicht auf denjenigen Tag, an dem nach der Darstellung des Klägers der mündliche Kaufvertrag geschlossen und das Fahrzeug übergeben wurde. Dies hätte schon deshalb nahe gelegen, weil der Kläger anderenfalls damit rechnen musste, für etwaige in der Zwischenzeit durch den VW Golf verursachte Schäden weiterhin als Fahrzeughalter verantwortlich gemacht zu werden. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger als Student der Zahnmedizin auf Grund seiner Bildung dazu in der Lage war, diese Zusammenhänge zu erfassen. Es kommt hinzu, dass in dem vom Kläger im Termin vom 31. Oktober 2001 überreichten Kaufvertrag auch das Datum der Übergabe des Fahrzeugs - handschriftlich - mit dem 18. November 2000 (15.00 Uhr) angegeben worden ist. Im Übrigen fällt auf, dass der Kläger den Käufer bei dem behaupteten Treffen am 17. und 18. November 2000 nicht darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte eine Nachbesichtigung des Fahrzeugs wünschte. Auch hat er offenbar keinen Anlass gesehen, den Käufer nach seiner damaligen Anschrift zu befragen, um diese gegebenenfalls der Beklagten mitteilen zu können. Das Verhalten des Klägers gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit deren Vorlage einer Nachbesichtigung ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Kläger Gründe hatte, eine Nachbesichtigung zu verhindern.

Der Umstand, dass nach den Ausführungen der vom Landgericht beauftragten Sachverständigen Wnnnn und Snnnn die vom Kläger behauptete Unfallkonstellation als untypisch für bewusst herbeigeführte Unfälle bezeichnet haben, spricht nicht notwendiger Weise gegen die Annahme eines manipulierten Unfalles. Es ist gerade das Wesen der Unfallmanipulation, dass die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadeneintrittes offen bleiben soll (BGHZ 71, 339, 346).

2. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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