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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 28.12.2006
Aktenzeichen: 12 U 80/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 281
BGB § 546 Abs. 1
Eine Fristsetzung des Vermieters an den Mieter zur Ausführung bei Beendigung des Vertrages geschuldeter Rückbauarbeiten ist - als Voraussetzung der Entstehung eines Schadensersatzanspruchs - jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Mieter die Durchführung der Rückbauarbeiten ernsthaft und endgültig verweigert. Eine derartige Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Mieter nach Erhalt einer Aufforderung, einen konkret beschriebenen vertragswidrigen Zustand zu beseitigen, gleichwohl erklärt, er habe seine Rückbauverpflichtung ordnungsgemäß erfüllt und weitere Ansprüche des Vermieters würden nicht bestehen.
Kammergericht

Im Namen des Volkes

Grundurteil

Geschäftsnummer: 12 U 80/06

verkündet am: 28. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2006 durch den Richter am Kammergericht Spiegel als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. März 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin - 29 O 34/06 - abgeändert:

Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Gründe:

I.

Mit seinem am 15. März 2006 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht die auf Zahlung von Schadensersatz wegen unterlassener Rückbauarbeiten nach Beendigung eines Gewerbemietverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, ein möglicherweise bestehender Vornameanspruch der Klägerin habe sich jedenfalls nicht gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB in einen geldwerten Ersatzanspruch umgewandelt. Das Schreiben der Klägerin vom 15. Februar 2005 enthalte nicht die nach dem Gesetz erforderliche Fristsetzung, auch eine endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten läge nicht vor.

Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:

Das Landgericht habe in seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte zweifach schriftlich erklärt habe, dass sie von einem vertragsgemäßen Zustand ausgehen und deshalb weitere Arbeiten nicht geschuldet seien. Auch habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich bei den Verpflichtungen der Beklagten nicht um die Durchführung von Schönheitsreparaturen gehandelt habe. Die Beklagte habe erhebliche und nicht von dem Mietvertrag der Parteien gedeckte Beschädigungen der Substanz und Eingriffe in die Funktion des Gebäudes zu verantworten. Eine Fristsetzung sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Spätestens mit der endgültigen Leistungsverweigerung durch die Beklagte sei das Erfordernis der Setzung einer Frist entfallen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 34.637,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache dem Grunde nach Erfolg. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 280, 281 BGB.

1. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) hat die Mieträume in erheblichem Umfang umgebaut und mit Einbauten versehen. Die Beklagte war bei Vertragsende verpflichtet, das Mietobjekt geräumt zurückzugeben (§ 546 Abs. 1 BGB). Sie war deshalb verpflichtet, die von ihr geschaffenen Einrichtungen, Ein -, Aus - und Umbauten zu entfernen bzw. rückzubauen (vgl. Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 2. Auflage 2004, Seite 193 ff). Soweit das Mietobjekt durch Einrichtungen oder deren Entfernung sowie Ein - und Umbauten verändert wurde, war sie verpflichtet, die Mietsache wieder in den früheren Zustand zu versetzen, indem sie sich bei Beginn des Mietvertrages befand (fünf vgl. Langenberg, a.a.O.). Die Rückbauverpflichtung der Beklagten ergibt sich auch aus § 14 des Mietvertrages. Ihre ursprüngliche Rückbauverpflichtung wird von der Beklagten auch nicht ernsthaft in Abrede gestellt.

Die Rückbauverpflichtung der Beklagten ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin bzw. ein Nachmieter das Mietobjekt in einer Weise umbauen will, dass die Wiederherstellungsarbeiten der Beklagten wieder beseitigt werden müssten. Es fehlte insoweit ein jeglicher Darlegung konkreter Umbaupläne. Die Behauptung der Beklagten, die Ausführung der Arbeiten sei wirtschaftlich betrachtet sinnlos, da jeder neue Mieter eine Umgestaltung des Mietbereichs verlangen würde, ist unsubstantiiert. Sie trifft in ihrer Allgemeinheit für nahezu jedes gewerbliche Mietobjekt zu.

2. Ihrer Rückbauverpflichtung ist die Beklagte nur in geringem Umfang nachgekommen. Der Zustand der Mieträume nach dem Auszug der Beklagten ergibt sich aus dem von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Abnahmeprotokoll vom 28. Januar 2005.

Das Unterlassen der Rückbauarbeiten stellt eine Vertragsverletzung des Mieters im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB dar (Langenberg, a.a.O. Seite 206), die ihn zum Schadensersatz verpflichtet. In der Literatur ist zwar umstritten, ob der Vermieter in diesen Fällen Schadensersatz nur unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 3, 281 BGB (so z. B. Wolf/Eckert/ Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage 2004, Rdnr. 1011) oder sogleich nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB (so z. B. Kraemer, NZM 2003, 417, 420 ff) verlangen kann (differenzierend: Langenberg, a.a.O., Seite 206). Doch kann diese Frage vorliegend dahinstehen, da die Voraussetzungen des § 281 Absatz 2 BGB entgegen der Ansicht des Landgerichts gegeben sind. Die Beklagte hat die Durchführung der Rückbauarbeiten ernsthaft und endgültig verweigert. Eine Fristsetzung war deshalb entbehrlich. Im Einzelnen:

a) An eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Mieters, die eine Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 1. Alternative BGB entbehrlich macht, sind nach allgemeiner Meinung sehr hohe Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Mieter eindeutig zum Ausdruck bringt, seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Leistungsaufforderung mit Fristsetzung durch den Vermieter umstimmen lässt, sind diese strengen Anforderungen erfüllt. Die dahingehende Erklärung des Mieters muss dementsprechend als sein letztes Wort aufzufassen und ein Sinneswandel nicht zu erwarten seien. Zur Ermittlung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

b) Die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten ergibt sich bereits aus dem Verhalten der Beklagten Ende des Jahres 2004. Wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 20. Januar 2005 (Anlage B 6) ergibt, haben die Parteien bereits vor Rückgabe des Mietobjektes Verhandlungen über die in den Mieträumen durchzuführenden Arbeiten geführt. Im Rahmen dieser Verhandlungen hat die Beklagte zur Herstellung der Räume einen Betrag von 15.000 EUR geboten. Sie hat hierdurch zum Ausdruck gebracht, an einer Ausführung der erforderlichen Arbeiten selbst nicht interessiert zu sein. Vielmehr hat sie zu erkennen gegeben, statt der Durchführung der erforderlichen Arbeiten Schadensersatz in einer noch auszuhandelnden Höhe leisten zu wollen. Hierin liegt eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung in Bezug auf die in den Mieträumen durchzuführenden Arbeiten.

c) Entgegen der Ansicht des Landgerichtes ergibt sich die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten auch aus dem Inhalt des Schreibens vom 3. Juni 2005 (Anlage K 6), welches den folgenden Wortlaut hat: "Auf die Anfang des Jahres geführte Korrespondenz darf ich zurückkommen. Der guten Ordnung halber darf ich festhalten, dass die Rückgabeverpflichtung meiner Partei ordnungsgemäß erfüllt wurde. Ansprüche ihrer Partei im Zusammenhang mit der Rückgabe des Objektes bestehen dementsprechend nicht mehr."

aa) Jedenfalls unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des vorliegenden Sachverhaltes, insbesondere des Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der Rückgabe des Mietobjektes und der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls durch die Beklagte, 100 ob kann der Inhalt dieses Schreibens nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte die von ihr mit Schreiben vom 15. Februar 2005 geforderten Maßnahmen ernsthaft und endgültig nicht erbringen will. Aufgrund der am 28. Januar 2005 durchgeführten gemeinsamen Begehung der Mieträume war der Beklagten der Zustand der Mieträume Im Einzelnen bekannt. Sie hat diesen Zustand durch Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls (Anlage K. 3) bestätigt. Mit Schreiben vom 15. Februar 2005 (Anlage K. 4) hat die Klägerin der Beklagten im Einzelnen mitgeteilt, welche Arbeiten ihrer Auffassung nach erforderlich sind, um den im Abnahmeprotokoll näher beschriebenen vertragswidrigen Zustand zu beseitigen. Wenn die Beklagte in ihrem Schreiben vom 3. Juni 2005 gleichwohl behauptet, sie habe ihre Rückgabeverpflichtung ordnungsgemäß erfüllt, weitere Ansprüche der Klägerin würden nicht mehr bestehen, so kann dies nur als endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung gewertet werden (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1226, 1227).

Das vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung in diesem Zusammenhang genannte Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1986, 661) ist dagegen nicht einschlägig. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar.

bb) Unerheblich ist, dass das Schreiben der Klägerin vom 21. Juni 2005 (Anlage K. 4) der Beklagten vor Zugang des Schreibens vom 3. Juni 2005 zuging. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung (BGH NJW 1986, 661) ausgeführt, ein Schadensersatzanspruch lasse sich auf eine Erfüllungsablehnung nur stützen, wenn die Weigerung vor dem Übergang des Gläubigers zum Schadensersatz erklärt worden sei. Der Bundesgerichtshof hat es aber in seiner Entscheidung für ausreichend gehalten, wenn die Umstände, aus denen auf die Weigerung geschlossen werden soll, vor diesem Zeitpunkt entstanden sind. Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten aber das Schreiben, aus dessen Inhalt auf die endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung der Beklagten geschlossen werden soll, vor Zugang des Schreibens der Klägerin vom 21. Juni 2005 abgefasst und an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandt.

d) Hinzu kommt, dass die Einbeziehung eines späteren Verhaltens des Schuldners in die Auslegung seiner früheren Erklärungen nicht ausgeschlossen ist. Zu Lasten der Beklagten ist deshalb des Weiteren zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in seinem Schreiben vom 28. Juni 2005 (Anlage K. 5) nochmals ausdrücklich erklärt hat, es verbleibe bei seinem Schreiben vom 3. Juni 2005.

5. Die Klageforderung ist nicht verjährt. Da der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides am 29. Juni 2005 bei Gericht einging und die Zustellung des Mahnbescheides alsbald erfolgte, käme eine Verjährung gemäß § 548 Abs. 1 ZPO nur in Betracht, wenn die Klägerin die Mietsache spätestens am 28. Dezember 2004 zurückerhalten hätte. Ihre beweislos aufgestellte und von der Klägerin bestrittene Behauptung, ihr Schreiben vom 28. Dezember 2004 sei am gleichen Tag bei der Klägerin eingegangen, hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2006 ausdrücklich fallen gelassen.

6. Ende entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich die Klägerin auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als ob die Verjährung am 28. Dezember 2004 begonnen hätte. Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt, dass sie der Klägerin die Übergabe der Mieträume vor dem 29. Dezember 2004 konkret, in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Vielmehr ist ein solches Angebot frühestens mit Zugang des Schreibens vom 28. Dezember 2004 erfolgt.

7. Die Einwendungen der Beklagten zur Höhe der Klageforderung sind im vorliegenden Zwischenurteil nicht zu erörtern. Für den Erlass eines Grundurteils reicht es aus, dass der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. Diese Voraussetzung ist gegeben, da der Klägerin im Wege der Schadensschätzung ein Mindestbetrag als Schadensersatz zuzusprechen ist. In welcher Höhe der Anspruch besteht, wird im Nachverfahren gegebenenfalls nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme zu klären seien. Nach Auskunft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde der Zustand der Räume bis heute nicht geändert, die Besichtigung durch einen Sachverständigen ist deshalb möglich. Nach Stellung eines entsprechenden Antrages könnte das Nachverfahren gemäß § 538 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen werden.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.



Ende der Entscheidung

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