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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 12 U 88/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 286 | |
ZPO § 448 |
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 12 U 88/02
Verkündet am: 28.08.2003
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2003 durch den Richter am Kammergericht Hinze als Einzelrichter für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Januar 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin - 17.O.534/00 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Auch nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Beweisaufnahme hat der Klagenden ihm obliegenden Beweis dafür, dass er bei dem Verkehrsunfall vom 23. Mai 2000 auf dem in Berlin gelegenen Hohenzollerndamm eine Distorsion der Halswirbelsäule erlitten hat, aufgrund derer er vom 24. Mai 2000 bis zum 16. Juni 2000 arbeitsunfähig war, nicht erbracht.
a) Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Prof. hat im Einverständnis mit dem Kläger von einer nochmaligen Untersuchung abgesehen. Auf der Grundlage der vorliegenden Arztberichte und Untersuchungsbefunde, insbesondere der Röntgenaufnahmen vom 23. Mai 2000 hat der Sachverständige überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, wenn von der geringsten möglichen einwirkenden biomechanischen Belastung im Sinne einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von etwa 9 km/h ausgegangen werden müsste, dann sei aus orthopädischer Sicht das Auftreten einer Distorsion der Halswirbelsäule eher ausgeschlossen. Gehe man von einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von etwa 17 km/h aus, so könne das Auftreten einer Distorsion der Halswirbelsäule nachvollzogen werden. Allerdings sei in diesem Fall eine dreiwöchige Arbeitsunfähigkeit, wie sie vom Kläger geltend gemacht wird, nicht nachvollziehbar. Es sei dann zu erwarten gewesen, dass innerhalb von drei Wochen die vom Kläger geklagten Beschwerden im Bereich der HWS und im Musculus trapezius beidseits allmählich abklingen. Dafür spräche auch, dass der Kläger im Rahmen der persönlichen Begutachtung am 16. Mai 2003 angegeben habe, die Kopfschmerzen und die Übelkeit seien nach etwa acht Tagen verschwunden. Nachvollziehbar sei daher nur eine unfallbedingte. Erwerbsunfähigkeit von acht Tagen.
b) Bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag sich das Gericht nicht mit der erforderlichen Gewissheit von der Richtigkeit der klägerischen Sachverhaltsdarstellung zu überzeugen.
Die Frage, ob sich der Kläger bei dem Unfall überhaupt eine Verletzung zugezogen hat, betrifft die haftungsbegründende Kausalität, für die der Beweismaßstab des § 286 ZPO gilt (BGH DAR 2003, 218, 219; KG, VersR 2001, 597). Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Ausreichend ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; DAR 2003, 218, 219).
c) im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion Prof. R, deren Richtigkeit vom Kläger nicht in Frage gestellt werden, die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung bei dem streitgegenständlichen Unfall zwischen 9,2 km/h und 16,7 km/h gelegen hat. Bewiesen ist danach lediglich eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 9,3 km/h, bei deren Vorliegen nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. das Auftreten einer HWS-Distorsion eher ausgeschlossen ist, obwohl der Sachverständige zu Gunsten des Klägers dessen - von den Beklagten bestrittene - Darstellung zugrunde gelegt hat, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Kollision den Kopf in Richtung der Sitzfläche des Beifahrersitzes gedreht, was nach Auffassung des Sachverständigen als verletzungsfordernder Faktor betrachtet werden kann.
Soweit der Kläger geltend macht, die Röntgenaufnahmen vom 23. Mai 2000 sprächen für eine unfallbedingte Verletzung der Halswirbelsäule, trifft dies nur bedingt zu. Zwar weist die Röntgenaufnahme nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. neben degenerativen Veränderungen auch eine steil gestellte Halswirbelsäule im oberen und mittleren Teil der HWS auf, was für eine unfallbedingte Verletzung sprechen könnte. Der Sachverständige hat jedoch auf Seite 14 seines Gutachtens weiter ausgeführt, dass eine derart steil gestellte HWS bei 42 % der Normalbevölkerung auftrete. Da Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule des Klägers aus der Zeit kurz vor dem Unfall, die eine Normalstellung de HWS erkennen lassen würden, nicht vorliegen, besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit (nämlich 42 %) dafür, dass die auf der Röntgenaufnahme erkennbare Steilstellung der HWS nicht unfallbedingt ist. Die Röntgenaufnahme hat daher nur einen vergleichsweise geringen Aussagewert.
Abgesehen von der Röntgenaufnahme enthält der Arztbericht des St. Gertrauden Krankenhauses vom 23. Mai 2000 keine weiteren objektivierbaren Befunde, die die Annahme einer HWS-Distorsion rechtfertigen würden. Weder Bewegungseinschränkungen noch Verspannungen werden in dem Arztbericht erwähnt. Anderes wird auch vom Kläger nicht vorgetragen, so dass eine weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung der behandelnden Ärzte nicht in Betracht kommt.
d) Da zur Klärung der streitigen Tatfragen fachmedizinisches Spezialwissen erforderlich ist, erscheint auch eine Vernehmung des Klägers als Partei gemäß § 448 ZPO nicht als Erfolg versprechend.
Die danach verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.
2. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.). Die Rechtsfrage, welcher Beweismaßstab für die Feststellung einer behaupteten Distorsion der Halswirbelsäule anzuwenden ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung - wie unter 1. ausgeführt - geklärt. Streitig ist im vorliegenden Fall allein, die Würdigung der erhobenen Beweise.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Ende der Entscheidung
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