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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.09.2005
Aktenzeichen: 12 U 95/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 189
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 936
Die Heilung eines Zustellungsmangels durch tatsächlichen Zugang nach § 189 ZPO erfordert nicht den Zugang des Schriftstücks im Original; daher tritt Heilung auch dann ein, wenn das Zustellungsobjekt zwar fehlerhaft der Partei statt ihrem Prozessbevollmächtigten übersandt wird, die Partei aber eine Kopie an ihren Prozessbevollmächtigten weiterleitet. Auch bei Vermietung von Gewerberäumen in einem Einkaufszentrum gehört es - auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eines Konkurrenzschutzes - zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs, dass der Vermieter in unmittelbarer Nachbarschaft keinen Konkurrenzbetrieb zulässt oder selbst eröffnet.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 95/05

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, die Richterin am Kammergericht Zillmann und den Richter am Kammergericht Spiegel am 5. September 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 2. März 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 94 O 8/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

A

Der Antragsgegnerin ist Hauptmieterin von ca. 1972 m2 Verkaufsfläche im nn -Center in Berlin, einem Shopping Center mit ca. 36.500 m2 Verkaufsfläche und ca. 110 Geschäften, darunter verschiedenen Schuhfilialisten. Auf der von ihr gemieteten Fläche betreibt die Antragsgegnerin ein "SB-Warenhaus ohne Lebensmittel". Innerhalb dieses SB-Warenhauses vermietete eine Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, die nnnnn AG, durch Untermietvertrag vom 20. Oktober 1995 an die Antragstellerin eine Teilfläche von 320 m2 "zum Betrieb eines Schuhfachmarktes". Dieses Geschäft ist nicht separat von außen zugänglich. Es ist in die Verkaufsfläche der Antragsgegnerin integriert und nur durch eine Trockenbauwand abgetrennt und mit dem Namen "Rnn " versehen. Der Hauptmietvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Vermieterin des Rnn -Centers schließt einen Sortimentsschutz aus. Der Untermietvertrag der Parteien enthält hierzu keine ausdrückliche Regelung.

Seit Sommer 2004 verhandelten die Parteien wegen einer Erweiterung der Verkaufsfläche der Antragstellerin innerhalb des SB-Warenhauses der Antragsgegnerin. In einem Schreiben vom 23. Juli 2004 wies die Antragstellerin unter anderem darauf hin, dass sie eine Integration eines weiteren Schuhmarktes auf der der Antragsgegnerin verbleibenden Restfläche grundsätzlich ablehne. Am 3. Dezember 2004 eröffnete die Antragsgegnerin innerhalb ihres SB-Warenhauses auf ca. 200 m2 einen eigenen Schuhverkauf für Damen- und Herrenschuhe.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung vom 16. Dezember 2004 bei Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt, in ihren Geschäftsräumen im dritten Obergeschoss des Objektes Rnn -Center Berlin, Ann /Pnnnnnnnnn (nnnnnnn ), 10247 Berlin, Schuhe jeglicher Art zu verkaufen und/oder Werbung dafür zu betreiben.

In dem Beschluss sind auch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin aufgeführt. Die einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin selbst am 22. Dezember 2004 zugestellt worden.

Hiergegen hat sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten am 23. Dezember 2004 Widerspruch eingelegt. Mir der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht seine einstweilige Verfügung bestätigt.

B

Die Berufung der Antragsgegnerin war durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert (§ 522 Absatz 2 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Hinweis nach § 522 Absatz 2 Satz 2 ZPO vom 20. Juni 2005 verwiesen, in dem der Senat ausgeführt hat:

"I Zu Recht geht das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung von einer Heilung des Zustellmangels gemäß § 189 ZPO aus.

Die Antragsgegnerin trägt auf Seite 6 ihrer Berufungsbegründung selbst vor, dass ihren Prozessbevollmächtigten eine Kopie der landgerichtlichen einstweiligen Verfügung vom 17. Dezember 2004 am 23. Dezember 2004 zugegangen ist. Dies reicht für eine Heilung gemäß § 189 ZPO aus. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist hierfür nicht der Zugang des Original-Schriftstückes erforderlich.

In seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2004 hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts (5 U 160/04) zu dieser Frage ausgeführt:

"Voraussetzung des § 189 ZPO n.F. ist, dass das Zustellungsobjekt mit einem Zustellungswillen in den Rechtsverkehr gelangt und (schließlich) dem Empfänger tatsächlich zugeht (BGH v. 21.3.2001 - VIII ZR 244/00, MDR 2001, 889 = BGHReport 2001, 756 = NJW 2001, 1946 [1947]). Auch wenn die bloße Unterrichtung über den Inhalt nicht genügt (BGH NJW 1978, 1325; v. 13.4.1992 - II ZR 105/91, AG 1992, 265 = MDR 1992, 803 = NJW 1992, 2099 [2100]), so kommt § 189 ZPO in Betracht, wenn das Zustellungsobjekt zwar fehlerhaft an die Partei statt an ihren Prozessbevollmächtigten geht, die Partei aber eine Kopie an den Prozessbevollmächtigten weiterleitet (OLG Braunschweig v. 7.9.1995 - 2 U 42/95, NJW-RR 1996, 380; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 187 Rz. 9 - Prozessbevollmächtigter)."

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an (so auch OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 361; Münchener Kommentar/ Wenzel, ZPO, 2. Auflage, § 187 Rdnr. 6).

Der gegenteiligen Auffassung (Stein-Jonas-Roth, ZPO, 22. Auflage, § 189 Rdnr. 7; BayObLGZ 1995, 61 (72)) vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Eine Heilung durch den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks setzt voraus, dass das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hat (BGH, NJW 2001, 1946 [1947]). Dies ist auch im Falle des Zugangs einer Kopie der Original-Urkunde gewährleistet.

II Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, in ihren Geschäftsräumen im dritten Obergeschoss des Rnn -Center Berlin Schuhe zu verkaufen.

1. Mit zutreffender Begründung, die in Bezug genommen wird, vermochte das Landgericht die Behauptung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe den Verkauf von Damenschuhen ausdrücklich gestattet, nicht als glaubhaft gemacht anzusehen, wie es § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 936 ZPO erfordert.

Auch der Senat sieht keinen Anlass, der eidesstattlichen Versicherung des Reiner Stnn weniger Gewicht beizumessen als der des Rainer Snnn . Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der eidesstattlichen Versicherung des Staps eindeutig zu entnehmen, dass es zu der von der Antragsgegnerin behaupteten Vereinbarung nicht gekommen ist.

2. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin steht der Antragstellerin ein vertragsimmanenter Konkurrenzschutz zu.

a) Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eines Konkurrenzschutzes gehört es nach ganz herrschender Meinung bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines Geschäftes oder Gewerbes zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs, dass der Vermieter im selben Haus oder auf seinem angrenzenden Grundstück keinen Konkurrenzbetrieb (eines anderen Mieters) zulässt oder gar selbst eröffnet (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II. B, 1240; BGH, Urt. v. 24.1.1979 - VIII ZR 56/78, MDR 1979, 665 = WuM 1979, 144 = NJW 1979, 1404; KG, Urteil vom 17. Januar 2005 - 8 U 212/04 -, GUT 2005, 54).

Dass die Parteien diesen vertragsimmanenten Konkurrenzschutz bei Vertragsschluss ausgeschlossen haben, behauptet auch die Antragsgegnerin nicht. Solches ergibt sich auch nicht aus dem schriftlichen Untermietvertrag. Auf die Frage, ob die Kaufhalle bei Vertragsschluss den Verkauf von Schuhen beabsichtigte, kommt es deshalb nicht an.

b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist auch bei Verträgen über die Vermietung von Gewerberaum in einem Einkaufszentrum von einem vertragsimmanenten Konkurrenzschutz auszugehen, wenn ein solcher nicht - was in Einkaufzentren allerdings häufig der Fall sein dürfte - ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen wurde. Auch der Bundesgerichtshof geht in seiner Entscheidung vom 24. Januar 1979 (BGH, a.a.O.) davon aus, dass bei der Vermietung von Gewerberaum in einem Einkaufszentrum Konkurrenzschutzpflichten grundsätzlich bestehen. Der BGH führt dann weiter aus:

"Unumstritten wie dieser Grundsatz selbst ist seine Eingrenzung in der Weise, daß der Vermieter nicht gehalten ist, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten, vielmehr nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen ist, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist (BGH Urteil vom 26. Januar 1955 aaO und alle übrigen oben zitierten Entscheidungen). Zu dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 7. Dezember 1977 VIII ZR 101/76 (BGHZ 70, 79) bekannt. Von ihr abzuweichen besteht kein Anlaß."

Im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung führt der BGH dann aus, dass kein Anlass bestehe, in einem Einkaufszentrum niedergelassene Gewerbetreibende stärker gegen erlaubten Wettbewerb zu schützen als es in herkömmlichen Geschäftsstraßen der Fall sei.

c) Es kann vorliegend offen bleiben, ob und in welchem Umfang in einem Einkaufszentrum niedergelassene Gewerbetreibende weniger gegen erlaubten Wettbewerb zu schützen sind als es in herkömmlichen Geschäftsstraßen der Fall ist (zu weitgehend und zu wenig differenzierend: OLG Dresden, MDR 1998, 211)

Auch in einem Einkaufszentrum, in dem "Konkurrenz das Geschäfts belebt", muss es der Untermieter einer Teilfläche einer als Kaufhaus genutzten Fläche (shop in shop) nicht hinnehmen, dass sein Vermieter auf der nicht untervermieteten Fläche des Kaufhauses Waren anbietet, die dem Hauptsortiment des Untermieters entsprechen.

Der BGH stellt im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung (BGH, a.a.O.) maßgeblich auf die Frage der "unmittelbaren Nachbarschaft" der Konkurrenz ab. Dass die Antragsgegnerin ihre Schuhe in unmittelbarer Nachbarschaft zu der von der Antragstellerin gemieteten Fläche angeboten hat, kann aber auch unter Berücksichtigung der Verhältnisse eines Einkaufszentrums nicht zweifelhaft sein.

d) Auf die Frage, ob und in welchem Umfang bei Anmietung der Ladenfläche durch die Antragstellerin im Rnn -Center bereits Konkurrenzunternehmen tätig waren, kommt es nicht an. Eine weitere als die vertraglich vorausgesetzte Konkurrenz braucht der Mieter nicht zu dulden (KG KGReport 2005, 173; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III. B Rz. 1243; BGH v. 10.2.1988 - VIII ZR 33/87, WM 1988, 876).

e) Unerheblich ist, ob die Antragsgegnerin bereits in der Vergangenheit durch den Verkauf von Schuhen gegen die ihr obliegende Konkurrenzschutzpflicht verstoßen hat. Umstände, aus denen auf eine Verwirkung des Konkurrenzschutzes durch die Antragstellerin geschlossen werden könnte, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass weder dem Vortrag der Antragsgegnerin noch der eidesstattlichen Versicherung des Rnnn Hs Hnn zu entnehmen ist, wann und in welchem Umfang die Antragsgegnerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin in den Geschäftsräumen im Rnn -Center in Berlin tatsächlich Schuhe verkauft hat."

Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung und unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 24. Juni 2005 und 12. Juli 2005 keinen Anlass, von diesen Ausführungen abzuweichen.

Entgegen der im Schriftsatz vom 12. Juli 2005 von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung entspricht die Begründung des Senats zum vertragsimmanenten Konkurrenzschutz auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 24. Juni 2005 dem tatsächlichen Sach- und Streitstand. Insbesondere ergibt sich aus der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 7. Juni 2005 eingereichten Rahmenvereinbarung vom 28. Mai 1996 gerade nicht, dass bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 1995 der vertragsimmanente Konkurrenzschutz ausgeschlossen worden ist. Die Rahmenvereinbarung betrifft sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach dem Vortrag der Antragstellerin auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 7. Juni 2005, den sich die Antragsgegnerin hilfsweise zu Eigen gemacht hat, nur solche Filialen, die in der der Rahmenvereinbarung beigefügten Liste nicht mit "verm. R" bezeichnet sind. Für Filialen, in denen - wie im streitgegenständlichen Fall - Teilflächen an Rnn untervermietet wurden, enthält der Rahmenvertrag keinerlei Regelungen. Zu einer Änderung des streitgegenständlichen Mietvertrages kann dieser Rahmenvertrag deshalb nicht geführt haben. Die "Wiederbelebung" eines vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes kann deshalb auch nicht mit Ablauf der Rahmenvereinbarung zum 31. Dezember 2002 "erloschen sein". Für die Frage, ob die Parteien den vertragsimmanenten Konkurrenzschutz ausgeschlossen haben, kommt es allein auf den Inhalt des schriftlichen Untermietvertrages an. Diesem ist, wie in dem ob wiedergegebenen Hinweis vom 20. Juni 2005 ausgeführt, solches nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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