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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.04.2009
Aktenzeichen: 12 W 18/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Beantragt der Beklagte in seiner Klageerwiderung Prozesskostenhilfe und nimmt der Kläger daraufhin innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme, also vor Bewilligungsreife, die Klage zurück, ist dem Beklagten keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 W 18/09

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht G sowie die Richter am Kammergericht S und Dr. W am 6. April 2009 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) von 19. März 2009 gegen den Beschluss der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1. Die Kläger haben die Beklagten auf Zahlung von Miete und Betriebskosten für eine Gewerbeeinheit im Erdgeschoß des Hauses ... straße , Berlin, in Anspruch genommen.

Auf Antrag der Kläger hat das Landgericht Berlin im schriftlichen Vorverfahren gegen beide Beklagte ein Versäumnisteil- und Schlussurteil erlassen, gegen das die Erstbeklagte mit Schriftsatz vom 10. Juni 2008 Einspruch eingelegt hat mit der Begründung, sie sei nicht Mieterin der Räume, zumal sie bei Vertragsschluss am Januar 2005 noch nicht volljährig gewesen sei. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Rechtsverteidigung beantragt.

Die Kläger daraufhin haben mit Schriftsatz vom 1. Juli 2008 die Klage gegen die Erstbeklagte zurückgenommen und die Erstbeklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2008 beantragt, den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008, der Erstbeklagten zugestellt am 19. Februar 2009, hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die Erstbeklagte habe dafür kein Bedürfnis, weil sie keine Pflicht zur Kostentragung treffe. Dies gelte unabhängig davon, ob die Gegenseite die Kosten tatsächlich erstatte oder - wie sie vortrage - im Wege der Aufrechnung mit einer Gegenforderung verrechne.

Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde, eingegangen am 19. März 2009, hat das Landgericht mit Beschluss vom 24. März 2009 nicht abgeholfen mit der Begründung, ein späteres Erlöschen des Kostenerstattungsanspruchs der Erstbeklagten sei ohne Bedeutung für die in diesem Prozess zutreffende Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2. Die Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

a) Das Landgericht hat den Antrag der Erstbeklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Abwehr der zurückgenommenen Klage aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses sowie des Nichtabhilfe-Beschlusses zurückgewiesen; denn nach Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 1. Juli 2008 fehlte der beabsichtigten Rechtsverteidigung der Erstbeklagen jede Erfolgsaussicht, § 114 ZPO; darüber hinaus gab es auch für sie keine Kostentragunspflicht, weil das Landgericht auf Antrag der Erstbeklagten vom 15. Juli 2008 mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. August 2008 die ihr von den Klägern zu erstattenden Kosten antragsgemäß festgesetzt hat.

b) Die Erstbeklagte stützt ihre Beschwerde auf den Umstand, dass ihr Anspruch auf die zu ihren Gunsten festgesetzten Kosten mit Einwendungen oder Einreden behaftet sein können (hier konkret: Aufrechnung der Kläger vom 19. August 2008 mit Gegenforderungen aus einem Vorprozess). Solche im Nachhinein, nämlich nach Abschluss des Rechtsstreits und des Kostenfestsetzungsverfahrens von hiesiger Klägerseite der Beklagten zu 1. gegenüber geltend gemachten Forderungen, können aber nicht als Begründung für die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe dienen (S. 2 der Beschwerde vom 19. März 2009).

Dieser Einwand geht indes fehl; denn nicht das Landgericht hat mit der von den Klägern geltend gemachten Gegenforderung die Ablehnung der Prozesskostenhilfe begründet; vielmehr ist es die Beschwerdeführerin, die meint, wegen dieser Gegenforderungen habe sie Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, weil ihr sonst im Ergebnis nicht die zu ihren Gunsten festgesetzten Kosten zu Gute kämen.

Der Umstand, dass der Gegner der kostenarmen Partei gegen die zu deren Gunsten festgesetzten Kosten später die Aufrechnung erklärt, ist für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung jedoch nicht erheblich.

Entscheidend ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Klagerücknahme (hier: am 1. Juli 2008) die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung der Erstbeklagten entfallen ist und die Erstbeklagte im Hinblick auf den ihr zustehenden Kostenerstattungsanspruch (§ 269 Abs. 3, 4 ZPO) auch keine Kosten der Prozessführung aufbringen muss.

Ist dies im Zeitpunkt der Entscheidungsreife der Fall, kann keine Prozesskostenhilfe mehr bewilligt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2003 - 11 WF 364/02 - FamRZ 2003, 1761 = NJW-RR 2004, 79 = OLGR Hamm 3003, 176; OLG Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2006 - 3 W 25/06 - JurBüro 2007, 150; ArbG Regensburg JurBüro 1991, 1229; vgl. Baumbach u. a., ZPO, 66. Aufl. 2008, § 114 Rn 94; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 119 Rn 45; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rn 483)

Anders können nur solche Fälle behandelt werden, in denen das Gericht die Bewilligungsentscheidung durch nachlässige Bearbeitung verzögert und dadurch eine ursprünglich bestehende Erfolgsaussicht nachträglich wegfällt (vgl. OLG Hamm, aaO).

Dies war hier nicht der Fall.

Zwar hat das Landgericht nicht unmittelbar nach Ablauf der den Klägern mit Schreiben vom 20. Juni 2008 gesetzten Frist (Ablauf: 1. Juli 2008) zur Erklärung, ob die Klage gegen die Erstbeklagte zurückgenommen werde, über den PKH-Antrag entschieden, sondern erst mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 auf Mahnung des Prozessbevollmächtigten der Erstbeklagten unter Hinweis auf die Aufrechnung der Kläger gegen den zu Gunsten der Erstbeklagten festgesetzten Kostenerstattungsanspruch.

Allerdings war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits bei fristgerechtem Eingang der Klagerücknahme am 1. Juli 2008 aussichtslos, so dass die verzögerte Entscheidung des Landgerichts dafür nicht ursächlich war. Da das Landgericht den Klägern mit Verfügung vom 13. Juni 2008, zugestellt am 17. Juni 2008, eine Zwei-Wochen-Frist zur Stellungnahme auf den Prozesskostenhilfeantrag gesetzt hatte, war dieser Antrag auch nicht vor Ablauf des 1. Juli 2008 (Eingang der Klagerücknahme) entscheidungsreif.

c) Abweichend von der vorstehend aufgezeigten Auffassung in Rechtsprechung und Literatur vertritt das OLG Köln (Beschluss vom 17. März 1997 - 1 W 5/97 - MDR 1997, 690) die Auffassung, dass bei Vorliegen der sachlichen und persönlichen Voraussetzungen auch nach Rücknahme der Klage noch Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei, und zwar auch dann, wenn das Gericht die Entscheidung nicht durch nachlässige Bearbeitung verzögert habe; allerdings sei die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Antragstellung begrenzt.

Der Senat vermag sich dieser Auffassung aus den unter b) dargestellten Gründen nicht anzuschließen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

4. Nach § 574 Abs. 2, 3 ZPO war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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