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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.06.2005
Aktenzeichen: 12 W 31/05
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 55
ZPO § 116
ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567
Massegläubigern im Sinne des § 55 InsO, die durch einen Erfolg der vom Insovenzverwalter beabsichtigten Prozessführung ihre Befriedigungsmöglichkeit verbessern, ist es regelmäßig zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist eingelegt, BGH, X ARZ 264/05.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 W 31/05

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts am 27. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richterin am Kammergericht Zillermann und den Richter am Kammergericht Hinze beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 31. Mai 2005 gegen den Beschluss der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin vom 16. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nachdem der Antragsteller den Bedenken des Landgerichts hinsichtlich der Zulässigkeit der beabsichtigten Klage durch den mit der Beschwerdebegründung eingereichten überarbeiteten Klageentwurf Rechnung getragen hat, hängt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur noch davon ab, ob die Voraussetzungen gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen. Dies hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend verneint. Nach Auffassung des Senats kann es auch Massegläubigern im Sinne des § 55 InsO grundsätzlich zugemutet werden, einen Vorschuss auf die Prozesskosten zu zahlen, wenn sie bei einem erfolgreichen Abschluss des Rechtsstreits mit einer weitergehenden Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Masse rechnen und dadurch einen nicht nur unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil erlangen können.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist wirtschaftlich Beteiligter eines Rechtsstreits im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO jeder Gläubiger, dessen Befriedigungsaussichten sich dadurch konkret verbessern, dass der Insolvenzverwalter in dem Prozess obsiegt (BGH ZIP 1990, 1490; BGH NJW 1998, 3124). Diese Definition des BGH erfasst Insolvenz- und Massegläubiger gleichermaßen (OLG Celle, ZIP 1994, 1973, 1974). Zwar wird Massegläubigern die Bevorschussung der Prozesskosten dann nicht zumutbar sein, wenn sie auf das Prozessergebnis nicht angewiesen sind, weil sie ohnehin volle Befriedigung erwarten können, während umgekehrt die einfachen Insolvenzgläubiger dann nicht als wirtschaftlich Beteiligte in Betracht kommen, wenn die vom Insolvenzverwalter geltend gemachte Forderung allenfalls zur Befriedigung der Massegläubiger reicht (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 116 Rdnr. 10 m. w. N.). Eine darüber hinaus gehende Priviligierung von Massegläubigern erscheint jedoch sachlich nicht gerechtfertigt (im Ergebnis ebenso OLG Celle, ZIP 1994, 1973, 1974; OLG-Report 2001, 215; Stein/Jonas/Bork a. a. O. Rdnr. 10; MK Wax, ZPO, 2. Aufl., § 116 Rdnr. 17; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 116 Rdnr. 9; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, II Rdnr. 64).

b) Soweit die Gegenmeinung (BFH MV 2005, 380, 381; FG Brandenburg, ZInsO 2004, 53 f.; OLG Naumburg, ZInsO 2002, 586, 587) im Anschluss an eine in der Literatur vertretene Auffassung (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 116 Rdnr. 10b) meint, Massegläubigern im Sinne des § 55 InsO sei es nicht zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen, weil ihre Ansprüche auf Vorgängen zu Gunsten der Insolvenzmasse beruhen, die sich zum Vorteil der Insolvenzgläubiger auswirken und sich ohne diese Bevorzugung niemand auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlassen würde, vermag dies nicht zu überzeugen.

Wer sich auf ein Rechtsgeschäft mit einem Insolvenzverwalter einlässt, wird dies in aller Regel nicht aus gemeinnützigen Gründen tun, sondern in Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen. Dem Umstand, dass dies mittelbar auch den Insolvenzgläubigern zugute kommen kann, hat der Gesetzgeber dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er die Massegläubiger gegenüber den Insolvenzgläubigern in § 53 InsO ein Recht auf Vorwegbefriedigung eingeräumt hat. Eine weitere Priviligierung von Massegläubigern erscheint sachlich nicht als gerechtfertigt.

Entgegen der Auffassung von Zöller/Philippi (a. a. O.) steht auch nicht zu befürchten, dass sich ohne eine Bevorzugung bei der Prozessführung niemand auf Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter einlassen wird. Dagegen spricht schon, dass die betroffenen Kreise sich in der Vergangenheit offenbar nicht davon haben abhalten lassen, Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter abzuschließen, obwohl bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des OLG Naumburg in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten wurde, dass auch Massegläubigern zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen (vgl. die oben stehenden Nachweise).

Im Übrigen würde eine Auswirkung der hier vertretenen Gesetzesauslegung auf das Verhalten der beteiligten Kreise voraussetzen, dass der durchschnittliche Massegläubiger die Vorschrift des § 116 ZPO und die hierzu vertretenen Auslegungsmöglichkeiten kennt, ernsthaft mit der Möglichkeit rechnet, dass die Insolvenzmasse nicht dazu ausreicht, seine bevorrechtigten Ansprüche zu befriedigen, dass aber andererseits zur Insolvenzmasse begründete und durchsetzbare Ansprüche gehören, durch deren Durchsetzung sich seine - des Insolvenzgläubigers - Befriedigungsmöglichkeiten erhöhen, ohne dass die Prozesskosten von der Insolvenzmasse oder anderen wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden könnten. Eine solche Annahme erscheint als eher fernliegend.

Nach der Darstellung des Antragstellers in der Antragsschrift vom 7. April 2005 würden die Massegläubiger im vorliegenden Fall durch einen Erfolg der beabsichtigten Prozessführung ihre Befriedigungsmöglichkeiten verbessern. Dass sie wirtschaftlich nicht dazu in der Lage wären, die Prozesskosten aufzubringen, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Voraussetzungen, unter denen dem Antragsteller nach § 116Satz 1 Nr. 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, liegen mithin nicht vor.

2. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Eine Kostenentscheidung findet nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO). Die von dem Beschwerdeführer zu tragende Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Frage, ob Massegläubigern im Sinne des § 55 InsO zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen im Hinblick auf die steigende Zahl von Insolvenzen grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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