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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.06.2007
Aktenzeichen: 13 UF 118/06
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG


Vorschriften:

BGB § 1571
BGB § 1573
VAHRG § 10a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16. November 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 142 F 9682/06 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I. Die am 12. August 1963 geschlossene Ehe der Parteien ist gemäß Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. Januar 1981 - 126 F 2831/79 - rechtskräftig geschieden worden. Gemäß dem im Scheidungstermin geschlossenen Vergleich sollte die Klägerin, die damals noch die gemeinsamen am 26.01.1966 und am 31.01.1970 geborenen ehelichen Kinder betreute, monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 850, - DM für die Dauer eines Jahres erhalten, auf den Einkünfte, die 250, - DM monatlich übersteigen, angerechnet werden sollten. Danach sollte der Unterhalt sich nach den gesetzlichen Vorschriften bestimmen. Ausgegangen wurde von einem monatlichen bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2.978,95 DM bei einem Bruttoeinkommen von 3.391,65 DM abzüglich Sparzulage, berufsbedingter Aufwendungen und des Beitrages zur Krankenversicherung. Der Beklagte zahlte den vereinbarten Unterhalt für etwa sechs Monate bis zu einer Mitteilung der Klägerin, deren Inhalt streitig ist und die zur Einstellung der Unterhaltszahlungen führte.

Die am 01.04.1940 geborene Klägerin ist gelernte Schneiderin. Während der Betreuung der beiden gemeinsamen Kinder gab sie die Berufstätigkeit bis auf vorübergehende aushilfsweise ausgeübte Tätigkeiten auf. Im Zeitpunkt der Scheidung war sie teilzeitbeschäftigt. Im Jahr 1989 nahm sie wieder eine Vollzeitbeschäftigung auf, in der sie zunächst bei der Volksbühne und seit 1994 bei dem Berliner Ensemble als verantwortliche Schneiderin tätig war. Zum Beleg der aus ihrer Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte hat die Klägerin die Versicherungsnachweise für die Zeit von Juni 1981 bis 1984 sowie die Einkommensteuerbescheide von 1985 bis 2000 eingereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 20 - 26, 151 - 190 d.A.). Seit dem 01.01.2001 erhält die Klägerin eine Altersrente.

Der am 27.02.1936 geborene Beklagte, der ausgebildeter Mathematiker ist und bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, nunmehr: Rentenversicherung Bund) tätig war, erhielt bereits seit dem Jahr 1994 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und bezieht inzwischen eine Altersrente.

Der Versorgungsausgleich war im Scheidungsurteil vom 28.01.1981 dahingehend geregelt worden, dass die Anwartschaften des Beklagten bei der BfA (Rentenversicherung Bund) im Wege des Splitting ausgeglichen und wegen der Anwartschaften bei der VBL der Ausgleich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten wurde. Die Klägerin beantragte die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs am 17.03. 2003. Mit Schreiben desselben Datums forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte auf, weil die Klägerin nach der Änderung der Rechtsprechung zur Unterhaltsberechnung im Sinne der Differenzmethode Unterhaltsergänzungsansprüche seit dem 01.03.2003 geltend machen wolle. Von der Bezifferung sollte, wie er dem Beklagten mitteilte, zunächst abgesehen und das Ergebnis des Verfahrens über den Versorgungsausgleich abgewartet werden.

Im Verfahren über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wurde aufgrund eines im Rahmen dieses Verfahrens von der Klägerin gestellten Antrags gemäß § 10 a VAHRG die Anordnung über den Versorgungsausgleich dahingehend geändert, dass bezüglich der Anwartschaften der VBL der Ausgleich im Wege des Quasisplitting angeordnet wurde, und zwar ab 1.2.2005. Für die Zeit davor wurde eine Ausgleichsrente in Höhe von 106,99 EUR für April bis Juni 2003, von 108,06 EUR für Juli 2003 bis Juni 2004 und von 109,14 EUR für Juli 2004 bis Januar 2005 festgesetzt. Diese Entscheidung ist mit Änderungen in der Berechnung der im Wege des Splitting auszugleichenden Beträge aufgrund Beschlusses des 19. Senats des Kammergerichts vom 15.05.2006 - 19 UF 136/05 - rechtskräftig. Die geänderte Anordnung wurde von den Rentenversicherungsträgern erst im Laufe des Berufungsverfahrens gemäß Bescheiden der Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 31.01.2007, der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 14.02.2007 und der VBL vom 09.02.2007 umgesetzt. Gemäß dem Bescheid der Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 31.01.2007 erhält die Klägerin unter Berücksichtigung des erweiterten Quasisplitting ab Februar 2007 eine erhöhte Rente in Höhe von 1.278,62 EUR. Auf Seiten des Beklagten wurde die Rente dem entsprechend jeweils ab Februar 2007 gekürzt, und zwar gemäß den Bescheiden der Rentenversicherung Bund vom 14.02.2007 auf 995,91 EUR ab Februar 2007 und (aufgrund eines erhöhten Beitrages zur Krankenversicherung) auf 989,28 EUR ab April 2007, und gemäß dem Bescheid der VBL vom 09.02.2007 auf 315,04 EUR.

Am 24.06.2006 hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Stufenklage auf Auskunft und Zahlung von Unterhalt seit dem 01.02.2005 sowie einen bezifferten Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.01.2005 in Höhe von 2.602,49 EUR beantragt. Der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11.09.2006 Prozesskostenhilfe bewilligt und die Klage dem Beklagten am 14.09.2006 zugestellt. Im Termin des Amtsgerichts am 26.10.2006 hat sie den Unterhaltsanspruch insgesamt beziffert und einen monatlichen Unterhalt seit 01.02.2005 in Höhe von 105,53 EUR geltend gemacht.

Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin habe auf Unterhalt verzichtet und den Anspruch verwirkt.

Das Amtsgericht hat nach Umstellung der Klage auf Zahlung eines Teilunterhaltsbetrages auch über den 31. Januar 2005 hinaus der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Rückstandes bis einschließlich 30.06.2004 stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen, weil der Differenzbetrag der Einkünfte geringfügig sei. Wegen der Begründung der Entscheidung und auch der Berechnung des Unterhalts wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihnen am 20.11.2006 zugestellte Urteil haben der Beklagte am 7.12.2006 und die Klägerin am 20.12.2006 die Berufung eingelegt und die Rechtsmittel am 15.01.2007 bzw. am 18.01.2007 begründet.

Der Beklagte hält an dem Einwand des Verzichts und der Verwirkung fest. Das Amtsgericht habe die Vorschrift des § 1585 b Abs. 3 BGB nicht beachtet. Er habe sich mangels Kenntnis des zu zahlenden Betrages nicht in Verzug befunden. Die Klägerin habe nicht ausreichend dargelegt, dass sie durchgehend einen Unterhaltsanspruch gehabt habe. Bei dem im Jahr 1993 erzielten Einkommen von 60.000, - DM brutto hätte sich ein Monatseinkommen von 3.268, - DM ergeben. Wenn die Klägerin in den Folgejahren geringere Einkünfte gehabt habe, sei dies nicht Ausdruck erheblicher fortwirkender Ehe bedingter Nachteile in der beruflichen Entwicklung der Klägerin. Im Übrigen sei der Unterhalt zu befristen gewesen. Die Klägerin sei wieder in ihrem ausgebildeten Beruf tätig gewesen und habe somit keine Ehe bedingten Nachteile erlitten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen sowie unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.07.2004 bis zum 31.01.2007 in Höhe von 3.271,43 EUR und ab 01.02.2007 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 105,53 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin verfolgt den Unterhaltsanspruch auch für die Zeit seit Juli 2004 weiter. Sie macht geltend, eine Geringfügigkeitsgrenze gebe es nach dem Gesetz nicht, sie sei bei den relativ geringfügigen Einkünften der Klägerin auch nicht angebracht. Sie sei durchgehend unterhaltsberechtigt gewesen, da sie weniger verdient habe als der Beklagte. Im Hinblick auf die schwankenden Einkünfte sei eine Durchschnittsberechnung vorzunehmen. Der Unterhaltsanspruch sei auch nicht verwirkt. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei es nicht gerechtfertigt, den Verzug bei dem Verwandtenunterhalt und dem Kindesunterhalt unterschiedlich zu behandeln. Eine Angleichung sei nur versehentlich unterblieben. Es sei daher die entsprechende Anwendung des § 1613 BGB geboten. Ferner sei aus verfassungsrechtlichen Gründen die Beantragung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die rechtzeitige Geltendmachung des Unterhalts gleich zu erachten.

Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs komme schon im Hinblick auf die lange Ehedauer und die Kindererziehung nicht in Betracht. Auch habe sie berufliche Nachteile erlitten, die sich neben der Einschränkung ihrer Karrierechancen in einer nachteiligen Versorgungsbilanz niederschlagen. Zu ihrem beruflichen Werdegang trägt die Klägerin vor: sie habe ihren gelernten Beruf als Schneiderin vor der Eheschließung und bei Beginn der Ehe bis zur Geburt des ersten Kindes (Januar 1966) ausgeübt. Sie sei bei der Düsseldorfer Firma C... tätig gewesen, die sich mit der Entwicklung, dem Entwurf und der Fertigung von hochwertiger Damen- und Herrenmode, Haute-Couture befasst habe und Modeschauen sowohl im Bereich der Einzelanfertigung von hochmodischen Textilien als auch Pret-á-Porter Ware veranstaltet habe. Aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Fähigkeiten sei ihr angeraten worden, die Modeschule zu besuchen, um sich als Modezeichnerin ausbilden zu lassen. Die Klägerin habe gerade die Vorbereitung für diesen Wechsel getroffen, als sich die Geburt des ersten Kindes angekündigt habe. Der Beklagte habe eine weitere Qualifikation der Klägerin abgelehnt und habe den Rückzug der Klägerin in die Kinderbetreuung erwartet. Ohne die Aufgabe ihres Berufes hätte sie als Direktrice oder Entwurfszeichnerin für Haute-Couture im Bereich exquisiter Modeentwicklung bei einer Tätigkeit über Deutschland hinaus ein weit höheres Einkommen verdienen können als in ihrem Beruf als Schneiderin.

Der Beklagte bestreitet diesen Vortrag. Etwaige Qualifizierungspläne habe die Klägerin ihm nicht offenbart. Er habe nicht den Rückzug der Klägerin in die Haushaltsführung und Kinderbetreuung verlangt. Die Klägerin sei immerhin trotz der Haushaltsführung und Kindesbetreuung im Arbeitsleben reüssiert, was die im Jahre 1993 erzielten Einkünfte zeigen würden.

II. Die Berufungen der Parteien sind zulässig (§§ 516, 518, 519 ZPO). Das Rechtsmittel des Beklagten ist begründet, das der Klägerin unbegründet. Der Klägerin steht ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1571 BGB für den geltend gemachten Zeitraum nicht zu.

Das gilt ohne weiteres für den Zeitraum ab Februar 2007, da die Klägerin nach der Neuberechnung nach Durchführung des erweiterten Quasisplitting eine höhere Rente bezieht als der Beklagte.

Dagegen bleibt der Unterhaltsanspruch für die Zeit davor von der Entscheidung über den Versorgungsausgleich unberührt. So lange das Rentenverfahren läuft und die erhöhte Rente nicht gezahlt wird, bleibt die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit bestehen und der Unterhaltsanspruch zu erfüllen. Ein Ausgleich hat insoweit gegebenenfalls bei einer rückwirkenden Bewilligung im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs zu erfolgen, der sich danach bemisst, welchen Unterhalt der Verpflichtete bei rechtzeitiger Rentenleistung hätte zahlen müssen (vgl. BGH, FamRZ 1983, 574; FamRZ 1990, 269; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 1, Rn 449; § 6, Rn 235). Darüber hinaus kann ein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Betracht kommen, soweit der aus dem Versorgungsausgleich verpflichtete Beklagte Versorgungsleistungen erhalten hat, die die Klägerin sich gemäß § 10 a Abs. 7 VAHRG entgegenhalten lassen muss (vgl. MK-Sander, BGB, 4. Aufl., § 1587 b, Rn 113).

Ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1571 BGB steht der Klägerin auch für die Zeit vor dem 1.02.2007 allerdings nicht zu. Der Anspruch auf Altersunterhalt gemäß § 1571 BGB setzt voraus, dass bis zum Eintritt dieses Unterhaltstatbestandes ununterbrochen ein Unterhaltsanspruch bestanden hat (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB, § 1571, Rn 2, 1572, Rn 2; Wendl/Pauling, aaO., § 4, Rn 49; BGH, FamRZ 2001, 1291).

Insoweit kann unterstellt werden, dass die Klägerin bis zu ihrem Rentenbeginn durchgehend weniger verdient hat als der Beklagte. Die Klägerin hat für die Zeit seit der Scheidung folgende Einkünfte nachgewiesen:

gemäß Versicherungsnachweisen:

 06/81 - 12/8110.891, - DM
198221.960, - DM
198330.105, - DM
198433.461, - DM

gemäß Steuerbescheiden:

 EinkommenSteuer
1985:34.559, - DM3.869, - DM
1986:37.678, - DM4.541, - DM
1987:34.917, - DM3.801, - DM
1988:32.175, - DM2.827, - DM

- Beginn der Vollzeittätigkeit -

 1989:39.884, - DM5.259, - DM
1990:39.386, - DM6.345, - DM
1991:43.158, - DM7.379, - DM
1992:47.161, - DM8.250, - DM
1993:60.743, - DM9.714, - DM

- Wechsel der Arbeitsstelle -

 1994:47.379, - DM7.836, - DM
1995:48.933, - DM8.900, - DM + 667,50
1996:49.497, - DM8.978, - DM + 673,35
1997:50.518, - DM9.301, - DM + 697,57
1998:51.180, - DM9.469, - DM + 520,79
1999:43.766, - DM7.493, - DM + 412,11
2000: 52.819, - DM9.437, - DM + 519,03

- ab 2001 Rentenbezug -

Ein herausragend hohes Einkommen bezog die Klägerin im Jahr 1993 mit 60.743, - DM. Das ergibt bei Zugrundelegung der vom Beklagten ermittelten Krankenversicherungsbeiträge ein Nettoeinkommen von rund 1.587, - EUR (rund 3.268, - DM) und bereinigt rund 1.360, - EUR. Dem stand ein Nettoeinkommen des Beklagten, ausgehend von dem in dem Vergleich vom 28.01.1981 zugrunde gelegten bereinigten Nettoeinkommen im Jahr 1980 in Höhe von rund 1.523, - EUR (2.978,85 DM) bei einer moderaten Steigerung von rund 1 % jährlich ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von mindestens rund 1.721, - EUR, nach Abzug eines in dem Vergleich nicht berücksichtigten Erwerbstätigenbonus (1/7 = rund 245,87 EUR) in Höhe von rund 1.475, - EUR gegenüber. Der Beklagte verdiente somit immer noch mehr als die Klägerin. Ein pauschaler Ausschluss des Unterhalts bei einem den Betrag von 10 % des Nettoeinkommens des Bedürftigen oder gar des beiderseitigen Einkommens unterschreitenden Betrag ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht gerechtfertigt. Eine derartige Geringfügigkeitsgrenze wird bisher nur vereinzelt angenommen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 947; OLG München, FamRZ 1997, 425; OLG Brandenburg, FamRZ 2005, 210). Die Frage, ob eine Differenz so geringfügig ist, dass sie unbeachtlich ist, kann nach Ansicht des Senats nur unter Berücksichtigung der konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse der unterhaltsbedürftigen Partei beantwortet werden (vgl. auch Haußleiter, NJW-Spezial 2006, 247). Bei dem hier in Frage stehenden Einkommen wäre eine Differenz von mindestens rund 115, - EUR (8,4 % des eigenen Einkommens) nicht unbeachtlich gewesen.

Seit 1994, wobei der Beginn des Rentenbezuges unbekannt ist, bezog der Beklagte eine der Höhe nach unbekannte Erwerbsunfähigkeitsrente, allerdings hatte die Klägerin nunmehr ihrerseits geringere Einkünfte. Im Jahr nach dem Rentenbezug (1995) betrugen das Bruttoeinkommen der Klägerin 48.933, - DM und die Steuerbelastung 8.900, - DM + 667,50 DM (Solidaritätszuschlag). Das ergibt unter Berücksichtigung der Sozialabgaben (Rentenversicherung 19,5 %, Krankenversicherung 14,9 %, Arbeitslosenversicherung 6,5 %) ein Nettoeinkommen von rund 1.187, - EUR, bereinigt um die Aufwendungspauschale und den Erwerbstätigenbonus in Höhe von rund 1.017, - EUR. Die Rentenbezüge des Beklagten sind erst ab 2003 bekannt. Sie betrugen insgesamt im Jahr 2003 unter Berücksichtigung der Kürzung aufgrund des Versorgungsausgleichs 1.280, - EUR. Da die Klägerin erst ab 2001 ihrerseits Rente bezog, ist davon auszugehen, dass die Rentenbezüge des Beklagten vorher um den der übertragenen Anwartschaft in Höhe von 257, - DM entsprechenden Rentenbetrag höher waren. Die Anwartschaft entsprach im Jahr 1981 bei einem aktuellen Rentenwert von 27,39 DM 8,0354 Entgeltpunkten. Diese entsprachen wiederum im Jahr 1995 bei einem aktuellen Rentenwert von 46 DM einem Rentenbetrag von 369,63 DM (188,99 EUR). Das ergibt, bezogen auf die im Jahr 2003 bezogene Rente, einen Betrag in Höhe von rund 1.469, - EUR, also deutlich mehr als das der Klägerin zuzurechnende Einkommen. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass die Versorgungsbezüge nach dem Jahr 1995 teilweise noch moderat gestiegen sind (zu den Steigerungsraten s. BGH, NJW 2004, 2676, bei juris Rn 23) und sich auch das Einkommen der Klägerin bis zum Jahr 2000 erhöht hat, ist davon auszugehen, dass auch noch bis zum Jahr 2000 eine deutliche Einkommensdifferenz zugunsten des Beklagten verblieben ist.

Ein Unterhaltsanspruch wegen Alters konnte im Jahr 2001 dennoch nicht entstehen, weil ein Aufstockungsunterhaltsanspruch jedenfalls in diesem Jahr nicht mehr bestanden hätte.

Ohne weiteres wäre dies nach der früher noch im Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Rechtsprechung der Fall, nach der das Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten vollständig auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen war (Additionsmethode). Denn die Klägerin wäre in diesem Fall ohne weiteres in der Lage gewesen, ihren sich nach dem Einkommen des Beklagten berechneten Unterhalt durch ihr eigenes Erwerbseinkommen zu decken. Jedoch ist seit der Entscheidung des BGH vom 13.06.2001 (XII ZR 343/99; BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001, 986) die Differenzmethode anzuwenden, nach der die spätere Erwerbstätigkeit des Ehegatten als Surrogat für die Haushaltsführung und Kindererziehung zu berücksichtigen und bedarfsprägend in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen ist. Diese Rechtsprechung ist auch zugrunde zu legen, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachträglich nach der Änderung der Rechtsprechung Unterhalt geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2006, XII ZR 190/03, zur Abänderungsklage BGH, Urteil vom 28.02.2007, XII ZR 37/05, jeweils bei juris). In diesem Fall ist aber auch die Befristungsmöglichkeit zu beachten, die nach Anwendung der Differenzmethode um so mehr an Bedeutung gewinnt (vgl. BGH, aaO.). Daran ist insbesondere der Beklagte im vorliegenden Fall nicht deshalb gehindert, weil er eine Befristung vorher nicht geltend gemacht hatte. Im Zeitpunkt des Unterhaltsvergleichs im Jahr 1981 stellte sich die Frage wegen der noch geltenden Additionsmethode noch nicht; die Regelung über die Befristung, die erst im Jahr 1986 durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20. Februar 1986 eingeführt wurde, galt noch nicht. In der Folgezeit bestand kein Anlass zur Erörterung der Befristung, da die Klägerin Unterhalt - in Einklang mit der noch geltenden Rechtsprechung - nicht geltend gemacht hatte. Hätte der Unterhaltsanspruch nach der jetzt geltenden Berechnungsweise früher geltend gemacht werden können, so hätte sich auch sogleich die Frage der Befristung gestellt. Sich darauf zu berufen, kann dem Beklagten, der nicht die Möglichkeit hatte, sich rechtzeitig auf die nachträgliche Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs einzustellen, nicht verwehrt werden.

Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt, der während der Erwerbstätigkeit der Klägerin allenfalls in Betracht gekommen wäre, ist gemäß § 1573 Abs. 5 BGB zu befristen, wenn insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Nach der neueren Rechtsprechung ist bei der Frage, ob der nacheheliche Aufstockungsunterhalt zu befristen ist, in erster Linie darauf abzustellen, ob sich die Einkommensdivergenz zwischen den Ehegatten als Ehe bedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigt. Dabei stellt die Ehedauer einen der bei der Abwägung zu berücksichtigenden Umstände dar (vgl. insbesondere die neuere Rechtsprechung des BGH, Urt. vom 12.04.2006, XII ZR 240/03; vom 25.10.2006, XII ZR 190/03; vom 28.02.2007, XII ZR 37/05; OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 06.09.2001, 8 UF 68/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2005, II-7 UF 111/05, z UF 111/05; OLG Koblenz, Urt. v. 02.11.2006, 7 UF 774/05; jeweils abgedruckt bei juris) . Eine starre zeitliche Grenze gibt es nicht. Auch die Kinderbetreuung steht einer Befristung grundsätzlich, wenn die übrigen Umstände für eine Befristung gegeben sind, nicht entgegen (vgl. BGH, NJW 1990, 1847, 1849 zu II.4; Palandt-Brudermüller, aaO., § 1573, Rn 34). Die Zeit der Kindererziehung ist allerdings der Ehezeit hinzuzurechnen. Deren Dauer kann wiederum ein Indiz für eine fortbestehende wirtschaftliche Verflechtung darstellen (vgl. Wendl/Pauling, aaO., § 4, Rn 592). Insoweit ist vorliegend die Ehezeit mit Rücksicht auf die weitere Betreuung des jüngeren im Januar 1970 geborenen im Zeitpunkt der Scheidung 11 Jahre alten Kindes bis zu dessen 15. Lebensjahr, bis zu dem eine Betreuungsbedürftigkeit noch anzunehmen ist (vgl. Leitlinien KG Nr. 17.1), um vier Jahre zu verlängern. Die Ehezeit verlängert sich damit von 17 1/2 auf 21 1/2 Jahre. In erster Linie ist aber zu prüfen, ob die Klägerin durch die Haushaltsführung und Kindererziehung berufliche Nachteile erlitten hat oder ob nicht inzwischen eine wesentliche wirtschaftliche Entflechtung eingetreten ist, indem die Klägerin mit der wieder aufgenommenen Berufstätigkeit in ihrem erlernten Beruf eine angemessene Vergütung erhält, die sie auch bei fortdauernder Ehe hätte erzielen können und mit der sie in der Lage ist, einen Lebensstandard zu erreichen, den sie ohne die Ehe mit dem bereits bei der Eheschließung höher qualifizierten Beklagten erzielt hätte. Bei Berücksichtigung der tatsächlichen - insoweit unstreitigen - beruflichen Entwicklung der Klägerin nach der Scheidung ist letzteres zu bejahen. Die Klägerin war im Zeitpunkt der Scheidung 41 Jahre alt. Sie übte im Zeitpunkt der Scheidung ihren erlernten Beruf der Schneiderin in einer Teilzeittätigkeit aus und hat diese Tätigkeit im Jahr 1989 auf eine Vollzeitanstellung ausweiten können. Die Aufstellung der jährlichen Einkünfte seit 1981 weist insbesondere seit Beginn der Vollzeittätigkeit, insbesondere in der Zeit bei der Volksbühne, deutliche Gehaltserhöhungen auf. Diese sprechen dafür, dass es der Klägerin nach der Wiederaufnahme der Vollzeittätigkeit gelungen sein muss, sich insbesondere in der erste Anstellung zu qualifizieren und sich von einer normalen Tätigkeit als Schneiderin abzuheben. Dafür spricht auch die Anstellung als verantwortliche Schneiderin, also in einer gehobenen Stellung, sowie das für den Beruf der Schneiderin verhältnismäßig hohe Gehalt. Soweit die Klägerin dem gegenüber behauptet, ihr seien durch die Haushaltsführung und Kindererziehung noch weitergehende Karrieremöglichkeiten entgangen, fehlt es an substantiiertem Vortrag ihrerseits. Die Klägerin hätte insoweit konkreter vortragen und, wie etwa durch Zeugnisse, Bewerbungen an Modeschulen oder ähnliches belegen müssen, dass tatsächlich eine reelle Fortbildungsmöglichkeit bestand. Insoweit trifft zunächst die Klägerin, die nach dem gewöhnlichen Verlauf eine nachhaltige berufliche Beeinträchtigung nicht erlitten hätte, eine erhöhte Darlegungslast, wenn sie aus besonderen Gründen den Verlust ungewöhnlicher über den erlernten Beruf hinausgehender Entwicklungsmöglichkeiten behauptet (vgl. auch BGH, Urteil vom 28.03.1990, XII ZR 64/89, bei juris Rn 26). Im Übrigen ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Klägerin nach dem Besuch einer Modeschule tatsächlich so gute Anstellungsmöglichkeiten wie von ihr behauptet gehabt hätte.

Ein nachhaltiger ehebedingter Nachteil ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin in Folge der zeitweisen Unterbrechung der Berufstätigkeit Versorgungsnachteile erlitten hätte, die nicht durch die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeglichen worden sind. Insoweit wäre darzulegen gewesen, welche Anwartschaften die Klägerin bei nicht unterbrochener Erwerbstätigkeit - mit der Folge eines entsprechend geringeren Versorgungsausgleichs - erworben hätte, und inwieweit diese höher gewesen wären als ihr im Wege des Versorgungsausgleichs übertragen worden sind.

Gegen eine Befristung spricht auch nicht, dass die Klägerin keine besonderen Vermögenswerte besitzt und ihr im Wege der nachehelichen Auseinandersetzung keine besonderen Vermögenswerte übertragen worden sind. Maßstab kann insoweit nur sein, inwieweit nach den ehelichen Lebensverhältnissen eine besondere Absicherung erwartet werden konnte. Die Klägerin hatte insoweit eine Absicherung dadurch, dass sie in Folge des höheren Einkommens des Beklagten nicht unerhebliche Zuwendungen im Zuge des Versorgungsausgleichs zu erwarten hatte, die heute zu einer höheren Rente der Klägerin führen als der Beklagte an Versorgungsbezügen erhält.

Letztlich sind im Rahmen der erforderlichen Abwägung auch die Belange des Verpflichteten zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2006, aaO., Rn 26). Dabei ist im vorliegenden Fall besonders zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits seit 1994 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und daher seit diesem Zeitpunkt keine Gelegenheit mehr hatte, die Verluste, die ihm durch die Kürzungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs entstehen, auszugleichen. Insbesondere dieser Umstand hätte dafür gesprochen, den Unterhaltsanspruch auf einen angemessenen Zeitraum nach der Frühverrentung zu befristen. Bei Berücksichtigung des Wechsels der Arbeitsstelle der Klägerin im Jahre 1994, die vorübergehend zu einer Einkommenseinbuße führte, hätte ein angemessener Zeitraum nicht über vier Jahren gelegen, d.h. der Unterhaltsanspruch hätte deutlich vor dem Rentenbeginn der Klägerin geendet. Das erscheint auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass der Beklagte auf der Basis der noch bis zum Rentenbeginn der Klägerin geltenden Rechtsprechung mit einer späteren Inanspruchnahme auf Unterhalt nicht hätte rechnen müssen und dem entsprechend keinen Anlass hatte, entsprechende Rücklagen zu bilden, während andererseits die Klägerin stets gehalten und auch in der Lage war, für ihre eigene Absicherung im Alter zu sorgen und dies auch getan hat.

Da die Klage und die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben, hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 91, 97 ZPO zu tragen. Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Entscheidung des Revisionsgerichts für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten ist. Die Voraussetzungen der Befristung, auch im Fall der nachträglichen Geltendmachung von Unterhalt, sind durch die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt und im Übrigen Tatfrage. Da ein Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht besteht, kommt es auf die in dem Prozesskostenhilfebeschluss des Senats vom 13. Februar 2007 erörterte Frage, ob der Anspruch für die Zeit vor dem 14. September 2005 (Zustellung der Klage) gemäß § 1585 b Abs. 3 BGB verwirkt ist, nicht an.

Ende der Entscheidung

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