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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.07.2009
Aktenzeichen: 13 UF 150/08
Rechtsgebiete: BGB, SGB VIII


Vorschriften:

BGB § 1610
SGB VIII § 95
SGB VIII § 96
Keine Verwirkung von Ansprüchen aus übergegangenem Recht.
KAMMERGERICHT

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 13 UF 150/08

Verkündet am: 3. Juli 2009

In der Familiensache

hat der 13. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2009 durch die Richterin am Kammergericht Hennemann als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 15. Oktober 2008 geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.505,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 22% und der Beklagte zu 78% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I. Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 543 Abs. 1 S. 2 ZPO, wobei der Tatbestand auf Antrag des Klägers dahingehend gem. § 319 ZPO zu berichtigen ist, dass der Kläger die Ansprüche des volljährigen Sohnes T§§§§ gemäß Überleitungsanzeige vom 17. Februar 2006 auf sich übergeleitet hat.

Der Sohn des Beklagten, TDDDDDDD , verließ im Sommer 2004 die Schule. Vom 12. August 2004 bis Juni 2005 besuchte er einen berufsqualifizierenden Bildungsgang am Oberstufenzentrum Kommunikations-, Informations- und Medientechnik. Aufgrund von Problemen mit Mitschülern wechselte er die Schule und besuchte sie in der Folgezeit regelmäßig und absolvierte ein Praktikum als Tischler. Nachdem er seinen Abschluss im Sommer 2005 geschafft hatte, absolvierte er ein weiteres Praktikum und begann im September 2005 eine Ausbildung als Zweiradmechaniker und erhielt eine Ausbildungsvergütung von 282 EUR. Am 11. Februar 2006 brach er die Ausbildung ab. Nach einem Besuch beim Arbeitsamt im Februar 2006 absolvierte er ein Praktikum als Möbelhelfer und wollte dann eine Ausbildung als Maler beginnen. Nach Zustellung der Überleitungsanzeige vom 17. Februar 2006 am 21. Februar 2006 erhob der Beklagte hiergegen mit Schreiben vom 19. März 2006 Einwendungen. Mit Bescheid vom 30. November 2006 änderte der Kläger daraufhin die Überleitungsanzeige und machte noch einen Betrag von 4.975,60 EUR geltend. Mit Bescheid vom gleichen Tag wurde zudem auch ein Kostenbeitrag für die Heimunterbringung des Kindes Tdddd vom 15. Mai 2004 bis 28. Februar 2005 gefordert. Gegen beide Bescheide hatte der Beklagten Widerspruch eingelegt und zur Begründung gegen den hier maßgeblichen Bescheid mit Schreiben vom 23. Februar 2007 u.a. ausgeführt, dass die Überleitung der Ansprüche erst ab dem Zugang der Rechtswahrungsanzeige möglich sei, auf eine mögliche Verwirkung hingewiesen und zum Ausgleich der Forderung und Vermeidung eines Rechtsstreits eine Zahlung von 1.000,00 EUR angeboten. Mit Bescheid vom 17. September 2007 ist der Widerspruch gegen die Überleitungsanzeige vom 17. Februar 2006 in der Form des Änderungsbescheids vom 30. November 2006 zurückgewiesen worden. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 hat der Beklagte mitgeteilt, dass er gegen den Bescheid keinen Widerspruch einlegen werde, aber an seiner Rechtsauffassung festhalte.

Mit Urteil vom 15. Oktober 2008 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Es hat den auf den Kläger übergegangenen Anspruch des Sohnes TMMMM für verwirkt erachtet, weil eine gerichtliche Geltendmachung erst knapp zwei Jahre nach dem Ende des Zeitraums, für den Unterhalt gefordert werde, erfolgt sei. Der Beklagte habe auch darauf vertrauen dürfen, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werde, da der Kläger neun Monate benötigt habe, um die ersten Einwendungen des Beklagten zu bescheiden und zu diesem Zeitpunkt bereits 19 Monate seit Zustellung der Rechtswahrungsanzeige vergangen seien. Erst nach einem weiteren Jahr habe der Kläger dann die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht. Aufgrund der auf Seiten des Klägers eingetretenen Verzögerungen habe der Beklagte nicht mit einer Inanspruchnahme rechnen müssen.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt.

Er ist der Auffassung, dass eine Verwirkung nicht eingetreten sei, weil der Beklagte gegen die erlassenen Bescheide Einwendungen erhoben habe und diese immer wieder geprüft worden seien, so dass der Beklagte nicht damit habe rechnen können, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werde.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 15. Oktober 2008 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 2. März 2005 bis 31. März 2006 in Höhe von 4.527,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Januar 2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, der Kläger habe nur einen Unterhaltsanspruch des Kindes für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 11. Februar 2006 schlüssig dargetan. Allerdings fehle es an einer Inverzugsetzung, denn der Kläger habe zum Zeitpunkt der Rechtswahrungsanzeige bereits das Einkommen des Beklagten gekannt und hätte zu diesem Zeitpunkt den Beklagten mit einer bezifferten Forderung in Verzug setzen müssen, damit er rückwirkend Unterhalt verlangen könne. Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Unterhaltsanspruch verwirkt sei, zumal der Kläger mit Bescheid vom 30. November 2006 ausdrücklich klargestellt habe, dass er einen Kostenbeitrag und keinen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch geltend mache. Im Übrigen habe der Sohn seinen Unterhaltsanspruch gegen den Vater gem. § 1611 BGB verwirkt, weil er aufgrund seiner Drogenabhängigkeit nicht regelmäßig die Schule besucht habe.

II. Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Kläger den Beklagten aus übergegangenem Recht gem. §§95, 96 SGB VIII a.F .auf Unterhaltszahlungen ab dem 12. April 2005 bis 28. Februar 2006 in Anspruch nimmt. Hingegen ist die Berufung unbegründet, soweit der Kläger vom Beklagten weiterhin auch für den Zeitraum vom 2. März 2005 bis 11. April 2005 und für März 2006 auf Zahlung von Unterhalt begehrt.

1. Der Sohn des Beklagten hatte gegen den Beklagten für den hier maßgeblichen Zeitraum einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, § 1610 BGB. Der Sohn hatte die allgemeinbildende Schule zur Zeit seiner Minderjährigkeit ohne Abschluss verlassen. Er besuchte dann einen berufsqualifizierenden Lehrgang an einem Oberstufenzentrum, der auch den Zeitraum ab März 2005 umfasste, und begann nach dem Abschluss im Sommer 2005 und einem zwischenzeitlichen Praktikum im September 2005 eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker. Diese Ausbildung brach er am 11. Februar 2006 ab. In diesem Zeitraum ist er mithin einer Ausbildung nachgegangen, wobei auch der Besuch eines berufsvorbereitenden Lehrgangs zu einer Berufsausbildung zählt (vgl. Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 57). Gründe für den Abbruch der Ausbildung sind vom Kläger nicht benannt worden, der Kläger hat aber geltend gemacht und belegt, dass der Sohn sich nach Abbruch unverzüglich beim Arbeitsamt gemeldet hat und ein weiteres Praktikum als Möbelhelfer absolvierte, um dann eine weitere Ausbildung zum Maler zu beginnen. Ob der Sohn dieses realisiert hat, ist nicht bekannt. Zwar ist dem Sohn zuzugestehen, dass er sich bezüglich der für ihn geeigneten und seinen Fähigkeiten und Interessen angemessenen Berufsausbildung irrt und er innerhalb einer Orientierungsphase auch den Ausbildungsgang wechseln kann. Angesichts der auch dem Beklagten bekannten schwierigen Familiengeschichte - der berufstätige Vater lebte seit 1995 mit seinen drei Söhnen allein in Berlin, ein Kontakt zur Mutter bestand auch aufgrund der ablehnenden Haltung der Kinder nicht, Taaaa war zuletzt viel sich selbst überlassen und besuchte bis zum Beginn der Fremdunterbringung die Schule nicht mehr - wird man dem Sohn auch insgesamt eine längere Orientierungsphase zubilligen können. Es ist aber nicht ersichtlich, welche Bedeutung das weitere Praktikum als Möbelhelfer für eine geplante Ausbildung zum Maler hatte. Von dem 19jährigen Sohn war daher zu verlangen, dass er nach Abbruch der Ausbildung sich durch die Übernahme von Jobs um eine eigene Sicherung seines Lebensunterhalts bis zum Beginn einer erneuten Ausbildung kümmerte. Jedenfalls für den Zeitraum ab 1. März 2006 hat der Kläger daher einen Unterhaltsanspruch des Kindes nicht dargetan, obwohl er auf die Notwendigkeit eines substanziierten Vortrages hingewiesen worden ist.

2. Dieser Ausbildungsunterhaltsanspruch des Sohnes gegen den Beklagten ist auch nicht gem. § 1611 Abs. 1 BGB verwirkt. Der erstmals mit nachgelassenem Schriftsatz vom 11. Juni 2009 geltend gemachte Verwirkungseinwand ist unbegründet. Zwar ergibt sich aus den vom Kläger eingereichten Berichten des sozialpädagogischen Dienstes des Jugend- amtes des Bggggggggggggggggggggggggg , dass der Sohn des Beklagten ganz offensichtlich Drogenprobleme hatte. Die Drogenproblematik bestand bei Ttttt aber bereits zur Minderjährigkeit. Dass allein der Konsum von Haschisch zu einem unregelmäßigen Schulbesuch geführt hatte, hat der Beklagte nicht näher dargelegt. Soweit er allein auf die Berichte des Jugendamtes verweist, lässt sich dies anhand dieser Berichte nicht nachvollziehen. Denn danach hat der Sohn ab Sommer 2004 ganz offensichtlich immer regelmäßig den Unterricht besucht, dies belegen auch vorgelegte Schulbescheinigungen. Gleiches gilt auch für die dann begonnene berufliche Ausbildung. Inwieweit der Abbruch der allgemeinbildenden Schule zurzeit seiner Minderjährigkeit auf einer Drogenabhängigkeit beruhte, lässt sich den Berichten des Jugendamtes nicht entnehmen. Da der Sohn zu diesem Zeitpunkt auch noch zu Hause lebte, ist zudem festzustellen, dass ganz offensichtlich die väterliche Erziehung den Sohn nicht mehr zu erreichen vermochte, was auch in der für den Sohn ganz offensichtlichen schwierigen von den Eltern ausgehenden Familiengeschichte lag. Dieses Verhalten des Sohnes kann daher weder als ein durch sein sittliches Verschulden herbeigeführte Unterhaltsbedürftigkeit noch als vorsätzlich schwere Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen angesehen werden.

3. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der Kläger den Anspruch aus übergegangenem Recht auch für die Vergangenheit vor dem Zugang der Überleitungsanzeige vom 17. Februar 2006 geltend machen, allerdings erst ab dem 12. April 2005 bis 28. Februar 2006. Der Kläger hat in diesem Zeitraum Hilfe für den Sohn gem. § 41 SGB VIII a.F. geleistet und diesen Anspruch übergeleitet.

Gem. § 96 Abs. 3 SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung kann ein Unterhaltspflichtiger für die Vergangenheit außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur in Anspruch genommen werden, wenn ihm die Gewährung der Leistung unverzüglich schriftlich mitgeteilt worden ist. Diese Rechtswahrungsanzeige ist eine weitere selbständige Möglichkeit der rückwirkenden Inanspruchnahme des Verpflichteten, ohne dass es einer vorherigen Mahnung bedarf (vgl. BGH, FamRZ 1985, 586; Wendl/Scholz, a.a.O., § 8 Rdnr. 82). Sie führt vergleichbare Rechtsfolgen wie die Mahnung herbei und hat eine die Mahnung vergleichbare Warnfunktion, sie unterliegt andererseits aber nicht den Anforderungen an eine Mahnung, insbesondere nicht dem Bestimmtheitserfordernis (vgl. BGH FamRZ 1983, 896 m.w. N.; Paul in Kunkel, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Aufl., § 96 Rdnr. 18). Es bedurfte damit für die Inverzugsetzung des Beklagten keine Berechnung eines Unterhaltsanspruchs durch den Kläger und es war somit auch unerheblich, dass der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt Auskunft über seine Einkommensverhältnisse erteilt hatte.

Allerdings reichte die Wirkung der Rechtswahrungsanzeige nur bis zu dem Zeitpunkt der Bewilligung der Leistungen am 12. April 2003 zurück und nicht auch für den Zeitraum der rückwirkenden Bewilligung vom 2. März 2005 bis 11. April 2005 (vgl. BGH FamRZ 1985, 793; Kunkel, FamRZ 1996, 1509, 1513).

4. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 12. April 2005 bis 28. Februar 2006 ein Unterhaltsanspruch in Höhe von insgesamt 3.505,60 EUR zu (12.04.2005 bis 30.06.2005: 1.106,00 EUR; 01.07.05 bis 31.08.05: 896,00 EUR und 01.09.05 bis 28.02.05, 1503,60 EUR). Der Bedarf des Sohnes des Beklagten ist der Höhe nach unstreitig. Die Mutter ist nicht leistungsfähig. Sie bezog ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Kammergerichts vom 2. Dezember 2005 - 13 UF 79/05 - ab Januar 2005 Leistungen nach dem SGB XII. Sie erhielt ferner im hier maßgeblichen Zeitraum Unterhaltsleistungen vom Beklagten zuletzt in Höhe von monatlich 639 EUR ab Dezember 2005. Die Anrechnung von fiktiven Einkünften vermögen ebenfalls keine Leistungsfähigkeit zu begründen, da sich das volljährige Kind nicht auf fiktive Einkünfte eines Elternteils verweisen lassen muss (vgl. Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rdnr. 440).

Der Beklagte ist hingegen in voller Höhe leistungsfähig. Er hat gegen die Berechnung seines maßgeblichen bereinigten Einkommens mit 3.920,- EUR durch den Kläger keine Einwände mehr erhoben. Hiervon sind neben den Selbstbehalt von 1.000,- EUR bis Juni 2005 und dann 1.100,- EUR die im Urteil des Kammergerichts vom 2. Dezember 2005 - 13 UF 79/05 - zugrunde gelegten Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten gegenüber dem Sohn S/// von monatlich 600 EUR bis Juni 2005, 640 EUR im Monat ab Juli 2005 sowie gegenüber dem Sohn Tlll von 358 EUR monatlich ab September 2005 sowie die ausgeurteilten Unterhaltszahlungen an die Mutter der Kinder und geschiedene Ehefrau des Beklagten von monatlich 383,47 EUR ab April 2005, monatlich 273,46 EUR ab Juli 2005 bis November 2005 und dann monatlich 639 EUR ab Dezember 2005 abzuziehen. Dem Beklagten verbleiben danach folgende Einkünfte:

 4/05-6/05 7/05 -8/05 9/05-11/05 12/05-2/06
Einsatzbetrag 3920 3920 3920 3920
Selbstbehalt -1000 -1100 -1100 -1100
Unterhalt gesch. Ehefrau -383,47 -273,46 -273,46 -639
Unterhalt S. -600 -640 -640 -640
Unterhalt T. unstreitig -420 -448 -250,6 -250,6
Unterhalt T. 0 0 -358 -358
1516,53 1458,54 1297,94 932,4

Damit kann er in jedem Fall auch einen möglichen Unterhaltsanspruch seiner jetzigen Ehefrau befriedigen, so dass es nicht darauf ankommt, in welcher Höhe diese über Einkünfte aus eigener Erwerbstätigkeit verfügt. Er ist mithin in Höhe der geltend gemachten Unterhaltszahlungen uneingeschränkt leistungsfähig.

5. Der Kläger hat den Anspruch aus übergegangenem Unterhaltsrecht für diesen Zeitraum auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Insofern gilt für Unterhaltsrückstände nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordenen Ansprüchen. Vielmehr spricht gerade bei derartigen Ansprüchen vieles dafür, an das sog. Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer bedrückenden Schuldenlast anwachsen. Die Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen. Ein Unterhaltsanspruch kann aber nicht verwirkt werden kann, bevor er fällig wird. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Kläger aus übergegangenem Recht vorgeht, denn durch den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen wird deren Natur, Inhalt oder Umfang nicht verändert. Deshalb ist es nicht von Bedeutung, dass der Kläger - anders als der ursprüngliche Unterhaltsgläubiger - nicht lebensnotwendig auf die Realisierung der Forderungen angewiesen ist. Er ist aufgrund der Rechtsnatur der Ansprüche gehalten, sich um deren zeitnahe Durchsetzung zu bemühen (vgl. BGH FamRZ 2002, 1698).

Mit der Überleitungsanzeige vom 17. Februar 2006 hat der Kläger vorliegend die Unterhaltsansprüche ab 12. April 2005 zeitnah geltend gemacht. Denn der älteste Unterhaltsanspruch war gerade erst 10 Monate fällig gewesen, der jüngste Unterhaltsanspruch erst im Februar 2006 entstanden. Da der Beklagte gegen die Berechnung Einwendungen erhoben hat, hat der Kläger die Überleitungsanzeige mit Bescheid vom 30. November 2006 geändert. Zwar war zu diesem Zeitpunkt der älteste Unterhaltsanspruch bereits seit 19 Monaten fällig, doch auch dieser Umstand vermag eine Verwirkung nicht zu begründen. Denn neben dem Zeitmoment ist auch ein Umstandsmoment erforderlich, wonach der unterhaltspflichtige Beklagte mit einer Inanspruchnahme nicht mehr hat rechnen müssen. Ein derartiges Umstandsmoment ist vorliegend nicht gegeben. Der Beklagte konnte im November 2006 berechtigterweise nicht damit rechnen, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Denn aufgrund seiner Einwendungen vom 19. März 2006 gegen den Bescheid musste er noch damit rechnen, dass diesen nachgegangen wird und die mit Überleitungsanzeige geltend gemachten Ansprüche - wie denn dann auch geschehen - zumindest teilweise nicht mehr verfolgt werden würden. Er konnte 8 Monate nach Erhebung von Einwendungen nicht damit rechnen, dass der Kläger die Angelegenheit nicht weiterverfolgen werde. Der dann in dieser Angelegenheit korrigierte Bescheid vom 30. November 2006 hat auch nicht beim Beklagten den Anschein erwecken können, dass vorliegend lediglich ein öffentlich-rechtlicher Kostenbeitrag verlangt und nicht mehr ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch geltend gemacht werde. Denn lediglich in dem ebenfalls am 30. November 2006 erlassenen Bescheid, der die übergegangenen Ansprüche aufgrund von Hilfeleistungen für den Zeitraum der Minderjährigkeit des Sohnes Tffff erfasste, war von einem Kostenbeitrag die Rede. In dem Bescheid vom 30. November 2006, der den hiermaßgeblichen Unterhaltsanspruch betrifft, wird deutlich gemacht, dass zivilrechtliche Unterhaltsforderungen gegen den Beklagten geltend gemacht werden. Der Beklagte hat gegen den Bescheid vom 30. November 2006 dann Widerspruch eingelegt und diesen am 23. Februar 2007 begründet. Hierauf ist am 17. September 2007 ein Widerspruchsbescheid ergangen. Auch insoweit liegt zwischen dem Widerspruch und dessen Bescheidung durch den Kläger ein Zeitraum von 7 Monaten, was nicht ausreichend ist, um einen Vertrauen des Beklagten darin zu begründen, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werde. Insgesamt ist zwar der Unterhaltsanspruch erst knapp zwei Jahre, nachdem der letzte übergegangene Unterhaltsanspruch fällig geworden ist, rechtshängig gemacht worden. Aufgrund der zwischenzeitlichen Korrespondenz der Parteien kann der Beklagte aber nicht darauf vertraut haben, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird, denn ein Stillstand in der Verfolgung der Ansprüche von mehr als einem Jahr ist nie eingetreten. Vielmehr haben die Parteien in diesem Zeitraum ihre widerstreitenden Rechtsauffassungen dargetan und der Kläger den Anspruch teilweise auch neu berechnet.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für die Verwirkung sind höchstrichterlich geklärt und der Senat ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Im Übrigen handelt es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung.



Ende der Entscheidung

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