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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.07.2008
Aktenzeichen: 13 WF 58/08
Rechtsgebiete: EGZPO


Vorschriften:

EGZPO § 36 Abs. 1
Keine Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren über Gleichrangigkeit aufgrund langer Ehe (hier 21 und 12 Jahre); auch bei langer Ehedauer und langjähriger Unterhaltszahlung kann Abänderung gem. § 36 Abs. 1 EGZPO grundsätzlich zumutbar sein.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 13 WF 58/08

In der Familiensache

hat der 13. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin am 11. Juli 2008 durch die Richterin am Kammergericht Hennemann als Einzelrichterin beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 1. April 2008 geändert:

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er in Abänderung des Urteils des Kammergerichts vom 26.01.2001 eine Reduzierung der Unterhaltszahlung an die Antragsgegnerin auf 200 EUR monatlich ab Rechtshängigkeit der Klage begehrt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Dem Antragsteller wird im Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung Rechtsanwalt beigeordnet. Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden monatliche Raten von 95 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Abänderungsklage, mit dem Ziel festzustellen, dass er der Antragsgegnerin ab dem 1. Februar 2008 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.

Der am 17. Januar 1930 geborene Antragsteller und die am 8. Mai 1937 geborene Antragsgegnerin schlossen im Februar 1957 die Ehe. Die Ehe wurde im November 1979 geschieden, die Scheidung ist seit dem 7. März 1980 rechtskräftig. Der Antragsteller hat fortlaufend nachehelichen Unterhalt gezahlt. Zuletzt ist durch Urteil des Kammergerichts vom 26. Januar 2001 ein am 11. Januar 1996 vor dem OLG Bamberg geschlossener Vergleich dahingehend geändert worden, dass der hiesige Antragsteller ab Juli 1999 einen monatlichen Unterhalt von 751,39 DM (= 384,18 EUR) zu zahlen hat. Grundlage dieser Unterhaltsverpflichtung waren die Rentenbezüge des Antragstellers (BfA (jetzt DRVB) und VBL) sowie die Rente der Antragsgegnerin, die um gesetzliche Rentensteigerungen erhöht worden ist, sowie eine weitere fiktive Rente von 100 DM berechnet auf das Jahr 1996, die ebenfalls angepasst worden ist. Ferner wurde auf Seiten der Antragsgegnerin ein Wohnwertvorteil von 800 DM berücksichtigt. Der Antragsteller ist seit 8. November 1996 erneut verheiratet.

Mit einer Abänderungsklage vom 12. Oktober 2004 (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - 150 F 15014/04) begehrte der Antragsteller die Feststellung, dass er in Abänderung des Urteils des Kammergerichts keinen Unterhalt mehr schulde. In diesem Verfahren machte der Antragsteller geltend, dass er nach der Ehescheidung einen Karrieresprung gemacht habe, weil er im Juni 1983 von der Gehaltsgruppe BAT IVb in BAT III eingruppiert worden sei, und daher seine Rente nicht in vollem Umfang bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden könne. Mit Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 2. November 2005 ist die Abänderungsklage abgewiesen worden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Einwand des Karrieresprungs präkludiert sei, eine mögliche Unterhaltspflicht der zweiten Ehefrau nicht berücksichtigt werden könne, da diese nachrangig sei und eine Berechnung der Einkommensdifferenz einen rechnerischen Unterhaltsanspruch von nur noch 314 EUR ergebe, aber auch auf Seiten des hiesigen Antragstellers nunmehr ein Wohnwertvorteil zu berücksichtigen sei, so dass er in jedem Fall den titulierten Unterhalt zu leisten habe. Dieses Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig geworden.

Nunmehr begründet der Antragsteller seine Abänderungsklage damit, dass die Antragsgegnerin aufgrund der in § 1569 BGB n.F. normierten Eigenverantwortung für ihren Unterhalt selbst zu sorgen habe. Ehebedingte Nachteile seien durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden, weitere ehebedingte Nachteile seien nicht gegeben. Zudem sei aufgrund der Gesetzesänderung der nicht eheprägende Karrieresprung nunmehr zu berücksichtigen. Ferner sei seine Ehefrau mit der Antragsgegnerin gleichrangig. Diese habe ebenfalls einen Unterhaltsanspruch, weil sie ohne Einkommen sei, noch nicht das Rentenalter erreicht habe und wegen des Einkommens des Antragstellers keine staatlichen Transferleistungen beziehe. Die Antragsgegnerin verfüge mit der Unterhaltsleistung über ein höheres Einkommen als er, der davon noch die Ehefrau zu unterhalten habe. Im Übrigen sei der Unterhaltsanspruch gemäß § 1578b BGB wegen Unbilligkeit herabzusetzen und zeitlich zu begrenzen.

Die Antragsgegnerin ist der beabsichtigten Klage entgegengetreten und behauptet, dass sie an den Folgen einer Krebserkrankung leide. Ein Wohnwert könne nicht mehr auf ihrer Seite einkommenserhöhend berücksichtigt werden, da das Haus in den 50iger Jahren vom Antragsteller in Eigenleistung errichtet worden sei und die nicht fachmännische Ausführung nicht mehr zu sanieren sei. Das Haus sei aufgrund diverser Mängel nicht mehr vermietbar.

Mit Beschluss vom 1. April 2008 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht für die Klage versagt. Das neue Unterhaltsrecht sei vorliegend nicht anzuwenden, da die Parteien 1982 (richtig: 1980) geschieden seien und der Antragsgegnerin eine Abänderung nicht zumutbar sei, da sie aufgrund des langen Bezuges von Unterhaltsleistungen Vertrauensschutz genieße. Im Übrigen sei der Antragsteller aus den Gründen des Urteils vom 2. November 2005 zur Leistung des titulierten Unterhalts verpflichtet.

Hiergegen richtet sich die fristgerechte sofortige Beschwerde des Antragstellers und bezieht sich zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen.

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet, denn die beabsichtige Klage hat zum Teil Aussicht auf Erfolg, so dass dem Antragsteller im Umfang der Erfolgsaussichten Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, § 114 ZPO.

Die Klage hat allerdings keine Aussicht auf Erfolg, soweit der Antragsteller geltend macht, es seien nicht seine tatsächlich bezogenen Renteneinkünfte zu berücksichtigen, da er nach seiner Ansicht 1983 einen nicht eheprägenden Karrieresprung gemacht habe.

Soweit § 36 Nr. 2 EGZPO die Möglichkeit einer Abänderungsklage aufgrund des nunmehr neuen Unterhaltsrechts eröffnet, so kann diese Abänderungsklage nur auf Umstände gestützt werden, die zwar vor Errichtung des vollstreckbaren Titels bestanden haben, die aber nunmehr durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich geworden sind (§ 36 Nr. 1 EGZPO). Damit sind auch weiterhin alle anderen Umstände gem. § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert, die bereits zuvor bestanden haben und die auch nach bisherigem Recht von Bedeutung gewesen sind (vgl. Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, Rdnr. 392). Der Antragsteller kann damit seine Klage nicht mehr auf den Umstand stützen, dass er einen beruflichen Aufstieg gemacht habe, der in den ehelichen Lebensverhältnissen nicht angelegt gewesen sei. Der Antragsteller hätte diesen Umstand in dem ersten nach der von ihm behaupteten ungewöhnlichen und nicht absehbaren Beförderung stattfindenden Gerichtsverfahren geltend machen müssen. Dies ist aber nicht geschehen, denn dem Urteil des Kammergerichts vom 26. Januar 2001 - 13 UF 7746/00 - ist hierzu nichts zu entnehmen, was dafür spricht, dass auch in vorangegangenen Gerichtsverfahren hierzu vom Antragsteller nichts vorgetragen worden ist. Der Antragsteller kann ferner auch nicht mehr geltend machen, dass der Umstand, dass er nunmehr Jahre nach der Scheidung der Ehe mit der Antragsgegnerin ebenfalls in einem eigenen Haus wohnt, nicht ein im Verhältnis zur Antragsgegnerin eheprägender Umstand gewesen ist. Der Antragsteller hat das Urteil des Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg vom 2. November 2005 rechtskräftig werden lassen, so dass auch insoweit eine Bindung eingetreten ist und eine Reduzierung des Unterhalts allein aufgrund einer verminderten Leistungsfähigkeit aufgrund von Umständen, die im Verfahren Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - 150 F 15014/04 - hätten geltend gemacht werden können, nicht in Betracht kommt.

Allerdings kann eine wesentliche Änderung i.S. von § 36 Nr. 1 EGZPO eingetreten sei, wenn die Antragsgegnerin und die 2. Ehefrau des Antragstellers nunmehr aufgrund des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes gemäß §§ 1582, 1609 BGB gleichrangig sind. Ob dies der Fall ist, ist aber bereits zweifelhaft. Die Ehedauer berechnet sich nach dem Zeitraum zwischen Eheschließung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages. Der Scheidungsantrag ist ausweislich des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Charlottenburg vom 22. November 1979 im April 1978 zugestellt worden. Damit dauerte die Ehe des Antragsteller und der Antragsgegnerin mehr als 21 Jahre. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, den Begriff der langen Ehedauer i.S. von § 1609 Nr. 2 BGB zu definieren. Die Kommentarliteratur nimmt an, dass eine solche zumindest nach Ablauf von 15 Jahren, in jeden Fall nach 20 Jahren gegeben ist (vgl. Borth, a.a.O., Rdnr. 252; Kalthoener/Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhaltsrecht, 10.Aufl., Rdnr. 110; Hoppenz/Hülsmann, Der reformierte Unterhalt, § 1609 nF, Rdnr. 20). Die Antragsgegnerin hat damit in jedem Fall einen Unterhaltsanspruch gem. § 1609 Nr. 2 BGB, denn sie war lange mit dem Antragsteller verheiratet, aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen und sie war, was den Gründen des Urteils des Amtsgerichts Charlottenburg vom 20. August 1981 zu entnehmen ist, während der Ehe die weitaus größte Zeit nicht berufstätig, was dem damaligen Familienbild und traditionellen Rollenverständnis auch entsprach.

Eine wesentliche Änderung gem. § 36 Nr. 1 EGZPO kann mithin nur eingetreten sein, wenn die jetzige Ehefrau des Antragstellers, deren Unterhaltsanspruch nach bisheriger Rechtslage gem. §§ 1582 Abs. 2, 1609 BGB a.F. nachrangig gewesen ist, nunmehr gem. §§ 1582, 1609 BGB n.F. gleichrangig ist, d.h. auch die jetzige Ehe des Antragstellers eine Ehe von langer Dauer i.S. von § 1609 Nr. 2 BGB ist. Hieran bestehen allerdings Zweifel. Der Antragsteller ist seit fast 12 Jahren mit seiner jetzigen Ehefrau verheiratet. Ehebedingte Nachteile der jetzigen Ehefrau sind nicht bekannt, sie hat nach dem Vortrag des Antragstellers im Verfahren Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - 150 F 15014/04 - während der Ehe gearbeitet und aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeit aufgegeben müssen und ist seither nicht mehr erwerbstätig. Auch der Umstandes, dass die Ehe mit der Antragsgegnerin mit 21 Jahre fast doppelt so lang wie die gegenwärtige Ehe mit der zweiten Ehefrau bestand, spricht eher gegen eine Gleichrangigkeit. Im Hinblick darauf, dass jedoch aufgrund des neuen Gesetzes hierzu bislang keine eindeutige Rechtsprechung vorhanden ist, kann diese Frage nicht bereits zu Lasten des Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren abschließend geklärt werden.

Selbst wenn man aber eine Gleichrangigkeit der Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin und der jetzigen Ehefrau des Antragstellers annehmen wollte, so ist eine Abänderung nur vorzunehmen, wenn diese Veränderung auch der Antragsgegnerin zumutbar ist (§ 36 Nr. 1 EGZPO). Auch hieran bestehen erhebliche Zweifel. Die mittlerweile 71jährige Antragsgegnerin hat keine Möglichkeit mehr sich auf das geänderte Unterhaltsrecht einzustellen. Sie bezieht seit nunmehr 28 Jahren Unterhalt und durfte sich darauf einstellen, dass sie weiterhin diesen Unterhalt bezieht. Der Verweis des Antragstellers auf § 1569 BGB n.F. geht fehl, denn die Antragsgegnerin kann als Rentnerin, die zudem auch erhebliche gesundheitliche Einschränkungen geltend macht, nicht nach 28jährigem Unterhaltsbezug darauf verwiesen werden, dass sie nunmehr selbst für ihren Unterhalt zu sorgen habe. Eine derartige Verfahrensweise wäre in der Tat unzumutbar. Daher kann aus diesen Gründen auch keine Befristung des Unterhaltsanspruchs gem. § 1578b BGB in Betracht kommen. Es ist allerdings offen, sollte die zweite Ehefrau des Antragstellers gleichrangig sein, ob eine dadurch bedingte Reduzierung des Unterhalts - möglicherweise in geringem Umfang - nicht doch zumutbar sein kann. Hier ist zu bedenken, dass der Antragsteller über ein Einkommen von 1.705,79 EUR verfügt. Die Antragsgegnerin hat eine Rente von 613,25 EUR. Ihr ist weiterhin eine fiktive Rente von 55,96 EUR zuzurechnen sowie ein Wohnwertvorteil von 409,03 EUR, da im Prozesskostenhilfeverfahren zugunsten des Antragstellers weiterhin von dem bisherigen Wohnwertvorteil auszugehen ist. Zwar hat auch der Antragsteller nunmehr einen Wohnwertvorteil, aber die Antragsgegnerin hat aufgrund des zu zahlenden Unterhalts insgesamt Barmittel einschließlich der fiktiven Rente von insgesamt 1.053,39 EUR zur Verfügung. Dem Antragsteller verbleiben nach Abzug des Unterhalts von 384,18 EUR noch 1.321,61 EUR. Hiervon hat er nicht nur seinen eigenen Unterhaltsbedarf, der bei 1.000,- EUR liegt, sondern auch den Unterhaltsbedarf der zweiten Ehefrau, die ohne Einkommen ist, zu decken. Selbst wenn ein Wohnwertvorteil und der Umstand der Haushaltsersparnis aufgrund des Zusammenlebens der Eheleute zu berücksichtigen sind, erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass eine - wenn auch nicht erhebliche Minderung des Unterhalts - der Antragsgegnerin möglicherweise zumutbar ist. Jedenfalls kann im Prozesskostenhilfeverfahren nicht bereits gänzlich eine derartige Zumutbarkeit ausgeschlossen werden, sondern bleibt der Klärung im Hauptverfahren vorbehalten.

Angesichts der bestehenden Unklarheiten wie ein Unterhaltsanspruch bei zwei gleichrangigen Ehefrauen überhaupt berechnet werden kann, können im Prozesskostenhilfeverfahren hierzu auch keine Vorgaben gemacht werden.

Letztlich schätzt der Senat, dass die Zumutbarkeitsgrenze für die Antragsgegnerin in jedem Fall unterschritten ist, wenn der Unterhalt auf einen Betrag von weniger als 200 EUR monatlich gekürzt werden sollte.

Ferner hat die Klage auch nur Aussicht auf Erfolg, soweit eine Abänderung gemäß § 323 Abs. 3 ZPO ab Rechtshängigkeit der Klage begehrt wird.

Soweit die sofortige Beschwerde nicht erfolgreich ist, wird von der Erhebung eine Beschwerdegebühr gem. KV 1812 abgesehen.

Ende der Entscheidung

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