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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.09.2004
Aktenzeichen: 14 U 333/02
Rechtsgebiete: BGB, AktG


Vorschriften:

BGB § 33
AktG § 179
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 333/02

verkündet am : 03. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, die Richterin am Kammergericht Dr. Hollweg-Stapenhorst und den Richter am Kammergericht Jaeschke auf die mündliche Verhandlung vom 03. September 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 28. Oktober 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 101 O 191/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich als Aktionäre der Beklagten im Wege der Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss vom 05. Dezember 2001, durch den die Satzung der Beklagten in § 2 gegen ihren Widerspruch dahin geändert wurde, dass es dort heißt:

(1) Gegenstand des Unternehmens sind der Erwerb, die Verwaltung, Entwicklung und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Die Gesellschaft kann Unternehmen mit ähnlicher oder gleichartiger Tätigkeit gründen, erwerben oder sich daran beteiligen. Hierzu gehört auch die Beteiligung an Gesellschaften unter Übernahme der persönlichen Haftung und Vertretung. Erlaubnispflichtige Geschäfte nach §§ 32, I KWG und als Makler, Bauträger und Baubetreuer nach § 34 c GewO gehören nicht zum Gegenstand der Gesellschaft.

(2) Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die zur Förderung des Gesellschaftszwecks notwendig oder nützlich erscheinen. Die Gesellschaft kann Zweigniederlassungen errichten.

Die bisherige Fassung des § 2 laut Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 26. April 1996 lautete:

Zweck der Gesellschaft ist: Die Verwaltung und Verwertung des eigenen Grundbesitzes.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des am 28. Oktober 2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin verwiesen, durch das die Klage abgewiesen wurde.

Die Kläger wenden sich mit der Berufung gegen die Klageabweisung insgesamt und erstreben Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

Sie tragen vor, die Satzungsänderung verletze ihre Rechte in erheblicher Weise. Es handele sich nicht nur um eine Änderung des Unternehmensgegenstandes sondern um eine Änderung des seit den Satzungsänderungen in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts verfolgten Gesellschaftszwecks, weil vom Zweck der auch aktuell restitutionsbedingt notwendigen Verwaltung eigenen Vermögens mit dem Unternehmensgegenstand der Grundbesitzverwaltung zum anders gelagerten Gesellschaftszweck einer allgemeinen wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Immobiliensektor übergegangen werde. Deshalb hätte die Satzungsänderung gemäß § 33 BGB einstimmig erfolgen müssen.

Der angefochtene Beschluss sei aber auch deshalb nichtig, weil die in der Hauptversammlung nicht vertretene Gnnnn Mnn OHG i. L. 70 % der Aktienrechte innehalte. An diese Gesellschaft sind unstreitig im Zusammenhang mit der Wiedereintragung und Fortsetzung der Beklagten nach dem Jahre 1993 keine Aktienurkunden ausgegeben worden.

Die Kläger beantragen,

den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. 12. 2001, durch welchen die Satzung der Gesellschaft geändert wurde (Punkt 7 der Tagesordnung) für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, eine Beschlussnichtigkeit folge auch nicht aus der fehlenden Beteiligung der Gnnnn Mnn OHG i. L.. Die Satzungsänderung stelle lediglich eine Änderung des Unternehmensgegenstandes dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kläger sind gemäß § 245 Ziffer 1 AktG zwar anfechtungsberechtigt. Der angefochtene Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 05. Dezember 2001 ist jedoch nicht nichtig.

Zunächst kann die von den Klägern vorgetragene Aktionärsstellung der Gnnnn Mnn OHG i. L. der Anfechtungsklage nicht zum Erfolg verhelfen. Unter zutreffender tatsächlicher Würdigung hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass ein insoweit etwa bestehender Anfechtungsgrund nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG geltend gemacht wurde. Nach bislang nicht aufgegebener ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind nachgeschobene Anfechtungsgründe unbeachtlich (vgl. Hüffer, Aktiengesetz, 6. Auflage 2004, § 246 Rn. 26 m. w. Nachw.).

Im vorliegenden Fall ist auch nicht ersichtlich, welchen Anfechtungsgrund die fehlende Berücksichtigung der Gnnnn Mnnn OHG i. L. ausfüllen soll. Der hier mangels abweichender Satzungsbestimmung eingreifende § 179 Abs. 2 S. 1 AktG verlangt für Satzungsänderungen eine Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen, nicht aber des insgesamt bestehenden Kapitals. Eine ordnungsgemäße Einberufung der Hauptversammlung wird auch von den Klägern nicht in Abrede gestellt. Deshalb käme es nach § 245 Ziffer 2 AktG nur noch darauf an, ob die Gnnnn Mnn OHG i.L. zu Unrecht bei der Hauptversammlung nicht zugelassen wurden. Das tragen die Kläger nicht vor.

Ob die Gnnnn Mnn OHG i. L. (noch) Aktionärin der Beklagten ist, braucht daher nicht entschieden zu werden. Auch eine ggfls. die Anfechtung stützende und ohne Fristwahrung zu berücksichtigende Beschlussnichtigkeit (Hüffer, a.a.O., § 249 Rn. 19) ist nicht erkennbar. Die fehlende Teilnahme der Gnnn r Mnn OHG i. L. füllt keinen gesetzlichen Nichtigkeitsgrund aus, insbesondere ist § 241 AktG dadurch nicht verletzt. Die Beschlussfassung ohne die Mnn OHG i. L. stellt sich weiter auch nicht als Nicht- oder Scheinbeschlussfassung dar (vgl. dazu Hüffer, a.a.O., § 241 Rn. 3). Insoweit bestimmten hier nicht gänzlich Unzuständige über Verlauf und Ergebnis der Hauptversammlung sondern berechtigte Inhaber von Aktienrechten der Beklagten.

Die mit Dreiviertelmehrheit zustande gekommene Beschlussfassung über die hier angefochtene Satzungsänderung in § 2 entsprach sodann § 179 Abs. 2 S. 1,2 AktG. Einstimmigkeit gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB war nicht notwendig. Der Senat verweist insoweit nach erneuter Prüfung auf seinen Beschluss vom 12. August 2002 aus dem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit zur Geschäftsnummer 14 W 57/02 (= 101 O 92/01 LG Berlin). Die Ausführungen zur dort streitigen Satzungsänderung vom 29. Mai 2001 treffen auch für die hier angefochtene Änderung des § 2 zu, weil der Wortlaut insoweit nur unwesentlich in einzelnen Formulierungen verändert wurde. Hier wie im dort entschiedenen Fall gilt:

Selbst wenn man im weitestgehenden Umfange § 33 Abs. 1 S. 2 BGB mit der Folge der notwendigen Einstimmigkeit auf Gesellschaftszweckänderungen anwenden wollte, dann kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, weil jedenfalls eine Änderung des Gesellschaftszwecks nicht vorliegt.

Auch nach den weitesten Definitionen des Begriffes des Gesellschaftszweckes setzt seine Änderung Veränderung der faktischen Geschäftsgrundlage des Zusammenschlusses der Gesellschafter voraus. Insoweit mögen bereits grundlegende Änderungen des konkreten Unternehmensgegenstandes den bisherigen Gesellschaftszweck berühren, ohne dass erst die Ebene der zweifellos in diesem Sinne grundlegenden Fragen der erwerbswirtschaftlichen, karitativen oder konzernmäßigen Ausrichtung der Gesellschaft erreicht werden muss (vgl. die Beispiele bei Pentz, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage 2000, § 23 Rn. 77: Umwandlung einer auf eine spezielle Heilbehandlung ausgerichteten Gesellschaft in eine Betreibergesellschaft für ein allgemeines Krankenhaus, Umstellung von der Förderung alternativer Energien auf Betrieb von Atomkraft, Fallenlassen prägender ökologischer Zielsetzungen). Zu Gunsten der Kläger mag deshalb im Folgenden der Begriff der Zweckänderungen im eigentlichen vereinsrechtlichen Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 BGB zugrunde gelegt werden. Danach ist Vereinszweck nur derjenige enge Satzungsbestandteil, in dem der oberste Leitsatz für die Vereinstätigkeit zum Ausdruck gebracht wird, und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann, dem Vereinzweck fällt mithin die Aufgabe zu, dem Verband ein festes Ziel zu geben, das nicht ohne weiteres geändert werden kann, der Zweck ändert sich daher nur, wenn der Charakter des Vereins sich ändert (BGHZ 96, S. 245/251f.).

Die hier fragliche Änderung des Unternehmensgegenstandes bedeutete im Kern den Übergang von der aktiv ihren eigenen bestehenden Grundbesitz verwaltenden und verwertenden Aktiengesellschaft zur aktiv darüber hinaus nun auch allgemein in der Grundstücksbranche durch Kauf und Verkauf bzw. Beteiligung an anderen Grundstücksgesellschaften tätigen Gesellschaft. Damit aber hat die Beklagte ihren Charakter nicht grundlegend geändert. Mit "neuen" Grundstücksgeschäften mussten die Aktionäre bereits aufgrund des bestehenden Unternehmensgegenstandes rechnen, weil die Verwaltung und Verwertung des eigenen Grundbesitzes auch z. B. durch Grundstückstausch oder Gesellschaftsbeteiligungen o. ä. hätte geschehen können. Die obersten Leitbegriffe der Geschäftstätigkeit der Beklagten könnten unverändert mit "Grundstücksverwaltung" und "Grundstücksgeschäften" beschrieben werden.

Die gegen die vorstehend angeführte Beschlussbegründung gerichteten Erwägungen der Kläger in der Berufungsbegründung veranlassen den Senat demgegenüber nicht zu einer anderweitigen Beurteilung. Es kann nicht angenommen werden, dass für den Gesellschaftsverband der Beklagten die Verwaltung bzw. Verwertung nur und ausschließlich eigenen Grundbesitzes in einem derartigen Maße schlechthin konstituierend gewesen sein soll, dass jede sonstige Tätigkeit auf dem Grundstücksmarkt eine so grundlegende Veränderung darstellt, dass alle Gesellschafter diese Erweiterung der Unternehmenstätigkeit als ganz überraschend und dem bisherigen Tätigkeitsfeld als völlig wesensfremd ansehen mussten. Rein begrifflich ist auch die Unterscheidung der Kläger nicht zwingend, Gesellschaftszweck sei die Verwaltung eigenen Vermögens, Unternehmensgegenstand die Verwaltung des Vermögens in Gestalt von eigenem Grundbesitz. Ohne begriffliche Mühe insbesondere vor dem Hintergrund der von den Klägern vorgetragenen Satzungsänderungen in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts könnte man auch als Zweck die Tätigkeit im Immobilienbereich und den Gegenstand als Verwaltung eigener Immobilien definieren. Bei der Frage der Anwendbarkeit des § 33 BGB auf die Aktiengesellschaft muss aber darauf Acht gegeben werden, dass nicht das schwerwiegende, die Flexibilität der Gesellschaft bedrohende Einstimmigkeitsprinzip von letztlich auch für den Streitfall im Ergebnis nicht vorhersehbarer begrifflicher Beliebigkeit abhängig wird. Es geht vielmehr im Sinne der vorstehend zitierten Entscheidung des BGH um den Schutz der Aktionäre, der hier die Einstimmigkeit nicht erfordert. Abschließend mag noch auf die Rechtsprechung des BGH zur Notwendigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen im Bereich der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands hingewiesen werden (vgl. zuletzt BGH, Urteile vom 26. April 2004, II ZR 154/02 und 155/02). Selbst für "tiefgreifende Eingriffe in die Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre" belässt es der BGH bei der Notwendigkeit der Dreiviertelmehrheit des § 179 Abs. 2 S. 1 AktG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Ziffer 8 EGZPO.

Die Revision war gemäß den §§ 26 Nr. 7 S. 1 EGZPO, 543 Abs. 1,2 ZPO nicht zuzulassen. Denn der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, da er keine entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfragen aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen oder die Interessen der Allgemeinheit berühren; ebenso erfordern auch die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zulassung nicht, da insbesondere von bisheriger Rechtsprechung nicht abgewichen wird (vgl. allg. u.a. BGH NJW 2002, S. 2473ff., NJW 2003, S. 65ff.).

Ende der Entscheidung

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